WISSENSCHAFTS JOURNAL
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Ausgabe<br />
4/01<br />
Uni<br />
der<br />
Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg<br />
<strong>WISSENSCHAFTS</strong><br />
<strong>JOURNAL</strong><br />
Sport und Sportwissenschaft an<br />
der halleschen Universität<br />
Erforschung des Sports als kulturelles<br />
Phänomen<br />
Schöpfer des »deutschen Turnens«<br />
– Friedrich Ludwig Jahn<br />
Wie gut ernähren sich Sportler?<br />
scientia halensis
Editorial<br />
Jürgen Leirich ....................................................................................................................... 2<br />
Sport und Sportwissenschaft an der Universität<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
Auf der Suche nach einer Theorie moderner Körperkultur<br />
Erforschung des Sports als Phänomen menschlicher Kultur<br />
Theo Austermühle .................................................................................................................. 3<br />
Sportwissenschaft im Spannungsfeld<br />
zwischen Differenzierung und Integration<br />
Jürgen Leirich ........................................................................................................................ 5<br />
Sportarten als Gegenstände sportwissenschaftlicher<br />
akademischer Lehre<br />
Klaus Stöber ........................................................................................................................... 7<br />
Der Schöpfer des »deutschen Turnens«<br />
Friedrich Ludwig Jahn und die Universität Halle<br />
Hans-Joachim Bartmuß. ........................................................................................................ 9<br />
Moderne Berufsfelder des Sports<br />
Herausforderung für Studium und Lehre<br />
Siegfried Leuchte ................................................................................................................... 11<br />
Hochschulsport – Entwicklung im Überblick<br />
Attraktives Angebot in Halle umfasst 54 Sportarten<br />
Hans-Joachim Peucker .......................................................................................................... 13<br />
Schüler für die Sportwissenschaft begeistern<br />
Erfahrungen aus der Projektarbeit mit städtischen Gymnasien<br />
Siegfried Leuchte und Werner Goder .................................................................................... 14<br />
Sportwissenschaft und neue Medien<br />
Multimediale Möglichkeiten noch zu wenig genutzt<br />
Günther Bernstein .................................................................................................................. 15<br />
Erreichen Erwachsene mit einer geistigen Behinderung<br />
»spielend« mehr Handlungskompetenz?<br />
Cornelia Demuth und Ivonne Schmid ................................................................................... 16<br />
Sport als Mittel der Resozialisierung<br />
von jugendlichen Strafgefangenen<br />
Theo Austermühle und Andreas Lau ..................................................................................... 18<br />
Neue Trainingsmittel gegen den Rückenschmerz<br />
Gemeinsames Forschungsprojekt Medizin und Sportwissenschaft<br />
Siegfried Leuchte, René Schwesig, Klaus Müller und Detlev Riede .................................... 19<br />
Rollstuhltennis<br />
Ein neues Sportangebot für Behinderte<br />
Rainer Glettner und Dörte Boßmann .................................................................................... 21<br />
Zur Geschichte der Ganganalyse<br />
Dem Rätsel des menschlichen Gangs auf der Spur<br />
Siegfried Leuchte und Andreas Speer ................................................................................... 22<br />
Die Effektivität von sportlicher Aktivität<br />
zur Verbesserung der psychischen Gesundheit<br />
Oliver Stoll ............................................................................................................................. 24<br />
Dreidimensionale Videobildanalyse von<br />
Schwimmbewegungen im Leistungssport behinderter Menschen<br />
Andreas Hahn, Falk Hildebrand und Constanze Draper ..................................................... 26<br />
Motorik und Kommunikation<br />
Jürgen Leirich, Ulrike Liebisch und Mariam Hartinger ...................................................... 28<br />
Wie gut ernähren sich Sportler?<br />
Steigerung der Leistungsfähigkeit durch gezielte Ernährung<br />
Mareike Großhauser und Klaus Eder ................................................................................... 31<br />
Koronare Herzkrankheit und Sporttherapie<br />
Psychische Bewältigung von chronischen Erkrankungen<br />
Kati Dürrenfeld und Cornelia Demuth ................................................................................. 34<br />
Personalia ............................................................................................................................... 35<br />
Autorenadressen und Rätselfoto ............................................................................................ 36<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Inhalt / Impressum<br />
...............................................................................<br />
I MPRESSUM<br />
1<br />
scientia halensis – Das Wissenschaftsjournal<br />
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Ausgabe 4/2001, 9. Jahrgang<br />
erscheint viermal im Jahr<br />
H ERAUSGEBER<br />
Der Rektor der Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg<br />
R EDAKTION<br />
Dr. Monika Lindner, Ute Olbertz (verantwortlich<br />
für diese Ausgabe), Dr. Margarete Wein<br />
R EDAKTIONSBEIRAT (für scientia halensis –<br />
Universitätszeitung und Wissenschaftsjournal):<br />
Prof. Dr. Wilfried Grecksch (Rektor),<br />
Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg, Prof. Dr. René<br />
Csuk, Prof. Dr. Gernot W. Duncker, Dr. Frank<br />
Eigenfeld, Dr. Renate Federle, Dr. Roswitha<br />
Geiling, Jens Gerth, Prof. Dr. Siegfried<br />
Hoffmann, Prof. Dr. Manfred Lemmer, Dr.<br />
Monika Lindner, Ute Olbertz, Katrin Rehschuh,<br />
Prof. Dr. Hans-Joachim Solms, Dr. Ralf-<br />
Torsten Speler, Dr. Margarete Wein, Prof. Dr.<br />
Alois Wenig<br />
G RAFIK-DESIGN<br />
Barbara und Joachim Dimanski<br />
Dipl.-Grafik-Designer AGD/BBK<br />
A NSCHRIFT DER REDAKTION<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Rektorat, 06099 Halle (Saale)<br />
Besucheranschrift: Universitätsring 14<br />
Telefon: (0345) 552 14 20/22/24<br />
Fax: (0345) 552 70 82, 552 72 54<br />
E-Mail:<br />
m.lindner@verwaltung.uni-halle.de<br />
m.olbertz@verwaltung.uni-halle.de<br />
m.wein@verwaltung.uni-halle.de<br />
Internet: http://www.uni-halle.de<br />
L AYOUT<br />
Ute Olbertz<br />
Jens Gerth (Umschlagseiten)<br />
D RUCKVORBEREITUNG & DRUCK<br />
Satz & Grafik Halle<br />
Union Druck Halle<br />
A NZEIGENPREISLISTE<br />
Nr. 1/2001<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />
oder des Herausgebers wieder.<br />
Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte<br />
oder Bilder keine Haftung.<br />
ISSN 0945-9529<br />
Die scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />
Unterstützung der Vereinigung der Freunde<br />
und Förderer der Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg e. V.
