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physio-Journal I 1/2017

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FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />

harnmenge aufgeschüttelt, als Tropfen auf<br />

einen Objektträger aufgebracht und mit einem<br />

Deckgläschen bedeckt.<br />

Das so vorbereitete Urinsediment wird<br />

nun unter dem Mikroskop betrachtet. Bei<br />

einer Vergrößerung von x 100 können Urinzylinder<br />

betrachtet werden. Urinzylinder<br />

sind kleine, zusammengeklebte Strukturen<br />

im Urin, die zum größten Teil aus<br />

Tamm-Horsfall-Proteinen bestehen. Hierbei<br />

können hyaline Zylinder, welche durchscheinend<br />

sind, von Leukozyten-, Erythrozytenund<br />

granulierten Zylindern (Zylinder mit<br />

weißen oder roten Blutkörperchen oder mit<br />

Resten degenerierter Zellen) unterschieden<br />

werden. Letztere weisen auf Erkrankungen<br />

der Nieren z. B. Glomerulo- oder Pyelonephritis<br />

hin, wohingegen hyaline Zylinder<br />

auch bei gesunden Menschen nach starker<br />

körperlicher Anstrengung auftreten können.<br />

Bei einer Vergrößerung von x 400 werden<br />

die weiteren Bestandteile des Urinsediments<br />

betrachtet. Hierzu zählen z. B. Erythrozyten,<br />

Leukozyten, Epithelzellen und Bakterien.<br />

j Erythrozyten: Wie bereits bei der Teststreifenuntersuchung<br />

erwähnt, liegt der Referenzwert<br />

bei gesunden Menschen bei ca.<br />

0–1 Erythrozyten pro Gesichtsfeld. Das Gesichtsfeld<br />

ist der Ausschnitt des gesamten<br />

Objektes unter dem Mikroskop, den man<br />

beim Durchschauen durch die Okulare sieht.<br />

Da die Vergrößerung recht hoch ist, ist der<br />

tatsächliche Ausschnitt sehr klein. Neben der<br />

Anzahl der roten Blutkörperchen wird übrigens<br />

auch deren Form beurteilt. Gesunde<br />

Blutkörperchen sind unter dem Mikroskop<br />

als runde Plättchen mit scheinbarer Doppelkontur<br />

zu erkennen. Bei stärker konzentriertem<br />

Urin oder längerer Verarbeitungszeit<br />

können Erythrozyten zur »Stechapfelform«<br />

schrumpfen. Das Vorliegen einer Hämaturie<br />

(erhöhte Erythrozytenzahl im Urin) kann<br />

viele Ursachen haben von einer harmlosen<br />

»Jogger-Hämaturie« bei großen körperlichen<br />

Anstrengungen oder banalen Harnwegsinfekten<br />

über eine Nephrolithiasis bis<br />

hin zu Tumorerkrankungen.<br />

j Leukozyten: Für Leukozyten liegt der<br />

Referenzwert bei etwa 0–2 Leukozyten pro<br />

Gesichtsfeld. Eine Leukozyturie (erhöhte<br />

Leukozytenzahl im Urin) ist in den meisten<br />

Fällen durch einen Harnwegsinfekt bedingt,<br />

kann aber auch durch eine Nephrititis oder<br />

eine urogenitale Tuberkulose bedingt sein.<br />

j Epithelien: Epithelzellen stammen vom<br />

Epithelgewebe, welches die Harnorgane<br />

auskleidet und sich regelmäßig erneuert.<br />

Abgestorbene Epithelzellen, vor allem der<br />

unteren Harnwege, können im Urin nachgewiesen<br />

werden, normal sind bis zu 15 Epithelzellen<br />

pro Gesichtsfeld. Je nach Organtrakt<br />

haben die Epithelzellen von Nephron,<br />

Nierenkelch, Nierenbecken, Harnleiter,<br />

Harnblase und Harnröhre unterschiedliche<br />

Größen und Formen und können daher unter<br />

dem Mikroskop differenziert werden.<br />

Epithelzellen der unteren Harnwege kommen<br />

<strong>physio</strong>logisch vor, ein vermehrtes Auftreten<br />

kann auf einen Infekt hindeuten. Epithelzellen<br />

der oberen Harnwege, vor allem<br />

aus den Tubulus-Zellen der Nieren weisen<br />

auf Nierenerkrankungen hin.<br />

j Bakterien: Der Nachweis von Bakterien<br />

im Urin kann auf eine Infektion hindeuten,<br />

ist aber häufig anzutreffen und kann auch<br />

durch Kontamination bedingt sein. Bei einer<br />

asymptomatischen Bakteriurie sollte daher,<br />

mit Ausnahme von Schwangeren, keine<br />

weitere Behandlung erfolgen.<br />

Literatur<br />

Abu-Tair M. (2010): Urindiagnostik im klinischen Alltag.<br />

Med Klin 105: 351–360.<br />

Hallbach J. (2006): Klinische Chemie und Hämatologie<br />

für den Einstieg. 2. Auflage.<br />

Georg Thieme Verlag, Stuttgart: 352–356.<br />

Laireiter N. (2011): Die kleine Urinschau.<br />

Deutsche Heilpraktiker-Zeitschrift 6(6): 18–21.<br />

Sharp V.J., Lee D.K., Askeland E.J. (2014): Urinalysis:<br />

Case presentations for the primary care physician.<br />

Am Fam Physician 90: 542–547.<br />

Simerville J.A., Maxted W.C., Pahira J.J. (2005):<br />

Urinalysis: A comprehensive review.<br />

Am Fam Physician 71: 1153–1162.<br />

Ziegler E., Kunzendorf U., Bruhn H.D., Motschwiller E.<br />

(2011): Urindiagnostik. In: Bruhn H.D., Junker R., Schäfer<br />

H., Schreiber S. (Hrsg.): LaborMedizin. Indikationen,<br />

Methodik und Laborwerte. Patho<strong>physio</strong>logie und Klinik.<br />

3. Auflage. Stuttgart, Schattauer: 362–381.<br />

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<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 39

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