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WISSENSCHAFTS JOURNAL

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Ausgabe<br />

4/01<br />

Uni<br />

der<br />

Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

<strong>WISSENSCHAFTS</strong><br />

<strong>JOURNAL</strong><br />

Sport und Sportwissenschaft an<br />

der halleschen Universität<br />

Erforschung des Sports als kulturelles<br />

Phänomen<br />

Schöpfer des »deutschen Turnens«<br />

– Friedrich Ludwig Jahn<br />

Wie gut ernähren sich Sportler?<br />

scientia halensis


Editorial<br />

Jürgen Leirich ....................................................................................................................... 2<br />

Sport und Sportwissenschaft an der Universität<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

Auf der Suche nach einer Theorie moderner Körperkultur<br />

Erforschung des Sports als Phänomen menschlicher Kultur<br />

Theo Austermühle .................................................................................................................. 3<br />

Sportwissenschaft im Spannungsfeld<br />

zwischen Differenzierung und Integration<br />

Jürgen Leirich ........................................................................................................................ 5<br />

Sportarten als Gegenstände sportwissenschaftlicher<br />

akademischer Lehre<br />

Klaus Stöber ........................................................................................................................... 7<br />

Der Schöpfer des »deutschen Turnens«<br />

Friedrich Ludwig Jahn und die Universität Halle<br />

Hans-Joachim Bartmuß. ........................................................................................................ 9<br />

Moderne Berufsfelder des Sports<br />

Herausforderung für Studium und Lehre<br />

Siegfried Leuchte ................................................................................................................... 11<br />

Hochschulsport – Entwicklung im Überblick<br />

Attraktives Angebot in Halle umfasst 54 Sportarten<br />

Hans-Joachim Peucker .......................................................................................................... 13<br />

Schüler für die Sportwissenschaft begeistern<br />

Erfahrungen aus der Projektarbeit mit städtischen Gymnasien<br />

Siegfried Leuchte und Werner Goder .................................................................................... 14<br />

Sportwissenschaft und neue Medien<br />

Multimediale Möglichkeiten noch zu wenig genutzt<br />

Günther Bernstein .................................................................................................................. 15<br />

Erreichen Erwachsene mit einer geistigen Behinderung<br />

»spielend« mehr Handlungskompetenz?<br />

Cornelia Demuth und Ivonne Schmid ................................................................................... 16<br />

Sport als Mittel der Resozialisierung<br />

von jugendlichen Strafgefangenen<br />

Theo Austermühle und Andreas Lau ..................................................................................... 18<br />

Neue Trainingsmittel gegen den Rückenschmerz<br />

Gemeinsames Forschungsprojekt Medizin und Sportwissenschaft<br />

Siegfried Leuchte, René Schwesig, Klaus Müller und Detlev Riede .................................... 19<br />

Rollstuhltennis<br />

Ein neues Sportangebot für Behinderte<br />

Rainer Glettner und Dörte Boßmann .................................................................................... 21<br />

Zur Geschichte der Ganganalyse<br />

Dem Rätsel des menschlichen Gangs auf der Spur<br />

Siegfried Leuchte und Andreas Speer ................................................................................... 22<br />

Die Effektivität von sportlicher Aktivität<br />

zur Verbesserung der psychischen Gesundheit<br />

Oliver Stoll ............................................................................................................................. 24<br />

Dreidimensionale Videobildanalyse von<br />

Schwimmbewegungen im Leistungssport behinderter Menschen<br />

Andreas Hahn, Falk Hildebrand und Constanze Draper ..................................................... 26<br />

Motorik und Kommunikation<br />

Jürgen Leirich, Ulrike Liebisch und Mariam Hartinger ...................................................... 28<br />

Wie gut ernähren sich Sportler?<br />

Steigerung der Leistungsfähigkeit durch gezielte Ernährung<br />

Mareike Großhauser und Klaus Eder ................................................................................... 31<br />

Koronare Herzkrankheit und Sporttherapie<br />

Psychische Bewältigung von chronischen Erkrankungen<br />

Kati Dürrenfeld und Cornelia Demuth ................................................................................. 34<br />

Personalia ............................................................................................................................... 35<br />

Autorenadressen und Rätselfoto ............................................................................................ 36<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2001<br />

Inhalt / Impressum<br />

...............................................................................<br />

I MPRESSUM<br />

1<br />

scientia halensis – Das Wissenschaftsjournal<br />

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Ausgabe 4/2001, 9. Jahrgang<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

H ERAUSGEBER<br />

Der Rektor der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

R EDAKTION<br />

Dr. Monika Lindner, Ute Olbertz (verantwortlich<br />

für diese Ausgabe), Dr. Margarete Wein<br />

R EDAKTIONSBEIRAT (für scientia halensis –<br />

Universitätszeitung und Wissenschaftsjournal):<br />

Prof. Dr. Wilfried Grecksch (Rektor),<br />

Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg, Prof. Dr. René<br />

Csuk, Prof. Dr. Gernot W. Duncker, Dr. Frank<br />

Eigenfeld, Dr. Renate Federle, Dr. Roswitha<br />

Geiling, Jens Gerth, Prof. Dr. Siegfried<br />

Hoffmann, Prof. Dr. Manfred Lemmer, Dr.<br />

Monika Lindner, Ute Olbertz, Katrin Rehschuh,<br />

Prof. Dr. Hans-Joachim Solms, Dr. Ralf-<br />

Torsten Speler, Dr. Margarete Wein, Prof. Dr.<br />

Alois Wenig<br />

G RAFIK-DESIGN<br />

Barbara und Joachim Dimanski<br />

Dipl.-Grafik-Designer AGD/BBK<br />

A NSCHRIFT DER REDAKTION<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Rektorat, 06099 Halle (Saale)<br />

Besucheranschrift: Universitätsring 14<br />

Telefon: (0345) 552 14 20/22/24<br />

Fax: (0345) 552 70 82, 552 72 54<br />

E-Mail:<br />

m.lindner@verwaltung.uni-halle.de<br />

m.olbertz@verwaltung.uni-halle.de<br />

m.wein@verwaltung.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.uni-halle.de<br />

L AYOUT<br />

Ute Olbertz<br />

Jens Gerth (Umschlagseiten)<br />

D RUCKVORBEREITUNG & DRUCK<br />

Satz & Grafik Halle<br />

Union Druck Halle<br />

A NZEIGENPREISLISTE<br />

Nr. 1/2001<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

oder des Herausgebers wieder.<br />

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte<br />

oder Bilder keine Haftung.<br />

ISSN 0945-9529<br />

Die scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />

Unterstützung der Vereinigung der Freunde<br />

und Förderer der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg e. V.


scientia halensis 4/2001<br />

...............................................................................<br />

editorial<br />

EDITORIAL<br />

Jürgen Leirich<br />

................................................................................<br />

Das Institut für Sportwissenschaft feierte<br />

2 1999 als eines der ältesten Universitäts-Institute<br />

in Deutschland sein 75-jähriges Bestehen<br />

mit einem Kolloquium zum Thema:<br />

Paradigmenwechsel in der Sportwissenschaft.<br />

Zielstellung dieser Konferenz war<br />

es, sowohl die Entwicklungen unter historischem<br />

Aspekt an der halleschen Universität<br />

aufzuzeigen, als auch die Veränderungen<br />

im Grundverständnis über Wesen,<br />

Funktion und Bedeutung der Sportwissenschaft<br />

zu analysieren. Die Zäsuren sind zu<br />

erklären aus der Entwicklung der Sportwissenschaft<br />

selbst im Kontext angrenzender<br />

und Mutterwissenschaften, aber auch<br />

auf Grund von gesellschafts- und sportpolitischen<br />

Veränderungsprozessen. Das<br />

Spektrum der Sportberufe hat sich insbesondere<br />

im letzten Jahrzehnt wesentlich erweitert,<br />

und deshalb wurden nach 1990 sowohl<br />

neue Studiengänge eingeführt als<br />

auch die Forschungsthemen beträchtlich<br />

erweitert.<br />

Die Sportwissenschaft artikuliert die Gesamtheit<br />

der Erkenntnisse, die die Probleme<br />

und Erscheinungsformen von Sport<br />

zum Gegenstand haben.<br />

Was aber verstehen wir heute unter Sport?<br />

Noch vor einigen Jahren wäre eine Antwort<br />

darauf im Hinblick auf eine vordergründig<br />

psycho-physische Leistungsorientierung<br />

leicht gefallen. Sport wurde gleichgesetzt<br />

mit »Kräftemessen« und Wettkampf.<br />

Und die Sportwissenschaft verstand<br />

sich als »Optimierungswissenschaft«<br />

hinsichtlich der Erforschung von Grundlagen<br />

und Methoden der physischen Vervollkommnung<br />

(Schulsport) und Leistungssteigerung.<br />

In den letzten Jahren ist<br />

Sport zunehmend ein Phänomen moderner<br />

Gesellschaften geworden. Millionen verfolgen<br />

die internationalen Sportwettkämpfe<br />

in den Medien und ebenso viele gehen<br />

wöchentlich zum »Sport«, um ihre körperliche<br />

Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu<br />

verbessern oder wieder herzustellen.<br />

Schlagworte sind heute: Fitness, Wellness,<br />

gesundes Altern und die Erhaltung der<br />

motorischen Alltagskompetenz. Neu aber<br />

ist auch die Übertragung dieser Begriffe<br />

auf Kranke, Rehabilitanden und Behinderte.<br />

Es werden also nicht mehr nur die traditionellen<br />

Sportarten betrieben, sondern<br />

die gesundheits-, therapie-, erlebnis- und<br />

freizeitorientierten Angebote haben immens<br />

zugenommen. Wir sprechen heute in<br />

Anzeige<br />

diesem Zusammenhang von der »Versportung«<br />

der Gesellschaft und der »Entsportung«<br />

des Sports. Damit hat sich auch die<br />

Breite sportwissenschaftlicher Themen<br />

ganz wesentlich erweitert. Das vorliegende<br />

Heft »scientia halensis« gibt einen Überblick<br />

über die wissenschaftliche Palette<br />

sport-, gesundheits- und ernährungswissenschaftlicher<br />

Themen auch unter Berücksichtung<br />

des Berufsfeldes Sport, der<br />

Entwicklung von Sport und Sportwissenschaft<br />

an unserer Universität und deren<br />

Bedeutung in der Region. Das Institut für<br />

Sportwissenschaft gehört zum Fachbereich<br />

Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft,<br />

der sich als kulturwissenschaftlich-orientierter<br />

Fachbereich versteht. Das universitätsbezogene<br />

– partiell auch fachliche –<br />

Zusammenwirken und das gegenseitige<br />

Verständnis dafür, dass neben wissenschaftlicher<br />

Fundierung die praktisch-methodische<br />

Unterweisung Bestandteil universitärer<br />

Ausbildung sein muss, bestätigt<br />

die Sinnhaftigkeit der auf Vorschlag des<br />

damaligen Rektors Prof. Dr. Dr. Gunnar<br />

Berg und des Prorektors Prof. Dr. Hans-<br />

Hermann Hartwich erfolgten Fachbereichsgründung<br />

im Jahre 1993.


Wenn Sportwissenschaftler der DDR während der 60er Jahre angesichts der Ausdifferenzierung<br />

der Sportwissenschaft in zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen feststellten, dass ein<br />

relativ unverbindliches Nebeneinander der sich profilierenden Fachdisziplinen zu beobachten<br />

sei, so kann dies auch als Indiz für die Erkenntnis gelten, eine notwendige integrative<br />

Theorie der Sportwissenschaft zu finden. Die damals im Entstehen befindliche Theorie<br />

der Körperkultur konnte dies nicht leisten, weil sie einseitig, auf marxistischer Grundlage<br />

konzipiert andere durchaus entwicklungsträchtige Ansätze nicht aufzunehmen bereit<br />

war. Ursprünglich scheint die Sporthistorie eine geeignete Klammer zu bieten, um Leibesübungen,<br />

Gymnastik, Turnen und Sport in einem Theoriekonzept zu fassen, das deren<br />

Einbettung in unterschiedliche Milieus und Lebensstilformen zu gewährleisten verspricht.<br />

Der sprunghafte Aufstieg des Sports und<br />

der Sportwissenschaft nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg, insbesondere durch den Eintritt<br />

des sowjetischen Sports in die olympische<br />

Arena (1952) und der sportlichen Aufrüstung<br />

der von der Sowjetunion abhängigen<br />

Vasallenstaaten innerhalb der 50er und<br />

60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts<br />

verweist auf andere theoretische Erklärungsmodelle<br />

als sie die Sporthistorie noch<br />

zu liefern im Stande war. Denn in der Auseinandersetzung<br />

zweier politischer Weltsysteme<br />

und der Emanzipation zahlreicher<br />

Entwicklungsländer kommt es zu einer<br />

leistungssportlichen Revolution, die auch<br />

im Bildungswesen ihre Spuren hinterlässt.<br />

Sportliches Leisten und Handeln werden<br />

von der Trainingswissenschaft, der Sportmedizin,<br />

der Sportmotorik und Biomechanik,<br />

teilweise auch von der Sportpsychologie,<br />

maßgeblich weiterentwickelt. Sie<br />

werden, denkt man besonders an die Entwicklung<br />

des Frauensports, zu Garanten<br />

des Rekord- und Erlebnismarketings im<br />

Sport am Ende des 20. Jahrhunderts.<br />

Betrachtet man dieses handlungsgeprägte<br />

Paradigma vor dem Hintergrund einer sich<br />

heute sehr heterogen präsentierenden<br />

Sportwelt, so hat man es mit einer zweifellos<br />

notwendigen nicht aber auch hinreichenden<br />

Bedingung zu tun, die einer theoretischen<br />

Fundierung des Betrachtungsgegenstandes<br />

gerecht wird.<br />

Pädagogische und philosophische Wurzeln<br />

im Olympismus Pierre de Coubertins<br />

Die reformerischen Ideen Pierre de Coubertins<br />

und seines väterlichen Freundes,<br />

Pater Henri Didon, verfolgen mit der Orientierung<br />

und Wiedererweckung der antiken<br />

Agone (Wettbewerbe mit sportlichen,<br />

literarischen und musischen Aktivitäten,<br />

wie sie auch in Ausbildungskonzepten<br />

französischer Klosterschulen bereits seit<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts praktiziert worden<br />

sind) nicht nur eine Verbesserung der<br />

Jugenderziehung mit Hilfe des nach ihrer<br />

Überzeugung die Sozialisation günstig beeinflussenden<br />

Sports. Die im Olympismus<br />

verankerten Werte einer nationale Identifikation,<br />

aber auch gleichzeitig Frieden stiftenden<br />

Idee, die mit den Mitteln und Möglichkeiten<br />

des Sports verwirklicht werden<br />

sollte, wird dadurch zu einem globalen<br />

Anliegen im Zusammenleben der Völker –<br />

und somit zu einem soziologisch interes-<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

AUF DER SUCHE NACH EINER THEORIE MODERNER KÖRPERKULTUR<br />

ERFORSCHUNG DES SPORTS ALS PHÄNOMEN MENSCHLICHER KULTUR<br />

Theo Austermühle<br />

...............................................................................<br />

santen Feld für Zeitdiagnosen, Beratungs- 3<br />

und Interventionsmodelle. Weiterhin erfordern<br />

die seit Anfang der 80er Jahre im<br />

Weltsport erfolgten Veränderungen hinsichtlich<br />

der Professionalisierung und<br />

Kommerzialisierung innerhalb des Sports<br />

eine sorgsame wissenschaftliche Begleitung<br />

und Beratung, da diesem System sowohl<br />

enorme Entwicklungschancen als<br />

auch der Keim der Selbstzerstörung innewohnen.<br />

Dies bezogen auf seine Potenzen<br />

als Wirtschaftsfaktor, als Feld der Erkenntnis<br />

hinsichtlich leistungsphysiologischer<br />

und medizinischer Erkenntnisse, der Förderung<br />

von Eliten, aber auch seiner breitensportlich<br />

attraktiven Seiten, seiner Rolle<br />

in der Welt der Medien usw.<br />

Obwohl also der Olympismus de Coubertins<br />

in seinen Ursprüngen nicht nur ein auf<br />

die Formung leistungssportlicher Eliten<br />

Deckblatt der Broschüre: Bundesfinale – Jugend trainiert für Olympia – Wintersport<br />

Foto: A. Schröter


scientia halensis 4/2001<br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

................................................................................<br />

orientiertes Konzept war, reichen die aus<br />

4 der damaligen Zeit heraus entstandenen<br />

theoretischen Konstrukte nicht mehr aus,<br />

um daraus allein theoretische Diagnoseund<br />

Interventionsmuster abzuleiten.<br />

Der Sport im Blickfeld der Soziologie<br />

Der Sport im Blickfeld der Debatte von<br />

Zivilisations- und Kultursoziologen wird<br />

spätestens seit Norbert Elias und seinen<br />

Schülern engagierter geführt. Die hieraus<br />

resultierenden Theorie-Praxis-Bezüge fanden<br />

z. B. in den durch G. Pilz seit Jahren<br />

geführten Projekten zur Fanproblematik<br />

und zur Aggressionsforschung ihren Niederschlag.<br />

Ähnliche Bemühungen um die sportwissenschaftliche<br />

Theorienbildung sind vor<br />

dem Hintergrund der funktional-strukturellen<br />

Systemtheorie Niklas Luhmanns durch<br />

die Sportsoziologen H. Digel, K. H. Bette,<br />

K. Chachay, aber auch aus der Soziologie<br />

selbst durch U. Schimank und, insbesondere<br />

im Hinblick auf den organisationssoziologischen<br />

Hintergrund, durch K.<br />

Heinemann zu nennen (letzterer eher ein<br />

Anhänger des Strukturfunktionalismus).<br />

Zu Recht wurde in jüngster Zeit darauf<br />

verwiesen, dass die sehr ausufernde Betrachtung<br />

der Sportszene (»Sport für alle«<br />

und »Sport für alles«) die Sinnperspektive<br />

des Sports nicht auf seine eigentlichen<br />

Wurzeln, seine autonomen Sinninhalte reduziert.<br />

Nach Sven Güldenpfennig vermisst<br />

man in allen Diskussionen um die<br />

autonomen Werte und konstitutiven Elemente<br />

des Sports vor allem eine hinreichende<br />

Klarheit ȟber die Sinngrenzen des<br />

Handlungs- und Untersuchungsraumes<br />

dieses Kulturmusters Sport,« (Sven Güldenpfennig:<br />

Der Hochschulsport – Teil der<br />

Hochschul- und der Sportkultur. Eine<br />

theoretische Problemskizze. In: Weimarer<br />

Vorträge über Beziehungen des Sports zu<br />

Kunst und Kultur. Weimar Universitätsverlag<br />

2000, 122) die es ermöglichen würde,<br />

das Wesentliche dieses Phänomens<br />

menschlicher Kultur zu bestimmen, und<br />

die methodischen Instrumentarien zu seiner<br />

Untersuchung bereit zu stellen.<br />

Ähnlich äußert sich Niklas Luhmann zur<br />

hier diskutierten Problematik, wenn er darauf<br />

verweist: »Der Sport legitimiert das<br />

Verhalten zum eigenen Körper durch den<br />

Sinn des Körpers selbst- ...und er tut dies,<br />

ohne sich an Sinndomänen anderer Provenienz<br />

anhängen zu müssen.« (Zitiert nach<br />

R. Hitzler: Ist Sport Kultur? In: Zeitschrift<br />

Judo gehört zu den Wintersportarten beim Bundeswettbewerb der Schulen.<br />

für Soziologie 20. Jg., 1991, 6, 486)<br />

In der Tat scheint das größte Problem in<br />

der Ausgrenzung der Inhalte und Erwartungen<br />

zu bestehen, die weitgehend außerhalb<br />

des eigentlichen sportlichen Tuns und<br />

Gestaltens soziale Aufgaben lösen helfen,<br />

als gesellschaftlich erwünscht erscheinen<br />

und Ersatzfunktionen für anderweitig defizitäre<br />

kulturelle Wert- und Handlungsmuster<br />

erfüllen, wie dies uns beispielsweise in<br />

der Freizeitgestaltung Jugendlicher (Langeweile,<br />

unterentwickelte kulturelle Bedürfnisse,<br />

mangelnde Qualifikation zur<br />

Meisterung der Freizeit usw.) mitunter entgegentritt.<br />

Sport als selbstzweckhafte körperliche Aktivität,<br />

mit deren Hilfe die Sporttreibenden<br />

Anerkennung erwerben, ihre Grenzen im<br />

Sinne der Selbstverwirklichung erfahren<br />

wollen, sich freiwillig Normen und Sanktionen<br />

unterwerfen, bewusst Schwierigkeiten<br />

stellen, häufig lustvoll scheinbar ganz<br />

überflüssige Strapazen auf sich nehmen,<br />

sind Kernpunkte dieser Sinnstruktur. Güldenpfennig<br />

weist in diesem Zusammenhang<br />

darauf hin, dass der erstrebte Sieg<br />

über einen eventuellen Gegner (oder sich<br />

selbst) nur ein Hilfsmittel im Prozess der<br />

Herausforderung »aller Reserven bei dem<br />

Bestreben nach Selbstvervollkommnung<br />

oder Selbstüberbietung« (S. Güldenpfennig<br />

a. a. O., 123) sei.<br />

Eine Theorie der Körperkultur hat sich<br />

deshalb zwar an dieser Sinnperspektive<br />

der Gestaltung spezifischer kultureller Prozesse<br />

im Sport messen zu lassen. Vernetzungen<br />

zu sozialen Handlungsfeldern und<br />

Partnern, die gleichfalls kulturelle Teilsysteme<br />

verkörpern können, werden dabei<br />

zunehmend an Bedeutung gewinnen, wenn<br />

man an Wirtschafts-, Organisations-, Gesundheits-,<br />

Freizeit-, Gewaltprobleme oder<br />

sportethische Fragen denkt.<br />

Angesichts moderner Entwicklungen im<br />

Sport des beginnenden 21. Jahrhunderts,<br />

die den Zuschauersport, die Rezeption von<br />

Sport in den Massenmedien, der Kapital-<br />

Foto: A. Schröter<br />

erträge im und durch den Sport in bisher<br />

nicht gekannten Dimensionen, besteht die<br />

Gefahr, dass für den Sportwissenschaftler,<br />

noch mehr aber für den Alltagssportler<br />

und Sport-Konsumenten, die Sinndomäne<br />

des Sports abhanden kommt. Sportferne<br />

Phänomene können bewusst oder unbewusst<br />

für den Kern einer Theorie der Körperkultur<br />

gehalten werden. Die Folge können<br />

dann defätistische Diskussionen über<br />

Skandale in der olympischen Bewegung<br />

einer am Kapitalismus orientierten Gesellschaft,<br />

über amoralische Haltungen von<br />

Sportlern und Sportführern, über Dopingpraktiken<br />

in einigen spektakulären Sportarten<br />

und ähnliches sein. Sportsoziologie<br />

als theoriegeleitete empirische Wissenschaft<br />

wird sich auch künftig insbesondere<br />

den Verknüpfungen des Sports mit anderen<br />

kulturellen, wirtschaftlichen, öffentlichkeitswirksamen<br />

oder gesundheitspolitischen<br />

Themen zuwenden. Theoriegeleitetes<br />

Vorgehen heißt dabei für den Wissenschaftler,<br />

die soziologischen Gegenwartsdiagnosen<br />

und eventuell daraus abzuleitenden<br />

Prognosen am Sinnkern des<br />

Sports, aber auch erweitert, der Körperkultur<br />

zu orientieren.<br />

■<br />

Prof. Dr. Theo Austermühle (Jahrgang<br />

1936) vertrat bis zum Frühjahr 2001 das<br />

Fachgebiet Sportwissenschaft mit den<br />

Schwerpunkten Sportsoziologie und Sportgeschichte<br />

am Institut für Sportwissenschaft<br />

der Martin-Luther-Universität. Seine<br />

Arbeitsschwerpunkte lagen in der<br />

Sportgeschichte (Promotion 1971) und<br />

Sportsoziologie (Habilitation 1983), insbesondere<br />

hier in der Lebensweise- und<br />

Studentenforschung. Jüngere Arbeiten<br />

widmen sich der zeitgeschichtlichen Forschung<br />

zur Entwicklung der DDR-Sportwissenschaft<br />

und des DDR-Alltagssports.<br />

Von 1992 bis 1998 war er Direktor des Instituts<br />

für Sportwissenschaft in Halle. Seit<br />

April 2001 ist er im Ruhestand.