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
editorial<br />
EDITORIAL<br />
Jürgen Leirich<br />
................................................................................<br />
Das Institut für Sportwissenschaft feierte<br />
2 1999 als eines der ältesten Universitäts-Institute<br />
in Deutschland sein 75-jähriges Bestehen<br />
mit einem Kolloquium zum Thema:<br />
Paradigmenwechsel in der Sportwissenschaft.<br />
Zielstellung dieser Konferenz war<br />
es, sowohl die Entwicklungen unter historischem<br />
Aspekt an der halleschen Universität<br />
aufzuzeigen, als auch die Veränderungen<br />
im Grundverständnis über Wesen,<br />
Funktion und Bedeutung der Sportwissenschaft<br />
zu analysieren. Die Zäsuren sind zu<br />
erklären aus der Entwicklung der Sportwissenschaft<br />
selbst im Kontext angrenzender<br />
und Mutterwissenschaften, aber auch<br />
auf Grund von gesellschafts- und sportpolitischen<br />
Veränderungsprozessen. Das<br />
Spektrum der Sportberufe hat sich insbesondere<br />
im letzten Jahrzehnt wesentlich erweitert,<br />
und deshalb wurden nach 1990 sowohl<br />
neue Studiengänge eingeführt als<br />
auch die Forschungsthemen beträchtlich<br />
erweitert.<br />
Die Sportwissenschaft artikuliert die Gesamtheit<br />
der Erkenntnisse, die die Probleme<br />
und Erscheinungsformen von Sport<br />
zum Gegenstand haben.<br />
Was aber verstehen wir heute unter Sport?<br />
Noch vor einigen Jahren wäre eine Antwort<br />
darauf im Hinblick auf eine vordergründig<br />
psycho-physische Leistungsorientierung<br />
leicht gefallen. Sport wurde gleichgesetzt<br />
mit »Kräftemessen« und Wettkampf.<br />
Und die Sportwissenschaft verstand<br />
sich als »Optimierungswissenschaft«<br />
hinsichtlich der Erforschung von Grundlagen<br />
und Methoden der physischen Vervollkommnung<br />
(Schulsport) und Leistungssteigerung.<br />
In den letzten Jahren ist<br />
Sport zunehmend ein Phänomen moderner<br />
Gesellschaften geworden. Millionen verfolgen<br />
die internationalen Sportwettkämpfe<br />
in den Medien und ebenso viele gehen<br />
wöchentlich zum »Sport«, um ihre körperliche<br />
Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu<br />
verbessern oder wieder herzustellen.<br />
Schlagworte sind heute: Fitness, Wellness,<br />
gesundes Altern und die Erhaltung der<br />
motorischen Alltagskompetenz. Neu aber<br />
ist auch die Übertragung dieser Begriffe<br />
auf Kranke, Rehabilitanden und Behinderte.<br />
Es werden also nicht mehr nur die traditionellen<br />
Sportarten betrieben, sondern<br />
die gesundheits-, therapie-, erlebnis- und<br />
freizeitorientierten Angebote haben immens<br />
zugenommen. Wir sprechen heute in<br />
Anzeige<br />
diesem Zusammenhang von der »Versportung«<br />
der Gesellschaft und der »Entsportung«<br />
des Sports. Damit hat sich auch die<br />
Breite sportwissenschaftlicher Themen<br />
ganz wesentlich erweitert. Das vorliegende<br />
Heft »scientia halensis« gibt einen Überblick<br />
über die wissenschaftliche Palette<br />
sport-, gesundheits- und ernährungswissenschaftlicher<br />
Themen auch unter Berücksichtung<br />
des Berufsfeldes Sport, der<br />
Entwicklung von Sport und Sportwissenschaft<br />
an unserer Universität und deren<br />
Bedeutung in der Region. Das Institut für<br />
Sportwissenschaft gehört zum Fachbereich<br />
Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft,<br />
der sich als kulturwissenschaftlich-orientierter<br />
Fachbereich versteht. Das universitätsbezogene<br />
– partiell auch fachliche –<br />
Zusammenwirken und das gegenseitige<br />
Verständnis dafür, dass neben wissenschaftlicher<br />
Fundierung die praktisch-methodische<br />
Unterweisung Bestandteil universitärer<br />
Ausbildung sein muss, bestätigt<br />
die Sinnhaftigkeit der auf Vorschlag des<br />
damaligen Rektors Prof. Dr. Dr. Gunnar<br />
Berg und des Prorektors Prof. Dr. Hans-<br />
Hermann Hartwich erfolgten Fachbereichsgründung<br />
im Jahre 1993.
Wenn Sportwissenschaftler der DDR während der 60er Jahre angesichts der Ausdifferenzierung<br />
der Sportwissenschaft in zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen feststellten, dass ein<br />
relativ unverbindliches Nebeneinander der sich profilierenden Fachdisziplinen zu beobachten<br />
sei, so kann dies auch als Indiz für die Erkenntnis gelten, eine notwendige integrative<br />
Theorie der Sportwissenschaft zu finden. Die damals im Entstehen befindliche Theorie<br />
der Körperkultur konnte dies nicht leisten, weil sie einseitig, auf marxistischer Grundlage<br />
konzipiert andere durchaus entwicklungsträchtige Ansätze nicht aufzunehmen bereit<br />
war. Ursprünglich scheint die Sporthistorie eine geeignete Klammer zu bieten, um Leibesübungen,<br />
Gymnastik, Turnen und Sport in einem Theoriekonzept zu fassen, das deren<br />
Einbettung in unterschiedliche Milieus und Lebensstilformen zu gewährleisten verspricht.<br />
Der sprunghafte Aufstieg des Sports und<br />
der Sportwissenschaft nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg, insbesondere durch den Eintritt<br />
des sowjetischen Sports in die olympische<br />
Arena (1952) und der sportlichen Aufrüstung<br />
der von der Sowjetunion abhängigen<br />
Vasallenstaaten innerhalb der 50er und<br />
60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts<br />
verweist auf andere theoretische Erklärungsmodelle<br />
als sie die Sporthistorie noch<br />
zu liefern im Stande war. Denn in der Auseinandersetzung<br />
zweier politischer Weltsysteme<br />
und der Emanzipation zahlreicher<br />
Entwicklungsländer kommt es zu einer<br />
leistungssportlichen Revolution, die auch<br />
im Bildungswesen ihre Spuren hinterlässt.<br />
Sportliches Leisten und Handeln werden<br />
von der Trainingswissenschaft, der Sportmedizin,<br />
der Sportmotorik und Biomechanik,<br />
teilweise auch von der Sportpsychologie,<br />
maßgeblich weiterentwickelt. Sie<br />
werden, denkt man besonders an die Entwicklung<br />
des Frauensports, zu Garanten<br />
des Rekord- und Erlebnismarketings im<br />
Sport am Ende des 20. Jahrhunderts.<br />
Betrachtet man dieses handlungsgeprägte<br />
Paradigma vor dem Hintergrund einer sich<br />
heute sehr heterogen präsentierenden<br />
Sportwelt, so hat man es mit einer zweifellos<br />
notwendigen nicht aber auch hinreichenden<br />
Bedingung zu tun, die einer theoretischen<br />
Fundierung des Betrachtungsgegenstandes<br />
gerecht wird.<br />
Pädagogische und philosophische Wurzeln<br />
im Olympismus Pierre de Coubertins<br />
Die reformerischen Ideen Pierre de Coubertins<br />
und seines väterlichen Freundes,<br />
Pater Henri Didon, verfolgen mit der Orientierung<br />
und Wiedererweckung der antiken<br />
Agone (Wettbewerbe mit sportlichen,<br />
literarischen und musischen Aktivitäten,<br />
wie sie auch in Ausbildungskonzepten<br />
französischer Klosterschulen bereits seit<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts praktiziert worden<br />
sind) nicht nur eine Verbesserung der<br />
Jugenderziehung mit Hilfe des nach ihrer<br />
Überzeugung die Sozialisation günstig beeinflussenden<br />
Sports. Die im Olympismus<br />
verankerten Werte einer nationale Identifikation,<br />
aber auch gleichzeitig Frieden stiftenden<br />
Idee, die mit den Mitteln und Möglichkeiten<br />
des Sports verwirklicht werden<br />
sollte, wird dadurch zu einem globalen<br />
Anliegen im Zusammenleben der Völker –<br />
und somit zu einem soziologisch interes-<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
AUF DER SUCHE NACH EINER THEORIE MODERNER KÖRPERKULTUR<br />
ERFORSCHUNG DES SPORTS ALS PHÄNOMEN MENSCHLICHER KULTUR<br />
Theo Austermühle<br />
...............................................................................<br />
santen Feld für Zeitdiagnosen, Beratungs- 3<br />
