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physio-Journal I 1/2018

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FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />

einmal als passive Elektrode erfasst. Die resultierenden<br />

Potentiale des Ableitepunktes<br />

sind in der EEG-Kurve somit einmal positiv<br />

und einmal negativ, was als artifizielle Phasenumkehr<br />

bezeichnet wird. Neben der uniund<br />

bipolaren Ableitung gibt es beim EEG<br />

noch eine spezielle Verschaltung, die sich<br />

in keine der beiden Kategorien einordnen<br />

lässt. Bei dieser Ableitung (Quellenableitung)<br />

wird für die jeweils aktive Elektrode<br />

aus den umgebenden Elektroden eine individuelle<br />

Referenz errechnet.<br />

Die abgeleiteten Potentialdifferenzen<br />

werden in Form von Ausschlägen auf 8-16<br />

parallelen Kanälen entweder mit Hilfe eines<br />

Messschreibers auf Endlospapier gezeichnet<br />

oder digitalisiert auf einem Computer-Bildschirm<br />

dargestellt. Mit Hoch- oder Tiefpassfiltern<br />

können tiefe bzw. hohe Frequenzen<br />

herausgefiltert und so Artefakte, z. B. durch<br />

Schwitzen, eliminiert werden.<br />

Interpretation des EEG<br />

Die zur Befundung abgeleiteten EEG-Kurven<br />

werden u. a. hinsichtlich Frequenz in<br />

Hertz (Hz) [Anzahl der vollen Schwingungen<br />

pro Sekunde], Amplitude (Ausschlag<br />

der Schwingungen) und Form der Schwingungen<br />

beurteilt. Außerdem wird nach<br />

Unterschieden zwischen den beiden Hemisphären<br />

und den verschiedenen Hirnarealen<br />

gesucht. In Abhängigkeit von der<br />

Frequenz werden verschiedene Typen an<br />

Wellen unterschieden, die mit einem griechischen<br />

Buchstaben gekennzeichnet werden<br />

( Tabelle 2). In diesem Zusammenhang<br />

wird auch von EEG-Bändern gesprochen. Im<br />

<strong>physio</strong>logischen EEG zeigt sich ein Grundrhythmus,<br />

auch Grundaktivität genannt, der<br />

bestimmt wird durch die am häufigsten auftretende<br />

Frequenz. Außerhalb dieser Grundfrequenz<br />

auftretende Phänomene werden<br />

hinsichtlich ihres Auftretens klassifiziert,<br />

z. B. als anfallsartig (paroxysmal), vereinzelt,<br />

intermittierend, kontinuierlich.<br />

Nicht alle dieser Phänomene sind pathologisch.<br />

Im Schlaf können z. B. sogenannte<br />

Vertex-Wellen/-Zacken oder auch K-Komplexe<br />

auftreten. Der μ-Rhythmus ist typisch<br />

für motorische Regionen und Lambda-Wellen<br />

können bei sakkadischen Augenbewegungen<br />

(schnelle ruckartige Bewegung der<br />

Augen zur Fixation) registriert werden.<br />

Typischerweise pathologisch sind Sharp<br />

Waves (steile oder scharfe Wellen), Spikes<br />

und Spike-Wave-Komplexe. Bei Sharp Waves<br />

und Spikes handelt es sich um scharfe,<br />

steile Wellen mit einer Dauer von 80–250ms<br />

bz. < 80ms, bei Spike-Wave-Komplexen um<br />

eine Spitze gefolgt von einer langsamen<br />

Welle. Diese Veränderungen sind Anzeichen<br />

für epileptische Erkrankungen.<br />

Wellenart Frequenz (Hz) Mögliche Befunde<br />

Alpha (a) 8–13<br />

Normaler EEG-Grundrhythmus, okzipital betont, typisch für einen Wachzustand mit geschlossenen<br />

Augen<br />

Beta (b) 14–30 Normvariante des Grundrhythmus, mentale Aktivität mit offenen Augen, medikamentöser Einfluss<br />

Gamma (g) 30–100 Phasen höchster Wachheit und Aufmerksamkeit<br />

Delta (d) 0,5–3 Physiologisch beim Übergang in die Tiefschlafphase, pathologisch bei wachen Patienten<br />

Subdelta < 0,5 Während der Tiefschlafphase, Schwitzartefakte<br />

Theta (θ) 4–7<br />

Seltene Normvariante des Grundrhythmus (slow alpha variant), fronto-temporal <strong>physio</strong>logisch,<br />

insbesondere bei vegetativer Labilität und Jugendlichen, dösender Wachzustand<br />

Tabelle 2: EEG-Bänder<br />

Um epilepsietypische EEG-Veränderungen<br />

zu verdeutlichen, die in der normalen Ableitung<br />

nicht sichtbar sind, können Methoden<br />

zur Provokation eingesetzt werden.<br />

Dies kann über Öffnen und Schließen der<br />

Augen, bewusste Hyperventilation des Patienten,<br />

durch Schlafentzug oder über sehr<br />

helle Lichtblitze, die vor den geschlossenen<br />

Augen des Patienten aufleuchten (Photostimulation)<br />

geschehen.<br />

ELEKTROENZEPHALOGRAMM (EEG)<br />

Literatur<br />

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Verlag; 69–79.<br />

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Electroencephalography and analgesics. Br J Clin Pharmacol 77(1): 72–95.<br />

Marchant, N.; Sanders, R.; Sleigh, J.; Vanhaudenhuyse, A.; Bruno, M. A.; Brichant, J. F.; Laureys,<br />

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Clin EEG Neurosci 45(1): 22–32.<br />

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Georg Thieme Verlag; 89–92.<br />

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In: Klinke R, Pape HC, Silbernagl S (Hrsg.) Physiologie. 6. Auflage.<br />

Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 849–863.<br />

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for anesthesiologists part I: background and basic signatures. Anesthesiology 123(4):<br />

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Jugendalters. Berlin, Heidelberg: Springer; 1–4.<br />

<strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong> 39

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