SPORTWISSENSCHAFT IM SPANNUNGSFELD<br />

ZWISCHEN DIFFERENZIERUNG UND INTEGRATION<br />

Jürgen Leirich<br />

Die Sportwissenschaft, zunächst als Theorie der Leibes- oder Körpererziehung bezeichnet,<br />

hat sich durch einen fachwissenschaftlichen Differenzierungsprozess herausgebildet<br />

und im Spannungsfeld zwischen Differenzierung und Integration im Sinne dialektischer<br />

Wechselwirkungen entwickelt. Allerdings gilt heute der Integrationsprozess als noch zu<br />

wenig fortgeschritten, was uns besonders aus der Sicht der Wissenschaftsentwicklung und<br />

Forschung, aber auch der Lehre beschäftigt. Die Sportwissenschaft – als angewandte<br />

Wissenschaft – wird heute auch den Kulturwissenschaften zugeordnet. Sie konstituiert<br />

sich aus medizinischen sowie geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen.<br />

Für die Sportwissenschaft spielte sich der<br />

Differenzierungsprozess vor allem in den<br />

60er Jahren ab, einer Zeit, in der sich die<br />

Disziplinen: Bewegungslehre (MEINEL),<br />

Biomechanik (HOCHMUTH), Sportpsychologie<br />

(PUNI), Sportmedizin (NÖ-<br />

CKER) und Trainingswissenschaft (HAR-<br />

RE) im besonderen Maße herausbildeten.<br />

Morphologische Merkmale zur Diagnostik<br />

von Bewegungen, Lehr- und Lernmethoden<br />

sowie sportartspezifische Methodikpositionen<br />

wurden zunehmend in Frage gestellt<br />

und Aussagen zur Technik, zum<br />

Technikleitbild, zur Leistungsstruktur, zu<br />

den Fähigkeiten und Fertigkeiten und Erfordernissen<br />

des Trainings auch unter den<br />

Bedingungen des Schulsports rückten in<br />

den Mittelpunkt der Betrachtung. Naturwissenschaftliche<br />

Forschungsmethoden,<br />

systemtheoretisches und kybernetisches<br />

Denken, handlungstheoretische Ansätze,<br />

programmiertes Lernen und anderes fanden<br />

Eingang in die Sportwissenschaft und<br />

förderten den Differenzierungsprozess.<br />

Nicht zufällig erfolgte in dieser Zeit die<br />

Umbenennung der Institute für Körpererziehung<br />

in Institute bzw. Sektionen für<br />

Sportwissenschaft und die gleichzeitige<br />

Neustrukturierung in Wissenschaftsbereiche,<br />

die das Integrationsbemühen fördern<br />

sollten. Dass dieser Prozess verhältnismäßig<br />

lange dauerte, lag daran, dass er nicht<br />

einheitlich und zeitgleich verlief.<br />

Paradigmenwechsel in der Sportwissenschaft<br />

Es hat in der Entwicklung der Sportwissenschaft<br />

zweifelsohne Paradigmenwechsel<br />

gegeben. So wurde die zunächst einseitige<br />

pädagogisch-methodische Orientierung<br />

auf den Schulsport dadurch abgelöst,<br />

dass sich die Sportwissenschaft mit der<br />

Entwicklung und zunehmenden politischen<br />

Bedeutung des Leistungssports als<br />

»Optimierungswissenschaft der sportlichen<br />

Leistungsfähigkeit« insbesondere in<br />

der Periode der politischen Systemauseinandersetzung<br />

verstand. Das war mit Konsequenzen<br />

für den Differenzierungspro-<br />

zess und der Forschungs-Schwerpunktbildung<br />

verbunden. Heute nehmen dagegen<br />

Aspekte der Gesundheit und Wellness, der<br />

erlebnisreichen Freizeitgestaltung und des<br />

Spaßes eine zunehmende Rolle ein.<br />

Salutogenese-Konzepte haben Eingang in<br />

die Sportwissenschaft gefunden, so dass<br />

davon ableitend die Zuordnung der Sportwissenschaft<br />

auch zu den Gesundheitswissenschaften<br />

durchaus verständlich erscheint.<br />

Im wesentlichen lässt sich Folgendes feststellen:<br />

1. Die Instrumentalisierung des Sports<br />

durch die Gesellschaft hatte wesentlichen<br />

Einfluss auf die Entwicklung der Sportwissenschaft.<br />

2. Die Ausdifferenzierung der Sportwissenschaft<br />

und deren Widerspiegelung in<br />

Form der Wissenschaftsdisziplinen hat das<br />

Fachverständnis der Sportwissenschaft als<br />

akademisches Fach geprägt und führte zur<br />

Etablierung des Fächerkanons und in unterschiedlichem<br />

Umfang auch der Berufungsgebiete.<br />

3. Themenfelder der Sportwissenschaft<br />

stellen Integrationsansätze dar. Sie erweitern<br />

das Fachverständnis; als Denomination<br />

für Berufungsgebiete werden sie unter<br />

akademischen Gesichtspunkten als untauglich<br />

angesehen.<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

...............................................................................<br />

4. Das Berufsfeld Sport hat sich in den<br />

letzten Jahren derart verbreitert, dass die<br />

universitäre Ausbildung zwar Grundlegendes<br />

zu vermitteln hat, aber auch der berufsfeldspezifischen<br />

Ausdifferenzierung<br />

Rechnung tragen muss.<br />

Der Gegenstand Sport musste stärker reflektiert<br />

werden, um das Konstituierungsproblem<br />

der Sportwissenschaft besser zu<br />

verstehen. Während anfangs von der biosozialen<br />

Einheit des Menschen im Zusammenhang<br />

mit sportlicher Tätigkeit ausgegangen<br />

wurde, erfolgte in den 80er Jahren<br />

die konzeptionelle Weiterentwicklung zur<br />

biopsychosozialen Einheit auch als Ausdruck<br />

des gewachsenen Differenzierungsprozesses<br />

der Sportwissenschaft. Der Begriff<br />

der Trinität wird zum Zentralbegriff<br />

der »biopsychosozialen Einheit Mensch«.<br />

Damit ist die Position, dass Sport Ausdruck<br />

eines »menschlichen Urphänomens«<br />

sei, endgültig überwunden. Die Betonung<br />

des dialektischen Wechselverhältnisses<br />

zwischen biotischen, psychischen und sozialen<br />

Faktoren schließt Differenzierung<br />

und Integration ein. Dem Psychischen<br />

wird die Funktion des regulatorischen,<br />

vermittelnden Gliedes zwischen biotischen<br />

Grundlagen und sozialen Bedingungen<br />

eingeräumt.<br />

Wandlung des Sportbegriffes<br />

Einfluss auf die Sportwissenschaft hat<br />

auch die Wandlung des Sportbegriffes in<br />

der Öffentlichkeit genommen. Sport ist<br />

heute mehr denn je zum Alltagsphänomen<br />

geworden; wir haben es mit der »Versportlichung«<br />

der Gesellschaft zu tun und zu-<br />

Leichtathletik – Dreikampf beim Uni-Sportfest 2001 Foto: Bernstein<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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gleich mit der »Entsportlichung« des<br />

6 Sports. Der Ausdifferenzierung des Sports<br />

steht gleichzeitig eine Enttraditionalisierung<br />

gegenüber. Die daraus resultierenden<br />

Wirkungen beeinflussen die Sportwissenschaft,<br />

Ausbildungsprofile und das generelle<br />

Fachverständnis.<br />

Es hat ungefähr ein Jahrzehnt gedauert, bis<br />

sich die Bezeichnung »Sportwissenschaft«<br />

durchgesetzt hat. Mit der Bezeichnung<br />

Sportwissenschaft im Singular soll von<br />

Anfang an nicht eine isolierte, sorgfältig<br />

abgegrenzte Einzelwissenschaft alten Stils,<br />

sondern ein querschnittsähnlich strukturierter,<br />

systemoffener Komplex wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse und Methoden<br />

der verschiedensten Art und Herkunft erfasst<br />

und gekennzeichnet werden.<br />

Die Etablierung des Fächerensembles der<br />

Sportwissenschaft hat sich in unterschiedlichen<br />

Stufen vollzogen. Zunächst stellten<br />

die sportwissenschaftlichen Disziplinen<br />

wie die Sportpädagogik, Sportmedizin,<br />

Sportpsychologie Abspaltungen der entsprechenden<br />

Mutterwissenschaften, gewissermaßen<br />

eine erste Stufe der Entwicklung<br />

der Sportwissenschaft dar. Mit der Herausbildung<br />

einer gewissen Eigenständigkeit<br />

sprechen wir von der additiven Charakteristik<br />

der sportwissenschaftlichen Disziplinen.<br />

Der Begriff »Sportwissenschaft« setzt<br />

eigentlich Integration voraus, wenngleich<br />

diese nur partiell und manchmal auch bescheiden<br />

ausgeprägt ist. Aus diesem<br />

Grund lehnen wir die Bezeichnung<br />

»Sportwissenschaften« ab.<br />

Sport und Interdisziplinarität<br />

An den Universitäten steht die Sportwissenschaft<br />

heute vielfach vor dem Problem,<br />

sich in das wissenschaftliche Koordinatensystem<br />

der Fakultäten und Fachbereiche<br />

einzuordnen. Sie überspringt Fakultäts-<br />

Das Schema fasst Differenzierung, Integration, Interdisziplinarität und Berufsfelder im Sinne der<br />

Disponibilitätsanforderung zusammen. Es zeigt die Komplexität der Komponentenzusammenhänge,<br />

wobei wechselseitige Bezüge und Verflechtungen nur angedeutet worden sind.<br />

Jazz-Tanz beim Uni-Sportfest 2001 Foto: Fisser<br />

grenzen zwischen den Natur-, Geistes- und<br />

Sozialwissenschaften. Daraus resultieren<br />

unterschiedliche Zuordnungen zu Fachbereichen,<br />

aber auch unterschiedliche Zuweisungen<br />

finanzieller, materieller und<br />

personeller Mittel.<br />

Der Sportstudent braucht eine ganzheitlich<br />

ausgerichtete Lehre, die den Anforderungen<br />

der komplexen Praxis genügt. Aber es<br />

kann eben nur soviel Interdisziplinarität<br />

gelehrt werden, wie auch erforscht worden<br />

ist. Im Moment findet in den meisten Fällen<br />

die Integration in den Köpfen der Studierenden<br />

statt! WILLIMCZIK spricht<br />

auch von der Schwellenangst, die Sportwissenschaftler<br />

haben, wenn sie komplexe<br />

Theoriefelder bearbeiten sollen. Den Studierenden<br />

aber wird es aufgebürdet, denn<br />

sie müssen die konkreten Probleme in der<br />

Praxis adäquat lösen. Integration setzt voraus,<br />

dass die am Integrationsprozess Beteiligten<br />

die problemrelevanten theoretischen<br />

Konzepte der beteiligten Disziplinen verstehen,<br />

dass eine Problemtransformation in<br />

die eigene Disziplin erfolgt und letztlich<br />

eine sportwissenschaftliche, integrative<br />

Theorie entwickelt wird. Die Anforderungen<br />

sind immens, weil geistes- bzw. sozialwissenschaftliche<br />

Disziplinen mit naturwissenschaftlich-medizinischen<br />

Fächern<br />

kooperieren müssen. Die Schwierigkeiten,<br />

solche integrativen Ansätze in universitäre<br />

Lehre umzusetzen, sollen hier nur angedeutet<br />

werden.<br />

■<br />

Der Autor ist Professor für die naturwissenschaftlichen<br />

Disziplinen der Sportwissenschaft<br />

/ Sportmotorik am halleschen Institut<br />

für Sportwissenschaft. Er studierte<br />

Sportwissenschaft, Germanistik und Pädagogik<br />

an der Martin-Luther-Universität,<br />

wurde 1969 promoviert und habilitierte<br />

sich 1979. Prof. Dr. Jürgen Leirich lehrte<br />

an den Universitäten Bagdad (1970–1972)<br />

und Algier (1985–1989). Er ist Dekan des<br />

Fachbereichs Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

der Universität Halle.


SPORTARTEN ALS GEGENSTÄNDE SPORTWISSEN-<br />

SCHAFTLICHER AKADEMISCHER LEHRE<br />

Klaus Stöber<br />

Menschen begegnen dem Sport auf ganz unterschiedliche Weise. Sie erleben ihn u. a. als<br />

Schulsport, betätigen sich in der Freizeit sportlich, trainieren und nehmen an Wettkämpfen<br />

teil, engagieren sich im Hochschulsport, bevorzugen die Angebote diverser Sportstudios<br />

oder sie werden mit Sport in der Therapie oder Rehabilitation konfrontiert. Manchmal<br />

wird das Sporterlebnis mehr durch bloßes Zuschauen oder auch durch Konsumieren<br />

von Sport über die Massenmedien bestimmt.<br />

Diese Sporterfahrungen führen zu persönlichen<br />

Beurteilungen und Bewertungen<br />

des Sports insgesamt bzw. bestimmter einzelner<br />

Erscheinungen. So kann das Sporterleben<br />

positive Emotionen auslösen, die<br />

langfristig enge Beziehungen zum Sport<br />

generieren und dauerhaft zu sportlicher<br />

Aktivität anregen. Misserfolg und Enttäuschung<br />

lassen hingegen Distanz zum Sport<br />

entstehen, sind mitunter sogar Gründe für<br />

vehemente Ablehnung. Das einzelne, unter<br />

Umständen zufällige Sporterlebnis kann<br />

also ganz unterschiedliche Beziehungen<br />

zum Sport begründen.<br />

Zahlreiche Fragen zum Sport (u. a. sportpolitische,<br />

bildungspolitische, sportwissenschaftliche,<br />

kulturpolitische) können<br />

allerdings nicht auf der Grundlage subjektiv<br />

begründeter Zu- oder Abneigung beantwortet<br />

werden. Dazu ist vielmehr<br />

eine möglichst objektive und umfassende<br />

Sicht auf das Phänomen Sport notwendig.<br />

Diese Forderung umzusetzen, fällt schwer,<br />

weil Sport so vielgestaltig und facettenreich<br />

ist.<br />

So erscheint es als unmöglich, Sport in allen<br />

Einzelheiten einigermaßen sicher zu<br />

überschauen. Deshalb gibt es zahlreiche<br />

Versuche, durch Klassifikation und Systematisierung<br />

das Tätigkeitsfeld übersichtlicher<br />

zu machen<br />

Sportliche Leistung ist wesentliche<br />

Zielstellung<br />

Eine Möglichkeit, das sportliche Tätigkeitsfeld<br />

zu strukturieren, erschließt sich<br />

mit der Überlegung, dass man mit ganz<br />

unterschiedlichen vordergründigen Zielstellungen<br />

Sport treiben kann. Dabei stellt<br />

man zuerst fest, dass sportliches Handeln<br />

sehr häufig den Maximen »schneller«,<br />

»höher«, »stärker« und ähnlichen folgt. Es<br />

ist also auf das Erreichen hoher und höchster<br />

sportlicher Leistungen gerichtet und<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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findet in der Regel in ausgewiesenen 7<br />

Sportarten statt. Hier werden Weltmeister<br />

und Olympiasieger, aber auch Kreismeister,<br />

Sieger und Platzierte bei Schulsportfesten,<br />

bei Wettbewerben in der Reha-Klinik<br />

oder im Behindertensport ermittelt.<br />

Manchmal stellt man sich auch individuelle<br />

Leistungsziele oder man steht im Wettbewerb<br />

mit der eigenen Bequemlichkeit.<br />

Die Orientierung auf die sportliche Leistung<br />

ist also sehr breit und allgemein, erfolgt<br />

mitnichten nur auf Spitzenleistungen.<br />

Dazu gibt es häufig Missverständnisse,<br />

mitunter auch gewollt.<br />

Die Wettkampfleistung bedarf der<br />

Vorbereitung<br />

Der sportliche Wettbewerb, insbesondere<br />

der hochrangige, steht häufig im Blickpunkt<br />

der Öffentlichkeit. Dabei wird nur<br />

wenig berücksichtigt, dass er im Gefolge<br />

eines mehr oder weniger langfristigen und<br />

aufwendigen Prozesses des Übens, Trainierens<br />

und Lernens stattfindet. Auf jahrzehntelange<br />

Erfahrung und zunehmend<br />

auch auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis<br />

gestützt, wird hier immer wieder<br />

eindrucksvoll nachgewiesen, wie man mit<br />

sportspezifischen Mitteln und Methoden<br />

sowohl leistungsbestimmende Faktoren<br />

ausprägen als auch ganzheitliche Wirkungen<br />

erzielen kann. Es werden motorische<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben<br />

und vervollkommnet, psychische sowie<br />

soziale Kompetenzen herausgebildet und<br />

gefördert.<br />

Sport mit alternativer Zielbestimmung<br />

Es gibt inzwischen zahlreiche Sportbereiche,<br />

in denen die Tätigkeit nicht zuerst<br />

durch das Streben nach sportlicher Leistung<br />

und nach möglichst gründlicher Vorbereitung<br />

auf den sportlichen Wettkampf<br />

dominiert wird.<br />

So treibt man beispielsweise Sport, weil<br />

man darin eine Möglichkeit sinnvoller<br />

Freizeitgestaltung gefunden hat, weil man<br />

der Erkrankung vorbeugen, das Altern verzögern,<br />

die körperliche Fitness verbessern<br />

oder die psychische Befindlichkeit verändern<br />

will.<br />

An allgemeinbildenden Schulen wird<br />

Sport als Unterrichtsfach obligatorisch<br />

Stadtlauf Halle 2001 mit einem Rollstuhlfahrer<br />

Foto: Köhn


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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vorgeschrieben. Das Sporttreiben soll hier<br />

8 insbesondere zu körperlicher Allgemeinbildung<br />

beitragen.<br />

In unterschiedlichsten medizinischen Einrichtungen<br />

erhält die sportliche Tätigkeit<br />

therapeutische bzw. rehabilitative Funktion,<br />

sie wird ärztlich verordnet und soll<br />

funktionale, psychische und soziale Wirkungen<br />

erzielen.<br />

Sport hat in Polizei, Feuerwehr und Militär<br />

besondere Bedeutung, weil damit die<br />

für die Berufsausübung notwendige körperliche<br />

Leistungsfähigkeit erreicht und<br />

erhalten werden kann.<br />

Sportliche Wettkampf- und Trainingstätigkeit<br />

findet also einerseits statt, um<br />

sportspezifische Leistungsziele zu erreichen.<br />

Sie kann andererseits auch Mittel<br />

zum Zweck (Gesundheit, Allgemeinbildung,<br />

Therapie, Berufstauglichkeit, Freizeitgestaltung)<br />

sein.<br />

Sportarten können alternative<br />

Funktionen übernehmen<br />

Mit der Zuweisung und Übernahme immer<br />

neuer Funktionen gewinnt die Frage, welche<br />

Art von Sport allgemeinbildende, gesundheitsfördernde,<br />

therapeutische und<br />

weitere Aufgaben erfüllen soll und kann,<br />

immer mehr an Bedeutung. Darauf gibt es<br />

einerseits Antworten, die zum Ausdruck<br />

bringen, dass sich die Mittel und Methoden<br />

traditionellen Sports auch dafür anwenden<br />

lassen. Andererseits wird dies bestritten<br />

und es werden Alternativen zum<br />

herkömmlichen Sport gefordert.<br />

Für ein Institut für Sportwissenschaft, das<br />

Lehramts-, Magister- und verschiedene<br />

Diplomstudiengänge anbietet, ist diese<br />

Frage sehr bedeutsam, weil sie die Studienkonzepte<br />

und die Gestaltung von<br />

Lehrveranstaltungen unmittelbar tangiert.<br />

Gegenwärtig beanspruchen insbesondere<br />

im Grundstudium Lehrveranstaltungen zur<br />

Theorie, Praxis, Didaktik und Methodik<br />

der Sportarten einen großen Teil des Lehrvolumens.<br />

Das hallesche Institut befindet<br />

sich damit in Übereinstimmung mit zahlreichen<br />

anderen deutschen und ausländischen<br />

Einrichtungen sportwissenschaftlicher<br />

akademischer Lehre und setzt eine<br />

langjährig bewährte Ausbildungstradition<br />

fort. Damit erfolgt eine Abgrenzung gegenüber<br />

Konzepten, in denen dem traditionellen<br />

Sport im Studium kein bzw. nur ein<br />

sehr bescheidener Stellenwert zugewiesen<br />

wird.<br />

Ausdruckstanz Foto: Fisser<br />

Einige Argumente<br />

Die Entscheidung für Sportarten als akademische<br />

Lehrgegenstände erfolgt nicht willkürlich.<br />

Sicher spielen dabei Tradition und<br />

Erfahrung auch eine, jedoch nicht die entscheidende<br />

Rolle. Ein wichtiger Gesichtspunkt<br />

ist der Entwicklungsstand der zur<br />

Auswahl stehenden Sportarten, der u. a. an<br />

der Widerspiegelung der sportartspezifischen<br />

Tätigkeit, ihrer Theorie, Didaktik<br />

und Methodik in der sportartspezifischen<br />

wissenschaftlichen Fachliteratur zu bewerten<br />

ist. Vor diesem Hintergrund verbietet<br />

es sich von selbst, jeden kurzlebigen Trend<br />

in der Lehre verfolgen zu wollen.<br />

Sportbezogene Studiengänge sollten tatsächlich<br />

auf sportliche Tätigkeit, Sporthandeln<br />

und sportliche Bewegung abheben,<br />

eine Erweiterung (oder Einengung?)<br />

auf Bewegung schlechthin erscheint als<br />

wenig sinnvoll.<br />

Exemplarische Auswahl<br />

Die Sportartenauswahl soll gewährleisten,<br />

dass ihre Vielfalt mit möglichst repräsentativen<br />

Beispielen angeboten wird. Dies gelingt<br />

um so sicherer, je besser man in der<br />

Lage ist, die Anforderungen, die in der Tätigkeit<br />

gestellt werden zu klassifizieren. Es<br />

würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen,<br />

wollte man hier versuchen, Probleme<br />

der Klassifizierung sportmotorischer Aufgaben,<br />

Handlungen bzw. Bewegungen zu<br />

diskutieren. Deshalb soll nur auf die Bedeutung<br />

solcher Klassifikationen und auf<br />

einige Aspekte, die dabei zu berücksichtigen<br />

sind, hingewiesen werden.<br />

Hinter den weiter oben zitierten Maximen<br />

»schneller«, »höher«, »stärker« verbergen<br />

sich Ansätze für eine Klassifizierung nach<br />

sportartspezifischen Leistungszielen. So<br />

will man in einer Reihe von Sportarten bestimmte<br />

Wege in möglichst kurzer Zeit zurücklegen<br />

(schneller), in anderen den<br />

Raumparameter »Höhe« maximieren (hö-<br />

her) oder in einer weiteren Gruppe möglichst<br />

große Lasten bewältigen (stärker)<br />

usw. In dieser Weise können weitere Zielklassen<br />

beschrieben werden. Die Ziele<br />

wiederum werden unter ganz unterschiedlichen<br />

Bedingungen erreicht. Zum Zwecke<br />

der Klassifikation von sporttypischen Bedingungen<br />

fragt man zum Beispiel, ob das<br />

Ziel allein oder im Team – im Wasser, zu<br />

Lande oder in der Luft – bei welcher Direktheit<br />

der Auseinandersetzung mit dem<br />

sportlichen Gegner oder mit welchem<br />

Handlungsspielraum erreicht wird.<br />

Es sei noch darauf hingewiesen, dass die<br />

Lehrveranstaltungen in den Sportarten<br />

nicht vordergründig das Ziel verfolgen, die<br />

sportlichen Leistungen der Studierenden<br />

zu fördern. Hier werden vielmehr Mittel<br />

und Methoden mit einem breiten Anwendungsspektrum<br />

vermittelt. Die Leistungsnachweise<br />

werden nicht um ihrer selbst<br />

willen abverlangt und erbracht. Sie sind<br />

eher als Belege für die Effektivität der in<br />

den Lehrveranstaltungen angewendeten<br />

und reflektierten Mittel und didaktischmethodischen<br />

Maßnahmen zu verstehen.<br />

Die Einsicht, dass dazu eigene Anstrengung<br />

gehört, ist beabsichtigt.<br />

Die Vermittlung eines sportartspezifischen,<br />

aber auf Grund der Beispielfunktion<br />

der Sportart zu verallgemeinernden<br />

Mittel- und Methodeninventars soll die<br />

Hauptaufgabe der Sportartenausbildung<br />

sein. Darin einzuschließen sind Einsichten<br />

in die unterschiedlichen Funktionen von<br />

Sport in den verschiedenen Anwendungsbereichen.<br />

■<br />

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am halleschen Institut für Sportwissenschaft<br />

im Lehrgebiet Sportmotorik. 1972<br />

wurde er an der Philosophischen Fakultät<br />

der Martin-Luther-Universität promoviert.<br />

Unter anderem ist er verantwortlich für<br />

den Bereich der Theorie, Didaktik und<br />

Praxis der Sportarten/Sportaktivitäten,<br />

insbesondere für die Sportspielausbildung<br />

am Institut.


DER SCHÖPFER DES »DEUTSCHEN TURNENS«<br />

FRIEDRICH LUDWIG JAHN UND DIE UNIVERSITÄT HALLE<br />

Hans-Joachim Bartmuß<br />

Friedrich Ludwig Jahn, 1778 als Sohn eines Pfarrers in Lanz (Priegnitz) geboren, hat das<br />

Studium der Theologie, Geschichte und Sprachwissenschaften 1796 an der halleschen<br />

Universität begonnen und war hier bis 1800 eingeschrieben (Abb. unten). Leibeserziehung<br />

und Körperkultur hatten hier schon damals eine beachtliche Tradition.<br />

Als Belege dafür sollen hier nur zwei der<br />

bedeutendsten halleschen Gelehrten des<br />

18. Jahrhunderts angeführt werden: Der<br />

berühmte Philosoph, Mathematiker, Naturwissenschaftler<br />

und Schöpfer eines umfassenden<br />

rationalistischen Systems, das die<br />

gesamte deutsche Aufklärung entscheidend<br />

beeinflusste, Christian Wolff, vertrat<br />

in zwei um 1720 erschienenen Publikationen<br />

die Auffassung, dass nur die Einheit<br />

von Körper und Geist die Entfaltung der<br />

geistigen Kräfte sichern könne. Vollkommenheit<br />

des Leibes und damit im eigentlichen<br />

die Gesundheit sei eine sehr wichtige<br />

Komponente der Lebenstüchtigkeit. Erhaltung<br />

der Gesundheit aber bedürfe der<br />

Übung als ständiger Verpflichtung. Friedrich<br />

August Wolf, Altphilologe und Begründer<br />

der Altertumswissenschaften, der<br />

1787 das Philologische Seminar an der<br />

halleschen Universität gründete, vertrat in<br />

Vorlesungen zwischen 1799 und 1801 die<br />

unbedingte Notwendigkeit der Körpererziehung.<br />

Allerdings konnte er sich schließlich<br />

nicht gegen die Mehrheit seiner Kollegen,<br />

die Körperübungen für überflüssig<br />

hielten, durchsetzen, so dass bei der 1804<br />

abgeschlossenen Reorganisation der<br />

halleschen Universität studentische<br />

Körperübungen ausgeklammert wurden.<br />

»Jahnhöhle« im Felsen über der Saale<br />

Möglicherweise hat Jahn auch diese Vorlesungen<br />

Wolfs gehört und ist dadurch in<br />

theoretischer Hinsicht beeinflusst worden.<br />

Doch sehr viel bedeutender für sein Verständnis<br />

von der gesellschaftlichen Bedeu-<br />

Immatrikulationseintrag Jahns an der halleschen Universität 1796<br />

tung der Leibesübungen war ein ihn tief<br />

ergreifendes ganz besonderes Erlebnis<br />

während seiner halleschen Studentenzeit:<br />

Jahn war in Halle dem geheimen Orden<br />

»Unitas«, der eine einheitliche deutsche<br />

Studentenverbindung erstrebte, beigetreten,<br />

der den zu dieser Zeit als »Kränzchen«<br />

bezeichneten studentischen Landsmannschaften,<br />

die vor allem den Comment<br />

pflegten, feindlich gegenüber stand. Wegen<br />

seines aggressiven Auftretens gegen<br />

die landsmannschaftlich organisierten Studenten<br />

wurde Jahn in »Verruf« getan, was<br />

zur Folge hatte, dass er ständig in Raufereien<br />

geriet. Den ganzen Sommer 1799<br />

über soll sich Jahn deshalb in eine angeblich<br />

von ihm selbst ausgesprengte Felsenhöhle<br />

über der Saale, nicht weit vom Giebichenstein<br />

und gegenüber von Kröllwitz,<br />

zurückgezogen haben, um »ungestört über<br />

das eine nachzudenken, was Deutschland<br />

not tut«. Hier, in der heute sogenannten<br />

»Jahnhöhle« (Abb. Seite 10), las er das<br />

zwischen 1787 und 1791 in drei Teilen erschienene<br />

Buch des Österreichers von<br />

Meyern mit dem Titel »Dya-Na-Sore oder:<br />

Die Wanderer«, das auf ihn nach eigener<br />

Bekundung einen unwahrscheinlich großen<br />

Einfluss ausgeübt hat. Die Aussagen<br />

in diesem Buche, u. a. über Liebe zum eigenen<br />

Volk und Vaterland, über Bildung<br />

des Körpers und Bildung des Geistes im<br />

gleichen Schritte, über die Notwendigkeit,<br />

zum Wohl und Heil des Vaterlandes die<br />

Jugend auch körperlich zu erziehen, haben<br />

Jahn offensichtlich so ergriffen, dass er ein<br />

Leben lang in diesen Gedanken gefangen<br />

blieb. So wurde er zu einem der bedeutendsten<br />

Propagandisten deutscher früh-<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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nationaler Bestrebungen. Seine erste, unter<br />

dem Namen Höpffner 1800 publizierte<br />

Schrift »über die Beförderung des Patriotismus<br />

im Preußischen Reiche« ist von<br />

diesen Leitgedanken ebenso beeinflusst<br />

wie sein 1810 erschienener »Nationalerziehungsplan«,<br />

das »Deutsche Volkstum«<br />

und seine 1817 in Berlin gehaltenen Vorlesungen<br />

über deutsches Volkstum, in de-<br />

Bildnis Jahns um 1823 (Maler: Heine, Kolberg)<br />

nen er die Ablehnung von »Ausländerei«,<br />

insbesondere von Franzosen- und Judentum,<br />

extrem übersteigerte. So hat Jahns gerade<br />

heute oft zitiertes Bekenntnis – am<br />

Schluss seines »politischen Testaments«,<br />

der so genannten »Schwanenrede«, im<br />

September 1848 wegen der Unruhen von<br />

radikalen Gruppierungen in Frankfurt in<br />

einem Versteck geschrieben – , »Deutschlands<br />

Einheit war der Traum meines erwachenden<br />

Lebens, das Morgenrot meiner<br />

Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft<br />

und ist jetzt der Abendstern, der mir zur<br />

ewigen Ruhe winkt«, auch eine andere,<br />

sehr viel weniger anziehende Seite.<br />

Erster Turnplatz in der Berliner<br />

Hasenheide<br />

Anders verhält es sich mit der Umsetzung<br />

der anderen, von der körperlichen Erziehung<br />

der Jugend handelnden Aussagen<br />

durch Friedrich Ludwig Jahn. Hat er doch<br />

die diesbezüglichen theoretischen Erkenntnisse<br />

der eingangs zitierten bedeutenden<br />

halleschen Wissenschaftler des 18. Jahr-<br />

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scientia halensis halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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hunderts in einem sehr viel weiteren Sinne<br />