und Interventionsmodelle. Weiterhin erfordern<br />
die seit Anfang der 80er Jahre im<br />
Weltsport erfolgten Veränderungen hinsichtlich<br />
der Professionalisierung und<br />
Kommerzialisierung innerhalb des Sports<br />
eine sorgsame wissenschaftliche Begleitung<br />
und Beratung, da diesem System sowohl<br />
enorme Entwicklungschancen als<br />
auch der Keim der Selbstzerstörung innewohnen.<br />
Dies bezogen auf seine Potenzen<br />
als Wirtschaftsfaktor, als Feld der Erkenntnis<br />
hinsichtlich leistungsphysiologischer<br />
und medizinischer Erkenntnisse, der Förderung<br />
von Eliten, aber auch seiner breitensportlich<br />
attraktiven Seiten, seiner Rolle<br />
in der Welt der Medien usw.<br />
Obwohl also der Olympismus de Coubertins<br />
in seinen Ursprüngen nicht nur ein auf<br />
die Formung leistungssportlicher Eliten<br />
Deckblatt der Broschüre: Bundesfinale – Jugend trainiert für Olympia – Wintersport<br />
Foto: A. Schröter
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
................................................................................<br />
orientiertes Konzept war, reichen die aus<br />
4 der damaligen Zeit heraus entstandenen<br />
theoretischen Konstrukte nicht mehr aus,<br />
um daraus allein theoretische Diagnoseund<br />
Interventionsmuster abzuleiten.<br />
Der Sport im Blickfeld der Soziologie<br />
Der Sport im Blickfeld der Debatte von<br />
Zivilisations- und Kultursoziologen wird<br />
spätestens seit Norbert Elias und seinen<br />
Schülern engagierter geführt. Die hieraus<br />
resultierenden Theorie-Praxis-Bezüge fanden<br />
z. B. in den durch G. Pilz seit Jahren<br />
geführten Projekten zur Fanproblematik<br />
und zur Aggressionsforschung ihren Niederschlag.<br />
Ähnliche Bemühungen um die sportwissenschaftliche<br />
Theorienbildung sind vor<br />
dem Hintergrund der funktional-strukturellen<br />
Systemtheorie Niklas Luhmanns durch<br />
die Sportsoziologen H. Digel, K. H. Bette,<br />
K. Chachay, aber auch aus der Soziologie<br />
selbst durch U. Schimank und, insbesondere<br />
im Hinblick auf den organisationssoziologischen<br />
Hintergrund, durch K.<br />
Heinemann zu nennen (letzterer eher ein<br />
Anhänger des Strukturfunktionalismus).<br />
Zu Recht wurde in jüngster Zeit darauf<br />
verwiesen, dass die sehr ausufernde Betrachtung<br />
der Sportszene (»Sport für alle«<br />
und »Sport für alles«) die Sinnperspektive<br />
des Sports nicht auf seine eigentlichen<br />
Wurzeln, seine autonomen Sinninhalte reduziert.<br />
Nach Sven Güldenpfennig vermisst<br />
man in allen Diskussionen um die<br />
autonomen Werte und konstitutiven Elemente<br />
des Sports vor allem eine hinreichende<br />
Klarheit ȟber die Sinngrenzen des<br />
Handlungs- und Untersuchungsraumes<br />
dieses Kulturmusters Sport,« (Sven Güldenpfennig:<br />
Der Hochschulsport – Teil der<br />
Hochschul- und der Sportkultur. Eine<br />
theoretische Problemskizze. In: Weimarer<br />
Vorträge über Beziehungen des Sports zu<br />
Kunst und Kultur. Weimar Universitätsverlag<br />
2000, 122) die es ermöglichen würde,<br />
das Wesentliche dieses Phänomens<br />
menschlicher Kultur zu bestimmen, und<br />
die methodischen Instrumentarien zu seiner<br />
Untersuchung bereit zu stellen.<br />
Ähnlich äußert sich Niklas Luhmann zur<br />
hier diskutierten Problematik, wenn er darauf<br />
verweist: »Der Sport legitimiert das<br />
Verhalten zum eigenen Körper durch den<br />
Sinn des Körpers selbst- ...und er tut dies,<br />
ohne sich an Sinndomänen anderer Provenienz<br />
anhängen zu müssen.« (Zitiert nach<br />
R. Hitzler: Ist Sport Kultur? In: Zeitschrift<br />
Judo gehört zu den Wintersportarten beim Bundeswettbewerb der Schulen.<br />
für Soziologie 20. Jg., 1991, 6, 486)<br />
In der Tat scheint das größte Problem in<br />
der Ausgrenzung der Inhalte und Erwartungen<br />
zu bestehen, die weitgehend außerhalb<br />
des eigentlichen sportlichen Tuns und<br />
Gestaltens soziale Aufgaben lösen helfen,<br />
als gesellschaftlich erwünscht erscheinen<br />
und Ersatzfunktionen für anderweitig defizitäre<br />
kulturelle Wert- und Handlungsmuster<br />
erfüllen, wie dies uns beispielsweise in<br />
der Freizeitgestaltung Jugendlicher (Langeweile,<br />
unterentwickelte kulturelle Bedürfnisse,<br />
mangelnde Qualifikation zur<br />
Meisterung der Freizeit usw.) mitunter entgegentritt.<br />
Sport als selbstzweckhafte körperliche Aktivität,<br />
mit deren Hilfe die Sporttreibenden<br />
Anerkennung erwerben, ihre Grenzen im<br />
Sinne der Selbstverwirklichung erfahren<br />
wollen, sich freiwillig Normen und Sanktionen<br />
unterwerfen, bewusst Schwierigkeiten<br />
stellen, häufig lustvoll scheinbar ganz<br />
überflüssige Strapazen auf sich nehmen,<br />
sind Kernpunkte dieser Sinnstruktur. Güldenpfennig<br />
weist in diesem Zusammenhang<br />
darauf hin, dass der erstrebte Sieg<br />
über einen eventuellen Gegner (oder sich<br />
selbst) nur ein Hilfsmittel im Prozess der<br />
Herausforderung »aller Reserven bei dem<br />
Bestreben nach Selbstvervollkommnung<br />
oder Selbstüberbietung« (S. Güldenpfennig<br />
a. a. O., 123) sei.<br />
Eine Theorie der Körperkultur hat sich<br />
deshalb zwar an dieser Sinnperspektive<br />
der Gestaltung spezifischer kultureller Prozesse<br />
im Sport messen zu lassen. Vernetzungen<br />
zu sozialen Handlungsfeldern und<br />
Partnern, die gleichfalls kulturelle Teilsysteme<br />
verkörpern können, werden dabei<br />
zunehmend an Bedeutung gewinnen, wenn<br />
man an Wirtschafts-, Organisations-, Gesundheits-,<br />
Freizeit-, Gewaltprobleme oder<br />
sportethische Fragen denkt.<br />
Angesichts moderner Entwicklungen im<br />
Sport des beginnenden 21. Jahrhunderts,<br />
die den Zuschauersport, die Rezeption von<br />
Sport in den Massenmedien, der Kapital-<br />
Foto: A. Schröter<br />
erträge im und durch den Sport in bisher<br />
nicht gekannten Dimensionen, besteht die<br />
Gefahr, dass für den Sportwissenschaftler,<br />
noch mehr aber für den Alltagssportler<br />
und Sport-Konsumenten, die Sinndomäne<br />
des Sports abhanden kommt. Sportferne<br />
Phänomene können bewusst oder unbewusst<br />
für den Kern einer Theorie der Körperkultur<br />
gehalten werden. Die Folge können<br />
dann defätistische Diskussionen über<br />
Skandale in der olympischen Bewegung<br />
einer am Kapitalismus orientierten Gesellschaft,<br />
über amoralische Haltungen von<br />
Sportlern und Sportführern, über Dopingpraktiken<br />
in einigen spektakulären Sportarten<br />
und ähnliches sein. Sportsoziologie<br />
als theoriegeleitete empirische Wissenschaft<br />
wird sich auch künftig insbesondere<br />
den Verknüpfungen des Sports mit anderen<br />
kulturellen, wirtschaftlichen, öffentlichkeitswirksamen<br />
oder gesundheitspolitischen<br />
Themen zuwenden. Theoriegeleitetes<br />
Vorgehen heißt dabei für den Wissenschaftler,<br />
die soziologischen Gegenwartsdiagnosen<br />
und eventuell daraus abzuleitenden<br />
Prognosen am Sinnkern des<br />
Sports, aber auch erweitert, der Körperkultur<br />
zu orientieren.<br />
■<br />
Prof. Dr. Theo Austermühle (Jahrgang<br />
1936) vertrat bis zum Frühjahr 2001 das<br />
Fachgebiet Sportwissenschaft mit den<br />
Schwerpunkten Sportsoziologie und Sportgeschichte<br />
am Institut für Sportwissenschaft<br />
der Martin-Luther-Universität. Seine<br />
Arbeitsschwerpunkte lagen in der<br />
Sportgeschichte (Promotion 1971) und<br />
Sportsoziologie (Habilitation 1983), insbesondere<br />
hier in der Lebensweise- und<br />
Studentenforschung. Jüngere Arbeiten<br />
widmen sich der zeitgeschichtlichen Forschung<br />
zur Entwicklung der DDR-Sportwissenschaft<br />
und des DDR-Alltagssports.<br />
Von 1992 bis 1998 war er Direktor des Instituts<br />
für Sportwissenschaft in Halle. Seit<br />
April 2001 ist er im Ruhestand.
