physio-Journal I 1/2018
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Ausgabe 1 / <strong>2018</strong><br />
Bestell-Nr: dF31553 · € 5<br />
Bindegewebsmassage –<br />
Hintergründe und<br />
Wissenswertes<br />
Wirkungsansatz der<br />
Bindegewebsmassage<br />
Der Stellenwert der Physiotherapie –<br />
Eine Analyse des<br />
Therapieberufes<br />
Tests und Assessments –<br />
Sit-To-Stand-Test<br />
Workout –<br />
Der Unterarmstütz<br />
und seine Varianten<br />
Zum Sammeln<br />
Muskelanatomie<br />
© Peter Atkins – Fotolia.com
EDITORIAL<br />
LIEBE LESERINNEN<br />
UND LESER,<br />
druckfrisch und brandaktuell haltet ihr gerade die 15. Ausgabe<br />
des pJ’s in euren Händen. Der Schwerpunkt unserer aktuellen<br />
Ausgabe ist die Bindegewebsmassage (BGM). In den 40er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts wurde die BGM von Elisabeth Dicke<br />
(1884–1952) entwickelt und beschrieben. Sie behandelte<br />
selbst ihre Durchblutungsstörungen des Beines und erkannte<br />
bei ihrer Selbstbehandlung das Potential der von ihr angewendeten<br />
Maßnahmen. Sie systematisierte die Griffe und Techniken,<br />
wendete sie gewinnbringend bei anderen Patienten an<br />
und veröffentlichte dann zusammen mit der Physiotherapeutin<br />
und Ärztin Hede Teirich-Leube (1903–1979) die »Massage<br />
reflektorischer Zonen im Bindegewebe bei rheumatischen<br />
und inneren Erkrankungen: Eine neue Technik.« (Jena 1942.)<br />
Diese Bindegewebsmassage wird auch heute noch gelehrt<br />
und angewendet, sie gehört aber nicht mehr zu den »Mainstream-Therapien«.<br />
Oder doch? Wir meinen, dass die BGM so<br />
aktuell ist wie nie! Warum? BGM ist Faszienbehandlung pur.<br />
Entweder man behandelt die oberflächliche Faszien oder die<br />
tiefen, oder beide. Wer BGM selbst anwendet, weiß wie wirkungsvoll<br />
sie ist. Sie wirkt reflektorisch oder lokal. Aus diesem<br />
Grund gehört die BGM aus unserer Sicht in das Repertoire<br />
einer jeden Physiotherapeutin und eines jeden Physiotherapeuten.<br />
Also aufgepasst: Wir liefern euch Hintergründe, Erfahrungsberichte<br />
und Evidenzen zur BGM.<br />
Ferner stellen wir eine Studie über die Sicht von Patienten<br />
und Ärzten zum Stellenwert der Physiotherapie vor: Soll man<br />
Physiotherapeuten mehr Verantwortung zusprechen? Wir<br />
meinen: Ja! Und in diesem Zusammenhang präsentieren wir<br />
einen Fragebogen, mit dem man in der Praxis die Patientenzufriedenheit<br />
messen kann.<br />
Wer von euch kennt und/oder war schon einmal in Ruanda?<br />
In dieser Ausgabe findet ihr den ersten Teil eines dreiteiligen<br />
Erfahrungsberichtes eines <strong>physio</strong>therapeutischen Auslandeinsatzes.<br />
Wirklich spannend. Und last but not least lernt ihr in<br />
unserer Diagnostik-Reihe das EEG kennen.<br />
Wir hoffen, dass diese Ausgabe auf euer Interesse stößt. Wir<br />
wünschen viel Spaß beim Schmökern. Und wie immer freuen<br />
wir uns über eure Rückmeldungen und kreative Vorschläge.<br />
Eure Herausgeber<br />
Bernd und Benjamin<br />
PS So sind wir zu erreichen: bareiss@dieFachwelt.de kolster@dieFachwelt.de<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 1
Zusammen mit Klaas Stechmann (Autor mehrerer Faszienbücher)<br />
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Impressum<br />
<strong>physio</strong>-JOURNAL<br />
Verlag<br />
Die Fachwelt Verlags- und Handelsgesellschaft mbH<br />
Ifenpfad 2–4 · 12107 Berlin<br />
Geschäftsführer<br />
Benjamin Bareiss<br />
INHALT<br />
EDITORIAL<br />
INHALT<br />
Herausgeber/Redaktion<br />
Dr. Bernard C. Kolster, Marburg<br />
Benjamin Bareiss, Berlin<br />
Wissenschaftlicher Beirat<br />
Verena Gesing M.Sc., Dortmund<br />
Dr. Bernard C. Kolster, Marburg<br />
Prof. Dr. Udo Wolf, Fulda<br />
Franz van den Berg, Straßwalchen<br />
Erscheinungsweise<br />
3 Ausgaben/Jahr<br />
Bestellung<br />
Online unter: www.dieFachwelt.de<br />
1–10 Ex.: € 5,– je Exemplar<br />
11–20 Ex.: € 3,20 je Exemplar<br />
ab 21 Ex.: € 1,60 je Exemplar<br />
Layout/Producing<br />
Lydia Kühn, Aix-en-Provence, Frankreich<br />
Druck<br />
PRINTERA, Sveta Nedelja/Kroatien<br />
TITELTHEMA<br />
DIE GESCHICHTE DER BINDEGEWEBSMASSAGE 4<br />
WIRKUNGSANSATZ DER BINDEGEWEBSMASSAGE 6<br />
EVIDENZ DER BINDEGEWEBSMASSAGE 12<br />
VORGESTELLT<br />
Erfahrungen in Ruanda – Teil 1 16<br />
Der Stellenwert der Physiotherapie 19<br />
Workout: Der Unterarmstütz und seine Varianten 22<br />
Chirurgie-Praktikum: Aus dem Leben einer Physio-Schülerin 28<br />
Redaktionshinweise<br />
Wie jede Wissenschaft ist die Medizin/Physiotherapie<br />
ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und<br />
klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere<br />
was Behandlung und medikamentöse Therapie<br />
anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung<br />
oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser darauf<br />
vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große<br />
Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem<br />
Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für<br />
Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen<br />
kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen<br />
werden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf<br />
eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren<br />
an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten<br />
dem Verlag mitzuteilen.<br />
Urheber- und Verlagsrecht<br />
Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge<br />
und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Mit Annahme des Manuskripts gehen das Recht zur<br />
Veröffentlichung sowie die Rechte zur Übersetzung, zur<br />
Vergabe von Nachdruckrechten, zur elektronischen Speicherung<br />
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Fotokopien und Mikrokopien an den Verlag über.<br />
Jede Verwertung außerhalb der durch das Urheberrechtsgesetz<br />
festgelegten Grenzen ist ohne Zustimmung des<br />
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die vom Verlag oder von mit diesem kooperierenden<br />
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Gebrauchsnamen<br />
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,<br />
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nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres<br />
von Jedermann benutzt werden dürfen; oft handelt<br />
es sich um gesetzlich geschützte eingetragene Warenzeichen,<br />
auch wenn sie nicht als solche gekennzeichnet sind.<br />
© Die Fachwelt Verlags- und Handelsgesellschaft mbH<br />
Ifenpfad 2–4 · 12107 Berlin<br />
BRAINTUNING<br />
Anatomie zum Herausnehmen 29<br />
Physiologiekarte: Grundlagen der Zell- und Neuro<strong>physio</strong>logie 30<br />
Shorties Physiologie: Vegetatives Nervensystem 31<br />
FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
Tests und Assessments: STS-Test 33<br />
Patienten-Zufriedenheit messbar machen 34<br />
Diagnostik: EEG 37<br />
KONGRESSBERICHT<br />
7. Weltkongress zum Faszien-Distorsions-Modell 2017 40<br />
Ausblick auf den Fascia Research Congress <strong>2018</strong> in Berlin 41<br />
MITMACHEN UND GEWINNEN<br />
Mach mit! Unsere Autoren 42<br />
VERANSTALTUNGEN UND TERMINE<br />
Veranstaltungskalender 43<br />
Ausblick: Das erwartet Euch in der nächsten Ausgabe 44<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 3
TITELTHEMA<br />
Text: Bernd Kolster<br />
DIE GESCHICHTE DER<br />
BINDEGEWEBSMASSAGE<br />
© Dr. N. Lange - Fotolia.com<br />
Entdeckung der Bindegewebsmassage<br />
Die Bindegewebsmassage ist eng mit zwei<br />
Namen verbunden: Zum einen ist dies Elisabeth<br />
Dicke (1884–1951) und zum anderen<br />
Hede Teirich-Leube (1903–1979). Elisabeth<br />
Dicke, die eine Ausbildung als Krankengymnastin<br />
besaß, führte bei eigener schwerer<br />
Krankheit zur Linderung Manipulationen<br />
durch, welche ihr Besserung und später auch<br />
Heilung brachten. Im Jahre 1929 litt sie nach<br />
den vorliegenden Berichten an einer schweren<br />
Durchblutungsstörung des rechten Beines,<br />
vermutlich handelte es sich um eine periphere<br />
arterielle Verschlusskrankheit.<br />
Die Erkrankung war so weit fortgeschritten,<br />
dass die Fußpulse nicht mehr tastbar<br />
waren und sogar zur Amputation des rechten<br />
Beines geraten wurde. Hinzu kamen<br />
quälende Rückenschmerzen, bedingt durch<br />
die langen Liegezeiten. E. Dicke schmerzten<br />
in dieser Zeit im Bereich des Kreuzbeines<br />
und des Beckenkammes Gewebeveränderungen.<br />
Im Seitenvergleich erschien ihr das<br />
Gewebe auf der rechten Seite dichter und<br />
empfindlicher. Sie versuchte, diese Gebiete<br />
mit streichenden und ziehenden Bewegungen<br />
zu lockern, was mit starken schneidenden<br />
Schmerzen verbunden war. Als positiver<br />
»Nebeneffekt« lösten sich jedoch die Spannungen.<br />
Ein zunehmendes Wärmegefühl<br />
verbunden mit einer deutlichen Besserung<br />
der Symptome stellte sich ein. Parallel zu<br />
den nachlassenden Rückenschmerzen kam<br />
es auch zu Reaktionen im betroffenen rechten<br />
Bein. E. Dicke beschrieb ein Gefühl des<br />
Kribbelns und Stechens sowie sich ausbreitende<br />
»Wärmewellen«.<br />
Sie fand weitere stark verspannte Zonen<br />
im Bereich des Trochanter major und<br />
des Tractus iliotibialis, die sie ebenfalls mit<br />
ziehenden Strichen der Fingerkuppe bearbeitete.<br />
Unter Fortführung der Behandlung,<br />
wozu sie eine Kollegin anleitete, kam es binnen<br />
der folgenden drei Monate zur kompletten<br />
Rückbildung der Durchblutungsstörung<br />
und schließlich zur vollständigen Wiederherstellung<br />
des rechten Beines. E. Dicke litt über<br />
die Jahre unter verschiedenen Beschwerden<br />
wie Gastritis, pektanginöse Beschwerden<br />
und Nierenkolik. Im Laufe ihrer Krankheitsgeschichte<br />
stellte sie fest, dass sich auch<br />
bei anderen Erkrankungen Gewebezonen<br />
verändern, und dass sich die Beschwerden<br />
über die Massage dieser Zonen behandeln<br />
lassen. Als sie wieder als Krankengymnastin<br />
arbeiten konnte, vertiefte sie ihre Beobachtungen<br />
und überprüfte bei ihren Patienten<br />
die Zusammenhänge zwischen Beschwerden<br />
und Symptomen sowie die Möglichkeit,<br />
diese Beschwerden mit der immer weiter<br />
von ihr verfeinerten Methode zu behandeln.<br />
Die Muster, die sie bei ihren Patienten beobachtete,<br />
ähnelten einander. Sie systematisierte<br />
ihre Beobachtungen und stellte fest,<br />
dass sich Störungen bestimmter Organe bei<br />
unterschiedlichen Patienten jeweils in der<br />
gleichen Körperregion als veränderte Gewebezone<br />
widerspiegelten. So fand sie im Bereich<br />
der Zonen tatsächlich sicht- und tastbare<br />
Gewebeveränderungen in Form von<br />
Einziehungen, Verhärtungen, verminderter<br />
Elastizität oder auch Quellungen. Hinzu<br />
kam, dass diese Gebiete extrem schmerzhaft<br />
auf Berührungsreize und die durchgeführte<br />
Bindegewebsmassage reagierten. Später<br />
erfuhr Frau Dicke von einem englischen<br />
Neurologen namens Sir Henry Head (1861–<br />
1940). Er hatte bereits zu Beginn des 19.<br />
Jahrhunderts Hautareale beschrieben, die<br />
mit Organen korrespondieren. Sie werden<br />
heute nach ihm »Head-Zonen« genannt.<br />
Retrospektiv hat also E. Dicke einen klinischen<br />
Beleg für die Head-Zonen erbracht.<br />
Auf der Suche nach einer neuroanatomischen<br />
und neuro<strong>physio</strong>logischen Erklärung<br />
für ihre Erfahrungen kam E. Dicke in<br />
Kontakt mit H. Teirich-Leube. Zu dieser Zeit<br />
war H. Teirich-Leube Lehrkraft an der von<br />
Prof. Kohrausch geleiteten Krankengymnastikschule<br />
in Freiburg/Breisgau. E. Dicke<br />
demonstrierte ihre bis dahin ausgearbei-<br />
4 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
TITELTHEMA<br />
tete Methode, Prof. Kohlrausch und H. Teirich-Leube<br />
überprüften und bestätigten sie. Schichten, eine obere und eine tiefe Ver-<br />
der Bindegewebsmassage, indem sie zwei<br />
H. Teirich-Leube übernahm 1941 die Leitung schiebeschicht, beschrieb. Die obere Verschiebeschicht<br />
liegt zwischen Dermis und<br />
der Krankengymnastikschule. Im gleichen<br />
Jahr begann sie ihr Studium der Humanmedizin,<br />
das sie 1946 beendete. E. Dicke und H. dermis und Faszie. Weiterhin präzisierte sie<br />
Hypodermis, die untere zwischen Hypo-<br />
Teirich-Leube gaben ein gemeinsames Werk die angewendeten Techniken wie z. B. die<br />
»Massage reflektorischer Zonen im Bindegewebe<br />
bei rheumatischen und inneren Frau Teirich-Leube dargestellten Techniken<br />
Faszientechnik. Letztendlich werden die von<br />
Erkrankungen« heraus. Eine Zusammenfassung<br />
ihrer Arbeiten erschien 1953 mit dem therapeutischen Schneidegefühls war bei H.<br />
als genauer eingeschätzt. Das Auslösen des<br />
Werk »Meine Bindegewebsmassage«. Fünf Teirich-Leube unabdingbare Voraussetzung<br />
Jahre später veröffentlichte Teirich-Leube ihr für eine korrekt durchgeführte Technik. Im<br />
zuletzt 1999 überarbeitetes Werk »Grundriss<br />
der Bindegewebsmassage«.<br />
drücklich auf dem Schneidegefühl. Weiter-<br />
Gegensatz dazu bestand E. Dicke nicht aus-<br />
Theoretisch existieren zwei verschiedene<br />
Strömungen der Bindegewebsmas-<br />
der Abfolge der Griffe, deren Lokalisation<br />
hin unterscheiden sich beide »Schulen« in<br />
sage, zum einen nach Dicke, zum anderen und im therapeutischen Aufbau. Im Vergleich<br />
vermitteln die Techniken von H. Tei-<br />
nach Teirich-Leube. Praktisch gesehen wenden<br />
jedoch beide die gleichen Techniken rich-Leube den Eindruck besonderer Intensität.<br />
Sie erfassen tiefere Schichten wie etwa<br />
an und erzielen die gleichen Ergebnisse.<br />
H. Teirich-Leube verfeinerte die Methoden den Faszienbereich stärker.<br />
Blütezeit der Bindegewebsmassage<br />
Die Blütezeit der Bindegewebsmassage, Bedeutung der Bindegewebsmassage abnahm.<br />
Gleichzeitig stellten die Fortschritte<br />
repräsentiert durch E. Dicke in Überlingen<br />
und H. Teirich-Leube in Freiburg, waren in der Pharmakologie für viele Erkrankungen,<br />
die früher bevorzugt mit Bindegewebs-<br />
die 50er Jahre. Damals unterrichteten sie<br />
Krankengymnasten und auch Ärzte. Ihre massage behandelt wurden, nun wirksame<br />
Methode verbreitete sich rasch und wurde Medikamente zur Verfügung. Heute ist die<br />
weit über die Grenzen Deutschlands und Bindegewebsmassage eine von vielen therapeutischen<br />
Optionen in der Physiotherapie,<br />
auch Europas hinaus bekannt. Gegen Ende<br />
der 60er Jahre wurden weitere Methoden in wodurch ihr Stellenwert geringer als damals<br />
die Krankengymnastik integriert, so dass die ist.<br />
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Die Krankengymnastik hat sich im Verlauf<br />
der letzten Jahre rapide weiterentwickelt.<br />
Der Name »Krankengymnastik« ist überholt,<br />
man spricht von »Physiotherapie«. Innerhalb<br />
der Physiotherapie werden zahlreiche<br />
Verfahren beschrieben und je nach Befund<br />
angewendet. Mittlerweile wurde eine Vielzahl<br />
von Methoden wie Shiatsu aus Japan<br />
und Tuina aus China, die Akupunkt-Massage<br />
nach Penzel, manuelle Segmenttherapie<br />
nach Quillicz, Manipulativmassage nach<br />
Terrjer und die Periostbehandlung nach<br />
Vogler integriert. Die Bindegewebsmassage<br />
wird heute der Reflexzonentherapie zugeordnet.<br />
Die Reflexzonentherapie hat sich<br />
zu einem sehr großen Gebiet innerhalb der<br />
Physiotherapie entwickelt. Neuere Publikationen<br />
gibt es jedoch nicht. Daneben gibt<br />
es weitere reflextherapeutische Verfahren,<br />
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<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 5
TITELTHEMA<br />
© patila - Fotolia.com<br />
WIRKUNGSANSATZ<br />
DER BINDEGEWEBSMASSAGE<br />
Die Wirkprinzipien der Bindegewebsmassage sind wie die jeder anderen Massagebehandlung vielfältig. Die<br />
Effekte beruhen auf Vorgängen, die sich teilweise sogar wechselseitig beeinflussen. An dieser Stelle sollen die<br />
Wirkmechanismen dennoch zum besseren Verständnis des komplexen Geschehens in mechanische, biochemische,<br />
reflektorische und immunmodulierende Effekte differenziert werden.<br />
Mechanische Effekte<br />
Die durch die Bewegung der Hände auf der Haut entstehenden<br />
Effekte werden als mechanische Effekte bezeichnet.<br />
Dazu gehört der so genannte Mobilisationseffekt. Darunter<br />
versteht man die Verschiebung von verschiedenen Geweben<br />
gegeneinander, beispielsweise bei der Mobilisation von Kutis<br />
und Subkutis gegenüber der Körperfaszie oder dem Periost.<br />
Diesem Effekt liegen zwei Schritte zugrunde. Zum einen ist<br />
es die Auflösung von Verklebungen – die z. B. durch Ablagerungen<br />
