Ausgabe 101, März 2012 - Sonnendeck
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MIT GRAS-SCHLAMM-PFERDEN<br />
ZUR INFORMATIONSFREIHEIT<br />
12 – POOl<br />
Der Künstler und Netzaktivist Kenneth Tin-Kin Hung bedient sich<br />
einem alten Medium der politischen Kommunikation.<br />
Wenn es darum geht politische Botschaften<br />
unters Volk zu bringen,<br />
erfreut sich das Plakat von jeher der<br />
größten Beliebtheit. Revolutionsoper,<br />
Parteilyrik und ideologietrunkene<br />
Filme sind allesamt trotz ihrer<br />
Holzschnitthaftigkeit vieeeel zu<br />
kompliziert und vieldeutig - nur das<br />
Plakat trifft mit unmissverständlicher<br />
Direktheit unmittelbar in<br />
Herz und Frontallappen des Bürgers.<br />
So ist es kein Wunder, dass auch im<br />
beständig um Selbstverständnis<br />
ringenden China, Plakate im Dienste<br />
der politischen Kommunikation<br />
stehen. Sowohl auf Seiten der Regie-<br />
rung als auch bei ihren Gegnern.<br />
Unvergesslich sind die Plakate der<br />
Mao-Ära, auf denen die Leistungen<br />
des Arbeitervolks beim Brückenbau<br />
oder in der genossenschaftlichen<br />
Landwirtschaft abgebildet sind. Auf<br />
DIN A Null wurde auch ausgiebig<br />
der Kriegslist der „Volksbefreiungsarmee“<br />
bei der Niederschlagung der<br />
Kuomintang und der Vertreibung<br />
der japanischen Besatzer gehuldigt.<br />
Besonders „nett“ sind Plakate, die<br />
sich scheinbar naiv dem Landleben,<br />
der Freizeit und dem Alltag der<br />
„revolutionären Massen“ annehmen<br />
und das zweifelhafte Glück abbilden,<br />
Abb. links: Ai God is Catching Ghost, 2011 Digitaldruck auf Leinwand im Holzrahmen<br />
Abb. rechts: After Maorilyn Maoroe got biatchslaped by flying hotdogs in Mahler Gobi desert, Grass Mud Horse invites her<br />
for a beer pong game …, 2011 Digitaldruck auf Leinwand im Holzrahmen; Website des Künstlers: www.tinkin.com<br />
in der neuen Einheits-Gesellschaft<br />
leben zu dürfen. An ihrer vollkommenen<br />
Ironie- und Humorlosigkeit,<br />
sowie einem Mangel an Zwischentönen,<br />
erkennt der Betrachter sofort<br />
die verkrampfte Lehrmeisterei der<br />
Demagogen aus Partei und Militär.<br />
Ganz anders sind die per Internet<br />
verbreiteten Plakate des in Hong<br />
Kong geborenen Künstlers Kenneth<br />
Tin-Kin Hung (*1976). Sie<br />
fallen wie Popprodukte mit der<br />
Tür ins Haus, sind laut und farblich<br />
schrill; Versammeln in bizarren<br />
Collagen, Politiker-Ikonen, Stars,<br />
zeitgenössische Lifestyle-Produkte<br />
und Vertreter aus der Tierwelt zu<br />
einem lakonischen Fest der Ironie.<br />
Hung verließ 1995 mit seinen Eltern<br />
Hong Kong als dieses Teil der VR<br />
China wurde. Nach einem Kunststudium<br />
an der San Francisco State<br />
University lebt er nun in New York<br />
und arbeitet an Videoanimationen,<br />
Mixed-Media-Installationen und<br />
eben Plakaten. Mit der Serie plakativer<br />
Bilder The Travelogue of Dr.<br />
Brain Damages (2011) kritisiert<br />
Hung die Internet-Zensur der chinesischen<br />
Regierung. Den bildsprachlichen<br />
Hintergrund seinen Collagen<br />
bilden verschiedene doppeldeutige<br />
Die Gras-Schlamm-Pferde,<br />
eine maoistische Marilyn<br />
Monroe und andere köstliche<br />
Provokationen sind<br />
auf Kenneth Tin-Kin Hungs<br />
Website zu besichtigen:<br />
www.tinkin.com