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Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
ist man auf der Andechser
Straße in Richtung Kloster unterwegs,
findet sich kurz vor der
alten Schule auf der linken Seite
im Vorgarten vor dem Anwesen
Nr. 11 eine Figur. Nicht
irgendeine, sondern die eines
Wehrmachtssoldaten, zu dessen
Füßen ein deutscher Wolfshund
kauert. Stahlhelm, Schaftstiefel,
langer Mantel, martialisches
Sturmtuch vor dem Gesicht. Laut
Aussage des Erschaffers dient
die Figur der Abschreckung
rumänischer Bettelbanden, die
bei ihm schon mehrmals eingebrochen hätten. Da ist natürlich ein
Wehrmachtssoldat mit den Attributen des Naziregimes genau das
richtige Mittel. Hundertausende rumänischer Sinti und Roma sind durch
brave hitlertreue deutsche Faschisten in den Konzentrationslagern vergast
und ausgerottet worden. Das sollte man sich in Erinnerung rufen
und nicht vergessen. Man mag aber nicht wirklich glauben, dass sich
heutige Einbrecher davon ernsthaft abschrecken ließen.
Was außerdem die rote Armbinde an der Figur zur Abschreckung beitragen
könnte, bleibt rätselhaft. Solche leuchtenden Armbinden wären
für jeden Soldaten im Feld tödlich gewesen. Das sollte man wissen. Nur
die siegreichen russischen Rotarmisten trugen 1945 beim Einmarsch
ins befreite Berlin rote Armbinden als Symbol ihres Triumphes über
den Faschismus. Vielleicht ist die Figur also gar kein Wehrmachtssoldat
sondern ein verkappter Rotarmist – für die rumänischen Sinti und Roma
wäre das nicht weniger tödlich gewesen, denn in den Gulags des stalinistischen
Russlands wurden sie genauso vernichtet wie in deutschen
Konzentrationslagern.
Selbst wenn der Erschaffer dieser Figur, wie er auf Nachfrage
behauptet, damit kein politisches Statement abgeben wolle, bedient
er sich wie ein Ewiggestriger subtil und assoziativ der Symbolik
des Nationalsozialismus, auch wenn das Ordnungsamt keine
Volksverhetzung attestiert hat. Dem Erschaffer ist es entweder völlig
egal, wie seine Kreation auf aufgeklärte und weltoffene Besucher und
Bürger unseres Dorfes wirkt, wenn sie in Richtung Kloster an dieser Figur
vorbeigehen, die nachts zu allem Überfluss auch noch beleuchtet ist,
oder er will genau in dieser Weise seine Meinung kundtun. Natürlich ist
die freie politische, künstlerische oder sonstige Meinungsäußerung ein
verfassungsmäßig hohes Gut. Aber gerade deshalb sei auch die Frage
erlaubt: „Ist das Kunst oder kann der Scheißdreck einfach weg?“ Und
ich beantworte dies – wie viele andere in unserer Gemeinde auch - mit
Letzterem.
Ihr Guido Rochus Schmidt
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