von Hyaluronsäure und Fett entstehen können – zwi-<br />
schen den unterschiedlichen Gewebeschichten. Zum anderen<br />
werden pathologische Crosslinks zwischen den kollagenen<br />
Fasern des Bindegewebes durch die Freisetzung des Enzyms<br />
Kollagenase aus Fibroblasten und Makrophagen gelöst. Unter<br />
pathologischen Crosslinks versteht man die bei längerer Ruhigstellung<br />
anpassungsbedingt gebildeten wasserunlöslichen<br />
strukturellen Veränderungen, die das Bewegungsausmaß<br />
deutlich einschränken.<br />
Biochemische Effekte<br />
Freisetzung von Entzündungsmediatoren<br />
Der Einsatz unterschiedlicher Massagetechniken bewirkt die<br />
Freisetzung verschiedener Proteine.<br />
LERNZIELE<br />
Kenntnisse über<br />
die Effekte der Bindegewebsmassage<br />
die Vermittlung der Effekte<br />
den Einfluss auf Gewebe und Stoffwechsel<br />
die Reflexwege und Reflexzonen<br />
die Schmerz<strong>physio</strong>logie<br />
Allein durch die mechanischen Reize kommt es bei einer Massage<br />
zur Aktivierung von Mastzellen, die daraufhin vermehrt<br />
Histamin ausschütten. Dieser Entzündungsmediator wirkt auf<br />
die Wand von Kapillaren und Arteriolen erweiternd und permeabilitätssteigernd.<br />
So verursacht Histamin eine gesteigerte<br />
Hautdurchblutung – hierin liegt der Grund für die bei einer<br />
Massage auftretende Rötung der Haut. Die so ausgelöste Rötung<br />
hält ca. 20–30 Minuten an und ist ein Zeichen dafür, dass<br />
die Histaminfreisetzung ein kurzfristiger Effekt ist.<br />
Weitere durch Massage freigesetzte Entzüngungsmediatoren<br />
sind z. B. das Prostaglandin E2 und die Leukotriene B4, C4<br />
und D4. Die folgenden Reaktionen führen zur Freisetzung dieser<br />
Substanzen: Mechanischer Reiz und evtl. (minimale) Verletzungen<br />
des Gewebes aktivieren die lysosomale Phospholipase<br />
A2 der Granulozyten. Phospholipase A2 wiederum stimuliert<br />
u. a. Mastzellen zur Freisetzung von Arachidonsäure. Diese<br />
langkettige Fettsäure ist ein Bestandteil der Membran-Phospholipide<br />
aller Zellen. Sie bildet die Ausgangssubstanz für die<br />
Synthese der sehr wirksamen und weit verbreiteten Prostaglandine<br />
und Leukotriene.<br />
Die synergistisch zum Histamin wirkenden Prostaglandine<br />
und Leukotriene sind gefäßerweiternd und lokal durchblutungssteigernd.<br />
Prostaglandine sind dadurch für die rasche<br />
Hyperämie nach einem Entzündungsreiz verantwortlich. Leukotriene<br />
– wie erwähnt ebenfalls durchblutungssteigernd –<br />
entfalten diese Wirkung nicht so spontan wie das Histamin,<br />
jedoch hält ihr Effekt länger an.<br />
6 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
TITELTHEMA<br />
Freisetzung von schmerzhemmenden<br />
Mediatorsubstanzen<br />
Endorphine sind körpereigene opiatähnliche Substanzen. Sie<br />
werden nicht nur unter Massage, sondern auch bei Akupunkturbehandlungen<br />
und körperlicher Aktivität vermehrt durch<br />
das Nervensystem freigesetzt. Bekannt sind die Endorphine<br />
u. a. für ihren schmerzhemmenden Effekt.<br />
Eine weitere Mediatorsubstanz mit schmerzlindernder Wirkung<br />
ist das Serotonin. Serotonin ist ein biogenes Amin, das<br />
aus der Aminosäure Tryptophan synthetisiert wird. Es dient im<br />
Zentralnervensystem als Neurotransmitter und nimmt Einfluss<br />
auf Stimmung, Schlaf-Wach-Rhythmus, Nahrungsaufnahme,<br />
Körpertemperatur und Schmerzwahrnehmung. Die schmerzhemmende<br />
Wirkung beruht darauf, dass Serotonin die Weiterleitung<br />
von Schmerzreizen zum Kortex unterbricht.<br />
Reflektorische Effekte<br />
Der mechanische Reiz einer Massage stimuliert Rezeptoren<br />
und freie Nervenendigungen in den verschiedenen Gewebeschichten.<br />
Der Reiz wird auf diese Weise an das ZNS weitergeleitet,<br />
wo er schließlich verarbeitet wird. Das Ergebnis ist die<br />
Auslösung reflektorischer Effekte.<br />
Reflexwege und Reflexzonen<br />
Zusammenhänge zwischen Erkrankungen der inneren Organe<br />
und den somatischen Geweben wie Haut, Muskeln, Sehnen<br />
usw. sowie ihre segmentäre, reflexive Zuordnung sind bereits<br />
seit langem bekannt [Head 1898, MacKenzie 1917, Hansen<br />
und v. Staa 1938, 2. Auflage: 1962]. Diese segmentalen Beziehungen<br />
sind Ausdruck der vegetativen Reflexe des Rückenmarks,<br />
die sich wie im Folgenden beschrieben äußern können.<br />
Einerseits kann es durch Veränderungen an den inneren<br />
Organen auch zu Veränderungen z.B. an der Haut kommen.<br />
Dieses Phänomen wird als viszerokutaner Reflex bezeichnet:<br />
Erkrankt ein inneres Organ, kann der Schmerz auf bestimmte<br />
Hautzonen projiziert werden und dort eine Überempfindlichkeit<br />
in Form von Schmerzen hervorrufen. Dieser Reflex kommt<br />
MEMO<br />
Bei der Reflexzonenmassage werden die kutiviszeralen<br />
Reflexe, die sich aus der segmentalen Gliederung des<br />
Körpers ergeben, genutzt, um über die Haut innere<br />
Organe zu beeinflussen.<br />
zustande, wenn die Afferenzen aus den Eingeweiden das<br />
Axon einer efferenten vegetativen Wurzelzelle erregen und<br />
dieses über kleine Äste, so genannte Kollateralen, mit den<br />
Neuronen des somatischen Nervensystems in Verbindung tritt.<br />
Bei entzündlichen Erkrankungen innerer Organe kann z. B.<br />
die Rumpfwand auf der betroffenen Seite gerötet (vermehrt<br />
durchblutet) sein.<br />
Andererseits haben Manipulationen am somatischen System<br />
einen direkten Einfluss auf die inneren Organe. Beim<br />
kutiviszeralen Reflex geben Axonkollateralen somatosensibler<br />
Neurone die Erregung aus der Haut über Schaltzellen an<br />
vegetative Wurzelzellen im Rückenmark weiter. Über diesen<br />
Reflexbogen ist also eine Beeinflussung innerer Organe von<br />
der Haut her möglich.<br />
Folgendes Beispiel kann diese beiden Reflexe verdeutlichen:<br />
Eine Veränderung im Bereich des Magens kann eine<br />
Hyperalgesie, das heißt ein gesteigertes Schmerzempfinden,<br />
auf der Hautoberfläche der linken Rumpfvorderseite von der<br />
Brust bis unterhalb des Rippenbogens auslösen (viszerokutaner<br />
Reflex). Genauso kann eine Massagebehandlung der beschriebenen<br />
Körperoberfläche eine harmonisierende Wirkung<br />
auf den Magen haben (kutiviszeraler Reflex).<br />
Diese viszerosomatischen Zusammenhänge sind seit langem<br />
Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Mit der<br />
Zeit wurde bekannt, dass definierte Gebiete des Körpers in<br />
fester Beziehung zueinander stehen. Diese Gebiete nennt man<br />
Reflexzonen. Dazu gehören auch die so genannten Muskelzonen,<br />
Periostzonen, Bindegewebszonen und Head-Zonen.<br />
Schmerzhemmende Effekte<br />
Schmerz ist eine komplexe Sinneswahrnehmung unterschiedlicher<br />
Qualität, die in der Regel durch Störung des Wohlbefindens<br />
gekennzeichnet ist und in ihrer chronischen Form ein<br />
eigenständiges Krankheitsbild darstellt. Darüber hinaus ist<br />
Schmerz aber auch mehr: Es ist eine subjektive Empfindung<br />
und zugleich ein Gefühl, welches durch die psychische Wahrnehmung<br />
realer, aber durchaus auch vorgestellter (irrealer)<br />
Schmerzen entsteht.<br />
Bereits Mitte der 60er Jahre fassten Melzack und Wall die<br />
Mechanismen von Entstehung und Hemmung des Schmerzes<br />
in der so genannten Gate-Control-Theorie zusammen<br />
(Melzack und Wall, 1965, 1983). Danach wird die Rückenmarksebene<br />
als ein Tor (= gate) beschrieben, in dem von peripher<br />
ankommende Nervenimpulse zum zentralen Nervensystem<br />
hin umgeschaltet werden (s. Abb. 1).<br />
Gleichzeitig wirken an dieser Stelle verschiedene Mechanismen<br />
ein, die die Schmerzweiterleitung kontrollieren. Die<br />
Massage erreicht ihre schmerzhemmende Wirkung durch die<br />
im Folgenden erläuterten Prinzipien.<br />
WIRKUNGSANSATZ<br />
DER BINDEGEWEBSMASSAGE<br />
<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 7
vensystem hin umgeschaltet werden (s. Abb. 3.1.). diese Neuronen (ca. 15 m/s) essenziell ist. A-Delta-Fasern<br />
stellen Hautafferenzen für Temperatur und<br />
Gleichzeitig wirken an dieser Stelle verschiedene Mechanismen<br />
ein, die die Schmerzweiterleitung kontrollieren.<br />
Die Massage erreicht ihre schmerzhem-<br />
einem sofortigen stechenden Schmerz, wie z. B. ei-<br />
Schmerz dar und reagieren auf intensive Stimuli mit<br />
mende Wirkung durch die im Folgenden erläuterten nen Nadelstich auf der Haut.<br />
Stimulation Prinzipien. von Nozizeptoren<br />
Von wichtiger Bedeutung für die Schmerzhemmung<br />
sind die A-Beta-Fasern. MEMO Sie sind Hautafferenzen für<br />
Schmerzrezeptoren (= Nozizeptoren) in der Haut und in anderen<br />
Geweben erkennen Störungen über mechanische, ther-<br />
Nozizeptoren (= Schmerzrezeptoren) sind durch ver-<br />
Berührung und leichten Druck. Ihr mittlerer Durchmesser<br />
beträgt 8 µm und ihre mittlere Leitungsge-<br />
3.4.1 Stimulation von Nozizeptoren<br />
mische oder chemische Reize und vermitteln den Impuls über schwindigkeit schiedene beträgt 50 Einflüsse m/s, somit (z. sind B. thermische, sie also mechanische<br />
afferente Neurone Schmerzrezeptoren zum zentralen (=Nozizeptoren) Nervensystem. in der Haut Dort wird wesentlich schneller bzw. chemische) als die schmerzleitenden erregbare Fasern Rezeptoren in der Haut und<br />
und in anderen Geweben erkennen Störungen über einschließlich<br />
der Reiz als Schmerz wahrgenommen.<br />
anderen A-Delta-Fasern. Geweben, deren Reizung zur Schmerzempfindung<br />
führt.<br />
mechanische, thermische oder chemische Reize Die langsam leitenden, mit einem Durchmesser von<br />
0,5–1 µm sehr dünnen C-Fasern sind unmyelinisiert.<br />
Aufgrund des Fehlens der Myelinscheide liegt ihre<br />
absteigende<br />
Gehirn<br />
mittlere Leitungsgeschwindigkeit sind sie also wesentlich bei ca. schneller 1 m/s. Die<br />
Bahnen<br />
als die schmerzleitenden Fasern<br />
einschließlich der A-Delta-Fasern.<br />
C-Fasern sind Hautafferenzen allein für Schmerzreize<br />
(später eintretendes „dumpfes“ Schmerzgefühl).<br />
Werden die Die Nozizeptoren langsam leitenden, durch einen mit Schmerzreiz einem Durchmesser von 0,5–1 µm<br />
schmerzhemmende<br />
stimuliert, sehr leiten dünnen die A-Delta- C-Fasern und C-Fasern sind unmyelinisiert. den Reiz Aufgrund des Fehlens<br />
weiter, der und Myelinscheide erst bei Ankunft liegt im Großhirn<br />
Rückenmark = Gate<br />
zum ZNS<br />
Fasern<br />
ihre mittlere Leitungsgeschwindigkeit<br />
bei ca. 1 m/s. Die C-Fasern sind Hautafferenzen allein<br />
(A-Beta-Fasern) wird die Wahrnehmung des Schmerzes bewusst.<br />
A-Delta-Fasern C-Fasern<br />
Wird nun 3.5 die schmerzende Lokale Durchblutungssteigerung Stelle z. B. durch | Streicheln<br />
oder für Druck Schmerzreize massiert, so (später werden eintretendes diese Impul-<br />
»dumpfes« Schmerzge-<br />
29<br />
periphere Schmerzimpulse<br />
se über die fühl). A-Beta-Fasern weitergeleitet. Da sie um<br />
ein Vielfaches Werden schneller die sind Nozizeptoren als die schmerzleitenden<br />
A-Delta- und C-Fasern, dominieren sie über den<br />
durch einen Schmerzreiz stimuliert,<br />
leiten die A-Delta- und C-Fasern den Reiz zum ZNS wei-<br />
der Rückenmarksebene. Sie gewinnen sozusagen<br />
Abb. 3.1. Entstehung und Hemmung von Schmerz nach<br />
Abb. 1: Entstehung gegenüber der Gate-Control-Theorie<br />
und den Hemmung Konkurrenten; von Schmerz Impulse nach der der A-Delta- Memo<br />
Gate-Control-Theorie langsameren Stimulus bereits an den Synapsen auf<br />
und C-Fasern werden nicht mehr weitergeleitet. Die<br />
ter, und erst bei Ankunft im Großhirn wird die Wahrnehmung<br />
Massage bewirkt hauptsächlich eine Stimulation<br />
der dicken des Nervenfasern. Schmerzes Dies bewusst. führt zur Wird nun die schmerzende Stelle<br />
Die Reizschwelle<br />
Folge ist, dass<br />
der<br />
der<br />
Schmerzrezeptoren nicht mehr wahrgenommen<br />
wird, da die Schmerzimpulse nicht mehr über Schmerzhemmung und Verminderung der<br />
liegt deutlich höher<br />
als die anderer, durch vergleichbare Reizqualitäten erregbarer z. B. durch Streicheln oder Druck massiert, so werden diese<br />
den Thalamus zum Großhirn gelangen. Diesen Vorgang<br />
bezeichnet und adaptiert man als bei präsynaptische anhaltendem Hemmung Reiz nicht oder Impulse über die A-Beta-Fasern weitergeleitet. Da sie um ein<br />
Reflex aktivität des Sympathikus.<br />
Rezeptoren,<br />
nur langsam. (s. Abb. Die 3.2). schnell Die erfolgreiche leitenden, 1–7 Schmerzhemmung µm dicken A-Delta-Fasern<br />
sind von einer Myelinschicht (= Markscheide) umhüllt, die und C-Fasern, dominieren sie über den langsameren Stimulus<br />
Vielfaches schneller sind als die schmerzleitenden A-Deltazieht<br />
noch einen weiteren Effekt nach sich: Die Aktivität<br />
des Sympathikus lässt nach und der Muskeltonus<br />
sinkt.<br />
für die schnelle Reizweiterleitung durch diese Neuronen (ca. bereits an den Synapsen auf der Rückenmarksebene. Sie gewinnen<br />
sozusagen gegenüber den Konkurrenten; Impulse der<br />
3.6 Sympathikushemmende<br />
15 m/s) essenziell ist. A-Delta-Fasern stellen Hautafferenzen<br />
Effekte<br />
für Temperatur und Schmerz dar und reagieren auf intensive A-Delta und C-Fasern werden nicht mehr weitergeleitet. Die<br />
Stimuli mit 3.5 einem Lokale sofortigen Durchblutungssteigerung<br />
auf der Haut.<br />
somatische Reflexe da die über Schmerzimpulse das sympathische Nerven-<br />
nicht mehr über den Thalamus zum<br />
stechenden Schmerz, wie z. B. Folge ist, dass der Schmerz nicht mehr wahrgenommen wird,<br />
Wie erwähnt, verlaufen somatoviszerale und viszero-<br />
einen Nadelstich<br />
Von wichtiger Bedeutung für die Schmerzhemmung system. sind Sie finden Großhirn ihre Ursache gelangen. in einer Diesen Senkung Vorgang der<br />
3bezeichnet man als präsynaptische<br />
die A-Beta-Fasern.<br />
Wird eine schmerzende<br />
Sie sind Hautafferenzen<br />
Körperregion massiert,<br />
für Berührung<br />
sympathischen<br />
und<br />
Reflexaktivität.<br />
Hemmung<br />
Untersuchungen<br />
(s. Abb.<br />
zur<br />
2). Die erfolgreiche Schmerzhemmung<br />
zieht noch einen weiteren Effekt nach sich: Die Ak-<br />
kommt es zu einer lokalen Durchblutungssteigerung. Wirkung der somatischen Reize auf die Aktivität des<br />
leichten Druck. Ihr mittlerer Durchmesser beträgt 8 µm und<br />
Damit werden Endprodukte des Stoffwechsels, sofern Sympathikus zeigten, dass Reize über dicke Fasern<br />
ihre mittlere Leitungsgeschwindigkeit beträgt 50 m/s, somit tivität des Sympathikus lässt nach und der Muskeltonus sinkt.<br />
TITELTHEMA<br />
sie im geschädigten Gebiet vorhanden sind, verringert<br />
oder beseitigt.<br />
langsame Fasern (A-Deltaund<br />
C-Fasern)<br />
schnelle Fasern<br />
(A-Beta-Fasern)<br />
Substantia gelatinosa<br />
(modifiziert Impulse)<br />
(=A-Beta-Fasern) kurzfristig eine Aktivitätssteigerung<br />
bewirken, dann aber sofort zu einer starken<br />
Lokale Durchblutungssteigerung<br />
T-Zellen<br />
(empfangen und<br />
leiten Impulse zu<br />
höheren Ebenen)<br />
Aktivitätsminderung des Sympathikus führen. Reize<br />
Wird eine schmerzende Körperregion massiert, kommt es zu<br />
einer lokalen Durchblutungssteigerung. Damit werden Endprodukte<br />
des Stoffwechsels, sofern sie im geschädigten Gebiet<br />
vorhanden sind, verringert oder beseitigt.<br />
über dünne unmyelinisierte Fasern (=C-Fasern) führen<br />
dagegen direkt zu einer deutlichen und dauerhaften<br />
Steigerung der sympathischen Reflexaktivität<br />
(Sato und Schmidt, 1973).<br />
3.7 Tonusregulierende<br />
Effekte<br />
8 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong><br />
schmerzreduzierende<br />
Berührungs- und Vibrationsrezeptoren<br />
im peripheren<br />
Gewebe<br />
graue Substanz<br />
des Rückenmarks<br />
Abb. 2: Verschaltung Abb. 3.2. Verschaltung der Schmerzreize der Schmerzreize bei der präsynaptischen bei der präsynaptischen<br />
Hemmung<br />
Hemmung<br />
Je nach eingesetzter Massagetechnik kann der Tonus<br />
eines Muskels über reflektorische Vorgänge gesteigert<br />
oder gesenkt werden.<br />
Die Massage setzt einen mechanischen Reiz an der<br />
Muskulatur, von wo aus der so genannte tonusregulierende<br />
Reflex ausgelöst wird. Kontraktile Elemente<br />
der Muskelspindel nehmen den Reiz wahr und leiten<br />
ihn als sensible MEMO<br />
Afferenz zum Rückenmark. Im<br />
Rückenmark erfolgen polysynaptische Verschaltungen,<br />
in deren Folge die Muskelspindel wieder beeinflusst<br />
wird und hier schließlich der tonusregulierende<br />
Effekt einsetzt. Somit liegen bei diesem Reflexbogen<br />
Effektor und Rezeptor im gleichen Organ, d. h. in der<br />
Muskulatur.<br />
Massage bewirkt hauptsächlich eine Stimulation der<br />
dicken Nervenfasern. Dies führt zur Schmerzhemmung<br />
und Verminderung der Reflexaktivität des Sympathikus.
