physio-Journal I 1/2018
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TITELTHEMA<br />
© patila - Fotolia.com<br />
WIRKUNGSANSATZ<br />
DER BINDEGEWEBSMASSAGE<br />
Die Wirkprinzipien der Bindegewebsmassage sind wie die jeder anderen Massagebehandlung vielfältig. Die<br />
Effekte beruhen auf Vorgängen, die sich teilweise sogar wechselseitig beeinflussen. An dieser Stelle sollen die<br />
Wirkmechanismen dennoch zum besseren Verständnis des komplexen Geschehens in mechanische, biochemische,<br />
reflektorische und immunmodulierende Effekte differenziert werden.<br />
Mechanische Effekte<br />
Die durch die Bewegung der Hände auf der Haut entstehenden<br />
Effekte werden als mechanische Effekte bezeichnet.<br />
Dazu gehört der so genannte Mobilisationseffekt. Darunter<br />
versteht man die Verschiebung von verschiedenen Geweben<br />
gegeneinander, beispielsweise bei der Mobilisation von Kutis<br />
und Subkutis gegenüber der Körperfaszie oder dem Periost.<br />
Diesem Effekt liegen zwei Schritte zugrunde. Zum einen ist<br />
es die Auflösung von Verklebungen – die z. B. durch Ablagerungen<br />
von Hyaluronsäure und Fett entstehen können – zwi-<br />
schen den unterschiedlichen Gewebeschichten. Zum anderen<br />
werden pathologische Crosslinks zwischen den kollagenen<br />
Fasern des Bindegewebes durch die Freisetzung des Enzyms<br />
Kollagenase aus Fibroblasten und Makrophagen gelöst. Unter<br />
pathologischen Crosslinks versteht man die bei längerer Ruhigstellung<br />
anpassungsbedingt gebildeten wasserunlöslichen<br />
strukturellen Veränderungen, die das Bewegungsausmaß<br />
deutlich einschränken.<br />
Biochemische Effekte<br />
Freisetzung von Entzündungsmediatoren<br />
Der Einsatz unterschiedlicher Massagetechniken bewirkt die<br />
Freisetzung verschiedener Proteine.<br />
LERNZIELE<br />
Kenntnisse über<br />
die Effekte der Bindegewebsmassage<br />
die Vermittlung der Effekte<br />
den Einfluss auf Gewebe und Stoffwechsel<br />
die Reflexwege und Reflexzonen<br />
die Schmerz<strong>physio</strong>logie<br />
Allein durch die mechanischen Reize kommt es bei einer Massage<br />
zur Aktivierung von Mastzellen, die daraufhin vermehrt<br />
Histamin ausschütten. Dieser Entzündungsmediator wirkt auf<br />
die Wand von Kapillaren und Arteriolen erweiternd und permeabilitätssteigernd.<br />
So verursacht Histamin eine gesteigerte<br />
Hautdurchblutung – hierin liegt der Grund für die bei einer<br />
Massage auftretende Rötung der Haut. Die so ausgelöste Rötung<br />
hält ca. 20–30 Minuten an und ist ein Zeichen dafür, dass<br />
die Histaminfreisetzung ein kurzfristiger Effekt ist.<br />
Weitere durch Massage freigesetzte Entzüngungsmediatoren<br />
sind z. B. das Prostaglandin E2 und die Leukotriene B4, C4<br />
und D4. Die folgenden Reaktionen führen zur Freisetzung dieser<br />
Substanzen: Mechanischer Reiz und evtl. (minimale) Verletzungen<br />
des Gewebes aktivieren die lysosomale Phospholipase<br />
A2 der Granulozyten. Phospholipase A2 wiederum stimuliert<br />
u. a. Mastzellen zur Freisetzung von Arachidonsäure. Diese<br />
langkettige Fettsäure ist ein Bestandteil der Membran-Phospholipide<br />
aller Zellen. Sie bildet die Ausgangssubstanz für die<br />
Synthese der sehr wirksamen und weit verbreiteten Prostaglandine<br />
und Leukotriene.<br />
Die synergistisch zum Histamin wirkenden Prostaglandine<br />
und Leukotriene sind gefäßerweiternd und lokal durchblutungssteigernd.<br />
Prostaglandine sind dadurch für die rasche<br />
Hyperämie nach einem Entzündungsreiz verantwortlich. Leukotriene<br />
– wie erwähnt ebenfalls durchblutungssteigernd –<br />
entfalten diese Wirkung nicht so spontan wie das Histamin,<br />
jedoch hält ihr Effekt länger an.<br />
6 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>