SPORTWISSENSCHAFT IM SPANNUNGSFELD<br />
ZWISCHEN DIFFERENZIERUNG UND INTEGRATION<br />
Jürgen Leirich<br />
Die Sportwissenschaft, zunächst als Theorie der Leibes- oder Körpererziehung bezeichnet,<br />
hat sich durch einen fachwissenschaftlichen Differenzierungsprozess herausgebildet<br />
und im Spannungsfeld zwischen Differenzierung und Integration im Sinne dialektischer<br />
Wechselwirkungen entwickelt. Allerdings gilt heute der Integrationsprozess als noch zu<br />
wenig fortgeschritten, was uns besonders aus der Sicht der Wissenschaftsentwicklung und<br />
Forschung, aber auch der Lehre beschäftigt. Die Sportwissenschaft – als angewandte<br />
Wissenschaft – wird heute auch den Kulturwissenschaften zugeordnet. Sie konstituiert<br />
sich aus medizinischen sowie geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen.<br />
Für die Sportwissenschaft spielte sich der<br />
Differenzierungsprozess vor allem in den<br />
60er Jahren ab, einer Zeit, in der sich die<br />
Disziplinen: Bewegungslehre (MEINEL),<br />
Biomechanik (HOCHMUTH), Sportpsychologie<br />
(PUNI), Sportmedizin (NÖ-<br />
CKER) und Trainingswissenschaft (HAR-<br />
RE) im besonderen Maße herausbildeten.<br />
Morphologische Merkmale zur Diagnostik<br />
von Bewegungen, Lehr- und Lernmethoden<br />
sowie sportartspezifische Methodikpositionen<br />
wurden zunehmend in Frage gestellt<br />
und Aussagen zur Technik, zum<br />
Technikleitbild, zur Leistungsstruktur, zu<br />
den Fähigkeiten und Fertigkeiten und Erfordernissen<br />
des Trainings auch unter den<br />
Bedingungen des Schulsports rückten in<br />
den Mittelpunkt der Betrachtung. Naturwissenschaftliche<br />
Forschungsmethoden,<br />
systemtheoretisches und kybernetisches<br />
Denken, handlungstheoretische Ansätze,<br />
programmiertes Lernen und anderes fanden<br />
Eingang in die Sportwissenschaft und<br />
förderten den Differenzierungsprozess.<br />
Nicht zufällig erfolgte in dieser Zeit die<br />
Umbenennung der Institute für Körpererziehung<br />
in Institute bzw. Sektionen für<br />
Sportwissenschaft und die gleichzeitige<br />
Neustrukturierung in Wissenschaftsbereiche,<br />
die das Integrationsbemühen fördern<br />
sollten. Dass dieser Prozess verhältnismäßig<br />
lange dauerte, lag daran, dass er nicht<br />
einheitlich und zeitgleich verlief.<br />
Paradigmenwechsel in der Sportwissenschaft<br />
Es hat in der Entwicklung der Sportwissenschaft<br />
zweifelsohne Paradigmenwechsel<br />
gegeben. So wurde die zunächst einseitige<br />
pädagogisch-methodische Orientierung<br />
auf den Schulsport dadurch abgelöst,<br />
dass sich die Sportwissenschaft mit der<br />
Entwicklung und zunehmenden politischen<br />
Bedeutung des Leistungssports als<br />
»Optimierungswissenschaft der sportlichen<br />
Leistungsfähigkeit« insbesondere in<br />
der Periode der politischen Systemauseinandersetzung<br />
verstand. Das war mit Konsequenzen<br />
für den Differenzierungspro-<br />
zess und der Forschungs-Schwerpunktbildung<br />
verbunden. Heute nehmen dagegen<br />
Aspekte der Gesundheit und Wellness, der<br />
erlebnisreichen Freizeitgestaltung und des<br />
Spaßes eine zunehmende Rolle ein.<br />
Salutogenese-Konzepte haben Eingang in<br />
die Sportwissenschaft gefunden, so dass<br />
davon ableitend die Zuordnung der Sportwissenschaft<br />
auch zu den Gesundheitswissenschaften<br />
durchaus verständlich erscheint.<br />
Im wesentlichen lässt sich Folgendes feststellen:<br />
1. Die Instrumentalisierung des Sports<br />
durch die Gesellschaft hatte wesentlichen<br />
Einfluss auf die Entwicklung der Sportwissenschaft.<br />
2. Die Ausdifferenzierung der Sportwissenschaft<br />
und deren Widerspiegelung in<br />
Form der Wissenschaftsdisziplinen hat das<br />
Fachverständnis der Sportwissenschaft als<br />
akademisches Fach geprägt und führte zur<br />
Etablierung des Fächerkanons und in unterschiedlichem<br />
Umfang auch der Berufungsgebiete.<br />
3. Themenfelder der Sportwissenschaft<br />
stellen Integrationsansätze dar. Sie erweitern<br />
das Fachverständnis; als Denomination<br />
für Berufungsgebiete werden sie unter<br />
akademischen Gesichtspunkten als untauglich<br />
angesehen.<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
4. Das Berufsfeld Sport hat sich in den<br />
letzten Jahren derart verbreitert, dass die<br />
universitäre Ausbildung zwar Grundlegendes<br />
zu vermitteln hat, aber auch der berufsfeldspezifischen<br />
Ausdifferenzierung<br />
Rechnung tragen muss.<br />
Der Gegenstand Sport musste stärker reflektiert<br />
werden, um das Konstituierungsproblem<br />
der Sportwissenschaft besser zu<br />
verstehen. Während anfangs von der biosozialen<br />
Einheit des Menschen im Zusammenhang<br />
mit sportlicher Tätigkeit ausgegangen<br />
wurde, erfolgte in den 80er Jahren<br />
die konzeptionelle Weiterentwicklung zur<br />
biopsychosozialen Einheit auch als Ausdruck<br />
des gewachsenen Differenzierungsprozesses<br />
der Sportwissenschaft. Der Begriff<br />
der Trinität wird zum Zentralbegriff<br />
der »biopsychosozialen Einheit Mensch«.<br />
Damit ist die Position, dass Sport Ausdruck<br />
eines »menschlichen Urphänomens«<br />
sei, endgültig überwunden. Die Betonung<br />
des dialektischen Wechselverhältnisses<br />
zwischen biotischen, psychischen und sozialen<br />
Faktoren schließt Differenzierung<br />
und Integration ein. Dem Psychischen<br />
wird die Funktion des regulatorischen,<br />
vermittelnden Gliedes zwischen biotischen<br />
Grundlagen und sozialen Bedingungen<br />
eingeräumt.<br />
Wandlung des Sportbegriffes<br />
Einfluss auf die Sportwissenschaft hat<br />
auch die Wandlung des Sportbegriffes in<br />
der Öffentlichkeit genommen. Sport ist<br />
heute mehr denn je zum Alltagsphänomen<br />
geworden; wir haben es mit der »Versportlichung«<br />
der Gesellschaft zu tun und zu-<br />
Leichtathletik – Dreikampf beim Uni-Sportfest 2001 Foto: Bernstein<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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gleich mit der »Entsportlichung« des<br />
6 Sports. Der Ausdifferenzierung des Sports<br />
steht gleichzeitig eine Enttraditionalisierung<br />
gegenüber. Die daraus resultierenden<br />
Wirkungen beeinflussen die Sportwissenschaft,<br />
Ausbildungsprofile und das generelle<br />
Fachverständnis.<br />
Es hat ungefähr ein Jahrzehnt gedauert, bis<br />
sich die Bezeichnung »Sportwissenschaft«<br />
durchgesetzt hat. Mit der Bezeichnung<br />
Sportwissenschaft im Singular soll von<br />
Anfang an nicht eine isolierte, sorgfältig<br />
abgegrenzte Einzelwissenschaft alten Stils,<br />
sondern ein querschnittsähnlich strukturierter,<br />
systemoffener Komplex wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse und Methoden<br />
der verschiedensten Art und Herkunft erfasst<br />
und gekennzeichnet werden.<br />
Die Etablierung des Fächerensembles der<br />
Sportwissenschaft hat sich in unterschiedlichen<br />
Stufen vollzogen. Zunächst stellten<br />
die sportwissenschaftlichen Disziplinen<br />
wie die Sportpädagogik, Sportmedizin,<br />
Sportpsychologie Abspaltungen der entsprechenden<br />
Mutterwissenschaften, gewissermaßen<br />
eine erste Stufe der Entwicklung<br />
der Sportwissenschaft dar. Mit der Herausbildung<br />