TITELTHEMA<br />
Sympathikushemmende Effekte<br />
Wie erwähnt, verlaufen somatoviszerale und viszerosomatische<br />
Reflexe über das sympathische Nervensystem. Sie finden<br />
ihre Ursache in einer Senkung der sympathischen Reflexaktivität.<br />
Untersuchungen zur Wirkung der somatischen Reize auf<br />
die Aktivität des Sympathikus zeigten, dass Reize über dicke<br />
Fasern (= A-Beta-Fasern) kurzfristig eine Aktivitätssteigerung<br />
bewirken, dann aber sofort zu einer starken Aktivitätsminderung<br />
des Sympathikus führen. Reize über dünne unmyelinisierte<br />
Fasern (= C-Fasern) führen dagegen direkt zu einer<br />
deutlichen und dauerhaften Steigerung der sympathischen<br />
Reflexaktivität [Sato und Schmidt, 1973].<br />
Tonusregulierende Effekte<br />
Je nach eingesetzter Massagetechnik kann der Tonus eines<br />
Muskels über reflektorische Vorgänge gesteigert oder gesenkt<br />
werden.<br />
Die Massage setzt einen mechanischen Reiz an der Muskulatur,<br />
von wo aus der sogenannte tonusregulierende Reflex<br />
ausgelöst wird. Kontraktile Elemente der Muskelspindel<br />
nehmen den Reiz wahr und leiten ihn als sensible Afferenz<br />
zum Rückenmark. Im Rückenmark erfolgen polysynaptische<br />
Verschaltungen, in deren Folge die Muskelspindel wieder beeinflusst<br />
wird und hier schließlich der tonusregulierende Effekt<br />
einsetzt. Somit liegen bei diesem Reflexbogen Effektor und<br />
Rezeptor im gleichen Organ, d. h. in der Muskulatur.<br />
Effekte auf das Immunsystem<br />
Massage hat nachweislich einen Einfluss auf das Immunsystem<br />
des Körpers. Zu den Effekten gehören die Steigerung<br />
der unspezifischen Körperabwehr (vermehrte Bildung bzw.<br />
Aktivierung von Leukozyten, Monozyten, Thrombozyten und<br />
Mastzellen) sowie eine Verminderung der spezifischen Abwehr<br />
(Immunglobulin E, Interleukin-4, Interleukin-6, y-Interferon).<br />
Dies sind Massageeffekte, die bei Untersuchungen an<br />
Gesunden diagnostiziert wurden (Werner, 1997). Eine Studie<br />
an HIV-positiven Probanden zeigte, dass durch Massage die<br />
Immunparameter der HIV-Patienten positiv beeinflusst wer-<br />
den. Verglichen mit einer Kontrollgruppe waren die Natural<br />
Killer Cells signifikant vermehrt und ihre Toxizität gesteigert.<br />
Des Weiteren konnten verminderte Spiegel der Stresshormone<br />
Adrenalin und Kortisol verzeichnet werden, wodurch das<br />
Immunsystem zusätzlich gestärkt wird [Ironson und Field,<br />
1996].<br />
Neben der Wirkung auf das Immunsystem haben verringerte<br />
Kortisol- und Adrenalinspiegel auch eine bedeutende lokale<br />
Wirkung; die Wundheilung nach Verletzungen wird durch verbesserte<br />
Kollagensynthese beschleunigt.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Mechanische Effekte sind das Lösen von Verklebungen zwischen Gewebeschichten und das Lösen pathologischer<br />
Crosslinks (= Mobilisationseffekt)<br />
Zu den biochemische Effekten gehören die Freisetzung von Mediatorsubstanzen wie z. B. Histamin, Prostaglandinen<br />
und Leukotrienen (= Entzündungsmediatoren), Endorphinen und Serotonin, die auf Durchblutung, Wundheilung und<br />
Schmerzwahrnehmung wirken.<br />
Reflektorische Effekte sind die Schmerzhemmung, Sympathikushemmung und Tonusregulation.<br />
Immunmodulierende Effekte betreffen die Verminderung der Stresshormone, die Steigerung der unspezifischen Abwehr<br />
und die Verminderung von Überempfindlichkeitsreaktionen sowie die Verbesserung der Wundheilung.<br />
ÜBERPRÜFEN SIE IHR WISSEN<br />
Über welche Effekte werden die Wirkungen der Bindegewebsmassage vermittelt?<br />
Was versteht man unter einem Crosslink?<br />
Worauf beruht die schmerzhemmende Wirkung einer Massage?<br />
Welche Auswirkung hat die Freisetzung von Histamin?<br />
Beschreiben Sie den kutiviszeralen Reflexbogen. Welche Bedeutung hat er in der Physiotherapie?<br />
Auf welche Parameter des Immunsystems wirkt sich die Massagebehandlung aus?<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 9
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Text: Verena Gesing<br />
E V I D E N Z<br />
DER BINDEGEWEBSMASSAGE<br />
Die Bindegewebsmassage (BGM) gehört<br />
zu den Reflextherapien und wurde von der<br />
deutschen Physiotherapeutin E. Dicke entwickelt.<br />
Reflextherapien bewegen sich an<br />
der Grenze zu den Alternativtherapien oder<br />
werden häufig auch dazu gezählt. Dazu<br />
kommt noch, dass die BGM eher selten verordnet<br />
wird. Vielleicht, weil sie nicht sehr<br />
bekannt ist, oder weil sie eher in den Bereich<br />
der Alternativtherapien abgeschoben<br />
wird. Gerade deshalb ist es interessant, nach<br />
Studien zu recherchieren, die die Wirksamkeit<br />
dieser Therapie untersuchen.<br />
Holey et al. (2014) postuliert, dass die<br />
BGM über einen reflektorischen Effekt auf<br />
das autonome Nervensystem wirkt. Dieser<br />
Effekt wird durch die Manipulation der faszialen<br />
Blätter der Haut und des subkutanen Reizungen, funktionelle Störungen oder<br />
zero-cutanen Reflex entsteht. Das heißt,<br />
Gewebes erzielt.<br />
Erkrankungen eines inneren Organs können<br />
in der zugehörigen Bindegewebszone<br />
Bei der BGM werden bestimmte Bindegewebszonen<br />
behandelt. Eine Bindegewebszone<br />
ist eine Reflexzone, die durch den Vis-<br />
Einziehung, Rötung)<br />
(Head’schen Zone) eine Reaktion (Quellung,<br />
verursachen.<br />
HEAD’SCHE ZONEN<br />
Head´sche Zonen [Holey et al. 2014] sind Areale der Haut und des oberflächlichen<br />
BG. Sie erscheinen eingezogen, fest oder verklebt in chronischen Situationen<br />
oder aufgequollen in akuten Situationen. Sie teilen sich dasselbe<br />
spinale Segment wie ihr zugehöriges Organ. Diese Zonen sind vermehrt auffällig<br />
bei einer akuten (oder chronischen) Erkrankung eines Organs und wieder<br />
unauffällig bei Normalisierung [Luedecke, 1969].<br />
Reflexzonentherapien<br />
Die BGM gehört zu den Reflextherapien,<br />
ebenso wie die Fußreflexzonenmassage.<br />
Hier wird davon ausgegangen, dass die einzelnen<br />
Körperabschnitte (Organe, WS, …)<br />
auf dem Fuß repräsentiert werden und<br />
ebenso wie bei der BGM über die Behandlung<br />
des entsprechenden Abschnittes behandelt<br />
werden können. Das heißt im Umkehrschluss,<br />
wie bei der BGM, wenn ich z. B.<br />
den Darm in der Darmzone am Fuß über<br />
Fußreflexzonenmassage (FRZM) behandle,<br />
soll es zu einer vermehrten Durchblutung in<br />
diesem kommen. Mur et al. (2001) führte<br />
hierzu eine sehr interessante Untersuchung<br />
durch, die diese Theorie auch belegte. Hierbei<br />
wurden 32 gesunde Probanden in zwei<br />
Gruppen eingeteilt, bei der einen Gruppe<br />
wurde eine FRZM in dem Bereich, dem der<br />
Darm zugeordnet ist, durchgeführt, in der<br />
anderen Gruppe eine Scheinbehandlung<br />
(hier wurde eine Zone behandelt, die nicht<br />
dem Darm zugeordnet war). Die Durchblutung<br />
des Darms wurde mit der Dopplersonographie<br />
vor, während und nach der Behandlung<br />
bestimmt. Es kam bei der Gruppe,<br />
die FRZM erhielt, während der Behandlung<br />
zu einer signifikanten Verbesserung der<br />
Darmdurchblutung. Um die Wirkung der<br />
Reflextherapien zu bestätigen und die Ergebnisse<br />
dieser Studie zu validieren, müssen<br />
noch weitere Untersuchungen dieser Art<br />
durchgeführt werden.<br />
12 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
TITELTHEMA<br />
Evidenz<br />
Im Folgenden werden exemplarisch Studien zur BGM vorgestellt, um deren Wirksamkeit besser einschätzen zu können.<br />
Castro Sanchez et al. (2009)<br />
Castro Sanchez et al. (2009) untersuchte<br />
die Wirkung von BGM bei Patienten mit<br />
Diabetes Typ 2 und peripherer arterieller<br />
Verschlusskrankheit vom Typ 1 und 2a. Es<br />
handelte sich hierbei um eine randomisierte,<br />
placebokontrollierte Studie mit 98 Patienten.<br />
Anwendung<br />
Die Patienten in der BGM-Gruppe erhielten<br />
eine einstündige Behandlung (2 mal pro Woche<br />
über 15 Wochen). Die Patienten in der<br />
Placebo Gruppe erhielten eine 30-minütige<br />
Anwendung einer Schein Magnetfeldtherapie<br />
im Bereich des unteren Rückens und der<br />
Beine. Die Behandlungsfrequenz und Dauer<br />
war wie in der BGM-Gruppe.<br />
BGM Anwendung<br />
Die Therapeuten wendeten das Standard<br />
Protokoll nach Dicke an. Das heißt, zunächst<br />
wurde der Grundaufbau durchgeführt,<br />
dann wurde der Rumpf behandelt, anschließend<br />
die Beine inklusive der Füße. Jeweils<br />
30 Minuten vor und nach der Massage haben<br />
die Patienten vor- bzw. nachgeruht.<br />
Messparameter<br />
Messparameter waren die Gehfähigkeit mit<br />
dem Walking Impairment Questionnaire for<br />
PAD Patienten sowie ein Differentieller Segmentaler<br />
arterieller Blutdruck in den unteren<br />
Extremitäten. Zudem wurden der Blutfluss<br />
der subkutanen Arterien, der Puls, die Sauerstoffsättigung<br />
und die Hauttemperatur gemessen.<br />
Die Messungen fanden sowohl vor<br />
der Behandlung als auch 30 Minuten sowie<br />
6 und 12 Monate nach der Behandlung statt.<br />
Ergebnis<br />
Die Gruppen unterschieden sich signifikant.<br />
Die Probanden der Gruppe, die als Intervention<br />
die BGM erhielt, zeigten …<br />
… einen erhöhten differentialen arterielle<br />
Blutdruck in den Beinen,<br />
… eine verbesserte Hautdurchblutung der<br />
Füße und Zehen<br />
… eine verbesserte Sauerstoffsättigung<br />
der Füße<br />
… einen signifikant verbesserten maximalen<br />
Gehstreckenscore.<br />
Das Ergebnis des Follow-ups nach 6 Monaten<br />
erbrachte folgende Ergebnisse:<br />
Der differentiale differentialen arterielle<br />
Blutdruck in der BGM Gruppe blieb in<br />
Segmenten mit großer Muskelmasse<br />
hoch, in der Placebo Gruppe bestanden<br />
keine signifikanten Unterschiede zur Baseline.<br />
Bei der BGM Gruppe zeigten sich auch<br />
signifikante Unterschiede in der Hauttemperatur<br />
der rechten inguinalen Falte und<br />
der Sauerstoffsättigung des rechten und<br />
linken Fußes.<br />
Die BGM Gruppe zeigte eine verbesserte<br />
Sauerstoffsättigung und eine weitere<br />
Gehstrecke.<br />
Das Follow-up nach 12 Monaten ergab, dass<br />
die Unterschiede, die nach 6 Monaten vorhanden<br />
waren, zum größten Teil bestehen<br />
blieben. Allerdings nicht der Unterschied in<br />
der maximalen Gehstrecke.<br />
Fazit<br />
BGM ist sinnvoll bei solchen Patienten, um<br />
den Fortschritt der Erkrankung zu verlangsamen<br />
und die Symptome zu mildern.<br />
Es scheint, dass BGM den peripheren Gefäßwiderstand<br />
auf eine Mikrozirkulation<br />
reduzieren kann.<br />
Brattberg (1999)<br />
Brattberg (1999) untersuchte die Wirksamkeit<br />
der BGM bei Patienten mit Fibromyalgie.<br />
An der Studie nahmen 47 Probanden<br />
teil. Es gab jeweils eine Gruppe, die BGM<br />
erhielt und eine Referenzgruppe.<br />
Intervention<br />
Jeder Proband wurde 15 Mal in einem Zeitraum<br />
von 10 Wochen behandelt.<br />
Das Behandlungsprogramm bestand aus<br />
folgenden Prozeduren:<br />
Massage der pelvinen Region<br />
Massage im Bereich des Abdomen<br />
Atemübungen, die das Ziel hatten die Mobilität<br />
des Diaphragmas zu erhöhen<br />
Massage der Beine<br />
Massage der schmerzhaften Seite/Gebiete<br />
Alle Anteile wurden in jeder Behandlung<br />
ausgeführt. Außerdem wurde den Patienten<br />
empfohlen, Nacken-, LWS- und Atmungsübungen<br />
zu Hause durchzuführen.<br />
Messparameter<br />
Die gemessenen Parameter waren:<br />
Schmerz<br />
Einschränkung im Alltag<br />
Schlafqualität<br />
Auftreten von Angst und Depression<br />
Lebensqualität<br />
Die Parameter wurden vor und nach der Behandlungsperiode<br />
sowie 3 und 6 Monate<br />
danach gemessen.<br />
DIFFERENTIELLER ARTERIELLER BLUTDRUCK<br />
Der differentielle arterielle Blutdruck in den unteren Extremitäten ist die<br />
Differenz zwischen dem systolischen und diastolischen arteriellen Blutdruck<br />
in dem Segment, welches untersucht wird. Je größer die Differenz ist, umso<br />
größer ist der arterielle Blutfluss. Also ein Maß für die Durchflussrate der<br />
Arterien.<br />
Ergebnis<br />
Schmerzreduktion nach 15 Behandlungen<br />
von über 37 % bei den Patienten, die<br />
BGM erhielten<br />
Rückgang des Konsums an Schmerzmittel<br />
über 30 % der Verbesserungen verschwand<br />
3 Monate nach Beendigung<br />
90 % der Schmerzen kehrten nach 6 Monaten<br />
zurück<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 13
TITELTHEMA<br />
positive Effekte auf Depressionen und Lebensqualität<br />
Problem<br />
Beide Gruppen wurden in Stufen eingeteilt<br />
und somit erhielten beide Gruppen BGM.<br />
Es wird aus der Studienbeschreibung nicht<br />
ganz klar, wie dies funktioniert. Es ist fraglich,<br />
ob es sich hierbei um eine wirkliche<br />
Kontrollgruppe handelt, so dass die Ergebnisse<br />
auch skeptisch zu betrachten sind.<br />
Demirtürk et al. (2016)<br />
Demirtürk et al. (2016) verglichen die Wirkung<br />
von Reflexzonenmassage und BGM<br />
bei primärer Dysmenorrhoe. 30 Patientinnen<br />
mit primärer Dysmenorrhoe wurden<br />
randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt, dabei<br />
erhielt eine Gruppe BGM und die andere<br />
Gruppe Fußreflexzonenmassage.<br />
Intervention<br />
Der Beginn lag am dritten oder vierten Tag<br />
der Menstruation, das Ende am ersten Tag<br />
des nächsten Menstruationszyklus.<br />
Die Fußreflexzonenmassage wurde an<br />
3 Tagen à 30 Minuten pro Woche durchgeführt<br />
und enthielt eine allgemeine Fußmobilisation<br />
sowie die Behandlung folgender<br />
Reflexzonen:<br />
Solar Plexus<br />
Hypothalamus und Endokrines System<br />
Unterer Bereich WS (T10–L5)<br />
Medulla Spinalis<br />
Uterus, Vagina, Ovarien Tuben<br />
Brust<br />
Die BGM wurde hingegen an 5 Tage pro<br />
Woche für jeweils 5–20 Minuten angewandt.<br />
Dabei startete die Behandlung immer<br />
mit dem Grundaufbau und wurde dann<br />
um weitere Regionen erweitert. Sie enthielt<br />
folgende Elemente:<br />
Grundaufbau (Lumbosacral)<br />
Untere BWS<br />
Scapuläre und interscapuläre Region<br />
Cervico – occipitale Region<br />
Die Frequenz und Dauer der Technik differierte<br />
und richtete sich nach Diagnose und<br />
Zielen des Therapeuten oder den Anforderungen<br />
der Patienten.<br />
Messparameter<br />
Gemessen wurden folgende Parameter:<br />
Schmerzdauer und Intensität<br />
Schmerz bei Aktivitäten – Konzentration<br />
auf eine Aufgabe, sportliche und soziale<br />
Aktivitäten<br />
Gebrauch an Schmerzmitteln<br />
Gemessen wurde sowohl vor Beginn der<br />
Behandlung sowie nach dem Ende der Behandlungsserie<br />
(2. Menstruation) und einem<br />
Monat später (3. Menstruation)<br />
Keine Studienteilnehmerin nahm orale<br />
Kontrazeptiva.<br />
Ergebnis<br />
Bei beiden Gruppen kam es zu signifikanten<br />
Verbesserungen (kürzere Schmerzdauer,<br />
geringere Schmerzintensität, weniger<br />
Schmerzmittelgebrauch), aber keine<br />
Therapie war der anderen überlegen.<br />
Die Symptome nahmen in dem aktuellen<br />
und im folgenden Menstruationszyklus<br />
ab.<br />
Ähnlich verhielt es sich bei den Schmerzen<br />
bei Aktivitäten. Es kam auch hier zu<br />
signifikanten Verbesserungen. Allerdings<br />
war keine Technik der anderen überlegen.<br />
Beide Techniken senkten die menstruationsbedingten<br />
Symptome wobei der Effekt auch<br />
im nächsten Zyklus anhielt.<br />
Celenay et al. (2016)<br />
Celenay et al. (2016) untersuchte die Wirkung<br />
von Stabilisationsübungen sowie Stabilisationsübungen<br />
kombiniert mit BGM<br />
bei Patienten mit chronischem Nackenschmerz.<br />
60 Patienten mit chronischem Nackenschmerz<br />
wurden randomisiert in zwei<br />
Gruppen eingeteilt. Die Patienten erhielten<br />
cervicale und scapulothorakale Stabilisationsübungen.<br />
Der Unterschied lag jedoch<br />
E V I D E N Z<br />
BINDEGEWEBSMASSAGE<br />
darin, dass die Interventionsgruppe zusätzlich<br />
noch mit BGM behandelt wurden.<br />
Messparameter<br />
Die untersuchten Parameter waren:<br />
Nackenschmerzen (Instrument: Neck-Disability<br />
Index)<br />
Angst (Instrument: Angstfragebogen)<br />
Lebensqualität (Instrument: SF 36)<br />
Druckdolenz (Instrument: digitales Algometer)<br />
Schmerzintensität in Ruhe, während Aktivität<br />
und bei Nacht (Instrument: VAS)<br />
Intervention<br />
Das Stabilisationstraining enthielt zervikale<br />
und skapulothorakale Stabilisationsübungen<br />
die an 3 Tage pro Woche für 4 Wochen jeweils<br />
40–45 Minuten durchgeführt wurden.<br />
Die BGM enthielt Striche über dem Sakrum,<br />
der LWS und dem posterolateralem Pelvis.<br />
Diese gingen über in längere paravertebrale<br />
und subcostale Striche. Zu Beginn wurde zunächst<br />
lumbosacral, dann thorakal, und anschließend<br />
cervico-occipital gearbeitet. Sobald<br />
sich das Gewebe normalisierte, wurde<br />
die Region verlassen und die nächste behandelt.<br />
Eine BGM dauerte 5–20 Minuten und<br />
wurde von einem trainierten PT durchgeführt.<br />
Vom Gefühl her sollte der Patient ein<br />
unkomfortables, kratzendes, schneidendes<br />
Gefühl bei der Durchführung angeben.<br />
Ergebnis<br />
Das Ergebnis der Untersuchung war, dass<br />
beide Gruppen eine signifikante Verbesserung<br />
der Schmerzen verzeichneten.<br />
Allerdings war die BGM-Gruppe der<br />
Vergleichsgruppe überlegen und hatte weniger<br />
Schmerz in der Nacht, eine bessere<br />
Schmerztoleranz bei Druckschmerz, weniger<br />
Angst und einen besseren mentalen<br />
Gesundheitsstatus.<br />
Holey und Dixit (2014)<br />
Holey und Dixit stellten (2014) ein Review<br />
über die <strong>physio</strong>logischen Effekte und die<br />
klinische Evidenz der BGM zusammen. Zusammenfassend<br />
kamen sie zu dem Schluss,<br />
dass es eine gewisse Evidenz gibt, die zeigt,<br />
dass BGM <strong>physio</strong>logische Effekte auf den<br />
Körper produziert. Es gibt nicht viele sehr<br />
14 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
TITELTHEMA<br />
gut designte klinische Studien in diesem Bereich.<br />
Die Studien indizieren, dass es einen<br />
klinischen Benefit in Bezug auf Schmerz und<br />
periphere Zirkulation gibt. Problematisch<br />
ist, dass viele Studien keine Kontrollgruppe<br />
aufweisen, die aber laut Altmann (1991) essentiell<br />
ist, um einen Effekt nachzuweisen.<br />
Insgesamt ist die Evidenzlage, die aufweist,<br />
dass BGM nutzbringend ist, eher schwach.<br />
Fazit: Evidenz der BGM?<br />