10 auch praktisch umgesetzt und gilt deshalb<br />

auch heute noch mit vollem Recht als der<br />

Schöpfer des »deutschen Turnens«, wegen<br />

seiner politischen, u. a. auch auf die Befähigung<br />

der Jugend zum Kampf gegen die<br />

napoleonische Fremdherrschaft und die<br />

Überwindung der deutschen Kleinstaaterei<br />

gerichteten Funktion anfangs auch als »vaterländisches<br />

Turnen« bezeichnet. Jahn<br />

war es, der – über GutsMuths, der die<br />

Gymnastik an den Schulen propagierte<br />

und in Schnepfenthal praktizierte, hinausgehend<br />

– das öffentliche Turnen auf eigens<br />

dazu angelegten Turnplätzen nach<br />

dem Vorbild seines 1811 geschaffenen<br />

ersten Turnplatzes in der Berliner Hasenheide<br />

einführte, das im zweiten Jahrzehnt<br />

des 19. Jahrhunderts einen beispiellosen<br />

Aufschwung erlebte. Bis 1819 entstanden<br />

in Preußen und anderen deutschen Staaten<br />

über 150 Turnplätze nach dem Vorbild der<br />

Hasenheide. In seiner gemeinsam mit seinem<br />

Schüler Ernst Eiselen 1816 publizierten<br />

»Deutschen Turnkunst« hat Jahn die<br />

ganze Palette der nach seinem Verständnis<br />

unter den Begriff »Turnkunst« fallenden<br />

Körperübungen beschrieben: Gehen, Laufen,<br />

Springen, Schwingen (Pferdturnen),<br />

Schweben (Balancieren), Reck- und<br />

Barrenturnen ebenso wie Klettern, Werfen,<br />

Ziehen, Schieben, Heben, Tragen, Strecken,<br />

Ringen sowie Sprung im Reifen und<br />

im Seile. Darüber hinaus zählte Jahn natürlich<br />

u. a. auch das Schwimmen, Fechten,<br />

Reiten und Tanzen zu den von ihm<br />

hochgeschätzten Disziplinen der Leibesübungen,<br />

deren Beschreibung er für ein<br />

»größeres Werk über die Turnkunst« vor-<br />

Jahnhöhle beim Giebichenstein in Halle<br />

sah, das zu schreiben ihm wegen des auf<br />

Betreiben Metternichs erfolgten Verbots<br />

des Turnwesens in Preußen und anderen<br />

deutschen Staaten, seiner Inhaftierung von<br />

1819 bis 1825 und der für die Zeit nach<br />

seinem Freispruch auferlegten Beschränkungen<br />

im Verkehr mit Hochschülern und<br />

Gymnasiasten allerdings nicht mehr vergönnt<br />

war.<br />

Freyburger Jahn-Gedenkstätten<br />

Auch heute stehen wir noch voll in dieser<br />

von Jahn ausgehenden turnerisch-sportlichen<br />

Tradition, deren Inhalte in aller Kürze<br />

umschrieben werden können als unablässiges<br />

Ringen um die Pflege turnerischsportlicher<br />

Aktivität im Bewusstsein der<br />

Bedeutung turnerischer Betätigung für die<br />

Gesundheit, für die Harmonie von Körper<br />

und Geist sowie für die körperliche Gesamtausbildung,<br />

Inhalte, zu denen nicht<br />

zuletzt auch die Pflege zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen im Turn- bzw. Sportverein<br />

als einer besonders diese Werte pflegenden<br />

Gemeinschaft gehört.<br />

Seit seiner Haftentlassung 1825 hat Jahn<br />

mit seiner Familie hauptsächlich in Freyburg<br />

an der Unstrut gelebt. Nach der Auf-<br />

hebung der »Turnsperre« durch den preußischen<br />

König Friedrich Wilhelm IV. im<br />

Jahre 1842 hat er auch wieder Kontakte zu<br />

den Turnern aufgenommen. Während der<br />

deutschen bürgerlichen Revolution von<br />

1848/49 wurde Jahn im 16. Wahlbezirk<br />

der Provinz Sachsen zu Merseburg zum<br />

Abgeordneten für die Frankfurter Nationalversammlung<br />

gewählt (Abb.3).<br />

Nach einem verheerenden Brand in seiner<br />

Wohnung 1838 hatte Jahn mit Hilfe von<br />

Spendengeldern deutscher Turner ein<br />

Wohnhaus errichtet. Dieses Wohnhaus, in<br />

dem heute das Jahn-Museum untergebracht<br />

ist, gehört zusammen mit der ihm<br />

zu Ehren von der Deutschen Turnerschaft<br />

errichteten Jahn-Erinnerungsturnhalle<br />

(1894) und der zunächst als Jahn-Museum<br />

eingerichteten heutigen Jahn-Ehrenhalle<br />

zu den Freyburger Jahn-Gedenkstätten.<br />

Für ihre Erhaltung, für den Betrieb des<br />

Jahn-Museums und für die Pflege der<br />

Jahnschen Traditionen sorgt der 1992 –<br />

vom damaligen DTB-Präsidenten Prof. Dr.<br />

Jürgen Dieckert, vom damaligen Präsidenten<br />

des Landesturnverbandes Sachsen-Anhalt,<br />

Prof. Dr. Jürgen Leirich (Institut für<br />

Sportwissenschaft der Martin-Luther-Universität)<br />

und vom Bürgermeister der<br />

»Jahnstadt Freyburg«, Martin Bertling –<br />

gegründete Förderverein zur Traditionspflege<br />

und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten<br />

e. V. (mehr über<br />

den Förderverein und das Museum unter<br />

www.jahn-museum.de).<br />

■<br />

Der Autor (Jahrgang 1929) studierte von<br />

1950–1954 Geschichte an der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg, wurde<br />

1961 durch die Philosophische Fakultät<br />

promoviert und habilitierte sich 1971. Im<br />

gleichen Jahr wurde er auf den Lehrstuhl<br />

für Geschichte des Mittelalters an der<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

berufen. Seit 1993 ist er im Ruhestand.<br />

Prof. Dr. Hans-Joachim Bartmuß<br />

ist Vorsitzender des Fördervereins zur<br />

Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten<br />

e. V.<br />

Friedrich Ludwig Jahn in der Frankfurter Nationalversammlung<br />

1848 (Paulskirche)


MODERNE BERUFSFELDER DES SPORTS<br />

HERAUSFORDERUNG FÜR STUDIUM UND LEHRE<br />

Siegfried Leuchte<br />

Die Sportlehrerausbildung an der Alma Mater Halensis hat eine außerordentlich lange<br />

Tradition. Fast zeitgleich wurden in Marburg 1924 und in Halle zum Wintersemester<br />

1924/1925 die ersten akademischen Lehrangebote für das Fach Leibeserziehung in ganz<br />

Deutschland unterbreitet. Das 75-jährige Bestehen des Instituts für Sportwissenschaft<br />

wurde im Oktober 1999 mit einem Wissenschaftlichen Kolloquium zum Thema<br />

»Paradigmenwechsel in der Sportwissenschaft« und durch Absolventenveranstaltungen<br />

feierlich begangen.<br />

Das Institut für Sportwissenschaft an der<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

kann seit 1991 auf eine an den modernen<br />

Berufsfeldern orientierte Ausgestaltung<br />

der Studienangebote und mit mehr<br />

als 400 StudentInnen auf eine beständig<br />

steigende Nachfrage zurückblicken. Die<br />

vielfältigen Studienangebote:<br />

• Lehramtsstudiengänge für das Fach Sport<br />

an Gymnasien und an Sekundarschulen<br />

mit dem Vorzug aller schulrelevanten<br />

Kopplungsmöglichkeiten innerhalb der<br />

Universität sowie in Kooperation die fachwissenschaftliche<br />

Ausbildung der Grundschulpädagogen,<br />

• Diplomstudiengänge Sportwissenschaft<br />

mit dem Schwerpunkt »Prävention, Rehabilitation<br />

und Therapie« (D1) seit 1991<br />

und dem Schwerpunkt »Breiten- und<br />

Wettkampfsport« (D2) seit 1996 sowie<br />

entsprechende Aufbaustudiengänge,<br />

• Magisterstudiengänge Sportwissenschaft<br />

im Haupt- und Nebenfach mit attraktiven<br />

Kopplungsmöglichkeiten wie Rehabilitationspädagogik,<br />

Medien- und Kommunikationswissenschaften,Betriebswirtschaftslehre<br />

etc. seit 1996.<br />

Sie sollen auch in Zukunft dem Bedarf des<br />

sich dynamisch entwickelnden Arbeitsmarktes<br />

gerecht werden und, auf den<br />

sportwissenschaftlichen Grundlagen aufbauend,<br />

»Kurskorrekturen« für neue Themenfelder<br />

wie »Sport und Gesundheit«<br />

oder »Sport und Ernährung« möglich machen.<br />

Berufsfelder und Berufstätigkeit in Sport<br />

und Sportwissenschaft<br />

Die Diskussion über die dynamische Entwicklung<br />

der Berufsfelder des Sports in<br />

Verbindung mit empirischen Untersuchungen<br />

des beruflichen Einstiegs und der Berufsaussichten<br />

der Absolventen wird seit<br />

Jahren umfassend und intensiv geführt.<br />

Wie repräsentative Befragungen 1986–<br />

1990 und 1995–1997 (Hartmann-Tews et<br />

al. 1999) durch die Deutsche Sporthochschule<br />

Köln signalisierten, ist die dynamische<br />

Umgestaltung des Arbeitsmarktes in<br />

vollem Gange. Zu konstatieren war für<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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markt als Konkurrenz für die Absolventen<br />

betrachtet werden muss. Die auswuchernden<br />

Aus- und Weiterbildungsangebote der<br />

Landessport- und Sportfachverbänden, der<br />

privaten Aus- und Weiterbildungsanbieter,<br />

z. T. von Fachhochschulen oder sogar von<br />

Industrie- und Handelskammern sorgen<br />

Gruppentherapie mit Pezzibällen Foto: rehaFLEX Saline Reha-Klinik Halle<br />

diesen Zeitraum der Rückgang der Arbeitslosigkeit<br />

von 9,7 auf 3,4 Prozent, der<br />

Rückgang an hauptberuflicher Festanstellung<br />

von 64,9 auf 52,2 Prozent sowie<br />

der Anstieg der Selbständigkeit von 13,5<br />

auf 22,8 Prozent. Auf mehr als 20 Prozent<br />

erhöhte sich der Anteil an Hochschulabsolventen,<br />

die ihren Lebensunterhalt durch<br />

Teilzeit-, Neben- oder Honorartätigkeit sichern.<br />

Als Hauptschwierigkeiten für den<br />

Berufseinstieg werden von den Absolventen<br />

das fehlende Arbeitsplatzangebot, die<br />

von potenziellen Arbeitsgebern gewünschten<br />

Berufserfahrungen und Zusatzqualifikationen<br />

oder die vergleichsweise geringe<br />

Entlohnung genannt. Hervorgerufen wird<br />

dies u. a. durch die Etablierung einer quasi<br />

»mittleren Ausbildungsebene« im Bereich<br />

des Sports, die zumindest auf dem Arbeits-<br />

für »kostengünstige« Gymnastiktrainer,<br />

Rückenschul- und Gesundheitstrainer,<br />

Freizeit- und Fitnessanimateure, Sportfachwirte<br />

oder Vereinsmanager mit zumeist<br />

enger Berufsfeldorientierung und befristeten<br />

Anstellungsverhältnissen.<br />

Vereinssport in der Sackgasse? –<br />

Gesundheitssport »boomt«!<br />

Der gemeinnützig organisierte Sport sollte<br />

im traditionellen Verständnis von Leistungs-,<br />

Breiten- und/oder Freizeitsport das<br />

Berufsfeld Nr.1 für den akademisch ausgebildeten<br />

Sportpädagogen/-lehrer oder<br />

-wissenschaftler sein. Ein Studium der<br />

Sportwissenschaft, verbunden mit der<br />

Lizenzierung z. B. im Sportverband<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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(Sportart), ist hinsichtlich der Fachkompe-<br />

12 tenz in der sportpraktischen Arbeit mit<br />

Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen oder<br />

speziell der Senioren »unschlagbar«, nur<br />

leider flächendeckend von den Sportvereinen<br />

allein durch staatliche Subventionierung,<br />

über Mitgliedsbeiträge oder durch<br />

Sponsorenengagement nicht bezahlbar.<br />

Die Analysen der Verbands- und Vereinsstrukturen<br />

von Cachay et al. (1999) zeichnen<br />

ein realistisches, im Hinblick auf die<br />

zuverlässige Beschäftigungsprognose von<br />

Hochschulabsolventen aber eher »düsteres<br />

Bild«. Ein Umdenken bzw. eine Umorientierung<br />

in der vom Ehrenamt getragenen<br />

traditionsbewussten Vereinsideologie ist<br />

ebenso wenig erkennbar wie eine Trendwende<br />

im Nachwuchsleistungssport. Während<br />

der Vereinssport prognostisch kaum<br />

für mehr Beschäftigung sorgen wird,<br />

boomen Bereiche wie Gesundheitssport/<br />

Prävention, Therapiesport/Rehabilitation<br />

oder Kraftsport/Fitness.<br />

Die gesundheitsorientierten Kursangebote<br />

der Sportfach- oder Landessportverbände<br />

und Sportvereine, der privaten Gesundheits-<br />

und Fitnessstudios oder der privaten<br />

Aus- und Weiterbildungsinstitutionen sind<br />

nicht mehr überschaubar. Wenn diese Entwicklung<br />

kritisch gesehen wird, dann, weil<br />

die derzeitigen inhaltlichen Programmstrukturen<br />

im Gesundheitssport noch uneinheitlich,<br />

inkonsistent und diffus sind<br />

(Bös et al. 1999). Letztlich wird aber auch<br />

dieser Gesundheitssport kaum für mehr<br />

Beschäftigung über Teilzeit-, Neben- oder<br />

Honorartätigkeit hinausgehend sorgen. Allein<br />

der diplomierte Sporttherapeut ist für<br />

Einrichtungen, die eine Zulassung für die<br />

Erweiterte Ambulante Physiotherapie<br />

(EAP) haben, verbindlich gefordert, allerdings<br />

nicht ohne Zusatzqualifikationen<br />

(z. B. Medizinische Trainingstherapie).<br />

Das »Wechselbad« der Gesundheitspolitik<br />

um den Paragraphen 20 zwischen 1988,<br />

1996 und heute war für eine Reihe von<br />

Berufsfeldgruppen ausgesprochen kontraproduktiv.<br />

Man kann nur hoffen, dass eine<br />

weitere Öffnung des Gesundheitssystems<br />

für Sport und Bewegung im Hinblick auf<br />

die Primär- oder Sekundärprävention unter<br />

Einbeziehung qualitätssichernder Maßnahmen<br />

zuverlässig eintritt. Dies vor dem<br />

Hintergrund, dass der Bedarf an Entwicklungsförderung<br />

von Kindern und Jugendlichen,<br />

an betrieblicher Gesundheitsförderung<br />

oder im Alters- und Seniorensport<br />

enorm angestiegen ist.<br />

Die Frage der Effizienz (Kosten – Nutzen<br />

– Bilanz) für unsere Gesundheits-, Sozial-<br />

Isokinetisches Muskelaufbautraining für das Kniegelenk am CYBEX<br />

Foto: rehaFLEX Saline Reha-Klinik Halle<br />

versicherungs- und Rentensysteme ist<br />

mehrfach beantwortet.<br />

Tendenzen und Erfordernisse im Bereich<br />

Studium und Lehre<br />

Der »Boom« und die Ausdifferenzierung<br />

der Diplomstudiengänge durch die unterschiedlichen<br />

Studienschwerpunkte im letzten<br />

Jahrzehnt kann als »ausgereizt« gelten.<br />

Forderungen nach einer »Innenrevision«<br />

bei der Vielzahl von unterschiedlichen<br />

Schwerpunktbildungen werden ebenso<br />

laut, wie eine Reformierung der Lehramtsstudiengänge<br />

im Fach Sport, u. a. durch<br />

eine Erweiterung um »Grundthemen des<br />

Bewegens« in der Schulsportpraxis. Die<br />

Kritik an der Vielzahl der Studienschwerpunkte<br />

in den Diplomstudiengängen zielt<br />

auf mehr Transparenz in den Ausbildungsprofilen<br />

und auf die Erhöhung der Kompetenz<br />

der Sportwissenschaftler an den fachspezifischen<br />

Schnittstellen. Immerhin ist<br />

der Stellenwert und die Nachfrage nach<br />

Zusatzqualifikationen für den Berufseinsteiger<br />

wichtiger denn je. Im gleichen<br />

Atemzug muss daran erinnert werden, dass<br />

diese Zusatzqualifikationen (Medizinische<br />

Trainingstherapie oder Übungsleiter- und<br />

Trainerlizenzen) ausschließlich von den<br />

Berufs- und den Sportfachverbänden vergeben<br />

und anerkannt werden.<br />

Internationalisierung – Modularisierung<br />

– ECTS<br />

Das neue Hochschulrahmengesetz eröffnet<br />

den Universitäten und Hochschulen neue<br />

Handlungsspielräume: Internationale<br />

Studienabschlüsse (Bachelor, Master),<br />

Modularisierung und ECTS als Grundlage<br />

für die gegenseitige Anerkennung von<br />

Studien- und Prüfungsleistungen etc. Eine<br />

Reihe von sportwissenschaftlichen Instituten<br />

haben durch das Angebot von<br />

Bachelor- und Master-Studiengängen insbesondere<br />

mit gesundheitssportlicher Orientierung<br />

diese Entwicklung aufgegriffen.<br />

Allerdings sind auch die kritischen Positionen<br />

wie in anderen Fächern nicht zu<br />

überhören. Vor dem Hintergrund der personellen<br />

und materiell-technischen Ausstattung<br />

ergeben sich für das Institut für<br />

Sportwissenschaft drei Aufgabenbereiche:<br />

• Die Umsetzung der neuen Studienordnungen<br />

für das Lehramt an Gymnasien,<br />

Sekundarschulen und kooperierend für die<br />

Grundschulen,<br />

• die Neustrukturierung und inhaltliche<br />

Ausgestaltung der Studien- und Prüfungsordnungen<br />

der Diplom- und Magisterstudiengänge<br />

mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung<br />

in den ausgewiesenen<br />

Schwerpunkten durch Modularisierung<br />

und Umsetzung des ECTS sowie<br />

• die Vorbereitung, »Partnersuche« und<br />

mittelfristige Einführung von gestuften<br />

Studiengängen in der Sportwissenschaft.<br />

■<br />

Der Autor wurde 1977 an der Philosophischen<br />

Fakultät der halleschen Universität<br />

promoviert und habilitierte sich 1990. Er<br />

wurde 1998 zum Außerplanmäßigen Professor<br />

berufen und ist verantwortlich für<br />

Lehre und Forschung in der Biomechanik<br />

in allen Studiengängen. Seit Juni 2000 leitet<br />

Prof. Dr. Siegfried Leuchte das Institut<br />

für Sportwissenschaft als Geschäftsführender<br />

Direktor.


HOCHSCHULSPORT – ENTWICKLUNG IM ÜBERBLICK<br />

ATTRAKTIVES ANGEBOT IN HALLE UMFASST 54 SPORTARTEN<br />

Hans-Joachim Peucker<br />

Die Martin-Luther-Universität kann am Vorabend ihres 500-jährigen Bestehens auf eine<br />

erfolgreiche Entwicklungsgeschichte zurückblicken. In keinem Zeitraum vorher ist ein so<br />

großer Strukturwandel bewältigt worden wie in den letzten zehn Jahren, so dass hier von<br />

einem Qualitätssprung gesprochen werden kann. Neue Strukturen finden und erproben,<br />

eingeübte Stereotype aufbrechen, um zu mehr Effizienz zu gelangen, das sind gängige<br />

Wege im Sport. Diese Flexibilität war auch für das Universitätssportzentrum notwendig,<br />

um die Veränderungen im Hochschulsport erfolgreich bewältigen zu können.<br />

Die Quellen sportlicher Betätigung an der<br />

Universität Halle lassen sich nachweislich<br />

bis ins Jahr 1694 zurück verfolgen, als die<br />

»sorgfältige Pflege der Leibesübungen«<br />

(Quelle: Frost 1979) ein wesentlicher Bestandteil<br />

im akademischen Leben war, und<br />

das mit teilweise heute noch praktizierten<br />

Sportarten wie Reiten, Fechten, Ballspiel<br />

und Tanzen, ferner Ritterspiele, sowie<br />

Kriegs- und Jagdübungen. Diese Richtungen<br />

wurden später um weitere »Exerzitien«<br />

wie das Voltigieren, Schwimmen und<br />

Kahnfahren erweitert.<br />

Hochschulsport im Wandel<br />

Modernere Auffassungen setzten sich gegen<br />

Ende des 19. Jahrhunderts durch das<br />

Wirken des Universitäts- und Turnlehrers<br />

Gumal Fessel durch, der den erfolgreichen<br />

Abschluss akademischer Turnlehrerprüfungen<br />

vorbereitete. Im Jahre 1925 wurde<br />

in Halle als zweiter Universität Deutschlands<br />

der Pflichtsport für Philologiestudenten<br />

eingeführt, der nach der Gründung<br />

der DDR mit dem Studienjahr 1951 für<br />

alle Studierenden obligatorischer Ausbildungsbestandteil<br />

wurde. Die Abteilung<br />

Studentensport der Martin-Luther-Univer-<br />

sität hat in den 60er bis 80er Jahren hochschulgemäße<br />

Ausbildungs- und Freizeitsportkonzeptionen<br />

für die Hochschulen<br />

der DDR entscheidend mit entwickelt.<br />

Mit der Wende, der Bildung des Landes<br />

Sachsen-Anhalt und einem neuen Hochschulgesetz<br />

veränderten sich die Bedingungen<br />

für den Hochschulsport grundlegend:<br />

Er wurde fakultativ. Den seinerzeit<br />

geltenden Prinzipien wie Pflichtteilnahme<br />

und Leistungsbewertung standen nun Freiwilligkeit,<br />

Breitensportgedanke, Entspannung,<br />

Erlebnisorientierung und soziale<br />

Kommunikationsmöglichkeit gegenüber.<br />

Dieser scheinbare Widerspruch wurde sehr<br />

schnell überwunden, wenn auch nicht in<br />

Bezug auf alle Studierenden. So wird gegenwärtig<br />

mit dem Sportangebot des<br />

Universitätssportzentrums ca. ein Drittel<br />

der Studierenden erreicht.<br />

Ständig steigende Nachfrage<br />

Mit der Bildung des Universitätssportzentrums<br />

als Zentraleinrichtung wurden die<br />

Voraussetzungen für die Durchführung<br />

des Hochschulsports auf hohem Niveau<br />

geschaffen. Durch die fachliche Kooperation<br />

des Universitätssportzentrums mit<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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dem Institut für Sportwissenschaften, die<br />

an der Martin-Luther-Universität eine lange<br />

Tradition hat, sind die begünstigenden<br />

Wechselbeziehungen zwischen Lehre und<br />

Hochschulsport für alle Studierenden an<br />

der Universität sowie eine effektive Nutzung<br />

der universitätseigenen Sportstätten<br />

ohne zusätzlichen Aufwand hervorzuheben.<br />

Das Sportangebot umfasst gegenwärtig 54<br />

Sportarten in 178 Kursen. Neben den traditionellen<br />

Sportarten, von denen die<br />

Spielsportarten besonders gefragt sind,<br />

werden zahlreiche Fitnessprogramme,<br />

Konditionierung, künstlerisch-tänzerische<br />

Betätigung angeboten. Aktuelle Trends<br />

werden aufgegriffen. In diesen vielfältigen<br />

Begegnungen entsteht in einem bemerkenswerten<br />

Maß eine soziokulturelle Integration<br />

von Lehrenden, Studierenden und<br />

Angehörigen unterschiedlicher Nationalitäten<br />

und Kulturkreise; gesundheitliche<br />

Prävention wird praktiziert und Leistungsbereitschaft<br />

gefördert.<br />

Neben dem überwiegend breitensportlich<br />

ausgerichteten Angebot werden auch leistungssportliche<br />

Aktivitäten im studentischen<br />

Wettkampfsport, zum Beispiel bei<br />

deutschen Hochschulmeisterschaften, nationalen<br />

und internationalen Vergleichskämpfen<br />

gefördert.<br />

Die ständig steigende Nachfrage nach neuen<br />

Sportangeboten zeigt, dass eine Bedarfsdeckung<br />

nicht erreicht wird. Die zur<br />

Zeit bestehenden materiellen Voraussetzungen,<br />

insbesondere die Hallenkapazität,<br />

lassen keine Erweiterung des Angebotes<br />

mehr zu. Die begonnenen Erhaltungs- und<br />

Modernisierungsmaßnahmen müssen in<br />

der Folgezeit beschleunigt werden, um die<br />

Qualität und den Umfang der Sportveranstaltungen<br />

weiter erhöhen zu können. Es<br />

ist an der Zeit, nach den zahlreichen Neubau-<br />

und Modernisierungsmaßnahmen an<br />

der Universität auch einen modernen<br />

Sportkomplex in die Planung aufzunehmen.<br />

Die Anziehungskraft des gesamten Hochschulstandorts<br />

steigt nicht zuletzt mit einem<br />

offenen, kreativen Hochschulsport.<br />

■<br />

Hans-Joachim Peucker studierte zwischen<br />

1960 und 1965 die Fächer Körpererziehung<br />

und Biologie an der Pädagogischen<br />

Hochschule in Halle. Von 1966–1969 arbeitete<br />

er an der Kinder- und Jugendsportschule<br />

in Halle als Trainer im Basketball.<br />

Seit 1969 ist er im Hochschulsport<br />

an der Universität Halle tätig.<br />

Akademische Sportart Fechten beim Universitätssportfest<br />

Foto: Archiv<br />

13


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

SCHÜLER FÜR DIE SPORTWISSENSCHAFT BEGEISTERN<br />

ERFAHRUNGEN AUS DER PROJEKTARBEIT MIT STÄDTISCHEN GYMNASIEN<br />

Siegfried Leuchte und Werner Goder<br />

................................................................................<br />

