der_gemeinderat_Ausgabe_3_2017
März-Ausgabe der Fachzeitschrift "der gemeinderat" mit Schwerpunkt Integration
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ÖFFENTLICHER RAUM<br />
Planen & Bauen<br />
Graffiti-Entfernung:<br />
Schmierereien zu beseitigen,<br />
ohne sichtbare Schäden<br />
am Mauerwerk zu hinterlassen,<br />
gerät schnell zur Kärrnerarbeit.<br />
Dies gilt beson<strong>der</strong>s bei<br />
historischer Bausubstanz<br />
etwa aus Naturstein.<br />
Graffiti-Entfernung<br />
Der Teufel<br />
steckt im<br />
Detail<br />
Farbschmierereien an Fassaden und<br />
Anlagen sind nicht nur optisch ein<br />
Ärgernis. Ihre Beseitigung ist auch<br />
aufwendig und teuer. Und wird dabei<br />
nicht professionell gearbeitet, können<br />
Schäden am Untergrund entstehen.<br />
Was ist bei <strong>der</strong> Entfernung und dem<br />
vorbeugenden Schutz zu beachten?<br />
Foto: Lucastor/Fotolia<br />
Ist das Kunst o<strong>der</strong> kann das professionell<br />
entfernt werden? Beim<br />
Thema Graffiti stehen Kommunen<br />
vor <strong>der</strong> Frage, in welchem Umfang<br />
gesäubert werden soll. Die Entfernung<br />
<strong>der</strong> Schmierereien verursacht<br />
einen enormen Aufwand – und beträchtliche<br />
Kosten. Prävention und<br />
Beseitigung haben indessen einen<br />
innovativen Wirtschaftszweig entstehen<br />
lassen.<br />
Als attraktive Objekte gelten<br />
Gebäude mit einer Fassade an <strong>der</strong><br />
Straßenseite. Reihenhaussiedlungen<br />
werden eher selten von<br />
Sprayern heimgesucht. Aus gutem<br />
Grund, denn Ziel <strong>der</strong> Sprayer ist<br />
– neben künstlerischer Verwirklichung<br />
– das Ringen um Aufmerksamkeit.<br />
Die lässt sich am besten<br />
durch Graffitis an möglichst gut<br />
einsehbaren Orten erreichen. Das<br />
lässt die Schadensmeldungen in<br />
Ballungsgebieten gegenüber denen<br />
im ländlichen Raum um einiges höher<br />
ausfallen. Für München rechnete die<br />
Polizei 2015 mit Gesamtschäden von<br />
1,2 Millionen Euro, allerdings ist die<br />
Summe eine grobe Schätzung.<br />
Oftmals werden Schmierereien<br />
erst gar nicht zur Anzeige gebracht.<br />
Das ist ein massives Problem, seit<br />
sich die Versicherungsbranche aus<br />
<strong>der</strong> Schadensregulierung zurückgezogen<br />
hat. Ähnlich wie bei Elementarschäden<br />
in Hochwassergebieten<br />
tendieren die Chancen inzwischen gegen<br />
null, im Rahmen einer herkömmlichen Gebäudeversicherung<br />
gegen Graffitischäden<br />
gewappnet zu sein.<br />
Stattdessen setzen viele Hausverwaltungen<br />
und Kommunen auf Eigeninitiative.<br />
Die ist auch vonnöten, denn <strong>der</strong> Polizei<br />
bleibt kaum mehr als die Protokollierung<br />
<strong>der</strong> entstandenen Schäden. Immerhin:<br />
Überführten Tätern droht neben einer<br />
strafrechtlichen auch eine zivilrechtliche<br />
Verfolgung. Bis zu 30 Jahre nach <strong>der</strong> Verurteilung<br />
können Geschädigte finanzielle<br />
Ansprüche geltend machen. Drakonische<br />
Maßnahmen wie die Prügelstrafe, zu <strong>der</strong><br />
jüngst zwei Leipziger Sprayer in Singapur<br />
verurteilt wurden, gibt es hierzulande<br />
nicht. Als erstaunlich konsequent kann<br />
dennoch ein Urteil des Augsburger Amtsgerichts<br />
gelten, das einen 25-Jährigen wegen<br />
knapp 500 angebrachter Graffitis zu einer<br />
zehnmonatigen Bewährungsstrafe und<br />
12 000 Euro Schadensersatz verurteilte.<br />
Das war im Jahr 2012, drei Jahre später<br />
wurde er erneut beim Sprühen ertappt und<br />
wan<strong>der</strong>te für 15 Monate ins Gefängnis.<br />
AUF DIE DOSIS KOMMT’S AN<br />
Mehr noch als Privateigentümer stehen<br />
Kommunen vor <strong>der</strong> Frage des richtigen<br />
Umgangs mit Graffitis. Seit Aufkommen<br />
des Phänomens und <strong>der</strong> gesteigerten öffentlichen<br />
Wahrnehmung hat sich eine<br />
Branche entwickelt, die auf die Beseitigung<br />
von Sprühdosen-Verunreinigungen<br />
spezialisiert ist. Dienstleister wie beispielsweise<br />
Graffiti-Guard aus Wiesbaden bieten<br />
spezielle Verfahren <strong>der</strong> Entfernung an.<br />
Die Sache ist erstaunlich komplex: Entfernen,<br />
ohne Schäden am Mauerwerk zu<br />
hinterlassen, und kommenden Schmierereien<br />
vorbeugen, gerät schnell zur Kärrnerarbeit.<br />
Gerade bei historischer Bausubstanz.<br />
Zwar lässt sich grundsätzlich je<strong>der</strong><br />
Untergrund säubern, die dafür benötigten<br />