Castro Sanchez (2009) zeigte in einer guten<br />
klinischen Studie, die randomisiert war<br />
und als Bestandteil eine Kontrollgruppe sowie<br />
Follow-ups bis zu einem Jahr enthielten,<br />
gute Effekte der BGM bei PAVK. Dennoch<br />
fehlte auch hier eine Kontrollgruppe,<br />
die keine Behandlung bekam. Brattbergs<br />
(1999) Arbeit hingegen war eher undurchsichtig<br />
gestaltet, da die Unterteilung der<br />
Studien- und Kontrollgruppe zu ungenau<br />
beschrieben und nicht eindeutig erkennbar<br />
war, welche Gruppe nun BGM erhielt und<br />
welche nicht, weswegen die Ergebnisse mit<br />
Vorbehalt zu sehen sind.<br />
Demirtürk (2016) zeigte eine Studie,<br />
die zwar gut aufgestellt war, jedoch auch<br />
Schwächen und Mängel aufwies. Zum einen<br />
fehlte auch hier eine Kontrollgruppe,<br />
die keine Behandlung erhielt. Zudem war<br />
nicht ersichtlich, warum die Probanden der<br />
FRZM-Gruppe ihre Anwendung 3 x pro<br />
Woche für 30 Minuten bekamen, die BGM-<br />
Gruppe, die entsprechende Intervention<br />
jedoch an 5 Tagen pro Woche für jeweils<br />
5–20 Minuten erhielten. Es war ein positiver<br />
Effekt im Sinne einer Schmerz- und Medikamentenreduktion<br />
vorhanden, der auch<br />
noch während des nächsten Menstruationszyklus<br />
anhielt. Allerdings war nicht erkennbar,<br />
ob dies rein durch einen Placebo Effekt<br />
entstand, da eine Kontrollgruppe fehlt, die<br />
keine Behandlung erhielt.<br />
Celenay et al. (2016) führte eine methodisch<br />
gute Studie durch, dennoch fehlte auch hier<br />
leider eine Kontrollgruppe, die keine Anwendung<br />
erhielt. Hier zeigte sich ein Benefit<br />
zu Gunsten der BGM Gruppe, die weniger<br />
Druckschmerz und einen besseren mentalen<br />
Gesundheitsstatus mit weniger Angst<br />
zeigte.<br />
Holey und Dixit (2014) kamen in ihrem<br />
Review zu einem ähnlichen Ergebnis,<br />
nämlich dass es wenig gut designte<br />
Studien gibt und häufig die Kontrollgruppe<br />
fehlt, so dass die Evidenz allenfalls als<br />
schwach zu bewerten ist.<br />
EXKURS – WARUM IST EINE KONTROLLGRUPPE WICHTIG?<br />
Es gibt oft Studien wie die von Demirtürk, die zwei Techniken miteinander vergleichen. Dies ist allerdings nicht geeignet,<br />
um die Wirksamkeit einer Maßnahme zu belegen. Es soll und muss immer eine Kontrollgruppe geben, die keine<br />
Behandlung erhält. Am optimalsten wäre eine Kontrollgruppe, die keine Behandlung erhält und eine weitere Gruppe,<br />
deren Probanden eine Scheinbehandlung bekommen. Dies ist wichtig, da jede Maßnahme, die an einem Patienten angewendet<br />
wird, auch zu einem Placeboeffekt führt, auch wenn es sich bei der Anwendung nur um eine Scheinbehandlung<br />
handelt. Um diesen auszuschließen, muss immer eine Gruppe »unbehandelt« mit untersucht werden. Streng genommen<br />
kann z. B. bei Demirtürk der Erfolg der Behandlung bei beiden Gruppen nur durch den Placeboeffekt entstanden sein.<br />
Wenn wir also den wirklichen Behandlungseffekt untersuchen wollen, ist so ein Studiendesign ungeeignet.<br />
Mein persönliches Fazit für den praktischen<br />
Alltag ist, dass die BGM eine tatsächlich bisher<br />
immer eher unterschätzte Technik ist. Allerdings<br />
müssen noch weitere gute Studien,<br />
bei denen die Kontrollgruppe nicht fehlen<br />
darf, dringend durchgeführt werden, um die<br />
bisherigen Studienergebnisse zu validieren.<br />
Die Studienergebnisse sind noch nicht ausreichend<br />
und zeigen leider nur Richtungen<br />
KERNPUNKTE<br />
auf, aber keine gute Evidenz. Dennoch sind<br />
die Ergebnisse vor allem von Castro Sanchez<br />
beeindruckend. Ansonsten weisen die vorhandenen<br />
Studien Ergebnisse auf, die zu erwarten<br />
waren und die die Theorie der vegetativen<br />
Wirkung der BGM unterstreichen.<br />
Erwähnenswert ist aber auch die Verbesserung<br />
des mentalen Status, die in einigen<br />
Studien nachgewiesen werden konnten.<br />
BGM zeigt nachhaltige Ergebnisse bei Patienten mit PAVK (verbesserte<br />
Durchblutung, Sauerstoffsättigung).<br />
BGM ist ein probates Mittel zur Schmerzreduktion.<br />
BGM wirkt sich auf den mentalen Status der Patienten positiv aus.<br />
Es fehlen allerdings noch gute, randomisierte und kontrollierte Studien. Die<br />
Evidenzlage, dass BGM nutzbringend ist, ist leider noch schwach.<br />
Literatur<br />
Castro-Sánchez, A. M.; Moreno-Lorenzo, C.; Matarán-Peñarrocha,<br />
A.; Feriche-Fernández-C, B. (2011): Connective Tissue<br />
ReflexMassage for Type 2 Diabetic Patients with Peripheral<br />
Arterial Disease: Randomized Controlled Trial. Evidence-Based<br />
Complementary and Alternative Medicine, Volume 2011,<br />
12 Pages.<br />
Brattberg, G. (1999): Connective tissue massage in the treatment<br />
of fibromyalgia, European <strong>Journal</strong> of Pain, 3: 235–245.<br />
Demirtürk, F.; Zümrütt Y. E., Özgür, A.; Demir, O.; Inanir, A.<br />
(2016): Comparison of Reflexology and Connective Tissue Manipulation<br />
in Participants with Primary Dysmenorrhea. The <strong>Journal</strong><br />
of alternative and complementary medicine, 22 (1): 28–44.<br />
Altman, D. G. (1991): Practical Statistics for Medical Research.<br />
Chapman & Hall, London.<br />
Seyda, T. C.; Derya, O. K.; Turkan, A.; Izmir, K. C. (2016):<br />
Cervical and scapulothoracic stabilization exercises with and<br />
without connective tissue massage for chronic mechanical<br />
neck pain: A prospective, randomised controlled trial. Manual<br />
Therapy 21, 144–150.<br />
Holey, L. A.; Dixon, J. (2014): Connective tissue manipulation:<br />
a review of theory and clinical evidence. J Bodyw Mov Ther.,<br />
18 (1): 112–118.<br />
Mura, E.; Schmidsedera, J.; Eggerb, I.: Bodnerc, G.; Eibld, G.;<br />
Hartiga, F.; Pfeifferd, K. P.; Herolda, M. (2001): Beeinflussung<br />
der Darmdurchblutung durch Fussreflexzonenmassage,<br />
gemessen mittels farbkodierter Dopplersonographie<br />
Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkd, 8: 86–89.<br />
Lüdecke, U. (1969): Connective tiussue massage history, basis<br />
and techniques of connective tissue massage. The Australian<br />
journal of <strong>physio</strong>therapy 15 (4): 141–148.<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 15
VORGESTELLT<br />
© Thomas Röske - Fotolia.com<br />
ERFAHRUNGEN IN RUANDA – TEIL 1<br />
Text: Lea Schmidt<br />
und Laura Boller-Hoffecker<br />
Nach unserem Examen im September<br />
2017 wollten wir zunächst einmal berufliche<br />
Erfahrungen im Ausland sammeln und nebenbei<br />
etwas von der Welt entdecken. Unsere<br />
Suche nach einem geeigneten Land mit<br />
einem spannenden Projekt führte uns nach<br />
Kabuga in Ruanda. In dieser und den kommenden<br />
Ausgaben werden wir euch einen<br />
Einblick in unsere Arbeit geben und euch an<br />
unseren Erfahrungen, die wir in dem sechswöchigen<br />
Einsatz vor Ort gesammelt haben,<br />
teilhaben lassen.<br />
Vorbereitungen/<br />
Ideenentstehung<br />
Bevor wir euch auf unsere Reise mitnehmen,<br />
wollen wir kurz schildern, wie die Idee eines<br />
Auslandsaufenthalts gekommen ist und wie<br />
wir letztendlich auf das Projekt HDVC (Help<br />
to self-help for disabled and vulnerable children)<br />
in Ruanda gestoßen sind.<br />
In unserem letzten Jahr der Ausbildung<br />
beschäftigten wir uns immer mehr damit,<br />
wie es nach dem Examen weitergehen wird.<br />
Fragen – beispielsweise danach, wie man einen<br />
guten Einstieg in das Berufsleben findet<br />
oder welchen Fachbereich man gerne vertiefen<br />
möchte, beschäftigen vermutlich jeden<br />
Berufsanfänger. Wir beide fanden Ende<br />
letzten Jahres heraus, dass wir allerdings<br />
noch andere Erfahrungen sammeln und dabei<br />
auch gerne etwas von der Welt sehen<br />
wollten. Aus anfänglichen einzelnen Gedanken<br />
formte sich nach und nach eine immer<br />
konkreter werdende Idee – Physiotherapie<br />
im Ausland. Insbesondere in einem Land,<br />
dessen Gesundheitssystem noch weniger<br />
ausgeprägt ist und in dem vor allem unser<br />
Beruf nicht so präsent ist wie in Deutschland.<br />
So begannen wir mit der Suche nach<br />
einem geeigneten Projekt über verschiedenste<br />
Quellen. Dabei waren wir auf kein<br />
bestimmtes Land fixiert. Es stand nur fest,<br />
dass die Arbeit mit Kindern zu tun haben<br />
soll. Wir suchten im Internet, hörten uns im<br />
Bekanntenkreis und auch bei Lehrern und<br />
ehemaligen Schülern um. Die Suche nach<br />
einem Projekt, wie wir es uns vorgestellten,<br />
gestaltete sich allerdings schwieriger als zu<br />
Anfang gedacht. Über die großen Organisationen<br />
wie beispielsweise ›praktikawelten.<br />
de‹, ›People-abroad.de‹ oder ›projects-abroad.de‹<br />
findet man eine riesige Menge an<br />
tollen und unterstützungswerten Projekten<br />
für Physio-, Ergotherapeuten, Logopäden<br />
und viele mehr. Auch waren die Mitarbeiter<br />
stets bemüht und sehr hilfsbereit, um<br />
bei Interesse und Fragen zu dem jeweiligen<br />
Projekt mit Ratschlägen zur Seite zu stehen.<br />
Allerdings planten wir einen Aufenthalt von<br />
sechs bis acht Wochen und die Kosten für<br />
Unterbringung und Versorgung exklusive<br />
der Flüge für diesen Zeitraum waren uns<br />
schlichtweg zu hoch. Bedenkt man, dass die<br />
Organisationen sich um vieles vor Ort kümmern<br />
und einen während der Reisezeit auch<br />
absichern, wollen wir uns keinerlei Urteil<br />
darüber bilden, ob diese Preise angemessen<br />
sind oder nicht. Für uns war aber ausschlaggebend,<br />
dass es andere, weniger bekannte<br />
Projekte auf der Welt geben muss, die nicht<br />
die Chance haben über Internetzugang oder<br />
andere Medien weltweit auf sich aufmerksam<br />
zu machen, aber Unterstützung, vor<br />
allem fachspezifische, dringend gebrauchen<br />
können. Den Tipp zu dem Projekt HDVC in<br />
Kabuga/Ruanda bekamen wir letztendlich<br />
über einen privaten Kontakt. Dieser war<br />
selbst ein ganzes Jahr im Ausland freiwillig<br />
tätig und hat somit ein ganzes Netz von<br />
Kontakten zu Projekten über die ganze Welt<br />
verteilt. Alles was wir hatten, war die Information,<br />
dass sich in Ruanda ein Zentrum für<br />
geistig und körperlich behinderte Kinder<br />
befindet, in dem Physiotherapeuten gesucht<br />
werden. Dazu bekamen wir eine Telefonnummer,<br />
die wir kurzer Hand anriefen und<br />
so Kontakt zu der Leiterin des Zentrums –<br />
Christine Mukeshimana – aufnahmen. Ende<br />
Juni begannen wir, die ersten Nachrichten<br />
auszutauschen. Dann blieben uns noch vier<br />
Monate, um alles Notwendige zu planen,<br />
Flüge zu buchen, das Visum abzuklären,<br />
einen aktuellen Reisepass zu beantragen<br />
und noch vieles mehr. Die Herausforderung<br />
daran war, alles neben unseren Examensvorbereitungen<br />
zu planen. Den September<br />
16 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
VORGESTELLT<br />
über haben wir uns allerdings nur auf unsere<br />
Prüfungen konzentrieren können und somit<br />
fiel fast ein ganzer Monat für die Planungen<br />
weg. Am Ende haben wir aber das Wichtigste<br />
organisiert bekommen: Wir wussten<br />
über das Projekt Bescheid und die Flüge,<br />
das Visum, die Unterkunft und der Transfer<br />
vom Flughafen waren fix. Wie genau in Ruanda<br />
allerdings alles aussehen und ablaufen<br />
würde, das blieb für uns bis zur Ankunft<br />
noch ungewiss. Die Aufregung stieg mit jedem<br />
weiteren Tag, an dem die Reise näher<br />
rückte. Am 01. November 2017 war es dann<br />
endlich soweit und unser Abenteuer Afrika<br />
begann am Frankfurter Flughafen.<br />
Ruanda erleben<br />
(02.11.2017 – 1:24 Uhr)<br />
Nach einem langen Flug mit Zwischenstopp<br />
in Istanbul kamen wir mitten in der Nacht<br />
in Kigali, Ruanda an und schafften es nur<br />
noch mit Mühe und Not, unsere schweren<br />
Rucksäcke vom Gepäckband auf unsere Rücken<br />
zu hieven. Im ganzen Flughafen, der<br />
zugegebener Maßen nicht sehr groß war,<br />
herrschte eine merkwürdige Stille und man<br />
konnte das laue/milde Wetter bereits spüren.<br />
Wir gingen zügig zur Passkontrolle und<br />
waren mit die ersten Reisenden am Schalter.<br />
Mit einer ungemeinen Ruhe und unglaublich<br />
leiser Stimme begann die Mitarbeiterin,<br />
unbeeindruckt von der langen Schlange hinter<br />
uns, unsere Pässe und Visa zu begutachten.<br />
Nach einer gefühlten Ewigkeit durften<br />
wir weiter gehen.<br />
Vor dem Flughafengebäude fanden wir<br />
uns inmitten einer grünen Parkanlage und<br />
einer Traube von Taxifahrern wieder. Als<br />
uns einer der Fahrer sein Handy anbot um<br />
unseren ›Gastvater‹ anzurufen, der uns abholen<br />
wollte, waren wir erst sehr skeptisch<br />
und wussten nicht recht, ob wir ihm trauen<br />
konnten. In den nächsten Minuten stellte<br />
sich jedoch schnell heraus, dass er wirklich<br />
einfach nur hilfsbereit und alles in allem sehr<br />
freundlich war.<br />
Wir sprachen kurz mit unserem ›Gastvater‹<br />
und sahen wenig später in rasantem<br />
Tempo ein Auto vorfahren, aus dem ganz<br />
galant, breit grinsend und mit beiden Armen<br />
wild winkend Prosper ausstieg. Er begrüßte<br />
uns mit der für Ruandis typischen<br />
flüchtigen Umarmung und half uns, unser<br />
Gepäck in einem alten Toyota, der rechts<br />
gefahren wurde, zu verstauen. Auch der<br />
Fahrer Rashid begrüßte uns sehr herzlich<br />
und wir nahmen auf der Rückbank – ohne<br />
Gurte versteht sich – Platz. Als ihnen auffiel,<br />
dass wir die Musik mochten, drehten sie voll<br />
auf und wir fuhren, alle im Takt wippend,<br />
über die Hügel Kigalis, deren Lichter in der<br />
Dunkelheit glitzerten. Zwanzig Minuten später<br />
waren wir ›zu Hause‹. Trotz der späten<br />
Stunde erwartete uns unsere ›Gastmutter‹<br />
und Chefin Christine freudig mit Tee und<br />
Milchbrötchen. Nach einem kurzen Plausch<br />
fielen wir wenig später erschöpft in unsere,<br />
mit Moskitonetzen überdachten Betten.<br />
So verliefen unsere ersten Stunden in Kigali,<br />
die wir jetzt, rückblickend, bereits als<br />
sehr bezeichnend ansehen.<br />
Die Ruhe und Gelassenheit der Ruandis<br />
ist unverkennbar. So hieß es bei Terminen<br />
nicht selten ›German time or ruandan<br />
time?‹. Und ja, es stimmt wohl wirklich: ›Die<br />
Menschen in Deutschland haben Uhren.<br />
Die Menschen in Ruanda haben Zeit.‹ So<br />
kann es passieren, dass aus einem Treffen<br />
um neun Uhr, schnell elf wird oder dass die<br />
ganze Hochzeitsgesellschaft mal eben 45<br />
Minuten an der Straße warten muss, weil<br />
eines der Autos durch ein Fahrradrennen gestoppt<br />
wurde.<br />
Durch solche Dilemmata lässt sich hier<br />
allerdings niemand aus der Ruhe bringen.<br />
Stress ist in Ruanda ein seltenes Gut.<br />
Eine weitere prägnante Eigenschaft der<br />
Ruandis ist die selbstlose Hilfsbereitschaft,<br />
die hier an den Tag gelegt wird. Ob der<br />
Taxifahrer am Flughafen, der freundliche<br />
Feldarbeiter, der uns kurzerhand (barfuß!!)<br />
den ganzen Weg auf den Berg zeigte oder<br />
die gesamte Bevölkerung Kabugas, die uns<br />
während unserer Brückenbauaktion nonstop<br />
mit Rat und Tat zur Seite stand.<br />
Die Ruandis sind ein sehr lebensfrohes<br />
Volk. Dies bemerkt man sofort, wenn man<br />
einen Fuß auf die (unfassbar sauberen!) Straßen<br />
Kigalis oder genau genommen ganz<br />
Ruandas setzt. Es dauert nicht lange und<br />
ein Pickup mit drei jungen Männern und<br />
riesigen Boxen auf der Ladefläche, die laut<br />
Hiphop mit afrikanischen Rhythmen verbreiten,<br />
tuckert an einem vorbei. Selbst am Busbahnhof<br />
oder an verschiedenen Ecken am<br />
Straßenrand sind Boxen installiert, die laut<br />
Musik verströmen – einfach um den Tag etwas<br />
zu versüßen.<br />
Die Liebe zur Musik und zum lockeren<br />
Leben wird hier vor allem freitagabends<br />
sichtbar. Freitag ist DER Tag zum Ausgehen<br />
hier in Ruanda. So findet man Jung und Alt<br />
in sämtlichen Bars und Clubs Kigalis. (An<br />
dieser Stelle möchten wir anmerken, dass<br />
weder in einem Mützig – noch einem Skol-<br />
Bier unter 10 % Alkohol sein können!)<br />
Natürlich war es in den letzten Wochen<br />
auch nicht immer nur einfach für uns. Man<br />
muss sich auch erstmal an die andere Kultur<br />
gewöhnen. So war es zum Beispiel manchmal<br />
schwer, andere Mimiken und Gestiken<br />
richtig zu deuten oder es einfach hinzunehmen,<br />
dass der Nachbar im Bus auch nach<br />
zwei Stunden holpriger Fahrt nicht müde<br />
wird, einen aus einer Entfernung von 30 cm<br />
anzustarren.<br />
Bewegt man sich hier durch die Stadt,<br />
wird es nicht lange dauern, bis man folgendes<br />
vernimmt: »Umuzunguuu!!«. Übersetzt<br />
heißt das in etwa »Andersfarbiger«. Ob es<br />
Fußgänger sind, die auf einen zukommen,<br />
Fahrradfahrer, die sich umdrehen und fast<br />
hinfallen oder Busfahrer, die aus dem offenen<br />
Fenster brüllen. Auch nach Wochen<br />
hat das kein Ende. Noch extremer wird es<br />
allerdings auf dem Land. Auf unserer siebenstündigen<br />
Busfahrt hoch in den Norden<br />
an die Grenze Ugandas – bei der wir wegen<br />
der Straßenverhältnisse ganze 143 km zu-<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 17
VORGESTELLT<br />
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rücklegten – fuhren wir durch viele kleine<br />
Dörfer, die immer ländlicher wurden. Bei<br />
diversen Stopps versammelten sich ganze<br />
Grüppchen an Bewohnern, die zum Teil ihre<br />
Babys hochhielten, damit diese uns Umuzungus<br />
betrachten konnten. Kleine Kinder<br />
sprinteten so schnell sie konnten aus ihren<br />
Lehmhütten und schrien aus voller Kehle<br />
das Wort auf Kinyarwanda, was<br />
wir in unserem Leben wohl<br />
nie wieder vergessen<br />
werden.<br />
Die Lieblingsessen<br />
der Ruandis sind<br />
Reis, Kartoffeln, Kartoffeln,<br />
Bohnen, Reis<br />
und … hatten wir<br />
schon die Kartoffeln erwähnt?<br />
Diese werden auf<br />
verschiedenste Art serviert –<br />
so verschieden man eine Kartoffel<br />
eben frittieren kann …<br />
Gerne auch zu einer Mahlzeit<br />
in Kombination mit Reis und Nudeln.<br />
(Wer ist eigentlich dieser<br />
Low-Carb??) Besonders gut<br />
gefallen haben uns Chapatis<br />
– eine Art Pfannkuchen,<br />
Samozas<br />
– kleine Teigtaschen<br />
gefüllt mit Fleisch<br />
oder Kartoffeln und<br />
nicht zuletzt die unfassbare<br />
Menge an frischem<br />
Obst. (An dieser<br />
Stelle dementieren wir, dass<br />
wir jemals kurz vor einem Nervenzusammenbruch<br />