Die Öffnung der Universitäten und Hochschulen für potenzielle Studieninteressenten aus<br />

14 den Gymnasien der Stadt Halle kristallisiert sich immer mehr zu einer wichtigen hochschulpolitischen<br />

Maßnahme und territorialen Verpflichtung heraus. Für die Mitarbeiter<br />

des Instituts für Sportwissenschaft ist diese Aufgabe nicht so neu, da die Zusammenarbeit<br />

z. B. mit der ehemaligen Kinder- und Jugendsportschule – dem heutigen Sportgymnasium<br />

– eine lange Tradition besitzt und »Generationen« von Nachwuchsleistungssportlern die<br />

»wissenschaftlich-produktive Arbeit« am Institut für Sportwissenschaft leisteten.<br />

Gymnasiasten am Institut für<br />

Sportwissenschaft<br />

Die Projektwochen der vergangenen beiden<br />

Jahre mit mehr als 25 Schülern des<br />

Cantor- und des Friedengymnasiums gingen<br />

auf Anfragen von ehemaligen Absolventen<br />

des Instituts für Sportwissenschaft<br />

zurück (Abb. 1). Dem Wunsch nach gemeinsamer<br />

Gestaltung einer Projektwoche<br />

ging das Institut auch sehr gern nach, obwohl<br />

damit das Kopfzerbrechen über ein<br />

geeignetes Thema und dessen programmatische<br />

Ausgestaltung erst begann. Es wurde<br />

die Absicht verfolgt, die Sportwissenschaft<br />

möglichst pragmatisch und nicht<br />

nur theoretisierend an die Schüler heranzutragen.<br />

Die Praxis von Sport zu erleben<br />

und zugleich auf die Probleme in der<br />

sportwissenschaftlichen Bearbeitung aufmerksam<br />

zu machen, war Herausforderung<br />

genug. Deshalb wählten die Veranstalter<br />

das Thema: »Sportwissenschaft in Theorie,<br />

Methodologie und Praxis« unter Beteiligung<br />

der Wissenschaftsdisziplinen<br />

Biomechanik, Sportmotorik, Sportmedizin<br />

und der Trainingswissenschaft.<br />

Welche Aufgabenstellungen galt es zu<br />

lösen?<br />

1. Sportmotorik<br />

Mit Hilfe des Stabilometers bzw. der so<br />

genannten »Wippe« sollte der komplizierte<br />

Prozess motorischer Lernprozesse exemplarisch<br />

veranschaulicht werden. Die Aufgabenstellung<br />

bestand darin, die »Wippe«<br />

über eine Zeit von 30 Sekunden in der<br />

Waagebalance zu halten. Geübt wurde täglich<br />

in zwei Gruppen, von denen eine<br />

Gruppe eine Rückkopplung in Form der<br />

erreichten Balancierzeit pro Versuch erhielt,<br />

während den Schülern der zweiten<br />

Gruppe diese Information vorenthalten<br />

wurde (Abb. 2): »Lernen als Verhaltensänderung<br />

durch Informationsgaben«.<br />

2. Anthropometrische Biomechanik<br />

Die Bewegungsanalyse nimmt innerhalb<br />

der Biomechanik eine zentrale Stellung<br />

ein. Der Begriff »Körperschwerpunkt«<br />

(KSP) ist zwar mechanisch leicht zu definieren,<br />

praktisch aber eher schwer zu verstehen.<br />

Deshalb sollten verschiedene Körperhaltungen<br />

über Video aufgezeichnet<br />

und der KSP mit Hilfe eines Analyseprogramms<br />

bestimmt und interpretiert<br />

werden.<br />

3. Sportmedizinische Anthropometrie<br />

Die Vermessung des eigenen Körpers und<br />

die exakte Bestimmung von anthropometrischen<br />

Parametern stellt die Grundlage<br />

für die Berechnung von Körperbauindices<br />

dar. Unter anderem sollte das Verhältnis<br />

von aktiver und passiver Körpermasse<br />

(Muskelmasse, Körperfettanteil u. a.) und<br />

der Konstitutionstyp bestimmt werden.<br />

4. Trainingswissenschaft<br />

Der Conconi-Test ist ein Test zur Überprüfung<br />

der aeroben Kapazität. Durch die<br />

stufenabhängige Registrierung der Herzfrequenz<br />

beim Laufens auf dem Laufband<br />

wurde mit vereinfachter Auswertungsmethodik<br />

die aerobe/anaerobe »Schwelle«<br />

ermittelt.<br />

Ergebnisse und Resonanz<br />

Die Projektwochen wurden von den Schülern<br />

des Cantor- und Friedengymnasiums<br />

sehr positiv beurteilt. Die relativ hohen<br />

Abb. 1: Schüler des Cantor-Gymnasiums am<br />

Institut für Sportwissenschaft<br />

Foto: Speer<br />

Arbeitsaufwendungen der Schüler und der<br />

beteiligten Lehrkräfte, die eine Zusammenstellung<br />

aller Ergebnisse in Form eines<br />

Posters am Ende der Projektwochen<br />

zum Ziel hatten (vgl. Tag der Forschung<br />

2001), konnten erfolgreich bewältigt werden.<br />

Und ganz nebenbei konnten Vorbehalte<br />

zum Theorie- und/oder Praxisverständnis<br />

in der Sportwissenschaft bei den<br />

Gymnasiasten ausgeräumt werden. ■<br />

Prof. Dr. Siegfried Leuchte – Autoreninformation<br />

siehe Seite 12.<br />

Dipl.-Physiker Werner Goder studierte<br />

Physik an der halleschen Universität und<br />

ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Institut für Sportwissenschaft tätig.<br />

Abb. 2: Ergebnisse zum motorischen Lernen: Darstellung der mittleren Balancierzeiten im Vergleich<br />

zwischen der Versuchs- und der Kontrollgruppe im Verlauf der Projektwoche


SPORTWISSENSCHAFT UND NEUE MEDIEN<br />

MULTIMEDIALE MÖGLICHKEITEN NOCH ZU WENIG GENUTZT<br />

Günther Bernstein<br />

Die rasante Entwicklung der Computer- und Kommunikationstechnologie der letzten Jahre<br />

hat den Einsatz von Mess- und Objektivierungsverfahren in der sportwissenschaftlichen<br />

Forschung maßgeblich beeinflusst. Die Qualität und Effizienz der Messsysteme<br />

zur Analyse von Bewegungsabläufen sportlicher Techniken haben sich erheblich verbessert<br />

und eine stärkere Einbeziehung in die Lehre ermöglicht.<br />

Eine weitere Folge dieser Entwicklung ist<br />

aber auch die zunehmende Ergänzung der<br />

traditionellen Lehre durch multimediale<br />

Lernmedien zur individuellen online Nutzung<br />

im World Wide Web. Dies bedeutet<br />

langfristig die Entwicklung hin zur »Online-Universität«.<br />

Lernen findet somit<br />

nicht mehr nur im Hörsaal oder im Seminarraum<br />

statt. Lehrende und Lernende diskutieren<br />

in Newsgroups, Foren oder per E-<br />

Mail. Das Lehr-/Lernmaterial (Vorlesungsskripte,<br />

Seminarreferate u. a.) wird<br />

über das WWW zur Verfügung gestellt<br />

und kann jederzeit abgerufen, aber auch<br />

aktualisiert werden.<br />

Vorteile »bewegter« Bilder<br />

Einige Institute in Deutschland bieten bereits<br />

ganze Studiengänge zum Online-Studium<br />

an (z. B. Martin-Luther-Universität:<br />

Institut für Informatik, Universität Hagen/<br />

Hildesheim: Informatik, Mathematik, Informations-<br />

und Medienwissenschaft).<br />

Die sportwissenschaftlichen Institute der<br />

Universitäten in Deutschland greifen diese<br />

neue Form der Lehre allerdings nur sehr<br />

zögernd auf, obwohl gerade hier die multimedialen<br />

Möglichkeiten der neuen Medien<br />

genutzt werden könnten.<br />

Web-Seiten gehen längst über eine reine<br />

Text- und Bild-Darstellung hinaus. Anstelle<br />

statischer HTML-Seiten treten zunehmend<br />

auch dynamisch-generierte Seiten.<br />

Das heißt, im Gegensatz zu Lehrbüchern<br />

und Zeitschriften können im Internet auch<br />

bewegte Bilder interaktiv in Publikationen<br />

und Lehrmaterialien eingebunden werden.<br />

Entweder als relativ speicherintensive<br />

Videosequenz oder besser als animierte<br />

Bildfolgen. Räumliche, zeitliche und dynamische<br />

Aspekte sportlicher Bewegung<br />

können so gut veranschaulicht werden.<br />

Hier liegt ein spezifischer Vorteil dieses<br />

Mediums.<br />

Unterschiede bei Internet-Präsenz<br />

Das Internet könnte somit auch zum sportwissenschaftlichen<br />

Nachschlagwerk und<br />

Diskussionsforum für Wissenschaftler,<br />

Podiumsteilnehmer bei »Quo vadis Olympia?«<br />

Foto: R. Glettner<br />

Studenten und Praktiker werden.<br />

Folgt man der Analyse der Deutschen Vereinigung<br />

für Sportwissenschaft (dvs-Informationen<br />

16 2001 1) in Bezug auf die<br />

Web-Präsenz und Qualität der Homepages<br />

der Institute für Sportwissenschaft in<br />

Deutschland, gibt es erhebliche Unterschiede.<br />

Die Ausnutzung der multimedialen Möglichkeiten<br />

des Internets kann nach dieser<br />

Analyse nur für drei Institute (Essen, Bochum<br />

und Greifswald) bestätigt werden.<br />

Auch das Angebot von Vorlesungsskripten<br />

und die Möglichkeit, diese downloaden zu<br />

können, gibt es nur bei insgesamt sieben<br />

Instituten.<br />

Erste Schritte zur Nutzung der multimedialen<br />

Möglichkeiten des WWW gibt es<br />

aber auch am Institut für Sportwissenschaft<br />

der Martin-Luther-Universität.<br />

Im Juni dieses Jahres veranstaltete das Institut<br />

für Sportwissenschaft eine Podiumsdiskussion<br />

zum Thema: »Quo vadis Olympia?«<br />

(Bild unten). Eingeladen war der<br />

Präsident des Nationalen Olympischen<br />

Komitees für Deutschland, Prof. Walther<br />

Tröger, der auf aktuelle Fragen antwortete.<br />

Diese Podiumsdiskussion wurde live im<br />

Internet übertragen, so dass auch andere<br />

Institute für Sportwissenschaft in Deutschland<br />

die Möglichkeit hatten, diese Veranstaltung<br />

zu verfolgen. Die Realisierung<br />

dieser live Videokonferenz erfolgte erstmals<br />

durch die direkte Zusammenarbeit eines<br />

Instituts mit dem Universitätsrechen-<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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zentrum und dem Institut für Kommunikationswissenschaften<br />

der Martin-Luther-<br />

Universität.<br />

Neugestaltung der Webseiten<br />

Die Struktur und das Layout der Webseiten<br />

des Instituts für Sportwissenschaft der<br />

Martin-Luther-Universität wurden in den<br />

vergangenen anderthalb Jahren generell<br />

überarbeitet. Inhaltliche Gestaltung und<br />

Seiten-Struktur orientieren sich dabei an<br />

den zu erreichenden Zielgruppen. Dazu<br />

gehören unter anderem Interessenten oder<br />

Bewerber, die sich über Studiengänge, -inhalte,<br />

Ausbildungsstätten, Anforderungen<br />

der Eignungsprüfung und Berufsbilder informieren<br />

wollen und Studierende des Instituts,<br />

die Informationen zum laufenden<br />

Studienbetrieb (Stundenplan, Prüfungstermine,<br />

Studien- und Prüfungsordnungen,<br />

Prüfungsschwerpunkte, Praktika/Projekte<br />

usw.) brauchen.<br />

Konzeptionelle Überlegungen zum online<br />

Lehrangebot existieren bereits. Doch Publikation<br />

im WWW bedeutet auch, uneingeschränkten<br />

Zugriff weltweit und durch<br />

jeden, der einen Zugang zum Internet hat.<br />

Möglicherweise kann dies auch ein Grund<br />

dafür sein, dass man sich trotz zunehmender<br />

Euphorie eher noch zurückhält. ■<br />

Der Autor leitet das Lehrgebiet Theorie<br />

und Praxis des Geräteturnens am Institut<br />

für Sportwissenschaft. Er studierte Sportwissenschaft<br />

und Biologie an der Martin-<br />

Luther-Universität in Halle und wurde<br />

1991 an der Philosophischen Fakultät<br />

promoviert.<br />

15


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

ERREICHEN ERWACHSENE MIT EINER GEISTIGEN<br />

BEHINDERUNG »SPIELEND« MEHR HANDLUNGSKOMPETENZ?<br />

Cornelia Demuth und Ivonne Schmid<br />

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In Zusammenarbeit mit dem Institut für Rehabilitationspädagogik der halleschen Univer-<br />

16 sität wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts am Institut für Sportwissenschaft der<br />

Fragestellung nachgegangen, ob und (wenn ja) welchen Beitrag Sport- und Bewegungsangebote<br />

zur Kompetenzförderung bei geistig behinderten Erwachsenen verschiedener<br />

Schweregrade leisten können. Ausdruck einer modernen sozial begleitenden Arbeit in Beruf<br />

und Freizeit dieser Menschen ist die Schaffung vielfältiger Handlungsspielräume zur<br />

Nutzung und Weiterentwicklung motorischer, lebenspraktischer, kognitiver und sozialer<br />

Dimensionen ihrer generellen Alltagskompetenz.<br />

Das dazu eingereichte Forschungsprojekt<br />

wurde durch das Kultusministerium des<br />

Landes Sachsen-Anhalt als Drittmittelprojekt<br />

bewilligt und finanziell begleitet.<br />

Theoretischer Hintergrund und<br />

Forschungsfragen<br />

In der behindertenpädagogischen Arbeit<br />

auch mit Erwachsenen ist mit den theoretischen<br />

Ansätzen von Bach (1987), Speck<br />

(1993) und Theunissen (1994) im deutschsprachigen<br />

Raum in den letzten Jahren ein<br />

deutlicher Paradigmenwechsel eingeleitet<br />

worden. Es wird davon ausgegangen, dass<br />

die Lebenszufriedenheit der Menschen<br />

noch stärker als bei Nichtbehinderten in<br />

enger Wechselwirkung zu den passfähigen<br />

Arbeits- und Lebensbedingungen steht.<br />

Wir gehen davon aus, dass diese Ressource<br />

des menschlichen Seins durch den Erhalt<br />

und die Erweiterung von Handlungskompetenz<br />

gestärkt wird. Diese generelle<br />

Kompetenz findet jedoch nicht nur in ihrer<br />

Arbeitswelt und in den »Activities of daily<br />

lives« ihren Ausdruck, sondern auch in<br />

arbeitsbegleitenden und freizeitorientierten<br />

Angeboten. Diese bieten die Möglichkeit,<br />

die eigene Kompetenz in psychischer,<br />

physischer und sozialer Hinsicht einzusetzen<br />

und damit zu erleben.<br />

In den Modellen von Greenspan und Granfield<br />

(1992), Holtz (1994) und Sternberg<br />

Anzeige<br />

(1986) und Baltes (1993) und besonders<br />

von Baltes und Wilms (1995) wird »Kompetenz«<br />

nicht nur als Verfügbarkeit von<br />

Mitteln oder Fertigkeiten verstanden, sondern<br />

auch als Handlungs- und Verhaltenseffektivität<br />

definiert. Kern dieser Ansätze<br />

ist die Güte der adaptiven Passung in einer<br />

kontinuierlichen Auseinandersetzung zwischen<br />

dem Individuum und seiner materialen<br />

oder sozialen Umwelt. Eine verstehende<br />

Diagnostik, wie sie von Jantzen (1995)<br />

vertreten wird, konzentriert sich demzufolge<br />

in ihrer Definition auch stärker auf vorhandene<br />

Kompetenzen als auf Schäden<br />

und Beeinträchtigungen.<br />

Dass dieser Ansatz seine gesundheitspolitische<br />

Umsetzung auch weltweit zunehmend<br />

erfährt, wird nicht zuletzt in der<br />

2000 vorgelegten überarbeiteten Fassung<br />

der Definition von »Behinderung« durch<br />

die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />

deutlich, in der zwar von den funktionellorganischen<br />

Schäden (impairment) ausgegangen<br />

wird, aber zur näheren Beschreibung<br />

die Handlungsfähigkeit (activities)<br />

und die Teilnahmemöglichkeiten in ihrer


Abb. 1: Signifikante Veränderung (p


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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18<br />

SPORT ALS MITTEL DER RESOZIALISIERUNG<br />

VON JUGENDLICHEN STRAFGEFANGENEN<br />

Theo Austermühle und Andreas Lau<br />

Im Rahmen der Bemühungen um eine erfolgreiche Resozialisierung von jugendlichen<br />

Strafgefangenen wird in der Jugendanstalt (JA) Halle eine ganze Reihe sozialtherapeutischer<br />

Maßnahmen organisiert. Eine wichtige Säule der Freizeitangebote ist der Sport.<br />

Nach dem Umbau einer alten Werkhalle zur Sportstätte besteht für die Jugendlichen seit<br />

1993 die Möglichkeit, ganzjährig Sport zu treiben. Das erforderte von Anfang an eine<br />

qualifizierte sportfachliche Betreuung der neuen Sportgruppen. So wandte sich der Anstaltsleiter<br />

an das Institut für Sportwissenschaft der halleschen Universität, es begann die<br />

Zusammenarbeit. Seit nunmehr sieben Jahren nutzen Diplomsportstudenten diese Partnerschaft,<br />

um im Hauptstudium ihre Projektarbeit (4 SWS) in der JA Halle zu leisten. Die<br />

wissenschaftliche Betreuung liegt in den Händen von Prof. Dr. Theo Austermühle und<br />

Dr. Andreas Lau. Bisher waren über 25 Studierende als Übungsleiter in den verschiedensten<br />

Sportarten im Einsatz.<br />

Schwerpunkt liegt auf Sportspielen<br />

Das regelmäßige Sporttreiben soll den jugendlichen<br />

Strafgefangenen einen Ausgleich<br />

für die vorherrschende Bewegungsarmut<br />

bieten und durch die Steigerung der<br />

physischen Belastungsfähigkeit ihre Gesundheit<br />

fördern. Die Stärkung des Selbstwertgefühls<br />

und der Abbau psychischer<br />

Spannungen stellen ebenso Ziele dieser<br />

sportlichen Aktivitäten dar wie die Entwicklung<br />

sozialer Verhaltensweisen und<br />

des Bedürfnisses nach einer sinnvollen<br />

Freizeitgestaltung. Hierfür eignen sich vor<br />

allem Sportspiele, weshalb der Schwerpunkt<br />

der Projektarbeit auf die Betreuung<br />

der Basketball-, Fußball- und Volleyballmannschaften<br />

gelegt wurde.<br />

Die Anzahl der Teilnehmer an den<br />

Übungsstunden schwankt zwischen 6 und<br />

20. Durchschnittlich nehmen 100 bis 150<br />

Häftlinge pro Woche an den organisierten<br />

Sportstunden teil. Zusätzlich werden die<br />

Krafträume und die Tischtennisanlagen<br />

stark frequentiert. So kann man davon ausgehen,<br />

dass etwa ein Drittel der Inhaftierten<br />

mehr oder weniger regelmäßig Sport<br />

treiben und die Tendenz ist zunehmend.<br />

Die Arbeit mit den Jugendlichen verläuft<br />

unproblematisch. Im Vordergrund der<br />

Trainingsstunden stehen natürlich Spielformen.<br />

Besonderer Wert wird darauf gelegt,<br />

dass alle beteiligten Spieler die Spiel-<br />

Anzeige<br />

regeln und Formen des Fairplay einhalten.<br />

Das regelmäßige Training und der kontinuierliche<br />

Kontakt der Jugendlichen mit<br />

ihren studentischen Übungsleitern weckte<br />

bei ihnen das Interesse an sportlichen Vergleichen<br />

und regelmäßigeren Kontakten<br />

mit nicht inhaftierten Jugendlichen. Diese<br />

Tatsache wurde genutzt, um die Projektarbeit<br />

zu intensivieren. So half das Institut<br />

für Sportwissenschaft bei der Organisation<br />

von Anstaltssportfesten und Spielturnieren<br />

und suchte darüber hinaus nach Möglichkeiten<br />

zum integrativen Sporttreiben. Es<br />

gelang, mit Unterstützung der Sportjugend<br />

des Landes Sachsen-Anhalt jährlich bis zu<br />

zwei Streetball-Turniere auf dem Freigelände<br />

der JA zu organisieren. Bis zu 50<br />

Spieler pro Turnier wurden gezählt. Die<br />

Teams der Sportstudenten und des USV<br />

Halle wurden voll akzeptiert, und die erhoffte<br />

Integration fand erste Impulse in der<br />

Bildung »gemischter« Mannschaften.<br />

Nach Haftentlassung weiter Sport treiben<br />

Die wissenschaftlichen Begleitstudien, die<br />

von den Studierenden neben ihrer praktischen<br />

Tätigkeit eigenverantwortlich zu<br />

planen und durchzuführen sind, sollen die<br />

Wirkungen der sportlichen Aktivitäten auf<br />

das Verhalten der inhaftierten Jugendlichen<br />

dokumentieren. Dabei stehen vor al-<br />

Jugendliche Strafgefangene beim gemeinsamen<br />

Basketballspiel mit Sportstudenten der halleschen<br />

Universität.<br />

Foto: Dyck<br />

lem sportsoziologische und -psychologische<br />

Fragestellungen im Mittelpunkt des<br />

Interesses. So erfasste F. Wirth im Rahmen<br />

seiner Diplomarbeit Einstellungen<br />

und Motive zum Freizeitverhalten und<br />

zum Sport der Jugendlichen in der JA Halle<br />

vor der Straftat und zu ihrer Prognose<br />

für die Zeit nach der Haft. Die Hauptmotive<br />

der 101 befragten Jugendlichen zum<br />

Sporttreiben in der JA sind vor allem der<br />

Erhalt der körperlichen Gesundheit und<br />

die Verbesserung der Fitness, aber auch<br />

soziale Anschlussmotive haben eine hohe<br />

Bedeutung. So hoffen die Jugendlichen,<br />

beim Sporttreiben später neue Freunde<br />

kennen zu lernen. Letzteres erhält eine besondere<br />

Gewichtung, da 90 Prozent der<br />

Befragten das Bedürfnis anzeigten, auch<br />

nach der Entlassung weiterhin Sport zu<br />

treiben. Knapp die Hälfte davon könnte<br />

sich vorstellen, einem Sportverein beizutreten.<br />

Sowohl die praktische Hilfe als auch die<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitstudien<br />

finden bei der Anstaltsleitung große<br />

Anerkennung. Bleibt zu hoffen, dass<br />

diese positiven Erfahrungen auch nach<br />

dem Umzug in die neue Jugendanstalt von<br />

Raßnitz zur Fortführung und Erweiterung<br />

der Freizeitsportangebote für möglichst<br />

viele Inhaftierte beiträgt.<br />

■<br />

Dr. Andreas Lau arbeitet seit 1983 als<br />

wiss. Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft.<br />

Seine Schwerpunkte in Lehre<br />

und Forschung liegen auf den Gebieten<br />

der Sportpsychologie, in den Sportspielen<br />

und im Kampfsport.<br />

Prof. Dr. Theo Austermühle – Autoreninformation<br />

siehe Seite 4.


