Neue-Szene-Augsburg 2017-04
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28 Zoom<br />
ICH HABE EIGENTLICH<br />
KEINE AHNUNG VON<br />
KAMERAS!<br />
Interview mit Starfotograf Daniel Biskup<br />
Er hat sie schon alle vor der Kamera gehabt: Putin, Merkel, Trump, diverse Schauspieler, Philosophen und Models. Daniel<br />
Biskup, der in Neusäß wohnt, interessieren aber auch ganz normale Menschen, wie seine aktuelle Fotoausstellung „Russland<br />
– Perestroika bis Putin“ im Schaezlerpalais noch bis 07. Mai zeigt.<br />
Marcus Ertle traf Biskup zum Interview über Fotografien für die Ewigkeit, das Charisma der Potentaten und die Lage der<br />
Welt.<br />
Was machen Sie, wenn Sie jemanden fotografieren<br />
müssen, der Ihnen unsympathisch ist?<br />
Das Verrückte ist, dass das nicht passiert. Auch Donald<br />
Trump war sehr freundlich zu mir, der war nicht<br />
unsympathisch. Das ist wirklich komisch, dass viele<br />
der sehr umstrittenen Leute, die ich in letzter Zeit fotografiert<br />
habe, sehr freundlich und umgänglich<br />
waren. Kaczyński in Polen, Orban in Ungarn, Putin,<br />
Trump, die sind im persönlichen Umgang keine Ekel,<br />
wahrscheinlich können sie deswegen die Menschen<br />
für sich fangen. Wenn diese Leute im direkten Umgang<br />
Arschlöcher wären, würde das wahrscheinlich<br />
nicht funktionieren. Manchmal fragt man mich auch,<br />
wen ich gerne mal fotografieren würde und ich sage<br />
dann immer: Die sind leider schon alle tot...<br />
Wen von den Toten würden Sie denn gerne ablichten?<br />
Hitler, Stalin, Goebbels, Göring, Castro, Mao! All<br />
diese Machthaber, die soviel Unglück über die Menschen<br />
gebracht haben. Ich frage mich, warum diese<br />
Menschen in diese Position gekommen sind. Die sind<br />
nicht an die Macht gekommen, weil sie zu Lebzeiten<br />
immer klar erkennbar Arschlöcher waren. Die konnten<br />
Menschen begeistern, das ist das Problem. Irgendwas<br />
hatten diese Personen, was die Menschen<br />
fasziniert hat. Das würde ich gerne fotografisch einfangen.<br />
Das ist übrigens auch der Fehler vieler Zeitgenossen,<br />
dass man sich über Demagogen lustig<br />
macht, sie nicht ernstnimmt.<br />
Wieso ist das ein Fehler?<br />
Weil die Anhänger der Demagogen, die sogenannten<br />
Abgehängten, es hassen, wenn ihr Idol durch den<br />
Kakao gezogen wird. Die können darüber nicht lachen,<br />
weil sie damit auch lächerlich gemacht werden<br />
und das bindet die Menschen sehr stark an ihr Vorbild.<br />
Das sieht man bei Erdogan. Mit jeder Schlagzeile<br />
und jedem Schmähgedicht, die ihn lächerlich<br />
machen, werden seine Anhänger noch hasserfüllter<br />
und treuer.<br />
Posieren Autokraten vor der Kamera eigentlich<br />
anders als Demokraten?<br />
Nein, gar nicht, ich habe wirklich alle wichtigen Politiker<br />
Europas und der westlichen Welt durch das Fotografieren<br />
kennengelernt und da war keiner dabei,<br />
der sich unmöglich benommen hätte. Die waren alle<br />
sehr umgänglich und freundlich, weil sie sich natürlich<br />
auch gut darstellen wollen.<br />
Bei Erdogan fällt mir auf, dass er auf älteren<br />
Fotos viel öfter lächelt.<br />
Das liegt an der Kommunikation zwischen dem Fotografen<br />
und Erdogan. Türkische Fotografen, die Erdogan<br />
heute ablichten, erstarren vor Angst! Als<br />
Fotograf muss man die Leute mit Respekt behandeln<br />
und ganz normal mit ihnen umgehen, aber nicht vor<br />
ihnen erstarren. Wenn aber der Regisseur, das ist der<br />
Fotograf beim Fotografieren ja, Angst vor dem hat,<br />
den er fotografieren soll, dann kommen Bilder wie<br />
bei Erdogan zustande.<br />
Trump wirkt dagegen fast schon drollig.<br />
Ja, er hat jetzt einen neuen Blick, das ist mir nach<br />
den Fotos in seinem Büro aufgefallen. Er hat sich<br />
einen Präsidentenblick zugelegt.<br />
Welche Kameras benutzen Sie?<br />
Ich habe eigentlich keine Ahnung von Kameras!<br />
Nein?<br />
Nein! Angefangen habe ich mit einer Praktika TTL,<br />
dann hat mir meine Mutter eine Nikon FE geschenkt<br />
und seitdem bin ich bei Nikon geblieben, ich habe<br />
eine Nikon D800E und eine Nikon D4S. Aber das<br />
Technische ist nicht meine Welt. Ich habe auch noch<br />
nie in meinem Leben die Bedienungsanleitung einer<br />
Kamera gelesen. Ich glaube auch, dass man Fotografieren<br />
nicht wirklich lernen kann, man muss dafür<br />
brennen und man braucht das Talent, um bestimmte<br />
Motive zu sehen, Situationen zu erkennen, um mit<br />
Menschen umzugehen. Deswegen ist es auch gut,<br />
wenn man als Fotograf etwas studiert hat, bei mir<br />
waren es Geschichte und Politik.<br />
Inwieweit hilft ein solches Studium einem Fotografen?<br />
Weil Sie bestimmte Situationen anders analysieren<br />
und verstehen. Ich sehe mich als Zeitzeuge. Wenn<br />
ich heute die Balkanroute der Flüchtlinge fotografiere,<br />
oder nach der Brexit-Abstimmung in London<br />
oder Trump in seinem Büro, das ist alles aktuell, aber<br />
es wird in 25 Jahren auch relevant für die Geschichtsbücher<br />
sein. Ich hatte damals auch keine Aufträge,<br />
an bestimmte Orte zu gehen und da Fotos zu machen,<br />
ich bin einfach dorthin, wo es mich hinzog und<br />
habe fotografiert.<br />
Täuscht der Eindruck, dass die Welt aus den<br />
Fugen ist?<br />
Es ist mehr los als in den Jahren davor, aber es ist<br />
auch mehr los, weil durch die neuen Medien einfach<br />
jede Stunde Redaktionsschluss ist. Früher gab es einmal<br />
am Tag Redaktionsschluss, heute mindestens<br />
zwölfmal am Tag. Die ganzen Online-Medien müssen<br />
ständig neue Inhalte liefern und das trägt natürlich<br />
sehr dazu bei, dass die Welt schneller wird, dass vieles<br />
zugespitzt dargestellt wird, um Klicks zu generieren.<br />
Trotzdem ist die Situation letztes Jahr sehr<br />
besonders. Die Flüchtlingskrise, Syrien, Brexit,