standen bei dem Versuch<br />
während des Obst- und Gemüseeinkaufs<br />
auf dem Markt den Überblick zu behalten.)<br />
Ein letzter Punkt der ruandischen Kultur,<br />
der nicht unerwähnt bleiben darf, ist<br />
der Glaube und die Religiosität. Man findet<br />
hier unheimlich viele verschiedene Glaubensvereinigungen<br />
und ist es einmal nicht<br />
die Musik aus den Boxen, die man auf den<br />
Straßen hört, so wird man von lauten Kirchengesängen<br />
der Gottesdienste beschallt.<br />
Die Hochzeiten dauern hier mehrere Tage<br />
an und es gibt eine schier endlose Zahl an<br />
Zeremonien. Busse und Fahrräder sind bunt<br />
bemalt und mit Aufschriften wie ›God is<br />
king‹ oder ›Jesus loves you‹ bestückt.<br />
Dem Busfahren an sich könnte man einen<br />
ganz eigenen Text widmen. Es ist unglaublich,<br />
diese wunderschöne Gegend während<br />
der Fahrten durch die Hügellandschaft zu<br />
beobachten. Es gibt einen Gang, um zu den<br />
hintersten Plätzen zu gelangen. Sind diese<br />
voll, werden weitere Sitze ausgeklappt.<br />
Möchte einer der Fahrgäste der hinteren Reihen<br />
aussteigen muss jeder, der einen<br />
Gangplatz belegt, aufstehen<br />
und anschließend werden<br />
die freigewordenen Plätze<br />
wieder aufgefüllt. Es gibt<br />
auch keine Fahrtzeiten.<br />
Der Bus fährt los, sobald<br />
der letzte Platz belegt<br />
ist. Am skurrilsten empfinden<br />
wir aber das Bezahlen.<br />
Dafür benötigt man<br />
eine Guthabenkarte,<br />
die man immer wieder<br />
neu aufladen muss und<br />
von der vor dem Eintritt<br />
der jeweilige Preis abgebucht<br />
wird. Wenn man<br />
einmal schneller von A nach<br />
B kommen oder aber speziellere<br />
Orte erreichen<br />
möchte nimmt man sich<br />
hier ein »Moto« – ein<br />
Mopedtaxi. Diese findet<br />
man an jeder Ecke. Eine<br />
solche Fahrt ist allerdings<br />
nichts für schwache Nerven.<br />
So kann es passieren,<br />
dass man sich mit Rucksack<br />
und Einkaufstüte auf dem Schoß mit<br />
80 km/h durch die 40er-Zone brausend,<br />
wiederfindet.<br />
Alles in allem ist es eine Kultur, die zum<br />
Staunen anregt und von derer Gelassenheit,<br />
Hilfsbereitschaft und Lebensfreude wir<br />
uns gewiss die ein oder andere Scheibe abschneiden<br />
könnten.<br />
So, das waren nun ein paar Eindrücke<br />
unserer Ankunft in Ruanda. Wie es weiter<br />
ging und wie unsere Arbeit aussah, das erfahrt<br />
ihr in der nächsten Ausgabe des <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>s.<br />
Bis dahin,<br />
herzlichst<br />
Eure Lea und Laura<br />
18 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong><br />
IMAGE_AZ_Physio<strong>Journal</strong>_68x295mm_.indd 1 03.04.18 17:03
© WoGi - Fotolia.com<br />
Text: Sophia Bohland, Patrick Braun,<br />
Tobias Erhardt, Björn Eichmann<br />
VORGESTELLT<br />
DER STELLENWERT DER PHYSIOTHERAPIE<br />
EINE MEHRPERSPEKTIVISCHE ANALYSE DES AKADEMISIERTEN THERAPIEBERUFES<br />
Hintergrund<br />
Immer mehr Patienten möchten in den Therapieprozess einbezogen<br />
werden [Dierks 2015]. Der Therapieerfolg in der Physiotherapie<br />
hängt dabei wesentlich von einer aktiven und eigenverantwortlichen<br />
Teilnahme des Patienten an der Therapie<br />
ab [Deutscher Verband für Physiotherapie 2017]. Physiotherapeuten<br />
sind gesetzlich an die Weisungen des entsprechenden<br />
Vertragsarztes gebunden und erhalten durch die Ausstellung<br />
von Verordnungen die Erlaubnis zur Heilmittelerbringung<br />
[Gemeinsamer Bundesausschuss 2017]. Angesichts des sich<br />
anbahnenden Wandels des deutschen Gesundheitssystems<br />
[Alscher et al. 2013] und der Akademisierungsdebatte um die<br />
Physiotherapie (Arbeitsgemeinschaft Medizinalfachberufe in<br />
der Therapie und Geburtshilfe 2013) wird in dieser Arbeit untersucht,<br />
wie zum einen die Bevölkerung und zum anderen<br />
die Ärzte den Stellenwert der Physiotherapie in Deutschland<br />
einordnen und ob sie den Physiotherapeuten mehr Verantwortung<br />
zusprechen würden.<br />
Methode<br />
Die Datenerhebung wurde mit Hilfe eines von den Autoren<br />
selbst erstellten Fragebogens durchgeführt und fand in einem<br />
Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte Juli 2017 statt. Es wurden<br />
zwei unterschiedliche Fragebogenmodelle erstellt; zur Befragung<br />
der Bevölkerung und zur Befragung der Ärzte. Der<br />
Aufbau der Fragebögen ist in zwei Teile eingeteilt. Im ersten<br />
Teil werden persönliche Daten wie das Alter und Geschlecht<br />
erfragt. Das Fragebogenmodell zur Befragung der Bevölkerung<br />
beinhaltet hier zudem Fragen zur schulischen Bildung<br />
und der sportlichen Aktivität des Befragten und erfragt ob<br />
dieser sich bereits in <strong>physio</strong>therapeutischer Behandlung befunden<br />
hat oder sich aktuell befindet. Im zweiten Teil beider<br />
Modelle sind Aussagen aufgeführt, welche mit einer<br />
von fünf Antwortmöglichkeiten (»trifft zu«, »trifft eher zu«,<br />
»trifft eher nicht zu«, »trifft nicht zu« und »keine Angabe«)<br />
zu beantworten sind. Die Aussagen des Bevölkerungsfragebogens<br />
decken dabei Themen zu den Kategorien Vertrauen<br />
gegenüber der Physiotherapie und der Fach- und Sozialkompetenz<br />
von Physiotherapeuten ab. Darüber hinaus wird auf<br />
die Rollenverteilung zwischen Ärzten und Physiotherapeuten<br />
eingegangen. Die Aussagen in der Ärztebefragung beziehen<br />
sich auf die Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeuten und<br />
Ärzten, der Fachkompetenz, Sozialkompetenz und Personalkompetenz<br />
der Physiotherapeuten und der Akademisierung<br />
der Physiotherapie sowie der Einführung des Direktzugangs.<br />
Die Stichprobe wurde in Physiotherapie Praxen, Arztpraxen<br />
und im Bekanntenkreis mit Hilfe einer ausgedruckten Version<br />
der Fragebögen und einer Internet-Version über die Plattform<br />
umfrageonline.com ermittelt.<br />
Ergebnisse<br />
Die Stichprobe setzte sich aus 129 Teilnehmern aus der Bevölkerung<br />
und acht teilnehmenden Ärzten zusammen. Von den<br />
insgesamt acht Ärzten waren vier weiblich und vier männlich.<br />
Zwei Ärzte befanden sich im Alter zwischen 30 und 39<br />
Jahre, zwei weitere im Alter von 40 bis 50 Jahre und vier Ärzte<br />
waren über 50 Jahre alt. Von den 129 Teilnehmern aus der<br />
Bevölkerung waren 83 (64 %) Teilnehmer weiblich und 46<br />
(36 %) männlich. Fünf Teilnehmer waren unter 20 Jahre alt,<br />
52 Teilnehmer zwischen 20 und 29 Jahre, zwei Teilnehmer<br />
zwischen 30 und 39 Jahre, 15 Teilnehmer im Alter zwischen<br />
40 und 49 Jahre und 55 Teilnehmer 50 Jahre und älter. 30<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 19
VORGESTELLT<br />
Teilnehmer besaßen die mittlere Reife, 10 Teilnehmer die Fachhochschulreife,<br />
28 Teilnehmer das Abitur, 27 Teilnehmer eine<br />
Ausbildung, 29 Teilnehmer studierten oder hatten ein Studium<br />
absolviert und 5 Teilnehmer wählten die Antwortmöglichkeit<br />
»Sonstiges«. 99 (77 %) der 129 Teilnehmer gaben an, Sport<br />
zu treiben. 30 (23 %) Teilnehmer gaben an, keinen Sport zu<br />
treiben. 20 Teilnehmer trieben täglich Sport, 68 Teilnehmer<br />
trieben wöchentlich Sport und 13 Teilnehmer trieben monatlich<br />
Sport. 105 (81 %) der 129 Teilnehmer haben bereits<br />
<strong>physio</strong>therapeutische Behandlungen erhalten. 24 (19 %) der<br />
Teilnehmer haben noch keine <strong>physio</strong>therapeutischen Behandlungen<br />
erhalten. 53 (41 %) Teilnehmer erhielten zum aktuellen<br />
Zeitpunkt <strong>physio</strong>therapeutische Behandlungen, 76 (59 %)<br />
Teilnehmer nicht.<br />
gaben an, dass Physiotherapeuten kein höheres Maß an Verantwortung<br />
benötigen, 16 % stimmten dafür.<br />
Die Bevölkerung vertraut der Physiotherapie!<br />
Über 50 %, im Durchschnitt 59 % der Befragten aus der Bevölkerung,<br />
stimmten mit »trifft zu« dafür, Vertrauen in die<br />
Kompetenzen der Physiotherapeuten zu haben.<br />
Physiotherapeuten sollen mehr<br />
Verantwortung bekommen!<br />
Durchschnittlich 58 % gaben mit »trifft zu« oder »trifft eher<br />
zu« an, dass Physiotherapeuten mehr Verantwortung zugesprochen<br />
werden sollte. Befragte, die schon einmal in <strong>physio</strong>therapeutischer<br />
Behandlung gewesen sind, gaben durchschnittlich<br />
zu 69 % an, Vertrauen in die Kompetenzen der<br />
Physiotherapeuten zu haben. Dieser Wert lag bei den Befragten<br />
ohne <strong>physio</strong>therapeutische Erfahrung bei 17 %, es lassen<br />
sich daraus keine eindeutigen Ergebnisse ableiten. Auffällig<br />
war jedoch, dass durchschnittlich 51 % der Befragten ohne<br />
<strong>physio</strong>therapeutische Erfahrung die Antwortmöglichkeit<br />
»keine Angabe« wählten.<br />
Diskussion<br />
In einer schottischen Studie konnte ein hohes Maß der Befürwortung<br />
der Physiotherapie und des Direktzugangs verzeichnet<br />
werden (Holdsworth 2008). Dies kann auch tendenziell<br />
in dieser Arbeit beobachtet werden. Möglicherweise würde<br />
mehr Berufsautonomie den Berufsstand der Physiotherapie in<br />
Deutschland verbessern.<br />
Schlussfolgerung<br />
Es ist von einem grundsätzlichen Vertrauen in die Physiotherapie<br />
auszugehen. Eine Voraussetzung für mehr Berufsautonomie<br />
für die Physiotherapie stellt die Klärung der Verantwortungsbereiche<br />
mit der Ärzteschaft dar. Auch aufgrund der<br />
geringen Anzahl an teilgenommenen Ärzten und der dadurch<br />
geringen Aussagekraft und Repräsentanz der Ergebnisse sollten<br />
weitere Untersuchungen angestellt werden. Um den Stellenwert<br />
und die Attraktivität des Berufsfeldes Physiotherapie<br />
zu verbessern, ist es notwendig, bessere Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen, sei es der rechtliche Rahmen, in der Ausbildung,<br />
der Öffentlichkeitsarbeit und der Vergütung.<br />
Ärzte: Vertrauen? Ja!<br />
Mehr Kompetenzen? Nein!<br />
Über 50 % der befragten Ärzte gaben mit »trifft zu« oder<br />
»trifft eher zu« an, Vertrauen in die Kompetenzen der Physiotherapeuten<br />
und ihre Arbeit zu haben. Durchschnittlich 68 %<br />
Literatur<br />
Alscher, MD.; Bals, T.; Büscher, A.; Dielmann, G.; Görres, S.; Höppner, H.; Hopfeld, M.;<br />
Igl, G.; Kuhlmey, A.; Matzke, U.; Satrapa-Schill, A. (2013): Gesundheitsberufe neu denken,<br />
Gesundheitsberufe neu regeln. Zugriff am 07.07.2017: http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/2013_Gesundheitsberufe_Online_Einzelseiten.<br />
pdf.<br />
Arbeitsgemeinschaft Medizinalfachberufe in der Therapie und Geburtshilfe (AG MTG)<br />
(2013): Willkommen auf der Homepage der AG MTG !. Zugriff am 26.04.2017: http://<br />
www.agmtg.de/.<br />
Deutscher Verband für Physiotherapie e. V. (2017a): Einsatzbereiche. Zugriff am<br />
10.07.2017:https://www.<strong>physio</strong>-deutschland.de/patienten-interessierte/<strong>physio</strong>therapie/einsatzbereiche.html.<br />
Dierks, ML. (2015): Kompetent als Patient. Zugriff am 15.07.2017 unter: https://www.<br />
tk.de/centaurus/servlet/contentblob/230330/Datei/45118/TK-Broschuere-Kompetent-als-Patient.pdf.<br />
Gemeinsamer Bundesausschuss. (2017b): Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />
über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung<br />
(Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL). Zugriff am 01.07.2017: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1283/HeilM-RL_2016-05-19_iK-2017-01-01.pdf.<br />
Holdsworth, L. K.; Little, H.; McFayden, A. K.; Webster V. S. (2008): Self-referral, access<br />
and <strong>physio</strong>therapy: patients‘ knowledge and attitudes – results of a national trial.<br />
20 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
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<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 21
VORGESTELLT<br />
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DER UNTERARMSTÜTZ<br />
W·O·R·K·O·U·T<br />
UND SEINE VARIANTEN<br />
Ein zentraler Bestandteil der <strong>physio</strong>therapeutischen Behandlung ist die Durchführung von Kräftigungsübungen.<br />
In der Reihe »Workout« werden verschiedene Übungen vorgestellt, die vielleicht auch für Deine Patienten interessant<br />
sind. Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren.<br />
Text: Jesper Schwarz<br />
In Zeiten des Functional- oder Core-Trainings ist der Unterarmstütz<br />
oder neudeutsch auch »Planke« eine bekannte<br />
Übung. Sie wird häufig dafür verwendet, um die Körpermitte,<br />
den sog. Core zu trainieren. Der Core umfasst den Bereich<br />
vom Zwerchfell bis zum Becken, darin inbegriffen alle skelettalen<br />
und muskulären Partien sowie deren beteiligten Bandstrukturen.<br />
Das Core-Training bildet die Grundlage für kräftige, effiziente<br />
und sportartspezifische Bewegungen und mindert zugleich<br />
das Verletzungsrisiko. So stützt und schützt die Core-Muskulatur<br />
beispielsweise den Rumpf, ist an der Atmung beteiligt<br />
und sorgt für die Bewegungen der Wirbelsäule. Aber die Indikationen<br />
für den Unterarmstütz gehen weit über eine Verbesserung<br />
der athletischen Fähigkeiten hinaus. Viele Rückenprobleme<br />
lassen sich zum Beispiel auf eine seitlich abgeschwächte<br />
Bauchmuskulatur und auf eine fehlende Stabilität des Beckens<br />
zurückführen. Auch eine mangelnde Kontrolle und unzureichende<br />
Feinabstimmung der Wirbelsäulenmuskulatur führen<br />
oftmals zu Rückenschmerzen.<br />
Eine gut ausgeprägte Rumpfmuskulatur hilft, Ausweichbewegungen<br />
im Oberkörper zu vermeiden. Auch Dysbalancen und<br />
Instabilitäten, die u. a. Belastungsspitzen auf den passiven Bewegungsapparat<br />
zur Folge haben, können durch eine stabile<br />
Rumpfmuskulatur vermieden werden.<br />
Indikation<br />
Indikationen für die Übungen sind ein LWS- oder BWS-Syndrom,<br />
unspezifische Rückenschmerzen, sowie Beckenbodenund<br />
ISG-Beschwerden. Zudem wirkt die Übung einer kyphotischen<br />
Fehlhaltung entgegen.<br />
Trainierte Muskulatur<br />
Der Unterarmstütz trainiert vor allem die Bauchmuskulatur<br />
und die Rückenmuskulatur, aber auch die Gesäßmuskeln und<br />
die Muskeln des dorsalen Oberschenkels. Durch die statische<br />
Haltefunktion werden zusätzlich die Arm-, Schulter-, und<br />
Brustmuskeln trainiert.<br />
22 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
ASTE<br />
Der Patient liegt auf dem Bauch. Die Zehen sind aufgestellt.<br />
Die Unterarme sind parallel zueinander aufgestützt. Die ulnare<br />
Handkante – die Finger können auch eine Faust bilden – sind<br />
dabei aufgestellt, die Daumen zeigen nach oben.<br />
ESTE<br />
Der Patient hebt das Becken bis der ganze Körper eine horizontale<br />
Linie bildet. Die Daumen zeigen weiterhin nach oben, die Finger<br />
sind gespreizt und der Blick geht leicht nach vorne unten (Kopf<br />
in Verlängerung der HWS). Während der gesamten Übungszeit<br />
wird die Spannung gehalten und der Rumpf stabilisiert.<br />
Besondere Aspekte, die beachtet<br />
werden sollten<br />
Nach einem allgemeinem Warm-Up sollten stets Übungen der<br />
Rumpfmuskulatur am Anfang einer Trainingseinheit stehen,<br />
damit die wichtigste Haltemuskulatur des Rumpfes gezielt aktiviert<br />
und auf die folgenden Bewegungen bzw. Belastungen<br />
vorbereitet und trainiert werden kann. Das Core-Training kann<br />
also bereits einen Teil des Warm-Ups bilden. Um die Belastungsparameter<br />
an die individuellen Gegebenheiten des Patienten<br />
anzupassen, eignet sich vor Trainingsaufnahme bzw.<br />
Planung ein einfaches Screening.<br />
Beschreibung der Übung<br />
VORGESTELLT<br />
Variationen<br />
Es gibt eine nahezu unbegrenzte Anzahl an Stützvarianten. Neben<br />
Anpassungen in der ASTE wie zum Beispiel im Seitstütz<br />
zum vermehrten Ansprechen der lateralen Muskelketten, kann<br />
auch der Unterarmstütz in vielen verschiedenen Variationen<br />
durchgeführt werden. Dabei steht die Ausführung im Vordergrund<br />
– wie so häufig gilt hier das Credo »Qualität vor Quantität«<br />
– auch bei der Auswahl der richtigen Variation spielt das<br />
Screening eine entscheidende Rolle. Meiner Erfahrung nach<br />
kann eine Progression gewählt werden, wenn der Patient (je<br />
nach Zielstellung auch kürzer) 60 Sekunden in der Lage ist, die<br />
vorgegebene Position technisch korrekt durchzuführen. Typisch<br />
für eine Progression ist es, die Unterstützungsfläche der oben<br />
gezeigte Variante zu verkleinern und ein Arm oder ein Bein von<br />
Boden zu lösen. Auch ein dynamischer Seitenwechsel der jeweiligen<br />
Extremität ist denkbar. Ist der Stütz mit gestreckten Beinen<br />
für den Patienten zu anspruchsvoll, empfiehlt sich eine Regression.<br />
Indem der Patient die Knie absetzt, kann er die Hebelverhältnisse<br />
verkürzen und somit die Übung vereinfachen (Abb. 1).<br />
Screening<br />
Hier gibt es verschiedene Verfahren wie z. B. den Bunkie-Test.<br />
Es ist aber auch möglich und gängig, den Patienten einfach die<br />
vorgegebene Position einnehmen zu lassen und die Zeit zu erfassen,<br />
über die der Patient die Übung sauber und technisch korrekt<br />
durchführen kann. An Hand des aktuellen Leistungsniveaus<br />
können dann die entsprechenden Belastungsparameter (Satzdauer,<br />
Satzzahl, Pausenzeit) abgeleitet und bestimmt werden.<br />
Abb. 1: Unterarmstütz<br />
Abb. 2: Regression<br />
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VORGESTELLT<br />
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Text: Gesa Prophet<br />
AUS DEM<br />
LEBEN EINER<br />
PHYSIO-SCHÜLERIN<br />
In seinen vielen Praxiseinsätzen kann man so einiges<br />
erleben. Jeder PT-Schüler kann eine Geschichte<br />
davon erzählen, was ihm Witziges, Skurriles<br />
und Erstaunliches dabei begegnet ist.<br />
Einblicke in den Praktikumsalltag<br />
könnt Ihr in der folgenden<br />
Kolumne lesen.<br />
IN DER CHIRURGIE – SEELENKLEMPNER ODER PHYSIO?<br />
Ich komme ins Zimmer Nummer 23 und mir schlägt eine<br />
Welle der Empörung entgegen. »Und LAUFEN soll ich zu der<br />
Untersuchung?! Also das kommt ja gar nicht in Frage!«. Ich<br />
stelle still fest, dass es sich bei der aufgeregten Frau um meine<br />
Patientin handeln muss und gehe zu ihr. »Guten Tag Frau H.«,<br />
sage ich mit einem Lächeln und nehme ihre Hand. Kurz ist<br />
sie abgelenkt, dann schimpft sie weiter. Darüber, dass alles<br />
eine Frechheit ist und wie schlecht sie, die kurz vor ihrer Operation<br />
steht, hier behandelt wird. Nach fünf Minuten scheint<br />