NEUE TRAININGSMITTEL GEGEN DEN RÜCKENSCHMERZ<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

GEMEINSAMES FORSCHUNGSPROJEKT MEDIZIN UND SPORTWISSENSCHAFT<br />

Siegfried Leuchte, René Schwesig, Klaus Müller und Detlev Riede<br />

In diesem Beitrag wird ein interdisziplinäres Forschungsprojekt in Kooperation zwischen<br />

der Sektion Physikalische und Rehabilitative Medizin und dem Institut für Sportwissenschaft<br />

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vorgestellt.<br />

Der Rückenschmerz<br />

Der Begriff »Rückenschmerz« ist der Umgangssprache<br />

entnommen. Es existieren<br />

eine Reihe von Synonymbegriffe, wie<br />

z. B. Kreuzschmerz, Rückenbeschwerden,<br />

Lumbalsyndrom oder low back pain, die<br />

auf eine vergleichbare Symptomatik hinweisen.<br />

Die zumeist unspezifischen Beschwerden<br />

können ganz unterschiedliche<br />

Ursachen haben. In den letzten 15 Jahren<br />

lässt sich eine paradoxe Entwicklung beobachten:<br />

Einerseits sinkt als Folge der<br />

Automatisierung der Arbeitswelt die physische<br />

Belastung und Beanspruchung des<br />

Stütz- und Bewegungsapparates, andererseits<br />

erhöht sich die Zahl der chronischen<br />

Rückenschmerzpatienten explosionsartig.<br />

Geschätzte 80 Prozent der Menschen in<br />

Deutschland haben einmal in ihrem Leben<br />

Rückenschmerzen (Lebenszeitprävalenz),<br />

70 Prozent mindestens einmal im Jahr<br />

(Jahresprävalenz) und 40 Prozent sind zum<br />

Zeitpunkt unserer Befragung bzw. Untersuchung<br />

von Rückenschmerzen betroffen<br />

(Punktprävalenz). In etwa 10 Prozent der<br />

Fälle ist mit rezidivierenden und chronifizierenden<br />

Verläufen zu rechnen. Immerhin<br />

verursachen die chronischen Beschwerden<br />

80 Prozent aller Rückenbehandlungskosten.<br />

In Deutschland belaufen sich die direkten<br />

(30 Prozent) und indirekten (70<br />

Prozent) Kosten auf 34 Milliarden DM.<br />

Auch jede fünfte Frühverrentung ist dieser<br />

Indikationsgruppe zuzuordnen.<br />

Ursachen und Maßnahmen<br />

Will man dem Rückenschmerz mit geeigneten<br />

Maßnahmen wirksam und gezielt<br />

begegnen, so muss man mehr über die Ursachen<br />

und Zusammenhänge wissen. Genau<br />

hier liegt das Problem, denn bei lediglich<br />

6 Prozent der Rückenschmerzen lassen<br />

sich somatische Ursachen als Auslöser<br />

der Beschwerden diagnostizieren. Diese<br />

Rückenschmerzen werden als radikuläre<br />

Syndrome (5 Prozent – z. B. Bandschei-<br />

Anzeige<br />

benvorfall) bzw. spezifische Rückenschmerzen<br />

(1 Prozent – z. B. Entzündungen)<br />

bezeichnet. Dem gegenüber können<br />

bei 94 Prozent der Rückenschmerzpatienten<br />

keine eindeutigen pathologischen Veränderungen<br />

nachgewiesen werden. Man<br />

spricht in dem Zusammenhang vom unspezifischen<br />

Rückenschmerz.<br />

Bisweilen wird auch heute noch den<br />

Rückenschmerzgeplagten Ruhe bzw. körperliche<br />

Schonung empfohlen. Mittlerweile<br />

belegen zahlreiche Untersuchungen,<br />

dass körperliche Inaktivität allenfalls in<br />

der Akutphase sinnvoll ist. Beim chronischen<br />

Rückenschmerz wird über die Senkung<br />

der muskulären Leistungsfähigkeit<br />

letztendlich der Schmerzkreislauf aufrecht<br />

erhalten. Mit einer Reihe von Maßnahmen<br />

versucht man gegen den Rückenschmerz<br />

anzukämpfen:<br />

1. Verhaltensprävention, z. B. durch<br />

»rückengerechtes« Heben und Tragen von<br />

Lasten im Alltags- und Berufsleben,<br />

2. Verhältnisprävention, z. B. durch die<br />

...............................................................................<br />

Anpassung der Umgebungsbedingungen<br />

(Arbeitsplatzbedingungen, Hebe- und<br />

Transporthilfen) und<br />

3. Verhaltensprävention, z. B. durch gezieltes<br />

Kraft- und Koordinationstraining.<br />

Für die Sportwissenschaft ergeben sich aus<br />

dieser Problematik eine Reihe interessanter<br />

Aufgabenstellungen. Bislang ging man<br />

davon aus, dass primär muskuläre Defizite<br />

in Form von atrophierten Muskeln ursächlich<br />

für die Entstehung von Rückenschmerzen<br />

verantwortlich sind oder diese<br />

Abb. 1: Übungssituation im Spacecurl Foto: Schwesig<br />

zumindest begünstigen. Aktuelle Forschungsergebnisse<br />

belegen jedoch, dass<br />

bei 98 Prozent der Patienten mit chronischem<br />

Rückenschmerz muskuläre Dysbalancen<br />

und bei 67 Prozent Koordinationsstörungen<br />

vorliegen (Müller et al.<br />

2001).<br />

Eigene Untersuchungen<br />

Von der Sektion Physikalische und Rehabilitative<br />

Medizin und dem Institut für<br />

Sportwissenschaft wurde ein interdisziplinäres<br />

Forschungsprojekt für die wissenschaftliche<br />

Erprobung des von der NASA<br />

entwickelten Trainingsgerätes »Spacecurl«<br />

initiiert. Der Vorteil des »Dreiachstrainers«<br />

gegenüber bekannten apparativen<br />

Trainingsmitteln besteht in der Möglichkeit,<br />

Bewegungen um alle drei Körperachsen<br />

ausführen zu lassen (Abb. 1).<br />

Durch die Variation der Ausgangs- und<br />

19


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

................................................................................<br />

Endstellungen, der Bewegungsamplituden,<br />

20 der zeitlichen Anforderungen und letztlich<br />

durch die Anzahl der Freiheitsgrade durch<br />

die drei separaten Ringe ergeben sich eine<br />

Vielzahl motorischer Aufgaben mit unterschiedlichen<br />

Schwierigkeitsgraden.<br />

Ziel und Methodik<br />

Im Rahmen der Untersuchungen sollte der<br />

Fragestellung nachgegangen werden, ob<br />

das Trainingsprogramm im Spacecurl neben<br />

der angestrebten Verbesserung der<br />

muskulären Koordination auch sekundärpräventiv<br />

eine Rückenschmerzreduktion<br />

bewirkt und letztlich auf die Einschätzung<br />

zur Lebensqualität Einfluss nimmt. Mehr<br />

als 100 Pflegekräfte der Medizinischen Fakultät<br />

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

stellten sich freiwillig für<br />

die Untersuchungen zur Verfügung. Nach<br />

dem Zufallsprinzip wurden die Versuchsund<br />

Kontrollgruppen zusammengestellt.<br />

Die Trainierenden führten insgesamt 36<br />

Trainingseinheiten (Dauer jeweils 30 min;<br />

1 bis 2 Trainingseinheiten pro Woche) im<br />

Dreiachstrainer Spacecurl durch. Die Probanden<br />

der Kontrollgruppe nahmen an diesem<br />

Training nicht teil. Die Untersuchungen<br />

in beiden Gruppen fanden vor der ersten<br />

und nach der letzten Trainingseinheit,<br />

zwölf Wochen und ein Jahr danach statt.<br />

Die untersuchten Parameter richteten sich<br />

auf die Dimensionen »Koordination«,<br />

»Rückenschmerzsymptomatik« und »Le-<br />

Haben Sie Beschwerden in bestimmten<br />

Körperregionen, die sie<br />

auf Ihren Beruf zurückführen?<br />

bensqualität«. Die Ergebnisse stützen sich<br />

auf elektromyographische Aufzeichnungen,<br />

auf die Posturographie und auf Fragebogenerhebungen<br />

zu den angegebenen<br />

Dimensionen und Messzeitpunkten.<br />

Ergebnisse und Folgerungen<br />

Im Ergebnis der Untersuchung wurde festgestellt,<br />

dass sich nur die aktiven Probanden<br />

signifikant in den Dimensionen »Koordination«,<br />

»Rückenschmerz« und »Lebensqualität«<br />

verbessern konnten. Insbesondere<br />

die Resultate der Oberflächenelektromyographie<br />

verweisen lernstandsabhängig<br />

auf stabile Koordinationsmuster.<br />

Abb. 2 zeigt, dass es dem Probanden nach<br />

dem Trainingszeitraum wesentlich besser<br />

gelang, die Bauch- und Rückenmuskulatur<br />

zielgerichtet (koordiniert) zur Lösung der<br />

motorischen Aufgabenstellung einzusetzen.<br />

Aus den Fragebögen war ersichtlich,<br />

dass sich die Rückenschmerzhäufigkeit bei<br />

34 Prozent der aktiven Probanden signifikant<br />

verringerte. Ein möglicher Zusammenhang<br />

zur Verbesserung der Dimension<br />

Abb. 2: Koordinationsmuster eines Trainierenden vor und nach dem Trainingszyklus<br />

Abb. 3: Beruflich bedingte Beschwerden und der Einfluss des Trainings im Spacecurl auf die<br />

Rückenbefindlichkeit<br />

Vor der 1. Nach der letzten (36.)<br />

Trainigseinheit<br />

Haben Sie den Eindruck, dass<br />

sich Ihre Rückenbefindlichkeit<br />

durch das Training im Spacecurl<br />

verbessert hat?<br />

»Lebensqualität« – bei 43 Prozent signifikant<br />

– ist allerdings nur zu vermuten. Immerhin<br />

brachten 77 Prozent der Probanden<br />

ihre Rückenschmerzen mit der beruflichen<br />

Tätigkeit in Verbindung und waren zu 35<br />

Prozent aus diesen Gründen mindestens<br />

schon einmal arbeitsunfähig.<br />

Die Abb. 3 verdeutlicht die Dominanz der<br />

Schmerzhäufigkeit für das Pflegepersonal<br />

im Bereich der Lendenwirbelsäule und<br />

verweist nachhaltig auf den Stellenwert<br />

der Primär- und Sekundärprävention hin.<br />

Zugleich wird der positive Effekt dieses<br />

apparativen Koordinationstrainings von<br />

den Probanden bestätigt. Die »Nachuntersuchung«<br />

nach einem Jahr zeigte den »bekannten«<br />

Effekt: Eine signifikant erhöhte<br />

Rückenschmerzhäufigkeit mit deutlichem<br />

Einfluss auf die Lebensqualität. Die Notwendigkeit<br />

eines kontinuierlichen Trainings<br />

der im Pflegedienst stark beanspruchten<br />

Muskelgruppen im Bereich der<br />

Wirbelsäule, z. B. durch eine vom Arbeitgeber<br />

»verordnete« Rückenschule nach der<br />

Arbeit im Sinne betrieblicher Gesundheitsförderung<br />

oder/und die selbständige<br />

Durchführung eines individuellen Hausaufgabenprogramms<br />

durch das Pflegepersonal,<br />

sind letztlich auch angezeigt. ■<br />

Prof. Dr. Siegfried Leuchte – Autoreninformation<br />

siehe Seite 12.<br />

Dr. phil. René Schwesig studierte von<br />

1993–1997 im Diplomstudiengang und<br />

promovierte 2001 zur vorgestellten Thematik.<br />

Er ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

an der Sektion Physikalische und<br />

Rehabilitative Medizin der halleschen Universität<br />

tätig.<br />

Dr. med. Klaus Müller studierte von<br />

1984–1990 Medizin an der Universität<br />

Leipzig (Promotion 1993). Seit 1995 ist er<br />

Oberarzt an der Sektion Physikalische und<br />

Rehabilitative Medizin der Universität<br />

Halle.<br />

Prof. Dr. med. Detlev Riede studierte von<br />

1958–1963 Medizin an der Martin-Luther-<br />

Universität (Promotion 1963, Habilitation<br />

1984). Bis zu seiner Emeritierung leitete<br />

er über viele Jahre die Sektion Physikalische<br />

und Rehabilitative Medizin.


ROLLSTUHLTENNIS<br />

EIN NEUES SPORTANGEBOT FÜR BEHINDERTE<br />

Rainer Glettner und Dörte Boßmann<br />

Trotz vielfältiger Aufklärungsarbeit von Vereinen und Verbänden ist für Menschen mit<br />

einer Behinderung die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben noch weitgehend erschwert.<br />

Weil Behinderte bestimmten Erwartungshaltungen der Gesellschaft nicht entsprechen<br />

bzw. weil dem Begriff »behindert« der Vergleich »normal« gegenüber gestellt<br />

wird, entsteht eine teils negative Sichtweise im Sinne des Stigma-Konzepts. Erst diese<br />

Bewertung, die Registrierung der scheinbaren Abweichung von der Norm, kann bei Begegnungen<br />

im Alltag sowohl für den Behinderten als auch für den nichtbehinderten Interaktionspartner<br />

Unsicherheit und Missverständnisse hervorrufen, die nachfolgend längerfristige<br />

kommunikative Störungen bewirken. Die ganze Tragweite dieser Problematik<br />

kann vielleicht mit der Aussage Richard von Weizsäckers bewusst gemacht werden:<br />

»Nicht behindert zu sein ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit<br />

genommen werden kann.«<br />

Unter diesem Aspekt stellte sich die Frage,<br />

ob Körperbehinderte durch die Aufnahme<br />

sportlicher Aktivitäten in einen Sozialisierungsprozess<br />

eingebunden werden können,<br />

der ihre Identitätsfindung und Suche nach<br />

einem neuen Selbstwertgefühl unterstützen<br />

kann. Die inzwischen weltweit erfolgreichen<br />

»Paralympics«, die Olympischen<br />

Spiele der Behindertensportler, wurden<br />

wegen ihres leistungsdominierenden Charakters<br />

zunächst nur in orientierende Studien<br />

einbezogen. Wichtiger erschien die<br />

regionale Zusammenarbeit mit dem Behindertensportverband<br />

Sachsen-Anhalt, die<br />

schließlich die Voraussetzung für das<br />

sportwissenschaftliche Projekt bildete, bedingt<br />

allerdings durch eine günstige personelle<br />

Ausgangssituation – zwei nach<br />

Übungsmöglichkeiten suchende Rollstuhlfahrer<br />

mit Grundfertigkeiten im Tennisspiel<br />

und zwei auf Praxiserfahrung hoffende<br />

Tennisübungsleiter mit der Zusatzqualifikation<br />

für Rollstuhltennis. Gemeinsam<br />

wurden in ersten Begegnungen die möglichen<br />

Zielstellungen einer intensiven Zusammenarbeit<br />

diskutiert, trainingsmethodische<br />

Maßnahmen geplant, Betreuung bei<br />

Wettkampfreisen signalisiert und (falls erforderlich)<br />

soziale Unterstützung zugesichert.<br />

Das auf sechs Monate fixierte Projekt<br />

wurde auf ein Jahr ausgeweitet, zum<br />

einem, um eine gewisse Kontinuität der<br />

sportlichen Ausbildung der Rollstuhltennisspieler<br />

zu gewährleisten und zum anderen,<br />

um die persönlichen Beziehungen<br />

fortzuführen, die sich zwischen den Beteiligten<br />

entwickelt hatten, die auch gemeinsame<br />

Freizeitgestaltung beinhalteten.<br />

Der Impuls für die Behindertensportart<br />

»Rollstuhltennis« ging Anfang der 70er<br />

Jahre (unter der Bezeichnung »wheelchair-tennis«)<br />

von den Vereinigten Staaten<br />

aus, wo mit technischen Weiterentwicklungen<br />

im Sportrollstuhlbau neue Betätigungsfelder<br />

für sportinteressierte Behinderte<br />

geschaffen wurden. Im Gegensatz<br />

zum »Rollstuhlbasketball«, bei dem der<br />

Sportvergleich weitgehend zwischen den<br />

behinderten Sportlern organisiert ist, hat<br />

eine einzige Änderung des internationalen<br />

Tennisregelwerks dazu geführt, dass Behinderte<br />

und Nichtbehinderte gemeinsam<br />

ein Tennismatch austragen können. Auf<br />

der Spielfeldseite des Behinderten »darf«<br />

der Tennisball zweimal aufspringen, so<br />

dass dem Spieler, natürlich ein geschickter<br />

Umgang mit dem Rollstuhl vorausgesetzt,<br />

ausreichend Handlungsspielraum zur Verfügung<br />

steht, um die Spielsituation erfolgreich<br />

taktisch und technisch zu lösen.<br />

Durch diese Art des Tennisvergleichs, der<br />

als »Rolli gegen Fußgänger« bezeichnet<br />

wird, ergeben sich günstige Ansätze für<br />

ein sportliches und soziales Miteinander in<br />

einem »normalen« Tennisverein. In diesem<br />

Sinne gibt es Äußerungen von erfolgreichen<br />

Wettkampfspielern der Rollstuhltennisszene,<br />

dass sie bewusst bei Tennisturnieren<br />

im Heimatverein den sportlichen<br />

Vergleich mit Fußgängern suchen, um<br />

durch ihre Leistungen den Anspruch auf<br />

Normalität zu dokumentieren. Auch die im<br />

Projekt betreuten Rollstuhltennisspieler<br />

Nach dem Tennismatch auf dem Universitätssportplatz<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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bestärkten dies. Als nämlich die Trainingseinheit<br />

von der Tennishalle auf den Universitätssportplatz<br />

verlegt wurde, der von<br />

Studenten unterschiedlichster Sportarten<br />

frequentiert wird, bewirkte das kurzzeitige<br />

erstaunte Zuschauen, das sicher die Honorierung<br />

der gezeigten Spielleistung einschloss,<br />

einen wesentlichen Einfluss auf<br />

die Steigerung des Selbstwertgefühls. Insgesamt<br />

formulieren Behinderte, die den<br />

Sport für sich entdeckt haben, die Erkenntnis,<br />

dass sie depressive Lebensphasen<br />

schneller überwinden, sich keineswegs<br />

mehr als Pflegefall fühlen, eine Öffnung<br />

ihres Aktionsraumes feststellen und ihnen<br />

die Bewältigung der täglichen Aufgaben<br />

besser gelingt. Rollstuhltennis richtet sich<br />

speziell an Gehbehinderte, Beinamputierte<br />

sowie Querschnittsgelähmte. Neben der<br />

bereits diskutierten Erweiterung des sozialen<br />

Handlungsspielraumes, sind der Abbau<br />

oder Ausgleich muskulärer und organischer<br />

Dysbalancen sowie die Verbesserung<br />

funktioneller Fähigkeiten wichtige<br />

Zielstellungen, wobei die Langfristigkeit<br />

des geschilderten Prozesses außer Frage<br />

steht.<br />

■<br />

Rainer Glettner studierte von 1971–1975<br />

an der Universität Halle Lehramt Sport<br />

und Biologie, wurde 1981 promoviert und<br />

ist seitdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Institut für Sportwissenschaft tätig.<br />

Dörte Boßmann war im Rahmen der studentischen<br />

Ausbildung für wesentliche<br />

Projektinhalte verantwortlich und ist inzwischen<br />

Diplomsportlehrerin für Prävention,<br />

Rehabilitation und Therapie.<br />

21


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

ZUR GESCHICHTE DER GANGANALYSE<br />

DEM RÄTSEL DES MENSCHLICHEN GANGS AUF DER SPUR<br />

Siegfried Leuchte und Andreas Speer<br />

................................................................................<br />

Der (aufrechte) Gang des Menschen ist eines der interessantesten Bewegungsphänomene<br />

22 überhaupt. Über das Krabbeln und Aufrichten erlernt das Kleinkind das Gehen und diverse<br />

Karikaturen verweisen nicht zu Unrecht darauf, dass es im höheren Lebensalter, wenn<br />

nicht durch Gehhilfen verhindert, auch dahin wieder zurückgeht. Der Gang des Menschen<br />

gehört als lebenswichtige Fortbewegungsart zu den frühen Untersuchungs- und vorwissenschaftlichen<br />

Studienobjekten. So soll Aristoteles (384–322 v. Chr.) von der Vergleichbarkeit<br />

der Beinstellung im Schritt mit den Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks fasziniert<br />

gewesen sein. Jahrhunderte später hat Leonardo da Vinci (1452–1642) zahlreiche<br />

Studien zur Mechanik von Flug- und Schreitbewegungen hinterlassen und auf ihre technische<br />

Nutzung hin überprüft.<br />

Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679),<br />

ein Zeitgenosse Isaac Newtons, lieferte mit<br />

seinem Werk »De motu animalium« (1680<br />

und 1681) erste mechanische Beschreibungen<br />

der Bewegungen von Tier und<br />

Abb. 2: »Gelenkmechanismus, welcher den<br />

Gesammtschwerpunkt und die Schwere dieser<br />

Abschnitte des menschlichen Körpers<br />

selbsthätig angiebt« (Fischer 1889)<br />

Anzeige<br />

Mensch. Auch die Begriffsbildung zum<br />

»Körperschwerpunkt« wird diesen Studien<br />

zugeschrieben: Durch die Vorverlagerung<br />

vor die Unterstützungsfläche kommt nach<br />

Borelli dem Schwerpunkt eine Antriebswirkung<br />

zu. Gassendi (1592–1655) kam in<br />

seiner Schrift »De motu animalium secundeum<br />

totum, ac tremum degresso« zur Erkenntnis,<br />

dass die Fortbewegung nur durch<br />

den Gegendruck der Erde möglich sei. Des<br />

weiteren erkannte Gassendi, dass das Gehen<br />

eine zusammengesetzte Bewegung ist,<br />

die aus mehreren, um verschiedene Mittelpunkte<br />

beschriebene Kreisbögen besteht,<br />

d. h. sie erscheint nur als geradlinig.<br />

Die Zeit der großen Erfindungen<br />

Das 19. Jahrhundert war die »Geburtsstunde«<br />

zahlreicher (Grenz-)Wissenschaften.<br />

Es war die Zeit der großen Erfindungen<br />

über viele Jahrzehnte hinweg. Einige<br />

von ihnen hatten für den Aufschwung der<br />

wissenschaftlichen Ganganalyse einen besonderen<br />

Stellenwert: Die kinematographische<br />

Registrierung der fortschreitenden<br />

Bewegungen durch den Einsatz von mehreren<br />

Fotoapparaten war von Eadweard<br />

Muybridge (1830–1904) bei Bewegungsstudien<br />

von Pferden erfolgreich gelöst<br />

worden (»Le mouvement« 1894). Bereits<br />

einige Jahre zuvor hatte Muybridge den<br />

menschlichen Lauf »photographisch« zergliedert.<br />

Etienne Jules Marey (1838–1904)<br />

entwickelte ein pneumatisches System zur<br />

Erfassung des Bodendrucks und machte<br />

sich um die Weiterentwicklung der Kinematographie-Serienaufnahme<br />

mit zunächst<br />

zwölf Bildern pro Sekunde auf einer lichtempfindlichen<br />

Platte verdient (»The hu-<br />

man figure in motion«). Später arbeitete er<br />

mit galvanischen Röhren auf einem<br />

schwarzen Anzug, so dass durch rhythmische<br />

Stromkreisunterbrechungen (25 Hz)<br />

eine chronophotographische Abbildung in<br />

Form eines »Strichmannes« entstand<br />

(Abb. 1). Der Bewegungseffekt durch<br />

elektrische Stimulation war seit den Ver-<br />

Abb. 1: Chronophotographie nach Marey<br />

(1884)<br />

suchen von Luigi Galvani (1737–1798)<br />

am Froschmuskel bekannt. Versuche der<br />

Messung dieser elektrischen Aktivität gehen<br />

auf Reymond (1818–1922) und auf<br />

Duchenne de Boulogne (1806–1875) zurück.<br />

Duchenne gelang es 1885, die Funktionen<br />

der oberflächlich zugänglichen<br />

Muskeln durch elektrische Reizung zu untersuchen<br />

und die pathologische von der<br />

normalen antagonistischen Muskeltätigkeit<br />

abzugrenzen (vgl. »Duchenne-Hinken«).<br />

Die Gebrüder Eduard (1795–1881) und<br />

Wilhelm Weber (1804–1891) beschrieben<br />

in der Monographie »Die Mechanik der<br />

menschlichen Gehwerkzeuge« (Göttingen<br />

1836) als erste die Bewegungen beim Gehen<br />

unter Einbeziehung muskulärer Gesichtspunkte.<br />

Die vordergründig phänomenologische<br />

Betrachtung führte allerdings<br />

auch zu Falschaussagen: So wird der<br />

Unterschenkel als freischwingendes mechanisches<br />

Pendel, angetrieben durch die<br />

Schwerkraft, angesehen. Vierordt versuchte<br />

durch eine Reihe von Experimenten die<br />

räumlichen und zeitlichen Verhältnisse des<br />

Gehens zu analysieren. Dazu entwickelte<br />

er verschiedene Registrierungsmethoden<br />

am Fuß und an der Hüfte. Aus der Analyse<br />

pathologischer Gangmuster eines Hemiplegikers<br />

und eines Patienten mit Lateralskoliose<br />

stammt die wichtige Monographie<br />

Ȇber das Gehen des Menschen in gesun-


Abb. 4: Successive Stellungen der beiden Beine im Verlauf eines Doppelschrittes (Fischer 1889)<br />

den und kranken Zuständen« (Tübingen<br />

1882).<br />

Otto Fischer »Der Gang des Menschen«<br />

Das Lebenswerk von Wilhelm Braune und<br />

Otto Fischer umfasst weit mehr als die bekannten<br />

Gangstudien. Zahlreiche theoretische<br />

und experimentelle Vorleistungen<br />

Abb. 3: Das Versuchsindividuum in voller Ausrüstung<br />

(Braune/Fischer 1890)<br />

waren erforderlich, wie z. B. die anatomischen<br />

Präparationen zur Bestimmung der<br />

Lage von Teilschwerpunkten der Körperteile<br />

und ihre Relativierung auf die Gesamtkörpermasse<br />

als Grundlage für das<br />

von ihnen entwickelte Verfahren der analytischen<br />

Körperschwerpunktbestimmung<br />

(Abb. 2). Die erste dreidimensionale kinematographische<br />

Analyse des menschlichen<br />

Ganges entwickelten Otto Fischer und<br />

Wilhelm Braune im Jahre 1891. Von unschätzbarem<br />

Wert – auch für die moderne<br />

Ganganalytik – ist die erste geschlossene<br />

Abhandlung von Otto Fischer und bis zu<br />

seinem Tod von Wilhelm Braune »Der<br />

Gang des Menschen« in sechs Teilen, erschienen<br />

zwischen 1895 und 1904. Es ist<br />

für uns kaum vorstellbar, dass die Verfasser<br />

auch ohne moderne Kommunikationsmittel<br />

sowohl über den aktuellen Erkenntnisstand<br />

zur Gangproblematik – vgl. Gebr.<br />

Weber oder Vierordt – verfügten, als auch<br />

mit der »zweiseitigen Chronophotographie«<br />

die Marey’sche Methodik der Kinematographie<br />

entscheidend weiterentwikkelten.<br />

Die Beschreibung des Versuchsaufbaus<br />

liest sich in der Tat abenteuerlich<br />

und sollte auch beim Rekruten des Königlichen<br />

8. Infanterieregiments Nr. 107 nach<br />

mehr als siebenstündiger Vorbereitungszeit<br />

Angst vor Stromschlägen hervorgerufen<br />

haben (Abb. 3). Die wahren Relationen<br />

gegenüber den heutigen mess- und<br />

rechentechnischen Möglichkeiten dürften<br />

aber im materiellen und zeitlichen Aufwand<br />

für die Koordinatenbestimmungen,<br />

die rechentechnische Weiterverarbeitung<br />

für die Darstellung der Raumbahnen der<br />

Körperpunkte, die Bestimmung der Teilund<br />

des Körperschwerpunktes, die Winkelberechnungen<br />

und die Ableitungen von<br />

Teilkörpergeschwindigkeiten und -beschleunigungen<br />

liegen. Gegenüber diesen<br />

Aufwendungen nimmt sich die Differenz<br />

im Erkenntnisstand gegenüber 1900 eher<br />

bescheiden aus. Fischer anerkannte bereits<br />

in den Muskelkräften, den elastischen<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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Zugspannungen von Sehnen und Bändern<br />

die »inneren Kräfte« für die Fortbewegung<br />

im Wechselspiel mit den »äußeren Kräften«<br />

wie die Erdanziehung, den Bodendruck<br />

als passive Reaktionskraft, die Reibung<br />

und den Widerstand der Luft. Dem<br />

persönlichen Engagement, der für damalige<br />

Verhältnisse modernsten Laborausstattung<br />

und dem Hang zur experimentellen<br />

und methodischen Perfektion ist es zu verdanken,<br />

dass die Ergebnisse von Fischer<br />

und Braune alle wissenschaftlichen Vorleistungen<br />

zur Ganganalytik in den »Schatten«<br />

stellten, auch wenn die Studien und<br />

Experimente eine militärisch motivierte<br />

Förderung erhielten. Von allen Aufzeichnungen<br />

wählte Otto Fischer akribisch drei<br />

Versuche aus: Zwei unbelastete Gehversuche<br />

und einen dritten, bei dem die Versuchsperson<br />

mit einem Tornister, mit Patronentaschen<br />

und einem Gewehr ausgestattet<br />

war. Man wollte unbedingt den »typischen«<br />

Doppelschritt abbilden (Abb. 4),<br />

um die Allgemeingültigkeit der Untersuchungsergebnisse<br />

anzuzeigen.<br />

Abschließend sei darauf verwiesen, dass<br />

die Gangproblematik kaum an wissenschaftlichem<br />

Reiz eingebüßt hat. Weltweit<br />

forschen Biomechaniker, Mediziner und<br />

Therapeuten gemeinsam in zahllosen<br />

»Gait-Labs« zu motorischen, neurologischen<br />

und/oder orthopädisch-traumatologischen<br />

Fragestellungen, unterstützen ganz<br />

wesentlich die Materialentwicklung im<br />

Bereich der Prothetik und Orthetik oder<br />

begleiten messtechnisch die Gangschulung<br />

im Rahmen der frühfunktionellen Rehabilitation<br />

und Therapie.<br />

■<br />

Prof. Dr. Siegfried Leuchte – Autoreninformation<br />

siehe Seite 12.<br />

Andreas Speer beendete 2000 sein Studium<br />

als Diplomsportlehrer für Prävention,<br />

Rehabilitation und Therapie und arbeitet<br />

seit anderthalb Jahren im Rahmen der<br />

Graduiertenförderung an der Promotion<br />

zum Thema der Ganganalytik.<br />

Anzeige<br />

23


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

DIE EFFEKTIVITÄT VON SPORTLICHER AKTIVITÄT<br />

ZUR VERBESSERUNG DER PSYCHISCHEN GESUNDHEIT<br />

Oliver Stoll<br />

................................................................................<br />