einer gewissen Eigenständigkeit<br />
sprechen wir von der additiven Charakteristik<br />
der sportwissenschaftlichen Disziplinen.<br />
Der Begriff »Sportwissenschaft« setzt<br />
eigentlich Integration voraus, wenngleich<br />
diese nur partiell und manchmal auch bescheiden<br />
ausgeprägt ist. Aus diesem<br />
Grund lehnen wir die Bezeichnung<br />
»Sportwissenschaften« ab.<br />
Sport und Interdisziplinarität<br />
An den Universitäten steht die Sportwissenschaft<br />
heute vielfach vor dem Problem,<br />
sich in das wissenschaftliche Koordinatensystem<br />
der Fakultäten und Fachbereiche<br />
einzuordnen. Sie überspringt Fakultäts-<br />
Das Schema fasst Differenzierung, Integration, Interdisziplinarität und Berufsfelder im Sinne der<br />
Disponibilitätsanforderung zusammen. Es zeigt die Komplexität der Komponentenzusammenhänge,<br />
wobei wechselseitige Bezüge und Verflechtungen nur angedeutet worden sind.<br />
Jazz-Tanz beim Uni-Sportfest 2001 Foto: Fisser<br />
grenzen zwischen den Natur-, Geistes- und<br />
Sozialwissenschaften. Daraus resultieren<br />
unterschiedliche Zuordnungen zu Fachbereichen,<br />
aber auch unterschiedliche Zuweisungen<br />
finanzieller, materieller und<br />
personeller Mittel.<br />
Der Sportstudent braucht eine ganzheitlich<br />
ausgerichtete Lehre, die den Anforderungen<br />
der komplexen Praxis genügt. Aber es<br />
kann eben nur soviel Interdisziplinarität<br />
gelehrt werden, wie auch erforscht worden<br />
ist. Im Moment findet in den meisten Fällen<br />
die Integration in den Köpfen der Studierenden<br />
statt! WILLIMCZIK spricht<br />
auch von der Schwellenangst, die Sportwissenschaftler<br />
haben, wenn sie komplexe<br />
Theoriefelder bearbeiten sollen. Den Studierenden<br />
aber wird es aufgebürdet, denn<br />
sie müssen die konkreten Probleme in der<br />
Praxis adäquat lösen. Integration setzt voraus,<br />
dass die am Integrationsprozess Beteiligten<br />
die problemrelevanten theoretischen<br />
Konzepte der beteiligten Disziplinen verstehen,<br />
dass eine Problemtransformation in<br />
die eigene Disziplin erfolgt und letztlich<br />
eine sportwissenschaftliche, integrative<br />
Theorie entwickelt wird. Die Anforderungen<br />
sind immens, weil geistes- bzw. sozialwissenschaftliche<br />
Disziplinen mit naturwissenschaftlich-medizinischen<br />
Fächern<br />
kooperieren müssen. Die Schwierigkeiten,<br />
solche integrativen Ansätze in universitäre<br />
Lehre umzusetzen, sollen hier nur angedeutet<br />
werden.<br />
■<br />
Der Autor ist Professor für die naturwissenschaftlichen<br />
Disziplinen der Sportwissenschaft<br />
/ Sportmotorik am halleschen Institut<br />
für Sportwissenschaft. Er studierte<br />
Sportwissenschaft, Germanistik und Pädagogik<br />
an der Martin-Luther-Universität,<br />
wurde 1969 promoviert und habilitierte<br />
sich 1979. Prof. Dr. Jürgen Leirich lehrte<br />
an den Universitäten Bagdad (1970–1972)<br />
und Algier (1985–1989). Er ist Dekan des<br />
Fachbereichs Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
der Universität Halle.
SPORTARTEN ALS GEGENSTÄNDE SPORTWISSEN-<br />
SCHAFTLICHER AKADEMISCHER LEHRE<br />
Klaus Stöber<br />
Menschen begegnen dem Sport auf ganz unterschiedliche Weise. Sie erleben ihn u. a. als<br />
Schulsport, betätigen sich in der Freizeit sportlich, trainieren und nehmen an Wettkämpfen<br />
teil, engagieren sich im Hochschulsport, bevorzugen die Angebote diverser Sportstudios<br />
oder sie werden mit Sport in der Therapie oder Rehabilitation konfrontiert. Manchmal<br />
wird das Sporterlebnis mehr durch bloßes Zuschauen oder auch durch Konsumieren<br />
von Sport über die Massenmedien bestimmt.<br />
Diese Sporterfahrungen führen zu persönlichen<br />
Beurteilungen und Bewertungen<br />
des Sports insgesamt bzw. bestimmter einzelner<br />
Erscheinungen. So kann das Sporterleben<br />
positive Emotionen auslösen, die<br />
langfristig enge Beziehungen zum Sport<br />
generieren und dauerhaft zu sportlicher<br />
Aktivität anregen. Misserfolg und Enttäuschung<br />
lassen hingegen Distanz zum Sport<br />
entstehen, sind mitunter sogar Gründe für<br />
vehemente Ablehnung. Das einzelne, unter<br />
Umständen zufällige Sporterlebnis kann<br />
also ganz unterschiedliche Beziehungen<br />
zum Sport begründen.<br />
Zahlreiche Fragen zum Sport (u. a. sportpolitische,<br />
bildungspolitische, sportwissenschaftliche,<br />
kulturpolitische) können<br />
allerdings nicht auf der Grundlage subjektiv<br />
begründeter Zu- oder Abneigung beantwortet<br />
werden. Dazu ist vielmehr<br />
eine möglichst objektive und umfassende<br />
Sicht auf das Phänomen Sport notwendig.<br />
Diese Forderung umzusetzen, fällt schwer,<br />
weil Sport so vielgestaltig und facettenreich<br />
ist.<br />
So erscheint es als unmöglich, Sport in allen<br />
Einzelheiten einigermaßen sicher zu<br />
überschauen. Deshalb gibt es zahlreiche<br />
Versuche, durch Klassifikation und Systematisierung<br />
das Tätigkeitsfeld übersichtlicher<br />
zu machen<br />
Sportliche Leistung ist wesentliche<br />
Zielstellung<br />
Eine Möglichkeit, das sportliche Tätigkeitsfeld<br />
zu strukturieren, erschließt sich<br />
mit der Überlegung, dass man mit ganz<br />
unterschiedlichen vordergründigen Zielstellungen<br />
Sport treiben kann. Dabei stellt<br />
man zuerst fest, dass sportliches Handeln<br />
sehr häufig den Maximen »schneller«,<br />
»höher«, »stärker« und ähnlichen folgt. Es<br />
ist also auf das Erreichen hoher und höchster<br />
sportlicher Leistungen gerichtet und<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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findet in der Regel in ausgewiesenen 7<br />
Sportarten statt. Hier werden Weltmeister<br />
und Olympiasieger, aber auch Kreismeister,<br />
Sieger und Platzierte bei Schulsportfesten,<br />
bei Wettbewerben in der Reha-Klinik<br />
oder im Behindertensport ermittelt.<br />
Manchmal stellt man sich auch individuelle<br />
Leistungsziele oder man steht im Wettbewerb<br />
mit der eigenen Bequemlichkeit.<br />
Die Orientierung auf die sportliche Leistung<br />
ist also sehr breit und allgemein, erfolgt<br />
mitnichten nur auf Spitzenleistungen.<br />
Dazu gibt es häufig Missverständnisse,<br />
mitunter auch gewollt.<br />
Die Wettkampfleistung bedarf der<br />
Vorbereitung<br />
Der sportliche Wettbewerb, insbesondere<br />
der hochrangige, steht häufig im Blickpunkt<br />
der Öffentlichkeit. Dabei wird nur<br />
wenig berücksichtigt, dass er im Gefolge<br />
eines mehr oder weniger langfristigen und<br />
aufwendigen Prozesses des Übens, Trainierens<br />
und Lernens stattfindet. Auf jahrzehntelange<br />
Erfahrung und zunehmend<br />
auch auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis<br />
gestützt, wird hier immer wieder<br />
eindrucksvoll nachgewiesen, wie man mit<br />
sportspezifischen Mitteln und Methoden<br />
sowohl leistungsbestimmende Faktoren<br />
ausprägen als auch ganzheitliche Wirkungen<br />
erzielen kann. Es werden motorische<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben<br />
und vervollkommnet, psychische sowie<br />
soziale Kompetenzen herausgebildet und<br />
gefördert.<br />
Sport mit alternativer Zielbestimmung<br />