sie tatsächlich mal Luft zu holen und schaut mich zum ersten<br />
Mal richtig an. »Tut mir Leid, sie können wahrscheinlich genauso<br />
wenig dafür. Sind sie jetzt eigentlich die Psychologin?«<br />
Ich sage: »Fast. Die Physiotherapie-Schülerin.« Ihr Blick ist unbezahlbar.<br />
Nach diesem erst holprigen, dann amüsanten Start in den<br />
Tag suche ich fast vergnügt meine nächste Patientin auf. Sie<br />
wurde mir als schwierig angekündigt – teilzementierte Hüft-<br />
TEP mit Teilbelastung, und zudem hat Frau K. noch Schizophrenie<br />
und Demenz. Mit noch frischem Mut trete ich an<br />
ihr Bett. »Schwester, ich hab solche Schmerzen«, bringt Frau<br />
K. direkt mit einer mitleidserregenden Miene hervor. »Hier,<br />
an der Hüfte … Woher kommt denn das?« – »Naja, so eine<br />
Operation ist schon ein großer Eingriff, und das ist ja erst ein<br />
paar Tage her«, erkläre ich der verzweifelten Frau. »Was?«, ihr<br />
Gesicht rückt zehn Zentimeter näher an meins. »Ich wurde<br />
operiert? Ja sagen sie mal. Wann war das denn? Wieso sagt<br />
mir das denn keiner?« Ich entscheide mich, nur auf die ersten<br />
beiden Fragen zu antworten. »Ja, das war letzte Woche.« –<br />
»Na sowas.«. Frau K. ist wie vom Blitz getroffen. Ich schlage<br />
die Bettdecke zurück und sehe direkt übereinandergeschlagene<br />
Beine. Das hier ist wohl noch ein langer Weg. Und doch<br />
schaffe ich es, auch diese Patientin für eine Laufrunde auf dem<br />
Gang zu bewegen. Und morgen fange ich wahrscheinlich<br />
wieder von vorne an.<br />
In der Umkleide treffe ich Anna aus meinem Kurs, die zurzeit<br />
auf der chirurgischen Intensivstation eingesetzt ist. Sie erzählt<br />
mir, dass sie heute in einer Bauchfalte ihres stark übergewichtigen<br />
Patienten – der eigentlich auf Diät gesetzt ist – einen<br />
Schokoriegel gefunden hat. Ich weiß nicht, ob ich lachen soll<br />
oder nicht. Und so ist es oft in der Klinik: Trotz der schlimmen<br />
Schicksale, die man jeden Tag hautnah miterlebt, gibt es doch<br />
immer etwas Skurriles zu erzählen – langweilig wird einem<br />
nicht.<br />
Und um nochmal auf die empörte Frau H. zurückzukommen:<br />
Oft sind wir tatsächlich die Psychologen. In der Klinik sind wir<br />
neben anderen Praktikanten die einzigen, die auch mal Zeit<br />
für ein Gespräch haben. Und ist das Gröbste erstmal von der<br />
Seele geredet, therapiert es sich umso leichter.<br />
Herzlichst, Eure Gesa<br />
28 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
BRAINTUNING<br />
ANATOMIE ZUM SAMMELN<br />
M. anconeus<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong><br />
M. adductor brevis<br />
<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 29
BRAINTUNING<br />
<br />
1<br />
Grundlagen der Zell- und Neuro<strong>physio</strong>logie Nr. 5<br />
Welche Aufgabe(n) hat die Natrium-Kalium-ATPase?<br />
Wie kann die Natrium-Kalium-ATPase gehemmt werden?<br />
Grundlagen der Zell- und Neuro<strong>physio</strong>logie<br />
PHYSIOLOGIEKARTE<br />
PHYSIOLOGIEKARTE<br />
Grundlagen der Zell- und Neuro<strong>physio</strong>logie<br />
Nr. 5<br />
Die Natrium-Kalium-ATPase transportiert durch einen aktiven Austauschmechanismus drei Na + nach außen und zwei<br />
K + nach innen. Dadurch entsteht ein Ladungsungleichgewicht (d. h. die Pumpe ist elektrogen), das sich zum Ruhemembranpotenzial<br />
von ca. 70–90 mV (innen negativ gegenüber außen) addiert.<br />
Dieser Pumpmechanismus kann gehemmt<br />
werden durch Stoffe, die<br />
7 die Energiebereitstellung der Zelle<br />
vermindern (O 2 -Mangel),<br />
7 direkt die Pumpe hemmen<br />
(Digitalis-Glykoside) oder<br />
7 die Ionenkonzentrationen verändern<br />
(Diuretika).<br />
Wichtig! Die Natrium-Kalium-ATPase spielt<br />
für ein einzelnes Aktionspotenzial keine<br />
Rolle, da bei einem Aktionspotenzial nur<br />
wenige Ionen bewegt werden.<br />
3 [Na+]-<br />
Gradient<br />
– 90 mV<br />
Diuretika verändern die<br />
Ionenkonzentrationen<br />
0 mV<br />
3 Na+<br />
1ATP<br />
Digitalis-Glykoside<br />
hemmen Pumpe<br />
2 K+<br />
extrazellulär<br />
intrazellulär<br />
3 [K+]-<br />
Gradient<br />
1<br />
<br />
O2-Mangel vermindert<br />
Energiebereitstellung<br />
1ADP + 1P<br />
© pathdoc - Fotolia.com<br />
30 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
BRAINTUNING<br />
Jeder kennt das: Die Ausbildung und das Studium zum Physio-<br />
therapeuten beinhalten vor allem in den Fächern Physiologie,<br />
Anatomie und in den klinischen Fächern zahlreiche sehr komplexe<br />
Themengebiete, die man sich immer wieder durchlesen<br />
muss, um sie endlich zu verstehen. Leider sind in der Fachliteratur<br />
die spannenden und kniffligen Themen auch sehr komplex<br />
und langatmig beschrieben. Deshalb wollen wir Euch gerne<br />
ein bisschen unterstützen und kleine Shorties verzehrfertig<br />
servieren. Hier findet Ihr knifflige Themengebiete häppchenweise<br />
kurz und prägnant zusammengefasst.<br />
Viel Spaß<br />
und Erfolg beim<br />
Lesen und Verstehen!<br />
Fotolia © Eric Isselée<br />
SHORTIES PHYSIOLOGIE<br />
VEGETATIVES NERVENSYSTEM<br />
Text: Lina Wirtz<br />
1 Zwerchfell<br />
2 Herz<br />
3 Speiseröhre<br />
4 Magen<br />
5 Bauchspeicheldrüse<br />
6 Leber/Gallenblase<br />
7 Dünndarm<br />
8 Dickdarm<br />
9 Harnblase/Nieren<br />
10 Geschlechtsorgane<br />
Abbildung 1:<br />
Head-Zonen aus dem Handbuch Physiotherapie (2017)<br />
»Fight or flight« oder »rest and digest«, wenn man nach<br />
unserem vegetativen Nervensystem geht, kann man unsere<br />
Aktivierungszustände so einteilen. Aber wie funktioniert dieses<br />
System eigentlich und welche Strukturen gehören dazu?<br />
Genau damit wollen wir uns in diesem Shortie beschäftigen.<br />
Da der Mensch nicht alle Funktionen unseres Körpers steuern<br />
kann, werden vegetative Parameter wie zum Beispiel Atmung,<br />
Kreislauf, Verdauung, Stoffwechsel, Wasserhaushalt und Körpertemperatur<br />
autonom gesteuert. Um das zu steuern, innerviert<br />
das vegetative Nervensystem motorisch überwiegend die<br />
glatte Muskulatur der Eingeweide und Gefäße, darüber hinaus<br />
auch exokrine und endokrine Drüsen.<br />
Unser vegetatives Nervensystem hat drei Anteile: den Sympathikus,<br />
den Parasympathikus und das enterische Nervensystem<br />
oder auch Darmnervensystem genannt. Bis auf wenige Ausnahme<br />
innervieren der Parasympathikus und der Sympathikus<br />
alle inneren Organe [Faller et al, 1999]. Gesteuert werden sie<br />
übergeordnet durch den Hypothalamus, die Formatio reticularis<br />
und das limbische System [Trepel, 2015]. Um entspannt<br />
fortzufahren, beginnen wir mit dem Parasympathikus. Er hat<br />
seine Ursprünge im Hirnstamm<br />
und den Seitenhörnern des sakralen<br />
Rückenmarks und ist für<br />
1 1<br />
die Ruhe im Körper zuständig.<br />
So senkt er zum Beispiel den<br />
2<br />
Herzschlag und stimuliert die<br />
3<br />
Magen-Darm-Aktivitäten. Diese<br />
5<br />
4<br />
Aktivitäten werden auch trophotrop<br />
genannt. Sein »Gegen-<br />
7<br />
6<br />
8<br />
über« ist der Sympathikus. Er<br />
9<br />
10 10<br />
entspringt in den Seitenhörnern<br />
von Th1–L2. Seine Wirkung wird<br />
als ergotrop bezeichnet, was bedeutet,<br />
dass er das System bei<br />
einwirkendem Stress, wie beispielsweise<br />
bei körperlicher Arbeit oder Sport, aktiviert. Dafür<br />
sind seine Funktionen den parasympathischen Funktionen<br />
entgegengesetzt. Er weitet die Bronchien, erhöht die Herzschlagfrequenz,<br />
hemmt die Tätigkeiten im Magen-Darm-Trakt<br />
und stimuliert das Nebennierenmark. Dort wird Adrenalin und<br />
Noradrenalin produziert, welches für die Aktivierung nötig ist<br />
[Trepel, 2015; Zalpour, 2016].<br />
Leitungsbahnen des vegetativen Nervensystems<br />
Es ist zunächst so, dass die Rezeptoren zum Beispiel Spannungszustände<br />
des Organs registrieren. Die Afferenzen – also<br />
die Informationszuleitung – werden über die viszerosensiblen<br />
Fasern geleitet. Auf ihrem Weg zum zentralen Nervensystem<br />
treten sie über die Hinterwurzel in das Rückenmark ein und<br />
laufen später mit dem N. vagus gemeinsam weiter. Es gibt<br />
aber auch Hirnnerven, die parasymapthische Fasern aufweisen:<br />
III. N. occulomotorius, VII. N. facialis, IX. N. glossopharyngeus,<br />
X. N. vagus [Trepel, 2016].<br />
Nun sollen Arbeitsaufträge vom Parasympathikus und Sympathikus<br />
an die Organe gesendet werden. Nehmen wir hierzu<br />
ein Beispiel, das sicher viele von<br />
euch kennen: Die Prüfungssituation.<br />
Vor und in der Prüfung ist<br />
1<br />
der Körper einem Stressreiz ausgesetzt.<br />
Um den Körper in die-<br />
3<br />
2<br />
sem Alarmzustand zu versetzen,<br />
6<br />
4<br />
muss der Sympathikus Reizsignale<br />
senden. Die dazugehörigen<br />
5<br />
7<br />
9 Axone, beziehungsweise viszeromotorischen<br />
Fasern, verlassen<br />
9<br />
10<br />
8 8<br />
das Rückenmark und treten unmittelbar<br />
danach in den Grenzstrang<br />
(Truncus sympathicus) ein.<br />
<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 31
BRAINTUNING<br />
Hier werden sie auf ein 2. Neuron umgeschaltet, um dann<br />
zum Beispiel zu den motorischen Endplatten der Herzmuskulatur<br />
zu laufen und hier die Herzfrequenz hochzutreiben. Es<br />
führen aber auch Wege zu den Schweißdrüsen. Diese sorgen<br />
bei der Aktivierung für eine Klimatisierung des Körpers. Nun<br />
wird die Prüfung verlassen und der Körper wird nach außen<br />
hin ruckartig vom Stress entlastet. Im Körper dauert dies noch<br />
eine wenig länger. Die Fasern des Parasympathikus verlassen<br />
ebenfalls das Rückenmark. Dort erfolgt aber die Verschaltung<br />
vom ersten Neuron aufs Zweite erst kurz vor dem Erfolgsorgan.<br />
In diesem Fall entspannt man sich nach der erfolgreich<br />
absolvierten Prüfung.<br />
Grundsätzlich arbeitet auch das vegetative Nervensystem mit<br />
Transmittern. Hierbei verwendet der Sympathikus auf dem<br />
Weg zum Grenzstrang Acetylcholin und bis zum Zielorgan<br />
Noradrenalin. Die Ausnahme bilden die Schweißdrüsen: Diese<br />
werden ausschließlich von Acetylcholin versorgt. Beim Parasympathikus<br />
ist es auch ausschließlich Acetylcholin auf beiden<br />
»Neuronenstrecken«.<br />
Vegetative Reflexe<br />
Ein vegetativer Reflex findet im Bereich der Haut statt. Hier gibt<br />
es einen Reflex, den sich die Physiotherapeuten zu nutzen machen:<br />
Der kutiviszerale Reflex. Über die Afferenzen gelangen<br />
die Informationen über die Hinterwurzel und mehrere Interneurone<br />
in das Rückenmark und werden dort auf eine efferente<br />
VEGETATIVES NERVENSYSTEM<br />
SHORTIES PHYSIOLOGIE<br />
Bahn zur Eingeweidemuskulatur umgeleitet. So funktioniert<br />
zum Beispiel die Schmerzlinderung bei Bauchschmerzen unter<br />
Zuhilfenahme einer Wärmeflasche.<br />
Aber auch unser Blutdruck kann reflektorisch geregelt werden.<br />
Die Barorezeptoren messen den arteriellen Blutdruck und<br />
leiten diese Information an den Hirnstamm. Hier werden diese<br />
verarbeitet und die efferente Information leitet eine Modulation<br />
der Herzfrequenz und des Gefäßtonus der Arteriolen ein.<br />
Man spricht dann vom viszeroviszeralen Reflex.<br />
Der viszerokutane Reflex beschreibt den Reizweg von inneren<br />
Organen an die Haut. Eine Aktivierung dieses Reizweges führt<br />
zu einer Hautrötung, einer Berührungsempfindlichkeit (Hypästhesie)<br />
sowie zu Schmerzen in einem zugeordneten Hautareal.<br />
Diese werden in der Medizin auch als Head-Zonen bezeichnet<br />
[Hick, 2013; Gesing et al, 2017].<br />
Literatur<br />
Gesing, V.; Heller, A.; Kolster, B.; Winkelmann, C. (2017): Handbuch Physiotherapie. Berlin: KVM - Der Medizinverlag.<br />
Hick, A.; Hick, C. (2013): Kurzlehrbuch Physiologie. München: Elsevier Health Science.<br />
Trepel, M. (2015): Neueoanatomie Struktur und Funktion. München: Elsevier GmbH.<br />
Zalpour, C. (2016): Für die Physiotherapie Anatomie Physiologie. München: Elsevier GmbH.<br />
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32 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
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Text: Silke Wolf<br />
SIT-TO-STAND TESTS – STS TEST<br />
TESTS UND ASSESSMENTS<br />
Die menschliche Bewegung ist kennzeichnet durch willkürliche Veränderungen der Körperposition<br />
im Raum. Sie geschehen wiederkehrend, oft unbeachtet und unter unterschiedlichsten<br />
Bedingungen. Eine dieser typischen Alltagsbewegungen ist das Aufstehen<br />
von einem Stuhl – die Positionsveränderung vom Sitz zum Stand. Dieser Bewegungsablauf<br />
ist Kernbestandteil eines häufig verwendeten Testverfahrens: dem Sit-to-Stand Test. Je<br />
nach Ausführung kann damit eine Aussage über die funktionelle Mobilität, die Kraft der<br />
unteren Extremität oder den allgemeinen Fitnessstatus einer Person getroffen werden.<br />
Was ist das?<br />
Der Testaufbau ist denkbar einfach. Es werden<br />
lediglich ein Stuhl und eine Stoppuhr<br />
benötigt. Die Testperson wird angeleitet<br />
vom Stuhl aufzustehen und sich direkt wieder<br />
hinzusetzten. Je nach Fragestellung,<br />
kann aus verschiedenen Varianten des Tests<br />
gewählt werden: Five-Times-Sit-to-Stand,<br />
30-Seconds-STS Test, Single-Leg-STS Test<br />
oder One-Minute-STS Test. Mithilfe dieses<br />
Performance-Assessments kann die Aktivitäts-Domäne<br />
der ICF (International Classification<br />
of Functioning, Disability and Health)<br />
abgebildet werden.<br />
Wie geht das?<br />
Grundsätzlich gilt es, die Testung so standardisiert<br />
wie möglich durchzuführen. Daher<br />
sollte immer derselbe »Teststuhl« verwendet<br />
werden. Die Angaben zur exakten<br />
Höhe des Hilfsmittels schwanken, je nach<br />
Literatur, zwischen 43 und 48 cm. Die Testperson<br />
sollte in der Sitzposition eine Kniegelenksflexion<br />
von etwa 90 ° haben. Der Stuhl<br />
sollte stabil aber frei stehen und nicht an<br />
einer Wand o. Ä. angelehnt sein.<br />
Die Testperson wird nun instruiert so<br />
oft wie möglich in einer vorgegebenen Zeit<br />
vom Stuhl aufzustehen (Knie komplett gestreckt)<br />
und sich direkt wieder hinzusetzten.<br />
Wird eine Variante gewählt, bei der eine bestimmte<br />
Anzahl von Wiederholungen gezeigt<br />
werden soll (bspw. 5 x oder 10 x), ist<br />
die Instruktion entsprechend anzupassen.<br />
Die Rückenlehne sollte während der Testdurchführung<br />
nicht berührt werden. Außerdem<br />
sollte die Testperson die Arme vor der<br />
Brust überkreuzen (bei Schlaganfallpatienten<br />
ist es erlaubt, den betroffenen Arm in<br />
einer Schlinge am Rumpf zu fixieren). Der<br />
Test startet mit einem vorher vereinbarten<br />
Starsignal, bspw. einem Kommando wie<br />
»Go!« oder »Los!«. Die Anzahl der Wiederholungen<br />
wird gezählt, bzw. die Zeit<br />
gestoppt, die benötigt wurde, um eine festgelegte<br />
Wiederholungszahl zu zeigen. Jeder<br />
vollständige Stand wird als Punkt gewertet –<br />
number of stands.<br />
Warum?<br />
Mithilfe des STS Tests lassen sich verschiedenste<br />
Fragestellungen untersuchen. So<br />
gibt es beispielsweise einen Cut-Off Wert<br />
zur Bestimmung des Fallrisikos für Parkinsonpatienten:<br />
Personen mit dieser Erkrankung,<br />
die länger als 16 Sekunden für den<br />
Five-Times-Sit-to-Stand benötigen, weisen<br />
ein deutlich erhöhtes Fallrisiko auf.<br />
Auch über die allgemeine Leistungsfähigkeit<br />
von Älteren und Personen mit COPD<br />
(chronic obstructive pulmonary disease)<br />
lassen sich mittels des STS Tests Aussagen<br />
treffen: hier ist eine Veränderung des Wer-<br />
Abbildung 1: Durchführung STS Test<br />
tes ein guter Indikator zur Beurteilung von<br />
Trainingseffekten. Für gesunde Männer zwischen<br />
70 und 79 Jahren gelten etwa 30–32<br />
Wiederholungen innerhalb einer halben Minute<br />
als Referenz, für gesunde Frauen derselben<br />
Altersklasse etwa 27–30.<br />
Zusammenfassung<br />
Der STS Test ist ein häufig verwendetes Assessment<br />
und kann zur Bearbeitung verschiedenster<br />
Fragestellungen und zur Beurteilung<br />
unterschiedlichster Krankheitsbilder genutzt<br />
werden. Sehr gute Werte zur Testgüte wurden<br />
vor allem in Untersuchungen mit Parkinson-<br />
und Schlaganfallpatienten gezeigt.<br />
Der STS Test lässt sich schnell und ohne<br />
besondere Hilfsmittel auch in der alltäglichen<br />
Praxis durchführen und gut reproduzieren<br />
(hohe Inter- und Intrarater-Reliabilität:<br />
ICC = 0.97–0.99). Eine spezielle Schulung<br />
zur Testdurchführung ist nicht notwendig.<br />
Literatur<br />
Bohannon, R. W. (2006): Reference values for the five-repetition<br />
sit-to-stand test: a descriptive meta-analysis of data from<br />
elders. Percept Mot Skills 103(1): 215–222.<br />
Buatois, S.; Perret-Guillaume, C. et al. (2010): A simple clinical<br />
scale to stratify risk of recurrent falls in community-dwelling<br />
adults aged 65 years and older. Phys Ther 90(4): 550–560.<br />
Duncan, R. P.; Leddy, A. L. et al. (2011): Five times sit-to-stand<br />
test performance in Parkinson's disease. Arch Phys Med<br />
Rehabil 92(9): 1431–1436.<br />
Lin, Y. C.; Davey, R. C. et al. (2001): Tests for physical function<br />
of the elderly with knee and hip osteoarthritis. Scand J Med<br />
Sci Sports 11(5): 280–286.<br />
Mong, Y.; Teo, T. W. et al. (2010): 5-repetition sit-to-stand<br />
test in subjects with chronic stroke: reliability and validity.<br />
Arch Phys Med Rehabil 91(3): 407–413.<br />
Puhan, M. A.; Siebeling, L. et al. (2013): Simple functional<br />
performance tests and mortality in COPD. Eur Respir J 42(4):<br />
956–963.<br />
Strassmann, A.; Steurer-Stey, C. et al. (2013): Populationbased<br />
reference values fort he 1-min sit-to-stand test. Int J<br />
Public Health 58(6): 949–953.<br />
Whitney, S. L.; Wrisley, D. M. et al. (2005): »Clinical measurement<br />
of sit-to-stand performance in people with balance<br />
disorders: validity of data for the Five-Times-Sit-to-Stand<br />
Test.« Phys Ther 85(10): 1034–1045.<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 33
FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
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PATIENTEN-ZUFRIEDENHEIT<br />
Text: Rolf Leicher<br />
MESSBAR MACHEN<br />
Auf die permanente Zufriedenheit<br />
der Patienten legen Physiotherapeuten großen<br />
Wert, denn es gibt einen Zusammenhang zwischen<br />
Patientenzufriedenheit und Patientenbindung. Dadurch<br />
besteht die Chance der positiven Weiterempfehlung<br />