In den vergangenen zehn Jahren wurde eine Fülle verschiedener Untersuchungsergebnis-<br />

24 se bezüglich psycho-sozialer Effekte von primärpräventiver, moderater, körperlicher Aktivität<br />

publiziert. Die ersten Zusammenfassungen vorliegender Studien erfolgten in Form<br />

von narrativen Reviews. Der generelle Tenor dieser Reviews war, dass Sport bzw. körperliche<br />

Aktivität einen positiven Effekt auf Variablen der psychischen Gesundheit aufweist.<br />

Diese Erkenntnis deckte sich durchaus mit dem, was an Universitäten gelehrt wird<br />

und vielfach auch als Alltagswissen gilt. Aus dem eigenen Erleben erfahren die meisten<br />

Menschen, dass Sporttreiben – zumindest wenn es nicht übertrieben wird – der Gesundheit<br />

dient und zum Wohlbefinden beiträgt.<br />

Schaut man sich die Ergebnisse wissenschaftlicher<br />

Studien der vergangenen<br />

zwanzig Jahre an, so muss dieses Bild relativiert<br />

werden. Erste narrative Reviews<br />

kommen zunächst zu einer recht optimistischen<br />

Einschätzung der Auswirkungen<br />

von körperlichen Aktivitäten auf die Gesundheit<br />

im Allgemeinen und der psychischen<br />

Gesundheit im Speziellen. Vorliegende<br />

Meta-Analysen jüngeren Datums<br />

widersprechen eher dieser Einschätzung.<br />

Betrachtet man die wichtigsten Ergebnisse<br />

der Reviews, Meta-Analysen und Einzelstudien,<br />

so ist eine positive Auswirkung<br />

von sportlicher Aktivität auf Variablen der<br />

Gesundheit möglich. Diese positiven Auswirkungen<br />

finden sich in »körpernahen«<br />

Variablen, wie z. B. dem Körperkonzept,<br />

konsistent wieder, weniger jedoch in »körperferneren«<br />

Selbstkonzeptvariablen. Die<br />

Ergebnisse im Bereich der Ängstlichkeit,<br />

der Depressivität und der psychosomatischen<br />

Beschwerden sind eher inkonsistent.<br />

Es finden sich darüber hinaus stärkere Effekte<br />

in Studien mit nicht experimentellen<br />

Untersuchungsdesigns. Studien im Bereich<br />

der Rehabilitation zeigen ebenfalls stärkere,<br />

mitunter aber auch überraschende und<br />

nur schwer interpretierbare Ergebnisse. Es<br />

lässt sich außerdem feststellen, dass die<br />

Dauer der Intervention eine zentrale Rolle<br />

zu spielen scheint. Effekte sind überhaupt<br />

erst bei Sportprogrammen ab der 10. bis<br />

12. Woche zu erwarten. Je länger die Intervention<br />

andauert, desto deutlicher werden<br />

die Effekte. Um diesen Forschungsbereich<br />

weiter aufzuhellen, führte eine Leipziger<br />

Forschergruppe in den vergangenen<br />

zehn Jahren eine Reihe verschiedener Interventionsstudien<br />

durch, die die o. g. methodologischen<br />

Defizite berücksichtigen.<br />

Wirkungen sportlicher Aktivität bei<br />

»Wiedereinsteigerinnen«<br />

Insgesamt 21 Personen nahmen an dieser<br />

Studie (Stoll, 2000) teil, wobei zehn Personen<br />

der Treatment-, also der Sportgruppe<br />

(VG) zugeordnet wurden. Alle Personen<br />

waren weiblich und seit mindestens<br />

zwei Jahren sportabstinent. Zwecks Parallelisierung<br />

der beiden Gruppen wurden<br />

mehrere Frauen (n=50) gleichen Alters per<br />

Zufall in Leipzig (Fußgängerzone) angesprochen<br />

und elf Frauen aus dieser Stichprobe<br />

einer Kontrollgruppe zugeteilt, um<br />

die Fragebogen zum gleichen Zeitpunkt,<br />

wie die Sportgruppe auszufüllen. Die elf<br />

Frauen der Kontrollgruppe (KG) waren<br />

ebenfalls seit mindestens zwei Jahren keiner<br />

körperlichen Aktivität nachgegangen<br />

und beabsichtigten auch keine Sportteil-<br />

Beim sechsten Tanzfest, das vom Uni-Sportzentrum<br />

im Juni 2001 organisiert wurde<br />

Foto: Fisser<br />

nahme für den folgenden Untersuchungszeitraum<br />

von zwölf Wochen. Alle Teilnehmerinnen<br />

nahmen freiwillig an der Untersuchung<br />

teil und konnten die Intervention<br />

jederzeit abbrechen. Alle Personen, die rekrutiert<br />

wurden, nahmen an der Befragung<br />

zum Messzeitpunkt 1 und 2 teil. Im Hauptergebnis<br />

konnte lediglich ein univariater<br />

Interaktionseffekt für die Körperkonzeptdimension<br />

»Wahrgenommene Fitness«<br />

festgestellt werden. Dieser Interaktionseffekt<br />

basiert auf der Tatsache, dass sich<br />

die Probanden der VG in dieser Dimensionen<br />

verbessern, während sich die Probanden<br />

der KG in dieser Dimension nicht veränderten.<br />

Für die weiteren drei Körperkonzeptdimensionen<br />

(positives Körperbild,<br />

negatives Körperbild und Figursorgen)<br />

und für die Variablen der Ängstlichkeit,<br />

der psychosomatischen Beschwerden<br />

konnten keine Haupt- und Interaktionseffekte<br />

festgestellt werden.<br />

»Wiedereinsteiger« im Seniorenalter<br />

Das Untersuchungsdesign dieses Projekts<br />

(Stoll & Alfermann, in print) entspricht<br />

dem der vorangegangenen Studie. Zielgruppe<br />

waren jedoch nun Personen im hohen<br />

Erwachsenenalter (zwischen 55 und<br />

81 Jahre). Zusätzlich wurden neben einer<br />

KG ohne Intervention eine weitere Kontrollgruppe<br />

eingerichtet, deren Probanden<br />

einen Englischunterricht für Anfänger erhielten.<br />

Damit sollte ein möglicher »Aufmerksamkeitseffekt«<br />

auch als Placebo-<br />

Aufmerksamkeitseffekt bekannt, kontrolliert<br />

werden. In die spätere Analyse gingen<br />

insgesamt 66 Seniorinnen und Senioren<br />

ein, wobei jeweils 22 der Versuchs-, der<br />

Kontroll-, und der Placebo-Aufmerksamkeitsgruppe<br />

angehörten. Die Intervention<br />

(moderat-intensive sportliche Aktivität) erfolgte<br />

über sechs Monate. Als Hauptergebnis<br />

konnte das Ergebnis von Studie 1 repliziert<br />

werden. Bei weiterer Elimination<br />

von möglichen methodischen Artefakten<br />

(zu kleine Stichprobe, Kontrolle von<br />

Übungsleiteraufmerksamkeit, Verlängerung<br />

der Interventionsdauer, Kontrolle<br />

motorischer Effekte) verbleibt erneut<br />

ein Interaktionseffekt in der Körperkonzeptdimension<br />

»Wahrgenommene Fitness«,<br />

der auf eine Zunahme der Werte in<br />

der VG, bei unveränderten Werten in den<br />

beiden KG zurückgeht. Auch in dieser<br />

Studie konnten keine weiteren Effekte<br />

identifiziert werden.


»Wiedereinsteiger« im mittleren<br />

Erwachsenenalter<br />

Dieses Feldexperiment zeichnet sein echtexperimentelles<br />

Vorgehen aus (Alfermann<br />

& Stoll, 2000). Probanden dieser Studie<br />

waren 93 gesunde Personen im mittleren<br />

Erwachsenenalter, die randomisiert auf jeweils<br />

zwei Versuchs- und zwei Kontrollgruppen<br />

zugeteilt wurden. Mit der einen<br />

VG-Gruppe wurden ein Jogging-Programm<br />

und mit der anderen VG Aerobic-<br />

Übungen durchgeführt. In den beiden<br />

Kontrollgruppen erfolgte ein Entspannungstraining<br />

bzw. wurden Übungen zu<br />

rückengerechten Verhalten vermittelt. Die<br />

Interventionen wurden zwei mal pro Woche<br />

über sechs Monate durchgeführt. Erneut<br />

konnte lediglich ein Interaktionseffekt<br />

Gruppe mal Zeit für die Körperkonzeptdimension<br />

der »Wahrgenommenen<br />

Fitness« festgestellt werden. Auch in dieser<br />

Studie profitierten diesbezüglich die<br />

VG-Teilnehmer im Vergleich zu den KG-<br />

Teilnehmern von ihrer Intervention. Ein<br />

weiteres interessantes Ergebnis in dieser<br />

Studie sind jedoch weitere Haupteffekte<br />

über die Zeit, insbesondere in der Dimension<br />

der psychosomatischen Beschwerden.<br />

Dieser Effekt beruht auf positive Veränderungen<br />

in drei der vier Gruppen (nämlich<br />

der Jogging-, Aerobic- und Entspannungsgruppe).<br />

Somit sind positive Veränderungen<br />

der gemessenen psychischen Dimensionen<br />

nicht nur durch sportliche Aktivität<br />

festzustellen.<br />

Zusammenfassung und Diskussion<br />

Regelmäßiges Sporttreiben hat einen nachweisbaren<br />

positiven Effekt auf die psychische<br />

Gesundheit, aber dieser Effekt ist<br />

nicht exklusiv für das Sporttreiben! Andere,<br />

weniger körperlich beanspruchende<br />

Aktivitäten, wie z. B. Entspannungstraining<br />

oder Rückenschulungen, können das<br />

psychische Wohlbefinden in gleicher Weise<br />

fördern. Dieses Ergebnis ist ernüchternd<br />

und ermutigend zugleich: Es rückt zunächst<br />

die Bedeutung des Sporttreibens für<br />

die psychische Stabilisierung, die ja oft euphemistisch<br />

überzeichnet wird, in einen<br />

realistischen Rahmen. Das Ergebnis unterstreicht<br />

aber auch die grundsätzliche Nützlichkeit<br />

des Sports für genau diesen<br />

Zweck. Die von uns durchgeführten Studien<br />

tragen zur Aufklärung dieser Problematik<br />

bei. In den drei aufeinander aufbauen-<br />

den Experimenten wurde untersucht, wie<br />

sich körperliche Aktivität auf die beiden<br />

psychologischen Gesundheitsindikatoren<br />

Selbstkonzept und Wohlbefinden auswirkt.<br />

Dabei gelang es, ein echtes experimentelles<br />

Untersuchungsdesign (randomisierter<br />

Versuchsgruppen-Zuordnung, parallelisierten<br />

Kontrollgruppen) umzusetzen,<br />

und damit methodologische Schwächen<br />

anderer Studien (quasi-experimentelles<br />

Vorgehen, Korrelationsstudien) abzulegen.<br />

■<br />

Der Autor studierte 1989–1991 in Gießen<br />

Sportwissenschaft, Psychologie und Pädagogik<br />

und wurde 1994 promoviert. Er<br />

war 1995–2001 wissenschaftlicher Assis-<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

...............................................................................<br />

tent am Lehrstuhl für Sportpsychologie 25<br />

der Sportwissenschaftlichen Fakultät in<br />

Leipzig, wo er sich im Jahr 2000 habilitierte.<br />

Seit dem Wintersemester 2000/2001<br />

nimmt Dr. Oliver Stoll die Vertretungsprofessur<br />

für Sportpsychologie und Sportpädagogik<br />

am Institut für Sportwissenschaft<br />

in Halle wahr.


scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

DREIDIMENSIONALE VIDEOBILDANALYSE VON<br />

SCHWIMMBEWEGUNGEN IM LEISTUNGSSPORT BEHINDERTER MENSCHEN<br />

Andreas Hahn, Falk Hildebrand und Constanze Draper<br />

................................................................................<br />

Die Beschreibung einer sportwissenschaftlichen Untersuchung im Leistungssport soll an-<br />

26 hand behinderter Schwimmathleten vorgenommen werden. Diese Studie ist insofern aufschlussreich,<br />

als einerseits die Resultate mittels einer in der Sportwissenschaft modernen<br />

Methode der dreidimensionalen Videobildanalyse erstellt wurden und andererseits die<br />

Untersuchungen innerhalb eines überregionalen Forschungsprojekts stattfanden (Abb. 1).<br />

Es wurden ausgewählte Schwimmbewegungen<br />

von behinderten Leistungssportlern<br />

analysiert, um Antriebsmodelle zur<br />

Fortbewegung des Menschen im Wasser<br />

zu beschreiben und die Bewegungsabläufe<br />

der Athleten zur Wettkampfvorbereitung<br />

zu optimieren. Insbesondere die Problematik<br />

der Bestimmung des Körperschwerpunktes,<br />

als wesentlicher Bestandteil biomechanischer<br />

Untersuchungen wird spezifiziert,<br />

da die vielfältigen Behinderungsarten<br />

mit unterschiedlichen Körperlagen<br />

im Wasser verbunden sind. Bewegungen<br />

im Sport von behinderten Menschen sind<br />

biomechanisch relativ wenig untersucht<br />

worden.<br />

In diesem Zusammenhang ist eine Betrachtung<br />

der statischen Körperlage und<br />

des dynamischen Auftriebs für die Ableitung<br />

der Schwimmtechnik erforderlich.<br />

Demzufolge ist der Volumenmittel- und<br />

Körperschwerpunkt zu objektivieren, um<br />

den hypothetischen Charakter von Technikempfehlungen<br />

im Leistungsschwimmen<br />

zu erweitern und wissenschaftlich zu entwickeln.<br />

Analysen des Volumenmittelpunktes<br />

sind bisher nicht gelungen. Man<br />

kann aber davon ausgehen, dass dieser<br />

sich im Vergleich zum Körperschwerpunkt<br />

kranial befindet und auf körperliche Veränderungen<br />

weniger sensibel als der Körperschwerpunkt<br />

reagiert.<br />

In der hier vorliegenden Studie wurden die<br />

Schwimmbewegungen von Eliteschwimmern<br />

im Behindertenbereich, Teilnehmer<br />

an den Paralympics, insbesondere unter<br />

Berücksichtigung der Geschwindigkeit des<br />

Körperschwerpunktes bestimmt.<br />

Versuchsaufbau<br />

Das angewandte Bildmessverfahren ist ein<br />

indirektes, berührungsloses physikalisches<br />

Messverfahren, das die Bewegungsparameter<br />

in Raum und Zeit bestimmt. Dieses<br />

Standardverfahren ist zur Gewinnung von<br />

biomechanischen Parametern sportlicher<br />

Bewegungen universell im Training und<br />

Wettkampf nutzbar. Für jede Kameraseite<br />

wurde ein gemischtes Videobild mit Überund<br />

Unterwasserperspektive erstellt, das<br />

für die qualitative Auswertung genutzt<br />

wurde. Durch die Anordnung der synchron<br />

arbeitenden Kameras in einem Winkel<br />

von etwa 45° zueinander werden die<br />

Informationen aus der Ebene in den Raum<br />

extrahiert. Eine Kalibrierung und Methodenkritik<br />

wurde erstellt (Hildebrand 1996).<br />

Bei der Auswertung der Schwimmzyklen<br />

im Peak-2D-Bewegungsanalysesystem<br />

wurde das 21-Körperpunkt-Modell<br />

(»Stick-Figur«) angewandt. Aufgrund der<br />

vorhandenen Behinderungen war es notwendig,<br />

eine Modifizierung des Körpermodells<br />

nach Zaciorski (1984) vorzunehmen.<br />

Fehlende oder missgebildete Körperglieder<br />

bewirken eine Verschiebung der<br />

prozentualen Massenverteilung. Die Teilmassen<br />

werden mit Hilfe der ermittelten<br />

Prozentzahlen in Bezug zur Gesamtkörpermasse<br />

errechnet:<br />

Abb.1: Gerätekonfiguration im Schwimmbecken (zwei Überwasserkameras/Ü, zwei Unterwasserkameras/U)<br />

Die quantitative Auswertung der<br />

Schwimmzyklen erfolgte anhand von Grafiken,<br />

die mit Hilfe des Softwareprogramms<br />

dargestellt werden können. Die<br />

Bewegungsphasen werden durch »Stick-<br />

Figur« veranschaulicht und simultan zum<br />

intrazyklischen Geschwindigkeitsverlauf<br />

des Körperschwerpunkts dargestellt<br />

(Abb. 2).<br />

Ausgewählte Resultate<br />

Aufgrund der Spezifik der Behinderungen<br />

wurde eine individuelle Ergebnisanalyse<br />

der fünf untersuchten Schwimmathleten<br />

vorgenommen. Folgende Teilschritte wurden<br />

realisiert:<br />

• Darstellung des modifizierten Körpermodells,<br />

• Qualitative Analyse der Schwimmtechnik,<br />

• Quantitative Analyse der Schwimmtechnik<br />

anhand der Geschwindigkeitsverläufe.<br />

Die qualitative und quantitative Auswertung<br />

in dieser Art und Weise erfolgte erstmals<br />

für behinderte Athleten im Sportschwimmen.<br />

Als Vorlage fungierte die<br />

Modellierung der Geschwindigkeitsverläufe<br />

nach Maglischo 1987. Der Algorithmus<br />

der Resultatsermittlung wird anhand<br />

eines Leistungsschwimmers exemplarisch<br />

dargestellt (vgl. Abb. 2):<br />

Qualitative Analyse der Bewegungsabläufe<br />

Im Bereich der qualitativen Auswertung<br />

von Bewegungen werden einzelne Phasen,<br />

Teilbewegungen und die Koordination von<br />

Teilbewegungen mittels der vorliegenden<br />

Videobilder bezüglich ihrer räumlich-zeitlichen<br />

Charakteristik untersucht. Der untersuchte<br />

Schwimmathlet liegt während<br />

der extremen Beugung im Knie- und Hüftgelenk<br />

sehr steil im Wasser. Die Körperlage<br />

wird durch eine Rotation im Bereich<br />

der Lendenwirbelsäule stabilisiert. Die<br />

Arme werden symmetrisch und zeitgleich<br />

geführt. Trotz fehlender Unterarme wird<br />

das räumliche Muster des Brustschwimmens<br />

realisiert. Der erzeugte Vortrieb<br />

durch die Armbewegung ist relativ gering.<br />

Der Antrieb durch die Beintätigkeit wird<br />

in zwei Teilbewegungen differenziert<br />

(Brustbeinschlag und Delphin-Kick). Das<br />

einwärts gedrehte Bein berührt in dieser<br />

Phase nahezu ventral den Oberkörper.


Modifiziertes Körpermodell<br />

Abb. 2: Darstellung des modifizierten Körpermodells<br />

Die errechneten prozentualen Teilmassen eines behinderten Leistungsschwimmers werden in einem<br />

Körpermodell veranschaulicht (Zaciorski 1984, Löschner 1996).<br />

Während der Flexion des Kniegelenks<br />

wird der Unterschenkel auswärts rotiert.<br />

Ein kraftvoller Beinschub wird mit einem<br />

Delphin-Kick während der Erholungsphase<br />

der Arme verbunden. Bezüglich der Koordination<br />

erfolgen zwei Beinschläge pro<br />

Armzug (je ein Brustbeinschlag und ein<br />

Delphin-Kick). Während der Extension<br />

im Kniegelenk werden die Arme in<br />

Schwimmrichtung geführt.<br />

Geschwindigkeitsverläufe<br />

Der Geschwindigkeitsverlauf während einer<br />

sportlichen Bewegung spiegelt die Effizienz<br />

der eingesetzten energetischen Res-<br />

Kopf<br />

7.85%<br />

oberer Teil des Rumpfes<br />

18.05%<br />

Oberarm (je rechts/links)<br />

6.13%<br />

mittlerer Teil des Rumpfes<br />

18.47%<br />

unterer Teil des Rumpfes<br />

12.64%<br />

Oberschenkel links<br />

3.96%<br />

Oberschenkel rechts<br />

17.0%<br />

Unterschenkel links<br />

2.60%<br />

Unterschenkel rechts<br />

4.53%<br />

Fuß links 1.13%/Fuß rechts 1.55%<br />

sourcen wider. Insbesondere in den Ausdauersportarten<br />

erweist es sich als effektiv,<br />

Geschwindigkeitsschwankungen zu reduzieren.<br />

So ist es sinnvoll, lange Beschleunigungswege<br />

mit moderaten absoluten<br />

Werten als kurze Beschleunigungswege<br />

mit überdurchschnittlichen Werten z. B.<br />

im Skilaufen, Rudern und Schwimmen zu<br />

erzielen.<br />

In dem vorliegenden Beispiel (Leistungsschwimmer)<br />

ist das Geschwindigkeitsprofil<br />

durch viele Schwankungen gekennzeichnet.<br />

Im Vergleich zum grundlegenden<br />

Orientierungsmodell in der Schwimmsportforschung<br />

nach dem amerikanischen<br />

Sportwissenschaftler Maglischo (1982)<br />

werden ebenfalls Geschwindigkeitsgipfel<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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während des Beinschlages und des Armzuges<br />

beim Brustschwimmen erzielt. Ein<br />

intrazyklischer Geschwindigkeitsgipfel<br />

entsteht während des ersten Drittels der<br />

Antriebsbewegung der Arme. Der zweite<br />

intrazyklische Höhepunkt bildet sich nach<br />

der Streckung der Beine (vgl. Abb. 2). Das<br />

technische Problem liegt in der ausgedehnten<br />

Antriebspause nach der Antriebsbewegung<br />

der Arme (ca. ein Drittel der Zykluszeit).<br />

Aufschlussreich sind die Betrachtungen<br />

zum Vergleich des Geschwindigkeitsverlaufs<br />

des Gesamtsystems im Raum und<br />

in der longitudinalen Richtung (Schwimmrichtung).<br />

Es wird Auskunft über die Effektivität<br />

der Antriebsbewegungen gegeben,<br />

indem man überprüft, inwiefern die<br />

Antriebskräfte zur Bewegung in<br />

Schwimmrichtung genutzt wurden. ■<br />

Dr. Andreas Hahn ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft<br />

der Martin-Luther-Universität.<br />

PD Dr. Falk Hildebrand ist Fachgruppenleiter<br />

der Forschungstechnologie am Institut<br />

für Angewandte Trainingswissenschaft<br />

Leipzig.<br />

Constanze Draper studierte bis 1996 an<br />

der Universität Halle Sportwissenschaft<br />

und ist seit 1997 am Institute of Sport New<br />

South Wales/Australien tätig.<br />

27


scientia halensis 4/2001<br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Musik-, Sport und Sprechwissenschaft<br />

MOTORIK UND KOMMUNIKATION<br />

Jürgen Leirich, Ulrike Liebisch und Mariam Hartinger<br />

................................................................................<br />

Auch durch Bewegung gehen Menschen bewusst oder unbewusst kommunikative Bezie-<br />

28 hungen ein. In motorischen Lehr- und Lernprozessen spielt die verbale Information eine<br />

wichtige Rolle, um motorische Handlungsvollzüge zu verstehen, d. h. ausführen und bewerten<br />

zu können. Durch Bewegung findet aber auch nonverbale Kommunikation statt,<br />

wie das beispielsweise in der Gebärdensprache der Fall ist (Projekt von Ulrike Liebisch).<br />

