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März-Ausgabe der Fachzeitschrift "der gemeinderat" mit Schwerpunkt Integration

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ÖFFENTLICHER RAUM<br />

Planen & Bauen<br />

Graffiti-Entfernung:<br />

Schmierereien zu beseitigen,<br />

ohne sichtbare Schäden<br />

am Mauerwerk zu hinterlassen,<br />

gerät schnell zur Kärrnerarbeit.<br />

Dies gilt beson<strong>der</strong>s bei<br />

historischer Bausubstanz<br />

etwa aus Naturstein.<br />

Graffiti-Entfernung<br />

Der Teufel<br />

steckt im<br />

Detail<br />

Farbschmierereien an Fassaden und<br />

Anlagen sind nicht nur optisch ein<br />

Ärgernis. Ihre Beseitigung ist auch<br />

aufwendig und teuer. Und wird dabei<br />

nicht professionell gearbeitet, können<br />

Schäden am Untergrund entstehen.<br />

Was ist bei <strong>der</strong> Entfernung und dem<br />

vorbeugenden Schutz zu beachten?<br />

Foto: Lucastor/Fotolia<br />

Ist das Kunst o<strong>der</strong> kann das professionell<br />

entfernt werden? Beim<br />

Thema Graffiti stehen Kommunen<br />

vor <strong>der</strong> Frage, in welchem Umfang<br />

gesäubert werden soll. Die Entfernung<br />

<strong>der</strong> Schmierereien verursacht<br />

einen enormen Aufwand – und beträchtliche<br />

Kosten. Prävention und<br />

Beseitigung haben indessen einen<br />

innovativen Wirtschaftszweig entstehen<br />

lassen.<br />

Als attraktive Objekte gelten<br />

Gebäude mit einer Fassade an <strong>der</strong><br />

Straßenseite. Reihenhaussiedlungen<br />

werden eher selten von<br />

Sprayern heimgesucht. Aus gutem<br />

Grund, denn Ziel <strong>der</strong> Sprayer ist<br />

– neben künstlerischer Verwirklichung<br />

– das Ringen um Aufmerksamkeit.<br />

Die lässt sich am besten<br />

durch Graffitis an möglichst gut<br />

einsehbaren Orten erreichen. Das<br />

lässt die Schadensmeldungen in<br />

Ballungsgebieten gegenüber denen<br />

im ländlichen Raum um einiges höher<br />

ausfallen. Für München rechnete die<br />

Polizei 2015 mit Gesamtschäden von<br />

1,2 Millionen Euro, allerdings ist die<br />

Summe eine grobe Schätzung.<br />

Oftmals werden Schmierereien<br />

erst gar nicht zur Anzeige gebracht.<br />

Das ist ein massives Problem, seit<br />

sich die Versicherungsbranche aus<br />

<strong>der</strong> Schadensregulierung zurückgezogen<br />

hat. Ähnlich wie bei Elementarschäden<br />

in Hochwassergebieten<br />

tendieren die Chancen inzwischen gegen<br />

null, im Rahmen einer herkömmlichen Gebäudeversicherung<br />

gegen Graffitischäden<br />

gewappnet zu sein.<br />

Stattdessen setzen viele Hausverwaltungen<br />

und Kommunen auf Eigeninitiative.<br />

Die ist auch vonnöten, denn <strong>der</strong> Polizei<br />

bleibt kaum mehr als die Protokollierung<br />

<strong>der</strong> entstandenen Schäden. Immerhin:<br />

Überführten Tätern droht neben einer<br />

strafrechtlichen auch eine zivilrechtliche<br />

Verfolgung. Bis zu 30 Jahre nach <strong>der</strong> Verurteilung<br />

können Geschädigte finanzielle<br />

Ansprüche geltend machen. Drakonische<br />

Maßnahmen wie die Prügelstrafe, zu <strong>der</strong><br />

jüngst zwei Leipziger Sprayer in Singapur<br />

verurteilt wurden, gibt es hierzulande<br />

nicht. Als erstaunlich konsequent kann<br />

dennoch ein Urteil des Augsburger Amtsgerichts<br />

gelten, das einen 25-Jährigen wegen<br />

knapp 500 angebrachter Graffitis zu einer<br />

zehnmonatigen Bewährungsstrafe und<br />

12 000 Euro Schadensersatz verurteilte.<br />

Das war im Jahr 2012, drei Jahre später<br />

wurde er erneut beim Sprühen ertappt und<br />

wan<strong>der</strong>te für 15 Monate ins Gefängnis.<br />

AUF DIE DOSIS KOMMT’S AN<br />

Mehr noch als Privateigentümer stehen<br />

Kommunen vor <strong>der</strong> Frage des richtigen<br />

Umgangs mit Graffitis. Seit Aufkommen<br />

des Phänomens und <strong>der</strong> gesteigerten öffentlichen<br />

Wahrnehmung hat sich eine<br />

Branche entwickelt, die auf die Beseitigung<br />

von Sprühdosen-Verunreinigungen<br />

spezialisiert ist. Dienstleister wie beispielsweise<br />

Graffiti-Guard aus Wiesbaden bieten<br />

spezielle Verfahren <strong>der</strong> Entfernung an.<br />

Die Sache ist erstaunlich komplex: Entfernen,<br />

ohne Schäden am Mauerwerk zu<br />

hinterlassen, und kommenden Schmierereien<br />

vorbeugen, gerät schnell zur Kärrnerarbeit.<br />

Gerade bei historischer Bausubstanz.<br />

Zwar lässt sich grundsätzlich je<strong>der</strong><br />