(Mund-zu-Mund-Propaganda).<br />
Grundsätzlich ist der Physiotherapeut der Überzeugung,<br />
dass seine Patienten zufrieden sind. Weil es praktisch keine<br />
Beschwerden gibt, schließt er auf einen hohen Grad der Zufriedenheit.<br />
Ist dieser Schluss aber richtig? Kann es sein, dass<br />
es deshalb keine Beschwerden gibt, weil Patienten nicht den<br />
Mut haben, sich zu äußern? Niedrige Beschwerdezahlen können<br />
das Ergebnis hoher Beschwerdebarrieren sein. Kritische<br />
Äußerungen von Patienten werden gar nicht als Beschwerde<br />
angesehen oder erfasst. Wenig Kritik von Patienten ist kein<br />
aussagefähiger Indikator für Zufriedenheit. Kritische Patienten<br />
werden als Nörgler gesehen, dabei liefern sie Informationen<br />
zur Verbesserung der Organisation und Behandlung. Um die<br />
Meinungen möglichst vieler Stammpatienten zu erfahren, ist<br />
eine systematische »Meinungsumfrage« geeignet. Allgemeine<br />
Äußerungen über das Wohlbefinden des Patienten (Wie geht<br />
es Ihnen?) sind ungenau.<br />
Unzufriedenheit entsteht als Folge einer wahrgenommenen<br />
Diskrepanz zwischen erwarteter und erlebter Leistung des<br />
Therapeuten. Schon bei der Terminanmeldung hat der Patient<br />
konkrete Erwartungen. Vor allem für die Behandlung entsteht<br />
beim Patienten ein Erwartungshorizont.<br />
Eine systematische Umfrage kann zum aussagefähigen Indikator<br />
für Patientenzufriedenheit werden. Durch Kritik erhält<br />
man Informationen zu Verbesserungen und erhöht so seine<br />
Wettbewerbsfähigkeit. Relevante Daten über die Meinung<br />
der Kunden gibt es durch gezieltes<br />
Nachfragen. Auch wenn die Beurteilung eine<br />
Momentaufnahme ist, können Rückschlüsse auf die<br />
Leistungsfähigkeit durch den Kunden gezogen werden. Ein<br />
Kunde, der sich kritisch äußert, ist ein »kostenloser Qualitätsbeauftragter«<br />
für den Physiotherapeuten und verdient daher<br />
sogar ein »Danke«.<br />
Der Fragebogen<br />
Die Abfrage besteht aus zehn Fragen, die auf einer Seite Platz<br />
finden, damit die Bereitschaft zur Response (Rückmeldung,<br />
Stellungnahme bei Umfragen) nicht beeinträchtigt wird. Fragebögen,<br />
die eine Bearbeitungszeit von mehr als fünf Minuten<br />
erfordern, werden vom Patienten abgelehnt. Bei der<br />
Skalierung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das 5-stufige-System<br />
hat sich bewährt. Der höchste Wert steht immer<br />
ganz links. Eine Variante sind Textangaben »sehr gut«, »gut«,<br />
zufriedenstellend«, »ausreichend« und »mangelhaft«. Aber<br />
auch der Erfüllungsgrad in Prozentzahlen ist möglich: 100, 75,<br />
50, 25, 0 Prozent. Die Notenskala ist zwar in die Jahre gekommen,<br />
allerdings kommen die meisten damit zurecht, weil<br />
das System den Schulnoten entspricht, das allen gut bekannt<br />
ist. Häufig findet man die Punkteskala (1–5). Auch die Skalierung<br />
mit »PLUS« und »MINUS« ist bekannt. Smileys haben<br />
sich nicht durchgesetzt. Die Skalierung umfasst idealerweise<br />
fünf Stufen. Der Patient kann zusätzlich durch Ausrufezeichen<br />
kennzeichnen, welche beiden Punkte für ihn besonders<br />
wichtig sind und damit eine Gewichtung vornehmen. Bei der<br />
Reihenfolge der Fragen sollten die leichteren Fragen zuerst<br />
gestellt werden. Stehen bereits am Anfang schwierig zu be-<br />
Falsch: »Unsere Patienten sind zufrieden. Die geringe Zahl kritischer Äußerungen beweist dies!«<br />
Richtig: »Wenig Kritik der Patienten ist kein aussagefähiger Indikator für hohe Zufriedenheit!«<br />
Falsch: »Wer sich beschwert, ist ein Nörgler.«<br />
Richtig: »Beschwerden sind Chancen für Verbesserungen.«<br />
34 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
BEURTEILUNGSBOGEN<br />
FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
Liebe Patientin, lieber Patient,<br />
wir möchten uns immer weiter verbessern und brauchen dafür Ihre Meinung. Deswegen bitten wir die nachstehenden<br />
Fragen zu beantworten. Bitte bewerten Sie nach Schulnoten. Vielen Dank.<br />
Ihre Physiotherapie Mustermann<br />
Wie beurteilen Sie … 1 2 3 4 5<br />
1. … die Fachkompetenz des Personals <br />
2. … die Erklärung der Schmerzursache <br />
3. … den Behandlungserfolg <br />
4. … die Freundlichkeit des Personals <br />
5. … die Einfühlsamkeit in die Schmerzsituation <br />
6. … die Atmosphäre der Praxis insgesamt <br />
7. … die Beantwortung der Fragen <br />
8. … Anleitungen für eigene Übungen zuhause <br />
9. … die kurzfristige Terminvergabe <br />
10. … Toilette und Garderobe <br />
Welche Anregungen haben Sie?<br />
Beurteilung: 1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = ausreichend, 5 = mangelhaft<br />
Würden Sie uns weiter empfehlen? Ja Nein weiß nicht<br />
antwortende Fragen, wird es ihm zu kompliziert und er wird<br />
abbrechen. Handschriftliche Bemerkungen des Patienten sind<br />
besonders zu beachten, auch wenn sie statistisch schwer auswertbar<br />
sind.<br />
Um mit der Befragung eine positive Imagewirkung zu erzielen,<br />
ist auch die Gestaltung des Fragebogens von zentraler<br />
Bedeutung. Ein unprofessionell gestalteter, unübersichtlicher,<br />
und nicht chronologisch aufgebauter Fragebogen motiviert<br />
nicht zur Bearbeitung. Für die Ausformulierungen der einzelnen<br />
Fragen gibt es einige Regeln. Sie sollten kurz sein (keine<br />
Nebensätze). Sie müssen eindeutig sein, das heißt, jede Frage<br />
darf nur einen Aspekt vermitteln (Vorsicht bei »und« oder<br />
»oder«). Sie sollten möglichst wenig Interpretationsspielraum<br />
lassen und konkret formuliert sein.<br />
Die Auswertung<br />
Bei negativer Response darf man keine Verteidigungshaltung<br />
einnehmen, nicht nach Rechtfertigungen suchen oder die Zufriedenheitsabfrage<br />
abbrechen. Jede Kritik ist eine Chance, etwas<br />
zu verbessern. Umfragen sind für die Praxis eine aktuelle<br />
Standortbestimmung. Wer allerdings Kritik erfährt und nichts<br />
ändert, irritiert die Patienten. Wenn bei einer zweiten Befragung<br />
der gleiche Punkt schlecht beurteilt wird, fragt er sich,<br />
weshalb nichts verbessert wurde. Wenn man nichts ändern<br />
kann (z. B. kurzfristige Terminvergabe), muss man dem Patienten<br />
eine Erklärung liefern, oder die Frage aus dem Formular<br />
nehmen. Deshalb verpflichtet die Zufriedenheitsabfrage zu<br />
Änderungen.<br />
Mögliche Bewertungsfehler<br />
des Patienten<br />
Eine Leistung zu bewerten ist für jeden immer auch ein Prozess<br />
der Wahrnehmung und verlangt gute Urteilsfähigkeit sowie<br />
Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Physiotherapeuten.<br />
Dabei kommt es zu verschiedenen Fehlern. Vom »Überstrahlungseffekt«<br />
spricht man, wenn der Patient von einem auffälligen<br />
Merkmal z. B. großzügige, moderne Räumlichkeiten auf<br />
das Personal schließt und große Erwartungen hat. Ein Punkt<br />
kann die gesamte Beurteilung beeinflussen, er überstrahlt alle<br />
Wahrnehmungen und Erwartungen.<br />
Der »Sympathieeffekt« bedeutet, dass das sympathische<br />
Personal großzügig und positiv beurteilt wird, auch wenn es<br />
bei der Terminvereinbarung Schwierigkeiten gibt. Jüngere<br />
Patienten haben eine völlig andere Sichtweise als Senioren.<br />
Auch wenn Wahrnehmungen subjektiv sind, müssen sie immer<br />
ernst genommen werden.<br />
Für einen repräsentativen Querschnitt braucht man erfahrungsgemäß<br />
mindestens zwanzig vollständig ausgefüllte Beurteilungsformulare.<br />
Der Fragebogen wird nach der sechsten<br />
<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 35
FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
Behandlung oder mit der Rechnung überreicht. Einige Praxen<br />
sind dazu übergegangen, ihn per Mail zu liefern. Bei einer<br />
Serie von Behandlungen kann auf die fortlaufende Befragung<br />
verzichtet werden. Bei negativer Response darf es nicht<br />
zu Diskussionen kommen. Eine Stellungnahme dazu erfolgt<br />
erst nach interner Prüfung des Sachverhalts. Auf bestimmte<br />
Umfragen kann man auch persönlich Stellung nehmen, die<br />
Adresse ist meist bekannt. Erfahrungsgemäß wollen viele Patienten<br />
anonym bleiben und können somit nicht mit einer Stellungnahme<br />
rechnen.<br />
Die Einführung der Bewertung<br />
Der Praxisinhaber oder der Vorgesetzte muss mit der Skepsis<br />
des Teams rechnen, denn auch die Mitarbeiter unterliegen der<br />
kritischen Bewertung durch den Patienten. Das Team sieht in<br />
der Beurteilung eine Kontrollaktion, und auch Patienten könnten<br />
diese Meinung vertreten und das Gefühl haben. Trotz dieser<br />
Bedenken lohnt sich die Meinungsumfrage.<br />
Unabhängig von einer systematischen Meinungsabfrage<br />
erfährt auch der Mitarbeiter am Telefon so manche Kritik vom<br />
Patienten (»Das dauert ewig, bis man bei Ihnen einen Termin<br />
erhält« oder ähnliche Kritik). Auch diese Äußerungen sollten<br />
außerhalb des Systems erfasst und geklärt werden. Entscheidend<br />
ist die Wahrnehmung des Patienten, nicht die Rechtfertigung<br />
der Situation.<br />
Die meisten Patienten nehmen eine Zufriedenheitsabfrage<br />
grundsätzlich positiv wahr, zeigt sie ihnen doch, wie sehr ihre<br />
Meinung geschätzt wird. Ziel der Abfrage ist die kontinuierliche<br />
Verbesserung des Praxismanagements und der Mitarbeiter<br />
und damit die Intensivierung der Patientenbindung. Seit<br />
einiger Zeit werden auch online Befragungen durchgeführt,<br />
die dann nicht mehr anonym sind.<br />
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36 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
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FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
ELEKTROENZEPHALOGRAMM (EEG)<br />
DIAGNOSTIK<br />
Text: Susanne Klotz<br />
Herzlich willkommen zu einer neuen<br />
Ausgabe der Reihe über diagnostische Verfahren.<br />
Thematisch bleiben wir bei den elektro<strong>physio</strong>logischen<br />
Verfahren: Nachdem ihr<br />
in der letzten Ausgabe das Elektrokardiogramm<br />
(EKG) kennengelernt habt, möchten<br />
wir uns nun näher mit der Elektroenzephalographie<br />
und seinem Produkt, dem Enzephalogramm<br />
(EEG) beschäftigen.<br />
Die Elektroenzephalographie misst elektrische<br />
Ereignisse von Synapsen oberflächennaher<br />
Kortexanteilen und stellt diese im<br />
Elektroenzephalogramm dar. Anders ausgedrückt<br />
registriert es die bioelektrischen Phänomene<br />
der Hirnrinde, die auf die Kopfhaut<br />
weitergeleitet und dort mit Hilfe zweier<br />
Elektroden aufgenommen werden. Diese<br />
bioelektrischen Phänomene sind Potentialschwankungen<br />
als Summe der erregenden<br />
(exzitatorischen) und hemmenden (inhibitorischen)<br />
synaptischen Potenziale.<br />
Diejenigen, die den EKG-Artikel kennen,<br />
dürfte das bekannt vorkommen. Sowohl das<br />
EKG als auch das EEG nutzen beide die elektrischen<br />
Feldpotenziale im Extrazellularraum<br />
zu diagnostischen Zwecken. Im Unterschied<br />
zum EKG, bei dem die Potentialdifferenzen<br />
bedingt sind durch das Fortlaufen des<br />
Aktionspotentials in der Herzmuskulatur,<br />
entstehen sie hier durch Aktionspotentiale<br />
der Neuronen der Hirnrinde, die auf diese<br />
Weise Informationen austauschen. Aber<br />
unabhängig ob nun Muskel- oder Nervenzellen<br />
erregt werden, der Ablauf und die<br />
daraus resultierenden Veränderungen in<br />
der Ladung intra- und extrazellular sind sehr<br />
ähnlich: Eine unerregte Nervenzelle ist negativ<br />
geladen, aufgrund der positiven Ladung<br />
im Extrazellularraum besteht ein Membranpotential<br />
zwischen den beiden Räumen.<br />
Trifft nun ein überschwelliger Reiz auf das<br />
Neuron wird das Aktionspotential ausgelöst<br />
und Natriumkanäle geöffnet. Durch den<br />
massenhaften Einstrom von Natrium kehrt<br />
sich die Spannung im Intrazellularraum um<br />
(Depolarisation). Das Aktionspotential wird<br />
weitergeleitet und durch die Öffnung von<br />
Kaliumkanälen wird das ursprüngliche negative<br />
Potential im Intrazellularraum wieder<br />
hergestellt (Repolarisation). Im Extrazellularraum<br />
des gerade erregten Zellenabschnitts<br />
entsteht vorübergehend eine negative Ladung,<br />
in den nachfolgenden, noch nicht erregten<br />
Abschnitten ist sie positiv. Dadurch<br />
werden elektrische Felder generiert, deren<br />
Summe mit Hilfe der darüber befindlichen<br />
EEG-Elektrode abgegriffen werden kann.<br />
Zunächst noch ein kleiner Ausflug in<br />
die Geschichte bevor ihr dann einiges über<br />
die Indikationen, die Durchführung und die<br />
Auswertung des EEGs erfahrt.<br />
Geschichte des EEG<br />
Bereits im 19. Jahrhundert konnten erste<br />
Beobachtungen von spontanen oder provozierten<br />
bioelektrischen Phänomenen<br />
der Hirnrinde gemacht werden. Der englische<br />
Arzt und Physiologe Richard Caton<br />
entdeckte 1874 die elektrischen Potentialschwankungen<br />
bei tierischen Gehirnen. Im<br />
Jahr 1912 zeichnete der russische Physiologe<br />
Vladimir VladimirovichPravdich–Neminsky<br />
das erste tierische EEG auf. Damals hieß es<br />
aber noch nicht Elektroenzephalogramm,<br />
sondern wurde von Neminsky als »Elektrozerebrogramm«<br />
bezeichnet. Sowohl Neminskys<br />
Arbeit als auch die frühen Beobachtungen<br />
der bioelektrischen Phänomene<br />
stießen allerdings in Kollegenkreisen auf<br />
wenig Interesse.<br />
So erging es auch dem deutschen Psychiater<br />
Hans Berger. In den 1920er Jahren<br />
arbeitete er daran, die elektrischen Potentialschwankungen<br />
von der menschlichen<br />
Kopfhaut zu registrieren und konnte somit<br />
als erstes ein menschliches EEG aufzeichnen.<br />
Seine Untersuchungsergebnisse veröffentlichte<br />
er 1929 in dem Artikel Ȇber das<br />
Elektrenkephalogramm des Menschen«,<br />
welcher in der Fachwelt mit Skepsis aufgenommen<br />
wurde. Erst nachdem anerkannte<br />
Größen in dem Forschungsfeld in den<br />
1930er Jahren die Bedeutung der Arbeit<br />
Bergers würdigten, nahmen Forschung und<br />
Entwicklung in diesem Bereich zu. Vor allem<br />
durch die Entwicklung von immer leistungsstärkeren<br />
Computern ab den 1960er Jahren<br />
bekam diese noch einmal eine neue Dynamik,<br />
da nun auch rechnergestützte Analysen<br />
möglich waren.<br />
<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 37
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Tel.: (0221) 64 30 49 49 · koeln@doepfer-akademie.de<br />
München<br />
Sektoraler Heilpraktiker<br />
(2 Starttermine)<br />
02. – 04.06.18 und<br />
16. – 18.06.18<br />
24. – 29.11.18<br />
Manuelle Therapie (INOMT) 13. – 17.06.18<br />
Einstieg jederzeit<br />
Schwindel- und Vestibulartherapeut 21. – 22.07.18<br />
Ernährungscoach 15.09.18 – 02.12.18<br />
Manuelle Lymphdrainage (Lymphologic) 01. – 26.10.18<br />
Würzburger Straße 4 · 80686 München<br />
Tel.: (089) 54 71 79-38 · muenchen@doepfer-akademie.de<br />
Nürnberg<br />
Neuro-Linguistisches Programmieren I –<br />
die NLP-Basic-Ausbildung<br />
(Teil 1 und 2)<br />
13. – 17.06.18 oder<br />
21. – 23.09.18<br />
12. – 14.10.18<br />
Manuelle Therapie (INOMT) 23. – 27.06.18<br />
Faszientherapie (INOMT)<br />
(Teil 1 und 2)<br />
Geprüfter Fachwirt im Gesundheits- und<br />
Sozialwesen (IHK)<br />
LSVT BIG® bei Morbus Parkinson<br />
(Schulungs- und Zertifizierungsworkshop)<br />
19. – 22.07.18 und<br />
27. – 30.11.18<br />
20.10.18 – 19.10.19<br />
17. – 18.11.18<br />
Keßlerstraße 1 · 90489 Nürnberg<br />
Tel.: (0911) 2 74 28 88-8 · nuernberg@doepfer-akademie.de<br />
Oberpfalz (Regensburg und Schwandorf)<br />
Sektoraler Heilpraktiker 02. – 07.07.18<br />
Manuelle Lymphdrainage (Lymphologic) 06. – 31.08.18<br />
Manuelle Therapie (INOMT) Ex1 26. – 30.09.18<br />
Pferde<strong>physio</strong>- und Rehatherapeut (bmg) ab Oktober 18<br />
Geprüfter Fachwirt im Gesundheits- und 13.10.18 – 19.10.19<br />
Sozialwesen (IHK)<br />
Praxis-Manager (IHK) ab 05.10.18<br />
Galgenbergstr. 2b · 93053 Regensburg<br />
Tel.: (0941) 6 98 98 62-22 · j.haselhuhn@doepfer-akademie.de<br />
Rheine<br />
Manuelle Therapie (INOMT) Ex1 10. – 14.05.18<br />
Ex2 12. – 16.09.18<br />
Ex3 05. –09.12.18<br />
VFCR Kurs 1 21. – 23.06.18<br />
Manuelle Lymphdrainage (Lymphologic) 01. – 26.10.18<br />
Pinofit Physiotape 09. – 10.11.18<br />
Geprüfter Fachwirt im Gesundheits- und 13.10.18 – 25.10.19<br />
Sozialwesen (IHK)<br />
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(Teil 1, 2, 3)<br />
Salzbergener Straße 13 · 48431 Rheine<br />
Tel.: (05971) 5 20 09 · rheine@doepfer-akademie.de<br />
05. – 07.11.18<br />
25. – 30.11.18<br />
03. – 08.03.19<br />
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Indikationen<br />
Mit dem EEG können u. a. Veränderungen Absencenstatus (Aneinanderreihung von<br />
in der elektrischen Grundaktivität erfasst kurzen epileptischen Anfällen) das EEG die<br />
werden, weswegen das EEG eine wichtige einzige Nachweismöglichkeit.<br />
Funktion bei der Diagnostik von Bewusstseinsstörungen<br />
hat. Die Veränderungen EEG einen besonderen Stellenwert. So zeigt<br />
Auch in der Hirntoddiagnostik hat das<br />
können generalisiert diffus auftreten, z. B. sich eine irreversible Hirnschädigung bei beatmungspflichtigen<br />
Patienten in einem Null-<br />
bei Intoxikationen oder Enzephalopathien<br />
(u. a. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit), oder linien-EEG.<br />
auch herdförmig, z. B. bei zerebralen Läsionen<br />
oder dem Frühstadium einer Enzepha-<br />
anderer elektro<strong>physio</strong>logischer Untersu-<br />
Darüber hinaus kommt ein EEG neben<br />
litis.<br />
chungen (z. B. EMG) bei der Polysomnografie<br />
zum Einsatz um die Schlafstadien zu be-<br />
Da sich erhöhte zerebrale Krampfbereitschaft<br />
in spezifischen Aktivitätsmustern im urteilen, z. B. bei Verdacht auf Schlaf-Apnoe<br />
EEG zeigt, hat es eine herausragende Rolle oder Narkolepsie. In Abhängigkeit von der<br />
bei dem Nachweis und der Differenzierung Schlaftiefe kommt es zu einer zunehmenden<br />
von Epilepsien. So ist zum Beispiel beim Frequenzverlangsamung.<br />
Ein Standard-EEG dauert etwa 20 Minuten.<br />
Auf die Kopfhaut des Patienten werden<br />
Elektroden aufgebracht, wobei die Haare<br />
glücklicherweise dafür nicht abrasiert werden<br />
müssen. Zur besseren Kontaktfähigkeit<br />
kann elektrolythaltige Elektrodenpaste aufgetragen<br />
werden. In selteneren Fällen kommen<br />
Nadelelektroden zum Einsatz.<br />
Die Anordnung der Elektroden erfolgt<br />
nach dem international gebräuchlichen<br />