Besonders interessant sind auch Arbeitsergebnisse, die auf einen Zusammenhang von<br />

sprachlicher und motorischer Entwicklung hinweisen (Mariam Hartinger).<br />

Motorisches Lernen und verbale Kommunikation<br />

Bewegung ist mehr als Ortsveränderung in<br />

der Zeit. Menschliche Bewegung hat gleichermaßen<br />

kommunikative und damit verbundene<br />

soziale Funktionen. Mit Hilfe von<br />

Bewegung kooperieren wir:<br />

• Durch Gestik und Mimik werden Emotionen<br />

und Sinnbedeutungen transportiert.<br />

Wir wenden uns jemandem zu oder ab,<br />

Kooperieren im Spiel oder Tanz, Hüpfen<br />

vor Freude und drücken Niedergeschlagenheit<br />

durch entsprechende Motorik aus.<br />

• Viele Berufe sind an die Bewältigung einer<br />

mehr oder weniger spezifischen Arbeitsmotorik<br />

gebunden.<br />

• Alltagsmotorik ist für die Bewältigung<br />

täglicher Lebenssituationen erforderlich.<br />

Diese nach Krankheit wieder herzustellen<br />

bzw. lange zu erhalten, ist eine besondere<br />

Aufgabe der Sporttherapie bzw. des Seniorensports.<br />

Zum gesunden Leben und<br />

Altern gehört die regelmäßige Bewegung,<br />

denn Bewegung ist Leben und Leben ist<br />

Bewegung. Die soziale und kommunikative<br />

Komponente sei hier nur erwähnt.<br />

Im Zusammenhang mit dem Lehren und<br />

Lernen von sportmotorischen Fertigkeiten<br />

ist auf die große Bedeutung der Sprache<br />

für die Informationsverarbeitung hinzuweisen.<br />

Die reafferenten Signale vermitteln<br />

Informationen, die an die entsprechende<br />

Sinnesmodalität gebunden sind. Wir<br />

spüren Bewegung durch visuelles Wahrnehmen<br />

der Ortsveränderung in der Zeit,<br />

durch kinästhetische Wahrnehmungen die<br />

Kontraktionen der Muskulatur auch in Bezug<br />

zur Wirkung äußerer Kräfte, die wir<br />

für die Bewegung nutzen oder denen wir<br />

entgegenwirken. Darüber hinaus verfügt<br />

der Mensch über ein verbales Zeichensystem,<br />

das eine besondere Qualität der Informationsverarbeitung<br />

ermöglicht. Dieses<br />

verbale Zeichensystem hat sich in der<br />

Menschwerdung auf Grund der Kooperationsanforderungen<br />

vor allem in Arbeitsund<br />

sozialen Prozessen herausgebildet. Im<br />

Verlaufe seiner Individualentwicklung<br />

muss das heranwachsende Kind auch lernen,<br />

Bewegungsprozesse zu verbalisieren<br />

und darüber Informationen auszutauschen.<br />

Dabei spielen die Bewegungsvorstellungen<br />

eine wichtige Rolle. Sie sind mehr<br />

oder weniger verallgemeinerte Widerspiegelungen<br />

von Bewegungen und haben<br />

sinnlich-expressive und verbal-logische<br />

Komponenten. Der ungeübte Sportler ist<br />

noch nicht in der Lage, eine sprachliche<br />

Darstellung seiner Bewegung zu geben,<br />

der geübte hingegen nimmt seine Bewe-<br />

gungen in Einzelheiten wahr und kann<br />

auch unabhängig vom unmittelbaren Bewegungsvollzug<br />

darüber sprechen.<br />

Bewegungsvorstellungen nehmen in bewegungsbezogenenKommunikationsprozessen<br />

eine zentrale Stellung ein und unterstützen<br />

zugleich als mental determinierte<br />

innere Modelle die Erstellung von Bewegungsprogrammen<br />

auf der Grundlage von<br />

Prozessen der Wahrnehmungs-, Entscheidungs-<br />

und Handlungsregulation. Durch<br />

Sprache werden Kooperationsprozesse im<br />

Sport qualifiziert, Selbstbefehle und bewegungslenkende<br />

sowie sanktionierende Reafferenzen<br />

(Anochin) werden verbalisiert,<br />

und für das Lehren und Lernen spielt neben<br />

der visuellen Information durch das<br />

Vormachen besonders auch die verbale Information<br />

durch das Beschreiben, Erklären<br />

und Korrigieren eine bedeutende Rolle.<br />

Räumliche, zeitliche und dynamische<br />

Sachverhalte werden verbal kodifiziert,<br />

vorausgesetzt es gibt ein entsprechendes<br />

terminologisches System, auf dessen<br />

Grundlage Lehrende und Lernende wechselseitig<br />

über einen gemeinsamen Zeichenvorrat<br />

verbunden sind. Die Abbildung 1<br />

verdeutlicht die Bedeutung der Terminologie<br />

im Sinne der Übereinstimmung des gemeinsamen<br />

Zeichenvorrates für das Funktionieren<br />

der Kommunikationsprozesse<br />

zwischen Lehrer/Trainer/Übungsleiter und<br />

Schüler/Sportler und die Gewährleistung<br />

einer sachentsprechenden Informationsverarbeitung.<br />

Die Effizienz von Lernprozessen<br />

ist somit vielfach an das Funktionieren<br />

wechselseitiger Rückkopplungsprozesse<br />

gebunden. Unabdingbare Voraussetzung<br />

dafür ist auch im Sport, dass Bezeichnungen<br />

für Bewegungen und Kooperationsan-<br />

Abb. 1: Kommunikationsbeziehungen im Lehr- und Lernprozess (ZL/ZS = Zeichenvorrat des Lehrers<br />

bzw. Schülers)<br />

forderungen, wie zum Beispiel taktische<br />

Aspekte, gelehrt werden. Darüber hinaus<br />

werden auch die Geräte selbst, die Umgebungsbedingungen,<br />

Erlebnisinhalte, Wertungen<br />

und Emotionen verbalisiert.<br />

Motorische Aspekte der Gebärdensprache<br />

Die Gebärdensprache dient als Kommunikationsform<br />

hauptsächlich gehörlosen und<br />

taubstummen Menschen und wird nicht<br />

ohne Grund die »Sprache der Hände« genannt.<br />

Im Gegensatz zu hörenden Menschen,<br />

deren wichtigstes Sprachinstrument<br />

die verbalen Zeichen sind, bedienen sich<br />

gebärdende Personen ihrer Hände, um zu<br />

kommunizieren. Jedem Wort wird eine eigene<br />

Gebärde zugeordnet. Um der großen<br />

Anzahl von Wörtern gerecht zu werden,<br />

setzt sich jede Gebärde aus den vier simultanen<br />

Parametern Handform, Ausfüh-


ungsstelle, Bewegung und Handstellung<br />

zusammen. Gebärden unterscheiden sich<br />

häufig in nur einem Parameter, und sinnverwandte<br />

Wörter können durch nur geringe<br />

Modifikation der Handbewegung ausgedrückt<br />

werden. Demzufolge kann jede<br />

Gebärde als motorische Handlung verstanden<br />

werden, da für diese Form der Kommunikation<br />

immer die Bewegung entsprechender<br />

Körperteile erforderlich ist. Die<br />

Abb. 2: Gebärde für »Milchflasche«<br />

Abbildung 2 zeigt beispielsweise die Bewegungen<br />

für das Wort »Milchflasche« in<br />

der Gebärdensprache (Bream 1995).<br />

Kommunikation durch Motorik und die<br />

Untersuchung damit zusammenhängender<br />

Aspekte sind Gegenstände unseres wissenschaftlichen<br />

Projektes. Dazu wurden hörende<br />

Probanden untersucht, die in der Gebärdensprache<br />

unterschiedlich qualifiziert<br />

sind. Unter anderem sollten die Probanden<br />

vorgegebene Gebärden reproduzieren und<br />

visualisierte Wörter lautsprachlich oder<br />

gebärdend wiedergeben. Ziele unserer Untersuchung<br />

sind die Objektivierung von<br />

räumlich-zeitlichen Parametern der Bewegungshandlung<br />

(Gebärde) sowie die Bestimmung<br />

der Informationsverarbeitungszeiten<br />

von der Wahrnehmung des visualisierten<br />

Begriffs bis zur Ausführung der<br />

Gebärde. Darüber hinaus erfolgen vergleichende<br />

Analysen der inter- und intrapersonellen<br />

Stabilität sowie Variabilität der Gebärden.<br />

Erste Ergebnisse zeigen, dass die<br />

Reaktionszeit deutlich sinkt, wenn die Gebärde<br />

auf Grund von Übung im Gedächtnis<br />

besser repräsentiert ist. Es zeigte sich<br />

auch, dass die Übersetzung eines visualisierten<br />

Wortes in die entsprechende Gebärde<br />

deutlich länger dauerte als beispielsweise<br />

die Übersetzung vom Englischen ins<br />

Deutsche. In diesem Zusammenhang interessieren<br />

uns weiterführend auch motorische<br />

Prozesse bei älteren Gehörlosen und<br />

die Variabilität räumlicher und zeitlicher<br />

Parameter auf die Qualität der motorischdeterminierten<br />

Kommunikation. Trotz einer<br />

großen interpersonellen Variabilität<br />

der räumlichen Bewegungsparameter<br />

scheint es nicht zu Schwierigkeiten in der<br />

Informationsverarbeitung (Verständnis) zu<br />

kommen. Im Gegensatz dazu haben sich<br />

zeitliche Parameter als ein Maß der Lernprozesse<br />

erwiesen, die einer gewissen Stabilität<br />

bedürfen.<br />

Zusammenhänge zwischen sprachlicher<br />

und motorischer Entwicklung<br />

Sprache ist auch Bewegung! Der Sprechvorgang<br />

ist der komplizierteste aller motorischen<br />

Vorgänge. Er wird genauso wie<br />

die sportmotorische Handlungsfolge (Fertigkeit)<br />

in den motorischen Zentren des<br />

Gehirns koordiniert. Die Komplexität dieser<br />

Abläufe wird uns nur im Lernprozess<br />

oder Krankheitsfall bewusst. Beim Erlernen<br />

des englischen »th« wissen wir zunächst<br />

nicht, wie die Zunge zu positionieren<br />

ist, und nach einer Zahnoperation fällt<br />

die korrekte Lautbildung ebenso schwer,<br />

wie das Gehen mit einem Gipsbein.<br />

Die enge Verbindung von Sprache und<br />

Motorik wird besonders in der Entwicklungsphase<br />

des Kindes deutlich. Ist die<br />

Motorik unterentwickelt, gehen damit meistens<br />

auch sprachliche Defizite einher. Zu<br />

dieser Erkenntnis sind verschiedene Wissenschaftler<br />

gelangt, die entweder die motorischen<br />

Fähigkeiten bei sprachgestörten<br />

Kindern oder den sprachlichen Entwicklungsstand<br />

bei motorisch auffälligen Kindern<br />

analysiert haben. Unsere Untersuchungen<br />

über die Zusammenhänge von<br />

Sprachentwicklung und Motorik im Vorschulalter<br />

basierten auf einer vollkommen<br />

anderen Methode. Ohne die Kenntnis über<br />

den motorischen oder sprachlichen Entwicklungsstand<br />

wurden vierjährige Kindergartenkinder<br />

ausgewählt. Als Vergleichsgruppe<br />

kamen Kinder hinzu, die<br />

sich auf Grund der Diagnose »Sprachentwicklungsverzögerung«<br />

in sprachtherapeutischer<br />

Behandlung befanden. Mit Hilfe<br />

des Screening-Verfahrens von Heinemann<br />

und Höpfner (1992) wurde fast jedes<br />

dritte Kind (29 Prozent) ebenfalls als<br />

sprachentwicklungsverzögert eingestuft,<br />

aber nur ein Kind war in therapeutischer<br />

Behandlung.<br />

Hinsichtlich der Frage, ob Sprache mehr<br />

durch fein- oder grobmotorische Fähigkeiten<br />

beeinflusst wird, deuten unsere Ergeb-<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

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nisse auf eine Abhängigkeit zwischen feinmotorischer<br />

und sprachlicher Ungeschicklichkeit<br />

bei 63,5 Prozent der Probanden<br />

hin. Die Abb.3 stellt das wichtigste Untersuchungsergebnis<br />

dar. Bei zwei Drittel (69<br />

Prozent) der Probanden konnte ein direkter<br />

Zusammenhang zwischen ungeschickter<br />

Motorik und auffälliger Sprache nachgewiesen<br />

werden. Während 31 Prozent der<br />

Kinder trotz sprachlicher Auffälligkeiten<br />

motorisch geschickt war, konnte kein Kind<br />

mit guten sprachlichen und gleichzeitig<br />

schlechten motorischen Leistungen diagnostiziert<br />

werden. Der Verlauf der motorischen<br />

Entwicklung dient somit als wichtiger<br />

Indikator für die Beurteilung der<br />

Sprachentwicklung.<br />

■<br />

Abb. 3: Zusammenhang zwischen dem Gesamtergebnis<br />

Sprache und dem Ergebnis Motorik<br />

Prof. Dr. Jürgen Leirich – Autoreninformation<br />

siehe Seite 6.<br />

Mariam Hartinger studierte 1993–1999 im<br />

Diplomstudiengang Sprechwissenschaft<br />

und Phonetik. Seit 1999 bearbeitet sie als<br />

Doktorandin der Martin-Luther-Universität<br />

das Forschungsprojekt »Untersuchungen<br />

der Sprechmotorik von Polterern mit<br />

Hilfe der elektromagnetischen Artikulographie<br />

(EMA)« am Zentrum für Allgemeine<br />

Sprachwissenschaft Berlin.<br />

Ulrike Liebisch studiert seit 1997 im Diplomstudiengang<br />

Sportwissenschaft mit<br />

dem Schwerpunkt Prävention, Therapie<br />

und Rehabilitation. Sie ist als wissenschaftliche<br />

Hilfskraft im Bereich der<br />

Sportmotorik tätig und bearbeitet im Rahmen<br />

ihrer Diplomarbeit das Thema: »Aspekte<br />

der Motorik und Informationsverarbeitung<br />

der Gebärdensprache«.<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

............................................................................... Basketball<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

Foto: Uwe Kohn<br />

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30


WIE GUT ERNÄHREN SICH SPORTLER?<br />

STEIGERUNG DER LEISTUNGSFÄHIGKEIT DURCH GEZIELTE ERNÄHRUNG<br />

Mareike Großhauser und Klaus Eder<br />

Eine richtige Ernährung ist nicht nur für einen guten Gesundheitszustand wichtig, sondern<br />

stellt auch die Basis für körperliche Leistungsfähigkeit dar. Sportler und Sportlerinnen<br />

interessieren sich deshalb in zunehmendem Maße dafür, wie sie durch gezielte Ernährung<br />

ihre sportliche Leistung verbessern können. Mit zunehmendem Trainingsumfang<br />

steigt der Bedarf an Energie und Nährstoffen.<br />

Besonders Hochleistungssportler haben einen<br />

enormen Bedarf an Hauptnährstoffen,<br />

aber auch einen erhöhten Bedarf an Vitaminen<br />

und Mineralstoffen. Die übliche<br />

Kost, wie sie in den Industrieländern verzehrt<br />

wird, ist durch einen hohen Energieund<br />

Fettgehalt gekennzeichnet, während<br />

die Gehalte an Vitaminen, Mengen- und<br />

Spurenelementen als Folge industrieller<br />

Verarbeitung häufig gering sind. Defizite<br />

an lebensnotwendigen Nährstoffen führen<br />

nicht nur zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit,<br />

sondern können auch das<br />

Risiko für akute Erkrankungen wie Infektionskrankheiten<br />

oder Verletzungen begünstigen.<br />

Über einen langen Zeitraum andauernde<br />

suboptimale Ernährung kann<br />

aber auch das Risiko für Kreislauf- oder<br />

Krebserkrankungen steigern. Das Ziel einer<br />

Studie, die eine Arbeitsgruppe des Instituts<br />

für Ernährungswissenschaften gemeinsam<br />

mit dem Olympiastützpunkt Halle<br />

durchführte, bestand darin herauszufinden,<br />

ob Hochleistungssportler durch ihre<br />

übliche Ernährung den Bedarf an Energie<br />

und Nährstoffen decken können. Im Vordergrund<br />

der Betrachtung standen dabei<br />

Nachwuchsathleten, die größtenteils an<br />

Durchschnittliche Energiezufuhr der Athleten<br />

Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung<br />

(»Schulküche«) teilnehmen und daher<br />

ihre Ernährung nur bedingt frei wählen<br />

können.<br />

Kooperation mit Olympiastützpunkt Halle<br />

Die Verantwortlichen des Olympiastützpunktes<br />

äußerten ihr Interesse, die Ernährung<br />

von Nachwuchsathleten auf eine wissenschaftliche<br />

Basis zu stellen. Defizite in<br />

der Ernährung sollten aufgezeigt werden,<br />

um durch gezielte Veränderungen der Ernährung<br />

die Leistungsfähigkeit der Athleten<br />

zu verbessern.<br />

Nahezu 100 Athletinnen und Athleten vom<br />

Olympiastützpunkt Halle wurden in die<br />

Studie einbezogen. Sie waren in folgende<br />

Sportarten einzuordnen:<br />

• Ausdauersportarten: Gehen, Schwimmen,<br />

Mittelstreckenlauf und Rudern<br />

• Kraft/Schnellkraftsportarten: Sprint,<br />

Weitsprung, Siebenkampf, Allgemeine<br />

Leichtathletik<br />

• Kampfsportarten: Judo, Ringen<br />

• Technisch-kompositorische Sportarten:<br />

Wasserspringen, Turnen,<br />

1 = Ausdauer, 2 = Kampf, 3 = Kraft/Schnellkraft, 4 = Technik, 5 = Gesamt<br />

Abbildung 1: Tägliche Energiezufuhr der Athleten<br />

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scientia halensis 4/2001<br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

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Rhythmische Sportgymnastik.<br />

Das Alter der Sportler lag im Bereich zwischen<br />

12 und 20 Jahren, das Trainingspensum<br />

zwischen 15 und 20 Stunden pro<br />

Woche. Alle untersuchten Sportler lagen<br />

auf einem hohen Leistungsniveau. In der<br />

Gruppe der Sportler befand sich eine Reihe<br />

von Landesmeistern, Deutschen Meistern<br />

sowie erfolgreiche Teilnehmer bei Junioren-Europameisterschaften<br />

und den<br />

Olympischen Spielen in Sydney.<br />

Analyse der Ernährung durch Protokolle<br />

Im ersten Schritt der Studie sollten die<br />

Sportler über einen Zeitraum von jeweils<br />

sieben Tagen Ernährungsprotokolle führen,<br />

die mit einem Computerprogramm<br />

ausgewertet wurden. Dem verwendeten<br />

Computerprogramm lag eine Datenbasis<br />

mit mehr als 1000 Lebensmitteln zugrunde,<br />

anhand derer die Aufnahme an über 20<br />

Nährstoffen (Hauptnährstoffe, Mineralstoffe,<br />

Vitamine) errechnet werden konnte.<br />

Bezüglich der durchschnittlichen Energiezufuhr<br />

gab es erwartungsgemäß zwischen<br />

den männlichen und weiblichen Athleten<br />

der verschiedenen Sportarten große Unterschiede<br />

(Abbildung 1).<br />

Insbesondere bei den technisch-kompositorischen<br />

Sportarten Turnen und Rhythmische<br />

Sportgymnastik war die Energiezufuhr<br />

mit durchschnittlich 1529 kcal pro<br />

31


scientia halensis 4/2001<br />

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Landwirtschaftliche Fakultät<br />

................................................................................<br />

Tag bei den Mädchen und 2063 kcal pro<br />

32 Tag bei den Jungen sehr niedrig. Im Mittel<br />

nahmen die Athleten dabei 52 Prozent der<br />

Energie in Form von Kohlenhydraten, 34<br />

Prozent in Form von Fett und 14 Prozent<br />

in Form von Eiweiß auf. Die Verteilung<br />

der Nährstoffaufnahme deckt sich annähernd<br />

mit den Empfehlungen der Deutschen<br />

Gesellschaft für Ernährung (DGE).<br />

Da Kohlenhydrate eine besonders wichtige<br />

Energiequelle für den arbeitenden Skelettmuskel<br />

darstellen, sollte ihr Anteil an der<br />

Energieaufnahme beim Sportler auf etwa<br />

60 Prozent gesteigert, die Fettzufuhr dagegen<br />

auf 25 Prozent reduziert werden. Die<br />

Aufnahme mehrfach ungesättigter Fettsäuren<br />

war bei den Sportlern hingegen zu<br />

niedrig. Diese Fettsäuren, die besonders in<br />

pflanzlichen Ölen vorkommen, sind wichtige<br />

Ausgangssubstanzen für die Bildung<br />

von Gewebshormonen. Sie senken aber<br />

auch den Cholesterinspiegel und wirken<br />

daher präventiv gegen Herz-Kreislauf-<br />

Krankheiten. Die Eiweißzufuhr betrug bei<br />

den Mädchen 1,3 g pro kg Körpergewicht<br />

und bei den Jungen 1,9 g pro kg Körpergewicht<br />

und war damit ausreichend. Die<br />

DGE empfiehlt für 15- bis 18-Jährige eine<br />

tägliche Eiweißaufnahme von 0,8 g pro kg<br />

Körpergewicht. Der Sportler hat aber aufgrund<br />

eines höheren Proteinumsatzes der<br />

Muskulatur zweifelsohne einen höheren<br />

Bedarf, der im Bereich zwischen 1 und<br />

1,5 g pro kg Körpergewicht liegen dürfte.<br />

Ähnlich wie in der Bevölkerung allgemein,<br />

war bei den Athleten die Aufnahme<br />

an Ballaststoffen mit 18 g täglich sehr<br />

niedrig; die DGE empfiehlt eine Aufnahme<br />

von 30 g Ballaststoffen täglich. Durch<br />

einen höheren Verzehr von Obst, Gemüse<br />

und Vollkornprodukten kann diese Menge<br />

realisiert werden. Weiterhin zeigten die<br />

Ernährungsprotokolle, dass die Aufnahme<br />

einiger Vitamine unter den Empfehlungen<br />

der Deutschen Gesellschaft für Ernährung<br />

liegt (Abbildung 2).<br />

Insbesondere bei den Vitaminen A, E und<br />

Folsäure wurden die Empfehlungen nicht<br />

erreicht. Gerade bei den weiblichen Athleten<br />

war die Vitamin-A-Zufuhr zu niedrig.<br />

Der Bedarf an Vitamin B 6 steht in enger<br />

Korrelation zur Aufnahme an Protein. Bei<br />

der relativ hohen Proteinzufuhr ist zweifelsohne<br />

auch die Versorgung an Vitamin<br />

B 6 suboptimal, obgleich die Empfehlungen<br />

der Deutschen Gesellschaft für Ernährung<br />

erfüllt werden. Ein Mangel an Vitamin B 6<br />

dürfte gerade beim Sportler besonders gravierend<br />

sein, da es im Aminosäurenstoffwechsel<br />

und für die Proteinsynthese sowie<br />

Muskelbildung eine besonders wichtige<br />

Rolle spielt. Bei anderen Vitaminen (Vitamin<br />

C, Vitamine B 1 , B 2 und B 12 ) schien<br />

eine ausreichende Versorgung hingegen<br />

besser gesichert, obwohl ebenfalls zu berücksichtigen<br />

ist, dass Sportler auch bei<br />

diesen Vitaminen einen erhöhten Bedarf<br />

haben. Innerhalb der Gruppe der Mineralstoffe<br />

zeigten sich ebenso einige Defizite.<br />

Bei 52 Prozent der Athleten lag die Mag-<br />

Dr. Corinna Brandsch (links) und Mareike Großhauser (rechts) bei der Auswertung der Ernährungsprotokolle<br />

am Computer Fotos (2): Eder<br />

Abb. 2: Zufuhr an Vitaminen (im Vergleich zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für<br />

Ernährung für 15- bis 18-Jährige)<br />

nesiumaufnahme unter den Empfehlungen<br />

der DGE; 53 Prozent der Athleten nahmen<br />

zu wenig Eisen und 24 Prozent zu wenig<br />

Zink auf. Nur 7 Prozent der Athleten nahm<br />

ausreichend Jod auf. Während Magnesium<br />

unter anderem eine wichtige Rolle bei der<br />

Muskelkontraktion spielt, greift Zink auch<br />

in die Proteinbiosynthese ein. Eisen ist als<br />

Bestandteil von Hämoglobin und Myoglobin<br />

besonders für die Sauerstoffversorgung<br />

des Muskels wichtig. Jod spielt als<br />

Bestandteil der Schilddrüsenhormone eine<br />

wichtige Rolle für den Energiehaushalt des<br />

Körpers.<br />

Analyse von Blutproben<br />

Die Ernährungsprotokolle deuteten darauf<br />

hin, dass bei einer Reihe lebensnotwendiger<br />

Nährstoffe ein Defizit vorliegen könnte.<br />

Andererseits liefern Ernährungsprotokolle<br />

alleine häufig keine ausreichende<br />

Aussage, weil die in Lebensmitteln tatsächlich<br />

vorhandenen Nährstoffe oft von<br />

den in Tabellenwerten angegebenen sehr<br />

stark abweichen können. Um ein beweiskräftigeres<br />

Bild zu erlangen, wurden zur<br />

Diagnostik des Status kritischer Elemente<br />

auch biochemische Analysen hinzugezogen.<br />

Dazu wurden von den Athleten Blutproben<br />

gewonnen und die Konzentrationen<br />

verschiedener Vitamine (A, E, B 12 und<br />

Folsäure) im Blutplasma der Proben gemessen,<br />

bei denen die Ernährungsprotokolle<br />

auf eine unzureichende Versorgung<br />

hindeuteten (Tabelle 1). Es wurden aber<br />

auch die Fettsäuren-Konzentrationen in<br />

den roten Blutzellen bestimmt, um Hinweise<br />

auf die Versorgung mit einzelnen<br />

Fettsäuren zu erlangen. Im Gegensatz zu<br />

den Aussagen der Ernährungsprotokolle<br />

erwies sich die Versorgung an den Vitaminen<br />

A, E, B 12 und Folsäure anhand der gemessenen<br />

Plasmakonzentrationen als weitgehend<br />

ausreichend. Ein kritisches Vitamin<br />

ist aber das Vitamin A, bei dem knapp<br />

10 Prozent der Athleten unzureichende<br />

Spiegel im Blut aufwiesen. Ein Vitamin-<br />

A-Mangel kann nicht nur zu Nachtblindheit,<br />

sondern auch zu einer Schwächung<br />

des Immunsystems führen.


