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COMPACT-Magazin | ERSTAUSGABE | 12-2010

Sog. 'Nullnummer' des erfolgreichen gesellschaftspolitischen Nachrichten-Magazins

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<strong>COMPACT</strong><br />

Dezember<br />

länder in Berlin. Die Bauzeichnung der<br />

Ehrenfelder Großmoschee – des «neu -<br />

en Kölner Doms» – ist eine eindrucksvolle<br />

symbolische Demonstration der<br />

Macht. Da ist es verständlich, wenn<br />

sich Angst und Wut auf «die Musels»<br />

weiter verbreiten. Zunehmend stehen<br />

sie für alles Böse dieser Welt: «Politisch<br />

inkorrekte Westler» wie Broder erklären,<br />

die islamische Religion sei in Wirklichkeit<br />

eine aggressive politische Ide -<br />

ologie, ihr Religions stifter bereits sei<br />

ein Krieger und ein Kinderschänder<br />

gewesen. Die Muslime seien kulturell,<br />

moralisch und ökonomisch rückständig,<br />

und ihre Religion habe anders als<br />

das Christentum im Westen eine «Aufklärung»<br />

nie erfahren.<br />

Schließlich würden Moslems in weni<br />

gen Jahrzehnten bereits demographi -<br />

sch im Westen die Macht ergreifen. Ein<br />

Blick in die Neugeborenenab teilung eines<br />

Krankenhauses in einer beliebigen<br />

westlichen Großstadt sagt dazu mehr<br />

als tausend Worte.<br />

Gerade die Angst aber vor der<br />

Macht übernahme durch künftige muslimische<br />

Mehrheiten im alten Europa<br />

zeigt, dass wir es auch heute lediglich<br />

mit einem Blick in den Spiegel zu tun<br />

haben. Denn würden die westlichen<br />

Gesellschaften nicht selbst absterbende<br />

sein und wäre die Geburtenrate bei den<br />

Einheimischen nicht tendenziell eine<br />

Selbstmordrate, so würden nicht andere<br />

jene Macht an sich reißen können.<br />

Mohammedaner vermehren sich, der<br />

Westen ist verbraucht, alt, gebrechlich,<br />

lendenlahm und überlebt nur noch<br />

notdürftig auf Pump. In einer solchen<br />

Gesellschaft wird die Selbsttötung<br />

eines unscheinbaren und vergleichswei<br />

se wenig bekannten Torhüters als<br />

kollek tives emotionales Großereignis<br />

ze lebriert wie andernorts und zu an -<br />

de rer Zeit der im Kampf gefallene «unbekannte<br />

Soldat». Was zuweilen als<br />

«Land nahme» bezeichnet wird, ist deshalb<br />

eher eine milde «Landgabe».<br />

Doch schauen wir uns die Vorwürfe<br />

der Spiegelfechter noch einmal ge nau -<br />

er an: Im ehemals christlichen Westen<br />

folgten nach der Aufklärung Kommunismus,<br />

Nationalsozialismus und Sozi<br />

al demokratismus – und in der Fol -<br />

ge dieser Ideologien das inflationäre<br />

Papiergeldsystem sowie Abermil lionen<br />

Ermordete und Beraubte. Wo finden<br />

wir mit dem Gulag, dem «großen<br />

Sprung nach vorn» und dem Holocaust<br />

auch nur entfernt Vergleichbares im<br />

«unaufgeklärten moslemischen Kulturraum»?<br />

Die schlimmsten Verbrechen,<br />

die gegen die Armenier, wurden<br />

auch dort ausgerechnet von den «aufgeklärten»<br />

Jungtürken begangen, die<br />

sich an westlichen Modernisierern<br />

orientierten.<br />

Wessen Armeen<br />

stehen seit mehr als<br />

100 Jahren in<br />

wessen Kulturraum?<br />

damentalistischen wie US-ergebenen<br />

Saudis kostete etwa 400.000 Muslime<br />

das Leben. Die wenigen Terroristen unter<br />

mehr als einer Milliarde Muslimen<br />

haben finanziell, bildungsspezifisch<br />

und kulturell weit überdurchschnittlich<br />

häufigen Kontakt zu westlichen<br />

Gesellschaften im allgemeinen, zu deren<br />

Ideologien im besonderen und zu<br />

ihren Geheimdiensten im speziellen.<br />