Es gibt inzwischen zahlreiche Sportbereiche,<br />
in denen die Tätigkeit nicht zuerst<br />
durch das Streben nach sportlicher Leistung<br />
und nach möglichst gründlicher Vorbereitung<br />
auf den sportlichen Wettkampf<br />
dominiert wird.<br />
So treibt man beispielsweise Sport, weil<br />
man darin eine Möglichkeit sinnvoller<br />
Freizeitgestaltung gefunden hat, weil man<br />
der Erkrankung vorbeugen, das Altern verzögern,<br />
die körperliche Fitness verbessern<br />
oder die psychische Befindlichkeit verändern<br />
will.<br />
An allgemeinbildenden Schulen wird<br />
Sport als Unterrichtsfach obligatorisch<br />
Stadtlauf Halle 2001 mit einem Rollstuhlfahrer<br />
Foto: Köhn
scientia halensis 4/2001<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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vorgeschrieben. Das Sporttreiben soll hier<br />
8 insbesondere zu körperlicher Allgemeinbildung<br />
beitragen.<br />
In unterschiedlichsten medizinischen Einrichtungen<br />
erhält die sportliche Tätigkeit<br />
therapeutische bzw. rehabilitative Funktion,<br />
sie wird ärztlich verordnet und soll<br />
funktionale, psychische und soziale Wirkungen<br />
erzielen.<br />
Sport hat in Polizei, Feuerwehr und Militär<br />
besondere Bedeutung, weil damit die<br />
für die Berufsausübung notwendige körperliche<br />
Leistungsfähigkeit erreicht und<br />
erhalten werden kann.<br />
Sportliche Wettkampf- und Trainingstätigkeit<br />
findet also einerseits statt, um<br />
sportspezifische Leistungsziele zu erreichen.<br />
Sie kann andererseits auch Mittel<br />
zum Zweck (Gesundheit, Allgemeinbildung,<br />
Therapie, Berufstauglichkeit, Freizeitgestaltung)<br />
sein.<br />
Sportarten können alternative<br />
Funktionen übernehmen<br />
Mit der Zuweisung und Übernahme immer<br />
neuer Funktionen gewinnt die Frage, welche<br />
Art von Sport allgemeinbildende, gesundheitsfördernde,<br />
therapeutische und<br />
weitere Aufgaben erfüllen soll und kann,<br />
immer mehr an Bedeutung. Darauf gibt es<br />
einerseits Antworten, die zum Ausdruck<br />
bringen, dass sich die Mittel und Methoden<br />
traditionellen Sports auch dafür anwenden<br />
lassen. Andererseits wird dies bestritten<br />
und es werden Alternativen zum<br />
herkömmlichen Sport gefordert.<br />
Für ein Institut für Sportwissenschaft, das<br />
Lehramts-, Magister- und verschiedene<br />
Diplomstudiengänge anbietet, ist diese<br />
Frage sehr bedeutsam, weil sie die Studienkonzepte<br />
und die Gestaltung von<br />
Lehrveranstaltungen unmittelbar tangiert.<br />
Gegenwärtig beanspruchen insbesondere<br />
im Grundstudium Lehrveranstaltungen zur<br />
Theorie, Praxis, Didaktik und Methodik<br />
der Sportarten einen großen Teil des Lehrvolumens.<br />
Das hallesche Institut befindet<br />
sich damit in Übereinstimmung mit zahlreichen<br />
anderen deutschen und ausländischen<br />
Einrichtungen sportwissenschaftlicher<br />
akademischer Lehre und setzt eine<br />
langjährig bewährte Ausbildungstradition<br />
fort. Damit erfolgt eine Abgrenzung gegenüber<br />
Konzepten, in denen dem traditionellen<br />
Sport im Studium kein bzw. nur ein<br />
sehr bescheidener Stellenwert zugewiesen<br />
wird.<br />
Ausdruckstanz Foto: Fisser<br />
Einige Argumente<br />
Die Entscheidung für Sportarten als akademische<br />
Lehrgegenstände erfolgt nicht willkürlich.<br />
Sicher spielen dabei Tradition und<br />
Erfahrung auch eine, jedoch nicht die entscheidende<br />
Rolle. Ein wichtiger Gesichtspunkt<br />
ist der Entwicklungsstand der zur<br />
Auswahl stehenden Sportarten, der u. a. an<br />
der Widerspiegelung der sportartspezifischen<br />
Tätigkeit, ihrer Theorie, Didaktik<br />
und Methodik in der sportartspezifischen<br />
wissenschaftlichen Fachliteratur zu bewerten<br />
ist. Vor diesem Hintergrund verbietet<br />
es sich von selbst, jeden kurzlebigen Trend<br />
in der Lehre verfolgen zu wollen.<br />
Sportbezogene Studiengänge sollten tatsächlich<br />
auf sportliche Tätigkeit, Sporthandeln<br />
und sportliche Bewegung abheben,<br />
eine Erweiterung (oder Einengung?)<br />
auf Bewegung schlechthin erscheint als<br />
wenig sinnvoll.<br />
Exemplarische Auswahl<br />
Die Sportartenauswahl soll gewährleisten,<br />
dass ihre Vielfalt mit möglichst repräsentativen<br />
Beispielen angeboten wird. Dies gelingt<br />
um so sicherer, je besser man in der<br />
Lage ist, die Anforderungen, die in der Tätigkeit<br />
gestellt werden zu klassifizieren. Es<br />
würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen,<br />
wollte man hier versuchen, Probleme<br />
der Klassifizierung sportmotorischer Aufgaben,<br />
Handlungen bzw. Bewegungen zu<br />
diskutieren. Deshalb soll nur auf die Bedeutung<br />
solcher Klassifikationen und auf<br />
einige Aspekte, die dabei zu berücksichtigen<br />
sind, hingewiesen werden.<br />
Hinter den weiter oben zitierten Maximen<br />
»schneller«, »höher«, »stärker« verbergen<br />
sich Ansätze für eine Klassifizierung nach<br />
sportartspezifischen Leistungszielen. So<br />
will man in einer Reihe von Sportarten bestimmte<br />
Wege in möglichst kurzer Zeit zurücklegen<br />
(schneller), in anderen den<br />
Raumparameter »Höhe« maximieren (hö-<br />
her) oder in einer weiteren Gruppe möglichst<br />
große Lasten bewältigen (stärker)<br />
usw. In dieser Weise können weitere Zielklassen<br />
beschrieben werden. Die Ziele<br />
wiederum werden unter ganz unterschiedlichen<br />
Bedingungen erreicht. Zum Zwecke<br />
der Klassifikation von sporttypischen Bedingungen<br />
fragt man zum Beispiel, ob das<br />
Ziel allein oder im Team – im Wasser, zu<br />
Lande oder in der Luft – bei welcher Direktheit<br />
der Auseinandersetzung mit dem<br />
sportlichen Gegner oder mit welchem<br />
Handlungsspielraum erreicht wird.<br />
Es sei noch darauf hingewiesen, dass die<br />
Lehrveranstaltungen in den Sportarten<br />
nicht vordergründig das Ziel verfolgen, die<br />
sportlichen Leistungen der Studierenden<br />
zu fördern. Hier werden vielmehr Mittel<br />
und Methoden mit einem breiten Anwendungsspektrum<br />
vermittelt. Die Leistungsnachweise<br />
werden nicht um ihrer selbst<br />
willen abverlangt und erbracht. Sie sind<br />
eher als Belege für die Effektivität der in<br />
den Lehrveranstaltungen angewendeten<br />
und reflektierten Mittel und didaktischmethodischen<br />
Maßnahmen zu verstehen.<br />
Die Einsicht, dass dazu eigene Anstrengung<br />
gehört, ist beabsichtigt.<br />
Die Vermittlung eines sportartspezifischen,<br />
aber auf Grund der Beispielfunktion<br />
der Sportart zu verallgemeinernden<br />
Mittel- und Methodeninventars soll die<br />
Hauptaufgabe der Sportartenausbildung<br />
sein. Darin einzuschließen sind Einsichten<br />
in die unterschiedlichen Funktionen von<br />
Sport in den verschiedenen Anwendungsbereichen.<br />
■<br />
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am halleschen Institut für Sportwissenschaft<br />
im Lehrgebiet Sportmotorik. 1972<br />
wurde er an der Philosophischen Fakultät<br />
der Martin-Luther-Universität promoviert.<br />
Unter anderem ist er verantwortlich für<br />
den Bereich der Theorie, Didaktik und<br />
Praxis der Sportarten/Sportaktivitäten,<br />
insbesondere für die Sportspielausbildung<br />
am Institut.