Mittel und Methoden sind jedoch höchst<br />
unterschiedlich.<br />
Die Dosis sorgt für Sauberkeit: Ein dem<br />
Untergrund entsprechend zusammengestelltes<br />
Mittel weicht die ätzende Farbschicht<br />
auf. Im flüssigen Zustand kommt<br />
dann <strong>der</strong> Heißwasser-Strahler zum Einsatz<br />
und spült die Wände frei. In den unteren<br />
Schichten bleiben allerdings blasse Flecken<br />
und Farbrän<strong>der</strong> zurück, die mittels<br />
alkalischer Flüssigkeiten bekämpft werden.<br />
Abschließend werden durch Lösungsmittel<br />
die letzten Schattierungen entfernt.<br />
Das klingt überschaubar, doch gerät<br />
schnell zur Herausfor<strong>der</strong>ung. Der Fleckenteufel<br />
steckt im Detail. Die Graffiti-Entfernung<br />
gelingt auf glatten, gestrichenen<br />
Oberflächen leichter als auf rauen, unverputzten<br />
aus Naturstein. Dafür verschwindet<br />
mit dem Graffiti auf einer gestrichenen<br />
o<strong>der</strong> lackierten Oberfläche auch gleich die<br />
Untergrundfarbe.<br />
EMPFINDLICHER NATURSTEIN<br />
Bei mineralischen Flächen – im öffentlichen<br />
Raum meistens Beton und Sandstein<br />
– muss die Prozedur mehrmals wie<strong>der</strong>holt<br />
werden, da die Farbe wegen des<br />
fehlenden Verputzes tief in die Substanz<br />
eindringt. Das gleiche Szenario gilt für die<br />
Wände und Mauern aus Naturstein.<br />
Bei betroffenen Metallen mit Pulverbeschichtung,<br />
beispielsweise Gelän<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
Treppenaufgänge in Parkhäusern, gerät<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Entfernung die gesamte<br />
Beschichtung in Gefahr und muss häufig<br />
neu aufgetragen werden. Und Metalle<br />
ohne Lackierung hinterlassen nach <strong>der</strong><br />
Reinigung Rückstände, denen kaum beizukommen<br />
ist.<br />
Für die selbstständige Reinigung heißt<br />
das, Kosten und Aufwand entsprechend<br />
zu kalkulieren und zusätzlichen Aufwand<br />
einzuplanen – o<strong>der</strong> einen Fachbetrieb einzuschalten.<br />
Dienstleister berechnen rund<br />
500 Euro für zehn Quadratmeter, Anfahrtskosten,<br />
Personal und vor allem Gerätschaften<br />
inklusive. Eine sinnvolle Prävention<br />
schlägt zusätzlich mit etwa 20 Euro pro<br />
Quadratmeter zu Buche. Ein solcher dauerhafter<br />
Schutz bedarf allerdings nach fünf<br />
Jahren <strong>der</strong> Erneuerung, die Hälfte <strong>der</strong> Kosten<br />
fällt für einen vorübergehenden Schutz<br />
an. Bereits nach zwei Jahren muss dann<br />
die Prozedur wie<strong>der</strong>holt werden. Positiver<br />
Nebeneffekt: Ein <strong>der</strong>artiges Vorbeugen hilft<br />
auch gegen witterungsbedingte Einflüsse<br />
und allgemeine Schmutzablagerungen.<br />
Je größer die Graffiti, desto eher lohnt<br />
sich eine Entfernung gegen Entgelt. Bei<br />
überschaubaren Verunreinigungen kann<br />
auch <strong>der</strong> Einsatz in Eigenregie weiterhelfen.<br />
Standard-Mittel für die üblichen<br />
Untergründe beginnen bei zehn Euro je<br />
Zehn-Liter-Kanister und müssen in <strong>der</strong><br />
Regel mehrmals verwendet werden. Mit<br />
<strong>der</strong> Anfälligkeit <strong>der</strong> Bausubstanz steigt allerdings<br />
<strong>der</strong> Preis.<br />
Till Röcke<br />
ANTI-GRAFFITI-PROFIS<br />
Im Fall <strong>der</strong> Fälle ist es mit dem Eimer<br />
Farbe nicht getan. Um verunstaltete<br />
Wände wie<strong>der</strong> in den Ursprungszustand<br />
zu versetzen, bedarf es professioneller<br />
Unterstützung. Die kann nicht je<strong>der</strong><br />
leisten, und schon gar nicht mit selbst<br />
angerührten Hausmitteln. Welche<br />
Betriebe auf den Anti-Graffiti-Einsatz<br />
spezialisiert sind, zeigt die Gütegemeinschaft<br />
Anti-Graffiti auf ihrer Website im<br />
Überblick. Die Organisation prüft und<br />
bewertet seit 1997 die marktüblichen<br />
Reinigungsmethoden und bietet interessierten<br />
Dienstleistern Schulungen<br />
an. Als Mitglied im Deutschen Institut<br />
für Gütesicherung und Kennzeichnung<br />
verleiht sie das RAL-Gütesiegel für<br />
qualitätsgeprüfte Produkte.<br />
(www.anti-graffiti-verein.de ><br />
Dienstleistungen > Übersicht)<br />
DER AUTOR<br />
Till Röcke, München, ist freier Autor und<br />
Texter<br />
<strong>der</strong> gemein<strong>der</strong>at 3/17<br />
<strong>der</strong> gemein<strong>der</strong>at 3/17<br />
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