Tabelle 1 Plasmakonzentrationen der Vitamine A, E, B und Folsäure sowie von Zink<br />

12<br />

und Eisen<br />

Vit. A Vit. E Vit. B Folsäure Zink Eisen<br />

12<br />

[ g/dl] [mg/dl] [pg/ml] [ng/ml] [ g/dl] [ g/dl]<br />

Jungen 42,0 1,1 513 11,7 63,5 89,9<br />

Mädchen 43,0 1,1 557 12,2 55,2 84,5<br />

Referenz > 301 > 0,52 > 1501 > 61 > 753 > 404 Abkürzungen: Vit.: Vitamin; Referenzwerte nach 1: Biesalski et al. (1997), 2: DGE (2000), 3: Berg<br />

et. al. (1993), 4: Yip et al. (1984).<br />

Innerhalb der Gruppe der Mineralstoffe<br />

zeigte sich eine deutliche Unterversorgung<br />

beim Zink. 88 Prozent aller Athleten hatten<br />

einen zu niedrigen Zinkgehalt im Blut.<br />

Beim Eisen war der Gehalt im Blut bei 13<br />

Prozent der Sportler zu niedrig. Die Fettsäuren-Konzentration<br />

in der Erythrozytenmembran<br />

spiegelte eine unausgewogene<br />

Aufnahme an Fettsäuren wieder, die sich<br />

bereits in den Ernährungsprotokollen andeutete.<br />

Das Verhältnis zwischen Ölsäure<br />

und Linolsäure lag sehr hoch; die Sportler<br />

nehmen zu viel an gesättigten Fettsäuren<br />

und zuwenig an mehrfach ungesättigten<br />

Fettsäuren auf. Das Verhältnis zwischen<br />

Arachidonsäure und der Eicosapentaensäure<br />

lag ebenfalls deutlich über dem<br />

günstigen Wert von 5:1. Dies bedeutet,<br />

dass die Sportler sehr wenig n-3-Fettsäuren<br />

aufnehmen, die vor allem in fetten<br />

Seefischen und in bestimmten Pflanzenölen<br />

vorkommen. N-3-Fettsäuren bieten<br />

einen sehr effizienten Schutz vor Herz-/<br />

Kreislauferkrankungen.<br />

Zink – ein wichtiges Element für das<br />

Immunsystem und die Proteinsynthese<br />

Die Ergebnisse der Blutanalyse haben gezeigt,<br />

dass die Zinkversorgung bei praktisch<br />

allen Sportlern, unabhängig von der<br />

Sportart, unzureichend ist. Die Ursachen<br />

hierfür sind sicherlich in den relativ großen<br />

Mengen an Zink zu sehen, die über<br />

den Schweiß verloren gehen. Die Verfügbarkeit<br />

von Zink aus der Nahrung kann<br />

durch verschiedene Faktoren beeinflusst<br />

werden. Gehemmt wird die Zinkaufnahme<br />

in den Körper durch Vollkornprodukte mit<br />

einem hohen Gehalt an Phytinsäure oder<br />

durch einen hohen Calciumgehalt bei einer<br />

Ernährung, die reich an Milchprodukten<br />

ist. Eine ausreichende Zinkversorgung ist<br />

besonders beim Sportler sehr wichtig.<br />

Zink spielt eine wichtige Rolle bei der<br />

Proteinsynthese und damit für die Regeneration<br />

von Muskelgewebe. Als Folge unzureichender<br />

Zinkversorgung tritt häufig<br />

das Übertrainingssyndrom auf, das nicht<br />

nur zu einer verminderten physischen und<br />

psychischen Leistungsfähigkeit führt, sondern<br />

auch eine Reduktion des Trainingsumfangs<br />

erzwingt. Auch das Immunsystem<br />

ist bei einer unzureichenden Zinkversorgung<br />

beeinträchtigt. Eine erhöhte<br />

Anfälligkeit für Infektionserkrankungen<br />

und Verletzungen als Folge davon führt<br />

beim Sportler zu Trainingsausfällen, die<br />

sich ebenfalls negativ auf die Leistung im<br />

Wettkampf auswirken.<br />

Es ist zu erwarten, dass eine Verbesserung<br />

der Zinkversorgung zu einer deutlichen<br />

Leistungssteigerung der Athleten führt.<br />

Diese Hypothese sollte im dritten Teil der<br />

Studie verfolgt werden. Dazu sollte die<br />

Wirkung einer Zinksupplementierung auf<br />

den Zinkstatus der Sportler und ihr Immunsystem<br />

(Unterstützung durch das Institut<br />

für Medizinische Immunologie, Prof.<br />

Dr. Jürgen Langner und OÄ Dr. Dagmar<br />

Riemann) untersucht werden. 40 Sportler<br />

wollten an dieser Studie teilnehmen und<br />

erklärten sich zu einer anfänglichen Blutabnahme<br />

bereit. Derzeit nehmen diese<br />

Sportler über einen Zeitraum von sechs<br />

Wochen täglich zwei Zinktabletten ein.<br />

Anschließend wird erneut von jedem der<br />

teilnehmenden Athleten eine Blutprobe genommen.<br />

Durch den Vergleich der Werte<br />

vor und nach der Zinkeinnahme soll der<br />

Erfolg dieser Behandlung ermittelt werden.<br />

Bislang liegen noch keine Ergebnisse<br />

vor; einige Athleten berichteten aber wenige<br />

Tage nach der ersten Einnahme von<br />

besserem Wohlbefinden und subjektiv<br />

empfundener Leistungssteigerung.<br />

Einschätzung der Ernährung von<br />

Sportlern<br />

Ein kritischer Faktor in der Ernährung von<br />

Sportlern ist zweifelsohne die Aufnahme<br />

von Fetten. Die Sportler nehmen zuviel<br />

tierische Fette, zuwenig pflanzliche Fette<br />

und zuwenig Ballaststoffe auf. Dieser<br />

Aspekt beeinträchtigt zwar nicht die Leistung,<br />

aber das langfristige Risiko für verschiedene<br />

Erkrankungen. Eine leistungsmindernde<br />

Wirkung dürfte aber vor allem<br />

die unzureichende Zufuhr an Zink, Magnesium<br />

und einigen Vitaminen haben.<br />

Die teilweise unzureichende Ernährungssituation<br />

der Sportler resultiert zum Teil<br />

aus dem Konsum stark verarbeiteter Produkte.<br />

Die Sportler sollten mehr Obst, Gemüse<br />

und Getreideprodukte als Lieferanten<br />

für Stärke, Ballaststoffe und einige<br />

Vitamine verzehren. Durch einen geringeren<br />

Konsum fetter tierischer Produkte sollte<br />

die Aufnahme gesättigter Fettsäuren gesenkt<br />

werden. Fleisch sollte teilweise<br />

durch Seefisch ersetzt werden, um die<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2001<br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

...............................................................................<br />

33<br />

Anja Bettzieche, Studentin der Ernährungswissenschaft<br />

und studentische Hilfskraft, im<br />

Labor<br />

Aufnahme an n-3-Fettsäuren und Jod zu<br />

verbessern. Zur Zubereitung von Speisen<br />

sollten mehr pflanzliche Öle verwendet<br />

werden, um eine bessere Versorgung mit<br />

mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu gewährleisten.<br />

Der hohe Bedarf an Magnesium<br />

und Zink von Sportlern kann möglicherweise<br />

nur durch Nahrungsergänzungspräparate<br />

gedeckt werden. Eine Fortführung<br />

der Studie wird hierüber Aufschluss<br />

geben.<br />

■<br />

Klaus Eder studierte Ökotrophologie<br />

(Haushalts- und Ernährungswissenschaften)<br />

an der Technischen Universität München<br />

in Freising-Weihenstephan, wurde<br />

1991 am dortigen Institut für Ernährungsphysiologie<br />

promoviert und habilitierte<br />

sich 1995 mit dem Thema »Experimentelle<br />

Untersuchungen zum Einfluss von Zinkmangel<br />

auf den Lipidstoffwechsel«. 1997<br />

folgte er dem Ruf auf die Professur »Qualität<br />

tierischer Produkte« an die Universität<br />

Göttingen und seit 1998 hat er an der<br />

halleschen Universität die Professur »Ernährungsphysiologie«<br />

inne. Er ist Direktor<br />

des Instituts für Ernährungswissenschaften<br />

an der Landwirtschaftlichen Fakultät.<br />

Mareike Großhauser ist ist seit April 2000<br />

Doktorandin am Institut für Ernährungswissenschaften.


scientia halensis 4/2001<br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />

KORONARE HERZKRANKHEIT UND SPORTTHERAPIE<br />

PSYCHISCHE BEWÄLTIGUNG VON CHRONISCHEN ERKRANKUNGEN<br />

Kati Dürrenfeld und Cornelia Demuth<br />

................................................................................<br />

Besonders in psychologisch orientierten Studien zur Koronaren Herzkrankheit (KHK) un-<br />

34 tersuchte man, dass diese chronische Erkrankung mit globalen schwerwiegenden, körperlichen<br />

und psychosozialen Belastungen einhergehen können, die im Prozess der Krankheitsbewältigung<br />

an die Patienten besondere Anforderungen stellen. Eine moderne Langzeitrehabilitation<br />

zielt sowohl auf eine Optimierung kardiophysiologischer Paramater<br />

auch die Wiederherstellung der psychischen Stabilität, die sich in einer individuumsspezifischen<br />

Wahrnehmung von »Gesundheit« bei den Patienten (vgl. Saner, H., 1993,<br />

S. 154).<br />

Ausgehend von stresstheoretischen Modellen<br />

(Lazarus & Folkman, 1984) bzw.<br />

der Life-event-Forschung (Filipp,1984)<br />

liegt ein Schwerpunkt der klinisch- psychologischen<br />

Forschung auf der psychischen<br />

Bewältigung von chronischen Erkrankungen.<br />

Am Institut für Sportwissenschaft wurde<br />

spezifisch der Fragestellung nachgegangen,<br />

ob in Abhängigkeit von der Verlaufsform<br />

der KHK und der aktuellen physischen<br />

Belastbarkeit der Patienten eine<br />

Teilnahme an sporttherapeutischen Maßnahmen<br />

den Prozess der Krankheitsverarbeitung<br />

positiv unterstützt.<br />

Die Untersuchungen wurden im Rahmen<br />

einer Diplomarbeit in der Rehabilitationsklinik<br />

»Elbe-Saale« in Barby durchgeführt.<br />

Die Patientenstichprobe wurde zwei<br />

Versuchgruppen zugeordnet: Patienten<br />

nach Bypassoperation (ohne Infarktereignis)<br />

und Patienten nach Herzinfarkt. Ebenso<br />

wurden beide Versuchsgruppen aufgrund<br />

ihrer physischen »Rest«-Leistungsfähigkeit<br />

zu Beginn des Klinikaufenthaltes<br />

belastungsspezifischen »Herzgruppen« zugeordnet.<br />

Die Aufgaben in der Sporttherapie reichten<br />

dabei von einem täglichen Ergometertraining<br />

(»HG/ 0«) bis zu intensiven physischen<br />

Tagesbelastungen (»HG/4«), die<br />

neben dem täglichen Ergometertraining<br />

durch Gehtraining, Wassertherapie eine<br />

Funktionsgymnastik in der Gruppe und<br />

ein koodinativ-konditionell belastendes<br />

Zirkeltraining erweitert wurden.<br />

In einem Prä-Posttest-Design wurde zur<br />

Datenerhebung der »Freiburger Fragebogen<br />

zur Krankheitsverarbeitung-FKV<br />

102« von F. A. Muthny (1989) eingesetzt.<br />

Aus der Varianzanalyse über die Zeit<br />

konnte ein signifikanter Interaktionseffekt<br />

zwischen den Krankheitsformen und dem<br />

Summenscore der Krankheitsverarbeitung<br />

(siehe Abbildung) ermittelt werden. Aus<br />

den signifikant veränderten Daten ausgewählter<br />

Skalen wird deutlich, dass die Infarktpatienten<br />

nach dreiwöchiger Rehabilitationsmaßnahme<br />

im Vergleich zu den Bypasspatienten<br />

Ereignisse weniger depressiv<br />

verarbeiten (p=,003**), ihre Erkrankung<br />

deutlich weniger bagatellisieren und ihre<br />

Krankheit eher realistisch beurteilen<br />

(p=,007**). Weiterhin ergeben die Daten,<br />

dass die Bypasspatienten auch nach der<br />

Rehabilitation ihre Emotionen stärker kontrollieren<br />

bzw. sich immer noch stärker aus<br />

sozialen Beziehungen zurück ziehen, als<br />

das die Herzinfarktpatienten tun (p=,014*).<br />

Die Ergebnisauswertung der physischen<br />

Leistungsfähigkeit verdeutlicht, dass sich<br />

die einzelnen Herzsportgruppen (HG) signifikant<br />

in der Subskala »Depressive Verarbeitung«<br />

unterschieden. Erwartungskon-<br />

form weisen Bypasspatienten mit geringer<br />

kardiovaskulärer Belastbarkeit (HG/0) im<br />

Posttest signifikant höhere Depressionswerte<br />

(p=,008*) als Bypasspatienten, die<br />

kardiovaskulär stärker belastbar waren und<br />

dadurch auch an vielfältigen sporttherapeutischen<br />

Maßnahmen teilnehmen konnten.<br />

Bei den Herzinfarktpatienten dagegen<br />

traten keine Unterschiede in den einzelnen<br />

Belastungsgruppen bezüglich aller Skalen<br />

der psychischen Krankheitsverarbeitung<br />

auf.<br />

Es kann geschlussfolgert werden, dass das<br />

Überleben eines Herzinfarktes dem Patienten<br />

eine Chance zur Neuorientierung bietet.<br />

Sporttherapie unterstützt die Bewältigung<br />

bei Infarktpatienten stärker als bei<br />

Bypasspatienten. Bypasspatienten erleben<br />

schon über längeren Zeitraum pathophysiologische<br />

Symptome, die sie als »bedrohlich«<br />

wahrnehmen und denen sie<br />

wahrscheinlich auch schon relativ hilflos<br />

»ausgeliefert« waren. Deshalb erscheint es<br />

nur logisch, dass sich dieser Prozess nach<br />

einer dreiwöchigen Rehabilitation eben<br />

noch nicht in einer vom Patienten selbst<br />

wahrnehmbaren kognitiven Umstrukturierung<br />

befinden kann.<br />

■<br />

Darstellung der MW-Unterschiede im Prä-Post-Vergleich von Krankheitsverarbeitung (gesamt) beider<br />

Untersuchungsgruppen<br />

Anzeige<br />

Autoreninformation Dr. Cornelia Demuth<br />

– siehe Seite 17.<br />

Kati Dürrenfeld wird das 2001 erfolgreich<br />

bearbeitete Diplomthema im Rahmen eines<br />

Promotionsstudiums am Institut für Sportwissenschaft<br />

fortführen.


BERUFUNGEN<br />

Prof. Dr. Christian Tietje<br />

JURISTISCHE<br />

FAKULTÄT<br />

Universitätsprofessor für Öffentliches<br />

Recht, Europarecht und Internationales<br />

Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät<br />

seit 1. Oktober 2001.<br />

Geboren am 14. März 1967 in Walsrode.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1987–1993 Studium der Rechtswissenschaften,<br />

Politischen Wissenschaften<br />

und Volkskunde in Kiel<br />

!989–1990 Studium in Paris<br />

1993 1. Juristisches Staatsexamen<br />

1994–1995 Studium an der University of<br />

Michigan (Ann Arbor), LL.M<br />

1993–1998 Referendar am OLG Schleswig<br />

1997 Promotion zum Dr. iur.<br />

1998 2. Juristisches Staatsexamen<br />

1998–2001 Wissenschaftlicher Assistent an<br />

der Universität Kiel<br />

2001 Habilitation und Lehrbefugnis;<br />

Universitätsprofessor in Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Internationalisiertes Verwaltungshandeln,<br />

Weltwirtschaftsrecht (insbes. WTO), Ursachen<br />

und Auswirkungen der Entstehung einer<br />

internationalen/globalen Zivilgesellschaft;<br />

Global Governance u. internationale Rechtsordnung;<br />

Europäisches Außenwirtschaftsrecht;<br />

Europäisches und internationales Umweltrecht,<br />

Verfassungsrecht.<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Internationalisiertes Verwaltungshandeln,<br />

763 Seiten, Berlin 2001<br />

• Normative Grundstrukturen der Behandlung<br />

nichttarifärer Handelshemmnisse in der<br />

WTO/GATT-Rechtsordnung, 510 Seiten,<br />

Berlin 1998<br />

• Welthandelsorganisation, Textausgabe mit<br />

Sachregister und einer Einführung, Beck-<br />

Texte im dtv Nr. 5752, XXIV + 321 Seiten,<br />

München 2000<br />

• Verschiedene Kommentierungen/Darstellungen<br />

in: Grabitz/Hilf/Krenzler (Hrsg.), Das<br />

Recht der EU, Bd. I und II, ca. 200 Seiten,<br />

München 1998 ff.<br />

• Die Stärkung der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />

im föderalen System Deutschlands in der jüngeren<br />

Rechtsprechung des BVerfG, Archiv<br />

des öffentlichen Rechts 124 (1999), S. 282–<br />

305<br />

Prof. Dr. Manfred Hettling<br />

Aerobic SV Halle, Trio<br />

Foto: Köhn<br />

FACHBEREICH<br />

GESCHICHTE,<br />

PHILOSOPHIE UND<br />

SOZIALWISSEN-<br />

SCHAFTEN<br />

Universitätsprofessor für Neuere und Neueste<br />

Geschichte am FB Geschichte, Philosophie u.<br />

Sozialwissenschaften seit 1. Oktober 2001.<br />

Geboren am 24. März 1956 in Ulm.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1976–1977 Studium der Mathematik und<br />

Physik in Regensburg<br />

1977–1980 Studium der Geschichte, Germanistik,<br />

Sozialkunde und Sprecherziehung<br />

in Regensburg<br />

1980 Sprecherzieherprüfung<br />

1980–1985 Studium der Geschichte und<br />

Germanistik in Bielefeld<br />

1983–1985 Stipendiat der Studienstiftung<br />

des deutschen Volkes<br />

1985 Staatsexamen<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2001<br />

Personalia<br />

...............................................................................<br />

1986–1994 Wiss. Mitarb. an d. Uni Bielefeld<br />

1989 Promotion zum Dr. phil<br />

1995–1997 DFG-Habilitationsstipendium<br />

1997 Habilitation<br />

1998–1999 Lehrstuhlvertr. an d. Uni Jena<br />

2000-2001 Lehrstuhlvertr. an d. Uni Halle<br />

2001 Universitätsprofessor in Halle<br />

Wissenschaftspreise:<br />

1989 Jahrespreis d. Westfälisch-Lippischen<br />

Universitätsgesellschaft<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Sozial- und Kulturgeschichte des 19. und 20.<br />

Jahrhunderts und Theorie der Geschichte<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Politische Bürgerlichkeit. Der Bürger zwischen<br />

Individualität und Vergesellschaftung<br />

in Deutschland und der Schweiz 1860 bis<br />

1918 (1999)<br />

• Totenkult statt Revolution. 1848 und seine<br />

Opfer (1998)<br />

• (Mitautor) Eine kleine Geschichte der<br />

Schweiz. Der Bundesstaat und seine Traditionen<br />

(1998)<br />

• (Mitherausgeber) Struktur und Ereignis<br />

(2001)<br />

• (Mitherausgeber) Der bürgerliche Wertehimmel.<br />

Innenansichten des 19. Jh. (2000)<br />

35


scientia halensis 4/2001<br />

...............................................................................<br />

Autorenanschriften/Rätsel<br />

WETTEN,<br />

SIE WISSEN’S<br />

NICHT!<br />

................................................................................<br />

Zeigt das Foto: 36 a) das Innenleben einer Teig-Knetmaschine<br />

b) Teile eines Wasserkochers<br />

oder<br />

c) etwas ganz Anderes – und wenn ja,<br />

was?<br />

AutorInnen dieser Ausgabe<br />

Schwerpunkt »Sport und Sportwissenschaft«<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Fachbereich Musik-, Sport- und<br />

Sprechwissenschaft<br />

Institut für Sportwissenschaft<br />

Selkestraße 9, 06122 Halle/Saale<br />

Tel.: (0345) 552 4421<br />

Fax: (0345) 552 7054<br />

Prof. Dr. Jürgen Leirich<br />

Tel.: (0345) 552 44 50<br />

E-Mail: leirich@sport.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Siegfried Leuchte<br />

Tel.: (0345) 552 44 44<br />

E-Mail: leuchte@sport.uni-halle.de<br />

Dr. Klaus Stöber<br />

Tel.: (0345) 552 44 47<br />

E-Mail: stoeber@sport.uni-halle.de<br />

Werner Goder<br />

Tel.: (0345) 552 4439<br />

E-Mail: goder@sport.uni-halle.de<br />

Dr. Hans-Günther Bernstein<br />

Tel.: (0345) 552 4428<br />

E-Mail: bernstein@sport.uni-halle.de<br />

Dr. Cornelia Demuth<br />

Tel.: (0345) 552 4437<br />

E-Mail:demuth@sport.uni-halle.de<br />

Ivonne Schmid<br />

Tel.: (0345) 552 4421 (über Sekretariat<br />

des Instituts für Sportwissenschaft)<br />

Dr. Andreas Lau<br />

Tel.: (0345) 552 4438<br />

E-Mail: lau@sport.uni-halle.de<br />

Dr. Rainer Glettner<br />

Tel.: (0345) 552 4438<br />

E-Mail: glettner@sport.uni-halle.de<br />

Foto: F. Olbertz<br />

Die Abbildung im Oktober-Journal 2001 zeigte die Baustelle auf dem Universitätsplatz aus einem<br />

besonderen Blickwinkel.<br />

Andreas Speer<br />

Tel.: (0345) 552 4451<br />

E-Mail: speer@sport.uni-halle.de<br />

PD Dr. Oliver Stoll<br />

Tel.: (0345) 552 4440<br />

E-Mail: stoll@sport.uni-halle.de<br />

Dr. Andreas Hahn<br />

Tel.: (0345) 552 4429<br />

E-Mail: hahn@sport.uni-halle.de<br />

Ulrike Liebisch<br />

Tel.: (0345) 552 4451<br />

Kati Dürrenfeld<br />

Tel.: (0345) 552 4441<br />

Universitätssportzentrum<br />

Selkestraße 9, 06122 Halle<br />

Hans-Joachim Peucker<br />

Tel.: (0345) 552 4430<br />

E-Mail: peucker@sport.uni-halle.de<br />

Autorenadressen außerhalb der<br />

Martin-Luther-Universität<br />

Prof. Dr. Theo Austermühle<br />

Rosenstraße 33<br />

06198 Salzmünde<br />

Tel.: (034609) 20403<br />

Tel.: (0345) 552 44 24<br />

E-Mail: austermuehle@sport.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Hans-Joachim Bartmuß<br />

Bad Harzburger Weg 6<br />

06120 Halle<br />

Tel.: (0345) 7760478<br />

Dörte Boßmann<br />

Karl-Liebknecht-Str. 25<br />

06114 Halle<br />

Tel.: (0345) 5321603<br />

PD Dr. Falk Hildebrand<br />

Institut für Angewandte Trainingswissenschaft<br />

PF 100841, 04008 Leipzig<br />

Tel.: (0341) 494501<br />

Fax: (0341) 4945400<br />

Constanze Draper<br />

NSW Institute of Sport<br />

P.O Box 475<br />

Sydney Markets NSW 2129<br />

Australia<br />

Tel.: 61 2 9763 0222<br />

Fax: 61 2 9763 0250<br />

Institut für Sprechwissenschaft und<br />

Phonetik<br />

Advokatenweg 37, 06114 Halle<br />

Miriam Hartinger<br />

Tel.: (0345) 552 4461<br />

Medizinische Fakultät<br />

Sektion Physikalische und<br />

Rehabilitative Medizin<br />

Ernst-Grube-Str. 40, 06120 Halle<br />

Prof. Dr. med. Detlev Riede<br />

Tel.: (0345) 557 2306<br />

Fax: (0345) 557 3334<br />

Dr. René Schwesig<br />

Tel.: (0345) 557 2753<br />

OA Dr. med. Klaus Müller<br />

Tel.: (0345) 557 2874<br />

E-Mail: klaus.mueller@medizin.unihalle.de<br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

Institut für Ernährungswissenschaften<br />

Emil-Abderhalden-Straße 26,<br />

06108 Halle<br />

Prof. Dr. Klaus Eder<br />

Tel.: (0345) 552 2702<br />

E-Mail: eder@landw.uni-halle.de<br />

Mareike Großhauser<br />

Tel.: (0345) 552 2727


VEREINIGUNG DER FREUNDE UND FÖRDERER DER<br />

MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE–WITTENBERG E.V.<br />

Ehrenvorsitzender des Kuratoriums: Senator e.h. Dr. h.c. mult. Hans-Dietrich Genscher<br />

DIE ARENA<br />

Schaufenster und Bühne<br />

Ein zentraler Bestandteil der Konzeption<br />

der Landesausstellung Sachsen-<br />

Anhalt 2002 „EMPORIUM. 500 Jahre<br />

Universität Halle–Wittenberg“ ist das<br />

Anliegen, im Jubiläumsjahr Themenbereiche<br />

wie Universität und Wissenschaft<br />

verstärkt in den öffentlichen,<br />

den städtischen Raum zu tragen.<br />

Daher wird während der Laufzeit der<br />

Ausstellung vom 23. April bis 30. September<br />

2002 direkt vor dem Hauptgebäude<br />

auf dem Universitätsplatz die<br />

ARENA errichtet, eine transparente<br />

und vielseitig nutzbare Bühnenkonstruktion,<br />

für die im Schnittpunkt<br />

gemeinsamer Themen von Universität<br />

und Stadt ein abwechslungsreiches<br />

Programm verschiedener Veranstalter<br />

konzipiert wird.<br />

Als Podium für kulturelle Veranstaltungen,<br />

als Informationsstelle für Fragen<br />

der Studienorganisation und -beratung,<br />

aber auch als Hörsaal in außergewöhnlicher<br />

Umgebung kann die<br />

ARENA durch ihren Standort und ihre<br />

offene Form das Interesse der Vor-<br />

Vorsitzender des Kuratoriums: Senator e.h. Dr. Gerhard Holland<br />

Präsident: Senator e.h. Dr. Wolfgang Röller<br />

übergehenden auf<br />

das Thema “Universität”<br />

lenken<br />

und ein breites<br />

Publikum ansprechen.<br />

Das vielseitige<br />

Angebot der<br />

ARENA umfasst<br />

unter anderem<br />

Konzerte, Theateraufführungen,Vorlesungen,Diskussionsrunden<br />

und<br />

Experimentalvorführungen.SpezielleThemenbereiche<br />

der Landesausstellungwerden<br />

in besonderen Veranstaltungen<br />

aufgegriffen und vertieft. Außerdem<br />

beinhaltet das gebotene Programm<br />

sowohl Präsentationen einzelner<br />

Fakultäten und Fachbereiche als auch<br />

öffentliche Vorträge zur Wissenschaftshistorie<br />

verschiedener Disziplinen.<br />

Die Montagsvorlesungen zur<br />

500-jährigen Geschichte der Universi-<br />

Geschäftsführer: Peter Weniger<br />

c/o Martin-Luther-Universität Halle –Wittenberg, 06099 Halle (Saale)<br />

Telefon: (03 45) 55-2 10 24/25<br />

Telefax: (03 45) 55-2 70 85<br />

e-mail: PWeniger@vff.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.uni-halle.de/vff/<br />

Für Mitgliedsbeiträge und Spenden wurden folgende Konten eingerichtet:<br />

Dresdner Bank Halle,<br />

Konto-Nr. 857 362 100, BLZ 800 800 00<br />

Stadt- und Saalkreissparkasse Halle,<br />

Konto-Nr. 386 300 762, BLZ 800 537 62<br />

tät Halle-Wittenberg für Hörer aller<br />

Fakultäten finden ebenfalls in der<br />

ARENA statt.<br />

Ausstellung und ARENA werden von<br />

der VFF gefördert. Hauptsponsor ist<br />

die Dresdner Bank. Eine umfangreiche<br />

Unterstützung gewährt auch die<br />

Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt.<br />

Spenden zur Verwirklichung der Ziele der Vereinigung und zum Nutzen der Universität sind jederzeit willkommen. Diese Spenden können<br />

an eine Zweckbestimmung gebunden sein. Die Vereinigung ist berechtigt, steuerwirksame Spendenbescheinigungen auszustellen<br />

Grafik: QUADRO

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