Die gesamte Geschichte der RAF stellt<br />

sich 30 Jahre später von Kurras über<br />

Baader und Mahler bis Viett als in jedem<br />

Schritt beobachtet, wenn nicht gar<br />

inszeniert von diversen Geheimdiensten<br />

heraus. Was werden wir in 30 Jahren<br />

über den «islamistischen Terrorismus»<br />

erfahren, von dem bereits heute<br />

auffällig viele entsprechende Querver -<br />

bindungen bekannt sind?<br />

Und die Intoleranz? Die Sultane<br />

ließen im 15. und 16. Jahrhundert mehr<br />

als 10.000 aus Spanien vertriebene Juden<br />

in der heutigen Türkei siedeln. Das<br />

Osmanische Reich war wie jetzt noch<br />

das Russische ein Vielvölkerreich und<br />

im Vergleich zum «aufgeklärten 20.<br />

Jahrhundert» ausgesprochen tolerant<br />

gegenüber Minderheiten. Noch heute<br />

leben im Iran Juden und Christen weitgehend<br />

unbehelligt, sie praktizieren ih -<br />

re Religion in ihren Kirchen und Syna -<br />

Und was den aggressiven,<br />

kriegerischen und terroristischen Islam<br />

betrifft: Wessen Armeen stehen seit<br />

mehr als 100 Jahren in wessen Kulturraum?<br />

Wer finanzierte jahrzehntelang<br />

die fundamentalistischen Strömungen<br />

in Saudi-Arabien und in Afghanistan?<br />

Waren es Muslime oder Amerikaner?<br />

Die Machtergreifung der ebenso fungogen.<br />

Der Unterschied nur zu den<br />

Mus limen im Westen und die bes sere<br />

Erklärung für das wachsende Unbehagen<br />

an den «neuen Mitbürgern»<br />

hier: Die traditionellen Minderheiten<br />

leben und arbeiten auf eigene Kosten.<br />

Damit wir uns nicht falsch verstehen:<br />

Die Christenverfolgung in manchen<br />

islamischen Ländern bleibt ein<br />

Skandal, das Schweigen der westlichen<br />

Presse dazu nur ein weiterer Beleg für<br />

eine untergehende Ordnung. Die verbreitete<br />

Geringschätzung und Unterdrückung<br />

von Frauen im Islam ist eher<br />

noch verwerflicher als die moderne<br />

Männerverachtung im feministischen<br />

Westen. Und ja, Mohammed war im<br />

Ge gensatz zum friedliebenden Jesus<br />

ein Krieger. Da darf man werten. Und<br />

richtig, es gibt auch deshalb religiöse<br />

Unterschiede. Nur würden «die Musli<br />

me» dennoch nicht so furchteinflößend<br />

vor der vermeintlichen Machtübernahme<br />

stehen, wenn nicht der<br />

Wes ten selbst in jeder Beziehung vor<br />

dem Ende stünde.<br />

Sarrazin hat trotzdem Recht:<br />

Viele real existierende Einwanderer in<br />

Deutschland wie in der Schweiz – und<br />

mehr noch in Frankreich oder Belgien<br />

– sind ein großes Problem. Der Anteil<br />

des «Prekariats» unter den Türken und<br />

vor allem Arabern ist insbesondere in<br />

Berlin augenfällig höher als unter «Einheimischen».<br />

Doch das ist ein durch<br />

Einwanderungspolitik und Sozialstaat -<br />

lichkeit hervorgerufenes Übel, mit dem<br />

wir uns im folgenden ausführlicher<br />

beschäftigen wollen, weniger eines der<br />

Religion. Und es ist, soviel vorweg,<br />

auch nur ein Symptom des Zusammenbruchs,<br />

in etwa vergleichbar mit<br />

dem Zustand des Maschinenparks, der<br />

Straßen oder der verängstigten Menschen<br />

im Osteuropa des Jahres 1988.<br />

André F. Lichtschlag ist<br />

Herausgeber des Monats<br />

magazins eigentümlich<br />

frei. Seinem aktuellen<br />

Buch Feindbild Muslim.<br />

Schauplätze verfehlter<br />

Ein wanderungs- und Sozial<br />

politik (manuscriptum-Verkag,<br />

8.80 Euro)<br />

entnahmen wir den obigen<br />

leicht gekürzten Text.<br />

<strong>COMPACT</strong> / Nullnummer / Dezember <strong>2010</strong>

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