Untergrund säubern, die dafür benötigten<br />

Mittel und Methoden sind jedoch höchst<br />

unterschiedlich.<br />

Die Dosis sorgt für Sauberkeit: Ein dem<br />

Untergrund entsprechend zusammengestelltes<br />

Mittel weicht die ätzende Farbschicht<br />

auf. Im flüssigen Zustand kommt<br />

dann <strong>der</strong> Heißwasser-Strahler zum Einsatz<br />

und spült die Wände frei. In den unteren<br />

Schichten bleiben allerdings blasse Flecken<br />

und Farbrän<strong>der</strong> zurück, die mittels<br />

alkalischer Flüssigkeiten bekämpft werden.<br />

Abschließend werden durch Lösungsmittel<br />

die letzten Schattierungen entfernt.<br />

Das klingt überschaubar, doch gerät<br />

schnell zur Herausfor<strong>der</strong>ung. Der Fleckenteufel<br />

steckt im Detail. Die Graffiti-Entfernung<br />

gelingt auf glatten, gestrichenen<br />

Oberflächen leichter als auf rauen, unverputzten<br />

aus Naturstein. Dafür verschwindet<br />

mit dem Graffiti auf einer gestrichenen<br />

o<strong>der</strong> lackierten Oberfläche auch gleich die<br />

Untergrundfarbe.<br />

EMPFINDLICHER NATURSTEIN<br />

Bei mineralischen Flächen – im öffentlichen<br />

Raum meistens Beton und Sandstein<br />

– muss die Prozedur mehrmals wie<strong>der</strong>holt<br />

werden, da die Farbe wegen des<br />

fehlenden Verputzes tief in die Substanz<br />

eindringt. Das gleiche Szenario gilt für die<br />

Wände und Mauern aus Naturstein.<br />

Bei betroffenen Metallen mit Pulverbeschichtung,<br />

beispielsweise Gelän<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />

Treppenaufgänge in Parkhäusern, gerät<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Entfernung die gesamte<br />

Beschichtung in Gefahr und muss häufig<br />

neu aufgetragen werden. Und Metalle<br />

ohne Lackierung hinterlassen nach <strong>der</strong><br />

Reinigung Rückstände, denen kaum beizukommen<br />

ist.<br />

Für die selbstständige Reinigung heißt<br />

das, Kosten und Aufwand entsprechend<br />

zu kalkulieren und zusätzlichen Aufwand<br />

einzuplanen – o<strong>der</strong> einen Fachbetrieb einzuschalten.<br />

Dienstleister berechnen rund<br />

500 Euro für zehn Quadratmeter, Anfahrtskosten,<br />

Personal und vor allem Gerätschaften<br />

inklusive. Eine sinnvolle Prävention<br />

schlägt zusätzlich mit etwa 20 Euro pro<br />

Quadratmeter zu Buche. Ein solcher dauerhafter<br />

Schutz bedarf allerdings nach fünf<br />

Jahren <strong>der</strong> Erneuerung, die Hälfte <strong>der</strong> Kosten<br />

fällt für einen vorübergehenden Schutz<br />

an. Bereits nach zwei Jahren muss dann<br />

die Prozedur wie<strong>der</strong>holt werden. Positiver<br />

Nebeneffekt: Ein <strong>der</strong>artiges Vorbeugen hilft<br />

auch gegen witterungsbedingte Einflüsse<br />

und allgemeine Schmutzablagerungen.<br />

Je größer die Graffiti, desto eher lohnt<br />

sich eine Entfernung gegen Entgelt. Bei<br />

überschaubaren Verunreinigungen kann<br />

auch <strong>der</strong> Einsatz in Eigenregie weiterhelfen.<br />

Standard-Mittel für die üblichen<br />

Untergründe beginnen bei zehn Euro je<br />

Zehn-Liter-Kanister und müssen in <strong>der</strong><br />

Regel mehrmals verwendet werden. Mit<br />

<strong>der</strong> Anfälligkeit <strong>der</strong> Bausubstanz steigt allerdings<br />

<strong>der</strong> Preis.<br />

Till Röcke<br />

ANTI-GRAFFITI-PROFIS<br />

Im Fall <strong>der</strong> Fälle ist es mit dem Eimer<br />

Farbe nicht getan. Um verunstaltete<br />

Wände wie<strong>der</strong> in den Ursprungszustand<br />

zu versetzen, bedarf es professioneller<br />

Unterstützung. Die kann nicht je<strong>der</strong><br />

leisten, und schon gar nicht mit selbst<br />

angerührten Hausmitteln. Welche<br />

Betriebe auf den Anti-Graffiti-Einsatz<br />

spezialisiert sind, zeigt die Gütegemeinschaft<br />

Anti-Graffiti auf ihrer Website im<br />

Überblick. Die Organisation prüft und<br />

bewertet seit 1997 die marktüblichen<br />

Reinigungsmethoden und bietet interessierten<br />

Dienstleistern Schulungen<br />

an. Als Mitglied im Deutschen Institut<br />

für Gütesicherung und Kennzeichnung<br />

verleiht sie das RAL-Gütesiegel für<br />

qualitätsgeprüfte Produkte.<br />

(www.anti-graffiti-verein.de ><br />

Dienstleistungen > Übersicht)<br />

DER AUTOR<br />

Till Röcke, München, ist freier Autor und<br />

Texter<br />

<strong>der</strong> gemein<strong>der</strong>at 3/17<br />

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