10-20-System, auch als Ten-Twenty-System<br />
bezeichnet, auf einem gedachten Koordinatensystem.<br />
Das System spannt sich von ventral<br />
nach dorsal zwischen dem sogenannten<br />
Nasion (Nasenwurzel) und dem Inion (okzipitaler<br />
Punkt) und seitlich zwischen den beiden<br />
Tragi (präaurikularer Punkt). Der zentral<br />
gelegene Kreuzungspunkt der beiden Linien<br />
wird als Vertex bezeichnet.<br />
Die Elektroden reihen sich auf diesem<br />
Koordinatensystem bzw. auf parallelen Linien<br />
der beiden Achsen in Abständen von<br />
10 % oder 20 % der Gesamtlänge der jeweiligen<br />
Linie auf. Damit ist der relative Abstand<br />
zwischen den Elektroden unabhängig<br />
von der Kopfgröße der jeweiligen Patienten.<br />
Die Bezeichnung der Elektroden entspricht<br />
ihrer Position über den jeweiligen Hirnarealen<br />
( Tabelle 1), hinzu kommt eine gerade<br />
Ziffer für Elektroden auf der rechten Kopfseite,<br />
eine ungerade für diejenigen auf der<br />
Durchführung<br />
linken Seite und ein z (zero) für mittig liegende<br />
Elektroden.<br />
Fp Fronto-polar<br />
F Frontal<br />
T Temporal<br />
C Central<br />
P Parietal<br />
O Occipital<br />
A Auricular<br />
G Ground (Erdungselektrode)<br />
Tabelle 1: Bezeichnung der Elektroden<br />
Mit Hilfe der Anordnung der Elektroden<br />
können sowohl uni- als auch bipolare Ableitungen<br />
realisiert werden. Bei unipolaren<br />
Ableitungen erfolgt die Ableitung zwischen<br />
einer aktiven (differenten) Elektrode und<br />
einer indifferenten Referenzelektrode. Da<br />
bei kommen zwei Techniken zur Definition<br />
der Referenzelektrode zum Einsatz: Entweder<br />
wird gegen die Ohrelektroden A 1<br />
und A 2 abgeleitet oder die Aktivität aller<br />
Elektroden wird gemittelt, was im Idealfall<br />
eine Nulllinie ergibt und als Referenz dient<br />
(= Goldman-Ableitung). Bipolare Ableitungen<br />
messen die Differenz zwischen zwei<br />
Elektroden, wobei im EEG die Ableitungen<br />
in Längs- und Querreihen erfolgen. Fast jede<br />
Elektrode wird dabei einmal als aktive und<br />
38 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
einmal als passive Elektrode erfasst. Die resultierenden<br />
Potentiale des Ableitepunktes<br />
sind in der EEG-Kurve somit einmal positiv<br />
und einmal negativ, was als artifizielle Phasenumkehr<br />
bezeichnet wird. Neben der uniund<br />
bipolaren Ableitung gibt es beim EEG<br />
noch eine spezielle Verschaltung, die sich<br />
in keine der beiden Kategorien einordnen<br />
lässt. Bei dieser Ableitung (Quellenableitung)<br />
wird für die jeweils aktive Elektrode<br />
aus den umgebenden Elektroden eine individuelle<br />
Referenz errechnet.<br />
Die abgeleiteten Potentialdifferenzen<br />
werden in Form von Ausschlägen auf 8-16<br />
parallelen Kanälen entweder mit Hilfe eines<br />
Messschreibers auf Endlospapier gezeichnet<br />
oder digitalisiert auf einem Computer-Bildschirm<br />
dargestellt. Mit Hoch- oder Tiefpassfiltern<br />
können tiefe bzw. hohe Frequenzen<br />
herausgefiltert und so Artefakte, z. B. durch<br />
Schwitzen, eliminiert werden.<br />
Interpretation des EEG<br />
Die zur Befundung abgeleiteten EEG-Kurven<br />
werden u. a. hinsichtlich Frequenz in<br />
Hertz (Hz) [Anzahl der vollen Schwingungen<br />
pro Sekunde], Amplitude (Ausschlag<br />
der Schwingungen) und Form der Schwingungen<br />
beurteilt. Außerdem wird nach<br />
Unterschieden zwischen den beiden Hemisphären<br />
und den verschiedenen Hirnarealen<br />
gesucht. In Abhängigkeit von der<br />
Frequenz werden verschiedene Typen an<br />
Wellen unterschieden, die mit einem griechischen<br />
Buchstaben gekennzeichnet werden<br />
( Tabelle 2). In diesem Zusammenhang<br />
wird auch von EEG-Bändern gesprochen. Im<br />
<strong>physio</strong>logischen EEG zeigt sich ein Grundrhythmus,<br />
auch Grundaktivität genannt, der<br />
bestimmt wird durch die am häufigsten auftretende<br />
Frequenz. Außerhalb dieser Grundfrequenz<br />
auftretende Phänomene werden<br />
hinsichtlich ihres Auftretens klassifiziert,<br />
z. B. als anfallsartig (paroxysmal), vereinzelt,<br />
intermittierend, kontinuierlich.<br />
Nicht alle dieser Phänomene sind pathologisch.<br />
Im Schlaf können z. B. sogenannte<br />
Vertex-Wellen/-Zacken oder auch K-Komplexe<br />
auftreten. Der μ-Rhythmus ist typisch<br />
für motorische Regionen und Lambda-Wellen<br />
können bei sakkadischen Augenbewegungen<br />
(schnelle ruckartige Bewegung der<br />
Augen zur Fixation) registriert werden.<br />
Typischerweise pathologisch sind Sharp<br />
Waves (steile oder scharfe Wellen), Spikes<br />
und Spike-Wave-Komplexe. Bei Sharp Waves<br />
und Spikes handelt es sich um scharfe,<br />
steile Wellen mit einer Dauer von 80–250ms<br />
bz. < 80ms, bei Spike-Wave-Komplexen um<br />
eine Spitze gefolgt von einer langsamen<br />
Welle. Diese Veränderungen sind Anzeichen<br />
für epileptische Erkrankungen.<br />
Wellenart Frequenz (Hz) Mögliche Befunde<br />
Alpha (a) 8–13<br />
Normaler EEG-Grundrhythmus, okzipital betont, typisch für einen Wachzustand mit geschlossenen<br />
Augen<br />
Beta (b) 14–30 Normvariante des Grundrhythmus, mentale Aktivität mit offenen Augen, medikamentöser Einfluss<br />
Gamma (g) 30–100 Phasen höchster Wachheit und Aufmerksamkeit<br />
Delta (d) 0,5–3 Physiologisch beim Übergang in die Tiefschlafphase, pathologisch bei wachen Patienten<br />
Subdelta < 0,5 Während der Tiefschlafphase, Schwitzartefakte<br />
Theta (θ) 4–7<br />
Seltene Normvariante des Grundrhythmus (slow alpha variant), fronto-temporal <strong>physio</strong>logisch,<br />
insbesondere bei vegetativer Labilität und Jugendlichen, dösender Wachzustand<br />
Tabelle 2: EEG-Bänder<br />
Um epilepsietypische EEG-Veränderungen<br />
zu verdeutlichen, die in der normalen Ableitung<br />
nicht sichtbar sind, können Methoden<br />
zur Provokation eingesetzt werden.<br />
Dies kann über Öffnen und Schließen der<br />
Augen, bewusste Hyperventilation des Patienten,<br />
durch Schlafentzug oder über sehr<br />
helle Lichtblitze, die vor den geschlossenen<br />
Augen des Patienten aufleuchten (Photostimulation)<br />
geschehen.<br />
ELEKTROENZEPHALOGRAMM (EEG)<br />
Literatur<br />
Grehl, H.; Reinhardt, F. (2016): Checkliste Neurologie. 6. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme<br />
Verlag; 69–79.<br />
Malver, L. P.; Brokjær, A.; Staahl, C.; Graversen, C.; Andresen, T.; Drewes, A.M. (2013):<br />
Electroencephalography and analgesics. Br J Clin Pharmacol 77(1): 72–95.<br />
Marchant, N.; Sanders, R.; Sleigh, J.; Vanhaudenhuyse, A.; Bruno, M. A.; Brichant, J. F.; Laureys,<br />
S.; Bonhomme, V. (2014): How electroencephalography serves the anesthesiologist.<br />
Clin EEG Neurosci 45(1): 22–32.<br />
Mattle, H.; Mumenthaler, M. (2015): Kurzlehrbuch Neurologie. 4. Auflage. Stuttgart:<br />
Georg Thieme Verlag; 89–92.<br />
Pape, H. C. (2010): Wachheit und Schlaf: Rhythmen des Gehirns im Muster des Elektroenzephalogramms.<br />
In: Klinke R, Pape HC, Silbernagl S (Hrsg.) Physiologie. 6. Auflage.<br />
Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 849–863.<br />
Purdon, P. L.; Sampson, A.; Pavone, K. J.; Brown, E. N. (2015): Clinical electroencephalography<br />
for anesthesiologists part I: background and basic signatures. Anesthesiology 123(4):<br />
937–960.<br />
Schmid, R. G.; Tirsch, W. S. (1995): Klinische Elektroenzephalographie des Kindes- und<br />
Jugendalters. Berlin, Heidelberg: Springer; 1–4.<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 39
VORGESTELLT<br />
KONGRESSBERICHT<br />
© John Smith – Fotolia.com<br />
RÜCKBLICK AUF DEN<br />
Text: Klaas Stechmann<br />
7. WELTKONGRESS ZUM FASZIEN-<br />
DISTORSIONS-MODELL (FDM) 2017<br />
Contest in die zweite Runde und Interessenten können sich<br />
bei der EFDMA informieren. Neben FDM spezifischen Themen<br />
ging es auch um die allgemeine Faszienforschung, welche von<br />
führenden Rednern wie Robert Schleip, Jap van der Waal oder<br />
Jean-Claude Guimberteau vertreten wurde.<br />
Im September 2017 fand in Köln der 7. Internationale FDM<br />
Weltkongress statt. Über 300 Teilnehmer aus verschiedenen<br />
Teilen der Welt trafen sich, um an den Workshops und Vorträgen<br />
teilzunehmen und um sich auszutauschen. Neben vielen<br />
deutschsprachigen Besuchern waren auch verschiedene Delegationen<br />
aus den USA, Japan Ost- und Westafrika angereist.<br />
Der Kongress stand unter dem Zeichen „New Ideas?!“, was<br />
gleich zur Eröffnung deutlich wurde.<br />
Die hervorragende Organisation des Kongresses, sowie die<br />
Gestaltung des Rahmenprogrammes ermöglichte einen<br />
fruchtbaren interdisziplinären Austausch zwischen allen Teilnehmern,<br />
egal ob FDM Veteran oder Neuling.<br />
Der erste Kongresstag begann mit praktischen Workshops<br />
bei denen es um die Behandlung spezieller Beschwerdebilder<br />
ging, die im Praxisalltag anspruchsvoll sein können. So ging<br />
es um Ischialgien, Distorsionen des Fersenpolsters, sowie spezielle<br />
Behandlungsansätze bei Knie- und Rückenschmerzen.<br />
Auch in die Vorträge wurden innovative Ansätze eingebunden.<br />
So wurde beispielsweise aufgezeigt, welche Rolle das<br />
FDM bei der Behandlung von Asthma und Atemwegserkrankungen,<br />
sowie in der Pädiatrie und Psychiatrie spielen kann.<br />
Löblich war die Veranstaltung eines Case Report Contest, bei<br />
dem aus mehreren eingereichten Einzelfallstudien die beste<br />
prämiert wurde. Dadurch wurde ein Anreiz geboten, sich<br />
unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Kriterien mit dem<br />
FDM auseinander zusetzen. Aktuell geht der Case Report<br />
40 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
KONGRESSAUSBLICK<br />
VORGESTELLT<br />
AUSBLICK AUF DEN<br />
Text: Klaas Stechmann<br />
FASCIA RESEARCH CONGRESS<br />
(FRC) <strong>2018</strong> IN BERLIN<br />
So ist dieses Jahr der Evolutionsbiologe Daniel Liebermann,<br />
welcher hierzulande auch als „Barfuß-Professor“ bekannt ist,<br />
mit von der Partie. Zum Programm gehören wie jedes Jahr<br />
auch Workshops, welche vor dem eigentlichen Kongress stattfinden.<br />
Diese halb- und ganztägigen Workshops sind insbesondere<br />
klinischer Natur und beschäftigen sich mit speziellen<br />
Fragestellungen der Behandlung und Diagnostik. Zusätzlich<br />
gibt es Intensivseminare zur Anatomie, welche bis zu drei Tage<br />
andauern. Der Veranstaltungsort hierfür ist das Plastinarium<br />
in Guben, welches die Wirkungsstätte des „Körperwelten“<br />
Gründers Gunter van Hagens ist.<br />
Vom 14.–16. November <strong>2018</strong> findet der Fascia Research Congress<br />
zum ersten Mal auf deutschem Boden statt. Während<br />
die letzten beiden Kongresse 2015 und 2012 in Nordamerika<br />
stattfanden, findet der FRC wieder seinen Weg zurück auf<br />
den europäischen Kontinent. Ausgerichtet wird der Kongress<br />
von der Fascia Research Society, welche sich zum Ziel gesetzt<br />
hat Theoretiker und Praktiker an einen gemeinsamen Tisch zu<br />
bringen. So steht dieses Jahr die Fragestellung im Zentrum,<br />
inwiefern die Faszienforschung messbaren Einfluss auf die Gesundheit<br />
unserer Patienten nehmen kann.<br />
Während zum aktuellen Zeitpunkt (April <strong>2018</strong>) das komplette<br />
Programm noch nicht feststeht, kann man sich durch die bisherigen<br />
Redner und Forscher einige innovative Ansätze versprechen.<br />
Neben klassischen Themen wie Biomechanik, wird<br />
dieses Jahr die Rolle des Lymph- und Immunsystems eine<br />
wichtige Rolle spielen. Unter den bisherigen Rednern finden<br />
sich auch Hochkaräter aus anderen Forschungszweigen ein.<br />
Interessant: Für Master- und PhD Studenten bietet die Fascia<br />
Research Society ein Stipendium an, welches die Teilnahmegebühren<br />
fast um die Hälfte senkt.<br />
Die bisherigen Programmpunkte verdeutlichen,<br />
dass es dieses Jahr wieder<br />
mehr um die Interaktion von Theorie<br />
und Praxis gehen wird und mehr<br />
neue Erkenntnisse präsentiert<br />
werden, als es beim letzten<br />
Kongress der Fall war.<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 41
MITMACHEN & AUTOREN<br />
Dein Artikel im <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>!<br />
Sei es eine Hausarbeit, eine Bachelor-Thesis oder auch ein Artikel über Deine Schule,<br />
Du kannst ihn uns zuschicken und Teil dieser Zeitschrift werden.<br />
Haben wir Dein Interesse geweckt oder hast Du noch Fragen?<br />
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Wir freuen uns auf Deine Ideen!<br />
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Die Autoren dieser Ausgabe:<br />
Verena Gesing Lea Schmidt Laura Boller-Hoffecker Sophia Bohland Patrick Braun<br />
Tobias Erhardt<br />
Björn Eichmann<br />
Jesper Schwarz<br />
Gesa Prophet<br />
Lina Wirtz<br />
Silke Wolf<br />
Rolf Leicher<br />
Susanne Klotz<br />
Bernd Kolster<br />
Klaas Stechmann<br />
42 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
VERANSTALTUNGEN & TERMINE<br />
Datum Veranstaltung Ort Internet<br />
FEBRUAR<br />
24.02.18<br />
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Porta<br />
Westfalica<br />
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MÄRZ<br />
17.03.18<br />
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Bremerhaven<br />
www.hur-deutschland.com<br />
APRIL<br />
28.04.18<br />
Zukunftstag Physio 4.0+ –<br />
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Bad Rappenau<br />
www.hur-deutschland.com<br />
MAI<br />
04.05.–06.05.<strong>2018</strong> 10. Deutscher Kongress für Parkinson und andere Bewegungsstörungen Baden-Baden<br />
04.05.–05.05.<strong>2018</strong> 42. Fortbildungstagung der Vereinigung der Bobath-Therapeuten Deutschlands e. V. Würzburg www.bobath-vereinigung.de<br />
11.05.–13.05.<strong>2018</strong> Internationale Fachmesse Rehab Karlsruhe www.rehab-karlsruhe.com<br />
15.05.–18.05.<strong>2018</strong> OTWorld Leipzig www.ot-world.com<br />
16.05.–19.05.<strong>2018</strong> CONNECT – Connective Tissues in Sports Medicine Ulm www.connect-ulm2017.com<br />
16.05.–19.05.<strong>2018</strong> 31. Jahrestagung der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie e. V. Wien (A) www.dmgp<strong>2018</strong>-kongress.de<br />
24.05.–26.05.<strong>2018</strong> Deutscher Olympischer Sportärztekongress Hamburg<br />
http://deutscher-olympischersportaerztekongress.de/<br />
JUNI<br />
06.06.–08.06.<strong>2018</strong> Hauptstadtkongress Berlin www.hauptstadtkongress.de<br />
09.06.<strong>2018</strong><br />
Zukunftstag Physio 4.0+ –<br />
Erfolgreich mit §20-zertifizierten Konzepten und Hightech-Trainingsequipment<br />
Herne<br />
www.hur-deutschland.com<br />
13.06.–16.06.<strong>2018</strong> Summer School Neurorehabilitation Greifswald<br />
16.06.<strong>2018</strong> 1. Essener Forum palliativ tätiger Therapeuten Essen<br />
21.06.–23.06.<strong>2018</strong> Jahrestagung der Norddeutschen Orthopäden- und Unfallchirurgenvereinigung e. V. Dortmund www.nouv-kongress.de<br />
23.06.<strong>2018</strong> 9. Münchner Lymph-Symposium: Lymphödem-Therapie als Ganzes München<br />
JULI<br />
07.07.–08.07.<strong>2018</strong> Pferdgestützte Therapien treffen auf Bobath: ein bereichernder Diskurs München www.dkthr.de<br />
SEPTEMBER<br />
05.09.–08.09.<strong>2018</strong> 12. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Bremen<br />
15.09.<strong>2018</strong><br />
Zukunftstag Physio 4.0+ –<br />
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Bad Neuenahr-<br />
Ahrweiler<br />
www.hur-deutschland.com<br />
19.09.–22.09.<strong>2018</strong> 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie Mannheim www.dgrh-kongress.de<br />
13.09.–15.09.<strong>2018</strong> 52. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin Innsbruck (A)<br />
26.09.–29.09.<strong>2018</strong> Rehacare Düsseldorf www.rehacare.de<br />
OKTOBER<br />
05.10.<strong>2018</strong><br />
Lernen Handeln und Forschen im Schonraum – Best-Practice-Beispiele aus Schule und Hochschule<br />
zum Einsatz von Simulationspatienten<br />
Bielefeld<br />
10.10.–12.10.<strong>2018</strong> Deutscher Kongress für Versorgungsforschung Berlin http://dkvf<strong>2018</strong>.de<br />
04.10.–06.10.<strong>2018</strong> 42. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie Cottbus www.lymphologie-kongress.de<br />
25.10.–26.10.<strong>2018</strong> 17. Europäischer Gesundheitskongress München http://gesundheitskongress.de<br />
17.10.–20.10.<strong>2018</strong> Deutscher Schmerzkongress Mannheim http://schmerzkongress<strong>2018</strong>.de<br />
19.10.–20.10.<strong>2018</strong> Bundeskongress Physiotherapie Bad Soden<br />
www.bundeskongress<strong>physio</strong>therapie.de<br />
20.10.<strong>2018</strong> Neuro <strong>2018</strong> Bremen www.neuro<strong>2018</strong>.de<br />
23.10.–26.10.<strong>2018</strong> Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie DKOU Berlin http://dkou.org<br />
NOVEMBER<br />
24.11.<strong>2018</strong><br />
Zukunftstag Physio 4.0+ –<br />
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Waldshut-<br />
Tiengen<br />
www.hur-deutschland.com<br />
Quellen Veranstaltungskalender<br />
• AWMF – Kongresskalender, AWMF online Das Portal der wissenschaftlichen Medizin, http://www.awmf.org/service/kongresskalender.html<br />
• Physio Deutschland Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e.V., https://www.<strong>physio</strong>-deutschland.de/fachkreise/veranstaltungen.html<br />
• PT – Portal für Physiotherapeuten, https://www.<strong>physio</strong>therapeuten.de/termines<br />
<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 43
AUSBLICK<br />
<strong>physio</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
DAS ERWARTET EUCH<br />
IN DER 16. AUSGABE<br />
TITELTHEMA: BECKENBODENTRAINING<br />
Hard Facts<br />
Wichtige Hintergrundinformationen zum Beckenboden<br />
Wissenschaftlicher Hintergrund<br />
Wissenschaftliche Fakten zum Beckenbodentraining<br />
Interview<br />
Einschätzung eines Experten zur Bedeutung des Beckenbodentrainings in der Physiotherapie<br />
Weiteres:<br />
Physiologiekarten<br />
Muskelplakat<br />
Assessments<br />
Veranstaltungskalender<br />
… und vieles mehr<br />
44 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>
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„Entspannung pur“<br />
Zentrales Info-Telefon für Interessenten: 0385 / 20 221 - 660<br />
NOVENTI HealthCare GmbH<br />
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