DER SCHÖPFER DES »DEUTSCHEN TURNENS«<br />
FRIEDRICH LUDWIG JAHN UND DIE UNIVERSITÄT HALLE<br />
Hans-Joachim Bartmuß<br />
Friedrich Ludwig Jahn, 1778 als Sohn eines Pfarrers in Lanz (Priegnitz) geboren, hat das<br />
Studium der Theologie, Geschichte und Sprachwissenschaften 1796 an der halleschen<br />
Universität begonnen und war hier bis 1800 eingeschrieben (Abb. unten). Leibeserziehung<br />
und Körperkultur hatten hier schon damals eine beachtliche Tradition.<br />
Als Belege dafür sollen hier nur zwei der<br />
bedeutendsten halleschen Gelehrten des<br />
18. Jahrhunderts angeführt werden: Der<br />
berühmte Philosoph, Mathematiker, Naturwissenschaftler<br />
und Schöpfer eines umfassenden<br />
rationalistischen Systems, das die<br />
gesamte deutsche Aufklärung entscheidend<br />
beeinflusste, Christian Wolff, vertrat<br />
in zwei um 1720 erschienenen Publikationen<br />
die Auffassung, dass nur die Einheit<br />
von Körper und Geist die Entfaltung der<br />
geistigen Kräfte sichern könne. Vollkommenheit<br />
des Leibes und damit im eigentlichen<br />
die Gesundheit sei eine sehr wichtige<br />
Komponente der Lebenstüchtigkeit. Erhaltung<br />
der Gesundheit aber bedürfe der<br />
Übung als ständiger Verpflichtung. Friedrich<br />
August Wolf, Altphilologe und Begründer<br />
der Altertumswissenschaften, der<br />
1787 das Philologische Seminar an der<br />
halleschen Universität gründete, vertrat in<br />
Vorlesungen zwischen 1799 und 1801 die<br />
unbedingte Notwendigkeit der Körpererziehung.<br />
Allerdings konnte er sich schließlich<br />
nicht gegen die Mehrheit seiner Kollegen,<br />
die Körperübungen für überflüssig<br />
hielten, durchsetzen, so dass bei der 1804<br />
abgeschlossenen Reorganisation der<br />
halleschen Universität studentische<br />
Körperübungen ausgeklammert wurden.<br />
»Jahnhöhle« im Felsen über der Saale<br />
Möglicherweise hat Jahn auch diese Vorlesungen<br />
Wolfs gehört und ist dadurch in<br />
theoretischer Hinsicht beeinflusst worden.<br />
Doch sehr viel bedeutender für sein Verständnis<br />
von der gesellschaftlichen Bedeu-<br />
Immatrikulationseintrag Jahns an der halleschen Universität 1796<br />
tung der Leibesübungen war ein ihn tief<br />
ergreifendes ganz besonderes Erlebnis<br />
während seiner halleschen Studentenzeit:<br />
Jahn war in Halle dem geheimen Orden<br />
»Unitas«, der eine einheitliche deutsche<br />
Studentenverbindung erstrebte, beigetreten,<br />
der den zu dieser Zeit als »Kränzchen«<br />
bezeichneten studentischen Landsmannschaften,<br />
die vor allem den Comment<br />
pflegten, feindlich gegenüber stand. Wegen<br />
seines aggressiven Auftretens gegen<br />
die landsmannschaftlich organisierten Studenten<br />
wurde Jahn in »Verruf« getan, was<br />
zur Folge hatte, dass er ständig in Raufereien<br />
geriet. Den ganzen Sommer 1799<br />
über soll sich Jahn deshalb in eine angeblich<br />
von ihm selbst ausgesprengte Felsenhöhle<br />
über der Saale, nicht weit vom Giebichenstein<br />
und gegenüber von Kröllwitz,<br />
zurückgezogen haben, um »ungestört über<br />
das eine nachzudenken, was Deutschland<br />
not tut«. Hier, in der heute sogenannten<br />
»Jahnhöhle« (Abb. Seite 10), las er das<br />
zwischen 1787 und 1791 in drei Teilen erschienene<br />
Buch des Österreichers von<br />
Meyern mit dem Titel »Dya-Na-Sore oder:<br />
Die Wanderer«, das auf ihn nach eigener<br />
Bekundung einen unwahrscheinlich großen<br />
Einfluss ausgeübt hat. Die Aussagen<br />
in diesem Buche, u. a. über Liebe zum eigenen<br />
Volk und Vaterland, über Bildung<br />
des Körpers und Bildung des Geistes im<br />
gleichen Schritte, über die Notwendigkeit,<br />
zum Wohl und Heil des Vaterlandes die<br />
Jugend auch körperlich zu erziehen, haben<br />
Jahn offensichtlich so ergriffen, dass er ein<br />
Leben lang in diesen Gedanken gefangen<br />
blieb. So wurde er zu einem der bedeutendsten<br />
Propagandisten deutscher früh-<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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nationaler Bestrebungen. Seine erste, unter<br />
dem Namen Höpffner 1800 publizierte<br />
Schrift »über die Beförderung des Patriotismus<br />
im Preußischen Reiche« ist von<br />
diesen Leitgedanken ebenso beeinflusst<br />
wie sein 1810 erschienener »Nationalerziehungsplan«,<br />
das »Deutsche Volkstum«<br />
und seine 1817 in Berlin gehaltenen Vorlesungen<br />
über deutsches Volkstum, in de-<br />
Bildnis Jahns um 1823 (Maler: Heine, Kolberg)<br />
nen er die Ablehnung von »Ausländerei«,<br />
insbesondere von Franzosen- und Judentum,<br />
extrem übersteigerte. So hat Jahns gerade<br />
heute oft zitiertes Bekenntnis – am<br />
Schluss seines »politischen Testaments«,<br />
der so genannten »Schwanenrede«, im<br />
September 1848 wegen der Unruhen von<br />
radikalen Gruppierungen in Frankfurt in<br />
einem Versteck geschrieben – , »Deutschlands<br />
Einheit war der Traum meines erwachenden<br />
Lebens, das Morgenrot meiner<br />
Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft<br />
und ist jetzt der Abendstern, der mir zur<br />
ewigen Ruhe winkt«, auch eine andere,<br />
sehr viel weniger anziehende Seite.<br />
Erster Turnplatz in der Berliner<br />
Hasenheide<br />
Anders verhält es sich mit der Umsetzung<br />
der anderen, von der körperlichen Erziehung<br />
der Jugend handelnden Aussagen<br />
durch Friedrich Ludwig Jahn. Hat er doch<br />
die diesbezüglichen theoretischen Erkenntnisse<br />
der eingangs zitierten bedeutenden<br />
halleschen Wissenschaftler des 18. Jahr-<br />
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hunderts in einem sehr viel weiteren Sinne<br />
10 auch praktisch umgesetzt und gilt deshalb<br />
auch heute noch mit vollem Recht als der<br />
Schöpfer des »deutschen Turnens«, wegen<br />
seiner politischen, u. a. auch auf die Befähigung<br />
der Jugend zum Kampf gegen die<br />
napoleonische Fremdherrschaft und die<br />
Überwindung der deutschen Kleinstaaterei<br />
gerichteten Funktion anfangs auch als »vaterländisches<br />
Turnen« bezeichnet. Jahn<br />
war es, der – über GutsMuths, der die<br />
Gymnastik an den Schulen propagierte<br />
und in Schnepfenthal praktizierte, hinausgehend<br />
– das öffentliche Turnen auf eigens<br />
dazu angelegten Turnplätzen nach<br />
dem Vorbild seines 1811 geschaffenen<br />
ersten Turnplatzes in der Berliner Hasenheide<br />
einführte, das im zweiten Jahrzehnt<br />
des 19. Jahrhunderts einen beispiellosen<br />
Aufschwung erlebte. Bis 1819 entstanden<br />
in Preußen und anderen deutschen Staaten<br />
über 150 Turnplätze nach dem Vorbild der<br />
Hasenheide. In seiner gemeinsam mit seinem<br />
Schüler Ernst Eiselen 1816 publizierten<br />
»Deutschen Turnkunst« hat Jahn die<br />
ganze Palette der nach seinem Verständnis<br />
unter den Begriff »Turnkunst« fallenden<br />
Körperübungen beschrieben: Gehen, Laufen,<br />
Springen, Schwingen (Pferdturnen),<br />
Schweben (Balancieren), Reck- und<br />
Barrenturnen ebenso wie Klettern, Werfen,<br />
Ziehen, Schieben, Heben, Tragen, Strecken,<br />
Ringen sowie Sprung im Reifen und<br />
im Seile. Darüber hinaus zählte Jahn natürlich<br />
u. a. auch das Schwimmen, Fechten,<br />
Reiten und Tanzen zu den von ihm<br />
hochgeschätzten Disziplinen der Leibesübungen,<br />
deren Beschreibung er für ein<br />
»größeres Werk über die Turnkunst« vor-<br />
Jahnhöhle beim Giebichenstein in Halle<br />
sah, das zu schreiben ihm wegen des auf<br />
Betreiben Metternichs erfolgten Verbots<br />
des Turnwesens in Preußen und anderen<br />
deutschen Staaten, seiner Inhaftierung von<br />
1819 bis 1825 und der für die Zeit nach<br />
seinem Freispruch auferlegten Beschränkungen<br />
im Verkehr mit Hochschülern und<br />
Gymnasiasten allerdings nicht mehr vergönnt<br />
war.<br />
Freyburger Jahn-Gedenkstätten<br />
Auch heute stehen wir noch voll in dieser<br />
von Jahn ausgehenden turnerisch-sportlichen<br />
Tradition, deren Inhalte in aller Kürze<br />
umschrieben werden können als unablässiges<br />
Ringen um die Pflege turnerischsportlicher<br />
Aktivität im Bewusstsein der<br />
Bedeutung turnerischer Betätigung für die<br />
Gesundheit, für die Harmonie von Körper<br />
und Geist sowie für die körperliche Gesamtausbildung,<br />
Inhalte, zu denen nicht<br />
zuletzt auch die Pflege zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen im Turn- bzw. Sportverein<br />
als einer besonders diese Werte pflegenden<br />
Gemeinschaft gehört.<br />
Seit seiner Haftentlassung 1825 hat Jahn<br />
mit seiner Familie hauptsächlich in Freyburg<br />
an der Unstrut gelebt. Nach der Auf-<br />
hebung der »Turnsperre« durch den preußischen<br />
König Friedrich Wilhelm IV. im<br />
Jahre 1842 hat er auch wieder Kontakte zu<br />
den Turnern aufgenommen. Während der<br />
deutschen bürgerlichen Revolution von<br />
1848/49 wurde Jahn im 16. Wahlbezirk<br />
der Provinz Sachsen zu Merseburg zum<br />
Abgeordneten für die Frankfurter Nationalversammlung<br />
gewählt (Abb.3).<br />
Nach einem verheerenden Brand in seiner<br />
Wohnung 1838 hatte Jahn mit Hilfe von<br />
Spendengeldern deutscher Turner ein<br />
Wohnhaus errichtet. Dieses Wohnhaus, in<br />
dem heute das Jahn-Museum untergebracht<br />
ist, gehört zusammen mit der ihm<br />
zu Ehren von der Deutschen Turnerschaft<br />
errichteten Jahn-Erinnerungsturnhalle<br />
(1894) und der zunächst als Jahn-Museum<br />
eingerichteten heutigen Jahn-Ehrenhalle<br />
zu den Freyburger Jahn-Gedenkstätten.<br />
Für ihre Erhaltung, für den Betrieb des<br />
Jahn-Museums und für die Pflege der<br />
Jahnschen Traditionen sorgt der 1992 –<br />
vom damaligen DTB-Präsidenten Prof. Dr.<br />
Jürgen Dieckert, vom damaligen Präsidenten<br />
des Landesturnverbandes Sachsen-Anhalt,<br />
Prof. Dr. Jürgen Leirich (Institut für<br />
Sportwissenschaft der Martin-Luther-Universität)<br />
und vom Bürgermeister der<br />
»Jahnstadt Freyburg«, Martin Bertling –<br />
gegründete Förderverein zur Traditionspflege<br />
und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten<br />
e. V. (mehr über<br />
den Förderverein und das Museum unter<br />
www.jahn-museum.de).<br />
■<br />
Der Autor (Jahrgang 1929) studierte von<br />
1950–1954 Geschichte an der Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg, wurde<br />
1961 durch die Philosophische Fakultät<br />
promoviert und habilitierte sich 1971. Im<br />
gleichen Jahr wurde er auf den Lehrstuhl<br />
für Geschichte des Mittelalters an der<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
berufen. Seit 1993 ist er im Ruhestand.<br />
Prof. Dr. Hans-Joachim Bartmuß<br />
ist Vorsitzender des Fördervereins zur<br />
Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten<br />
e. V.<br />
Friedrich Ludwig Jahn in der Frankfurter Nationalversammlung<br />
1848 (Paulskirche)
MODERNE BERUFSFELDER DES SPORTS<br />
HERAUSFORDERUNG FÜR STUDIUM UND LEHRE<br />
Siegfried Leuchte<br />
Die Sportlehrerausbildung an der Alma Mater Halensis hat eine außerordentlich lange<br />
Tradition. Fast zeitgleich wurden in Marburg 1924 und in Halle zum Wintersemester<br />
1924/1925 die ersten akademischen Lehrangebote für das Fach Leibeserziehung in ganz<br />
Deutschland unterbreitet. Das 75-jährige Bestehen des Instituts für Sportwissenschaft<br />
wurde im Oktober 1999 mit einem Wissenschaftlichen Kolloquium zum Thema<br />
»Paradigmenwechsel in der Sportwissenschaft« und durch Absolventenveranstaltungen<br />
feierlich begangen.<br />
Das Institut für Sportwissenschaft an der<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
kann seit 1991 auf eine an den modernen<br />
Berufsfeldern orientierte Ausgestaltung<br />
der Studienangebote und mit mehr<br />
als 400 StudentInnen auf eine beständig<br />
steigende Nachfrage zurückblicken. Die<br />
vielfältigen Studienangebote:<br />
• Lehramtsstudiengänge für das Fach Sport<br />
an Gymnasien und an Sekundarschulen<br />
mit dem Vorzug aller schulrelevanten<br />
Kopplungsmöglichkeiten innerhalb der<br />
Universität sowie in Kooperation die fachwissenschaftliche<br />
Ausbildung der Grundschulpädagogen,<br />
• Diplomstudiengänge Sportwissenschaft<br />
mit dem Schwerpunkt »Prävention, Rehabilitation<br />
und Therapie« (D1) seit 1991<br />
und dem Schwerpunkt »Breiten- und<br />
Wettkampfsport« (D2) seit 1996 sowie<br />
entsprechende Aufbaustudiengänge,<br />
• Magisterstudiengänge Sportwissenschaft<br />
im Haupt- und Nebenfach mit attraktiven<br />
Kopplungsmöglichkeiten wie Rehabilitationspädagogik,<br />
Medien- und Kommunikationswissenschaften,Betriebswirtschaftslehre<br />
etc. seit 1996.<br />
Sie sollen auch in Zukunft dem Bedarf des<br />
sich dynamisch entwickelnden Arbeitsmarktes<br />
gerecht werden und, auf den<br />
sportwissenschaftlichen Grundlagen aufbauend,<br />
»Kurskorrekturen« für neue Themenfelder<br />
wie »Sport und Gesundheit«<br />
oder »Sport und Ernährung« möglich machen.<br />
Berufsfelder und Berufstätigkeit in Sport<br />
und Sportwissenschaft<br />
Die Diskussion über die dynamische Entwicklung<br />
der Berufsfelder des Sports in<br />
Verbindung mit empirischen Untersuchungen<br />
des beruflichen Einstiegs und der Berufsaussichten<br />
der Absolventen wird seit<br />
Jahren umfassend und intensiv geführt.<br />
Wie repräsentative Befragungen 1986–<br />
1990 und 1995–1997 (Hartmann-Tews et<br />
al. 1999) durch die Deutsche Sporthochschule<br />
Köln signalisierten, ist die dynamische<br />
Umgestaltung des Arbeitsmarktes in<br />
vollem Gange. Zu konstatieren war für<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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markt als Konkurrenz für die Absolventen<br />
betrachtet werden muss. Die auswuchernden<br />
Aus- und Weiterbildungsangebote der<br />
Landessport- und Sportfachverbänden, der<br />
privaten Aus- und Weiterbildungsanbieter,<br />
z. T. von Fachhochschulen oder sogar von<br />
Industrie- und Handelskammern sorgen<br />
Gruppentherapie mit Pezzibällen Foto: rehaFLEX Saline Reha-Klinik Halle<br />
diesen Zeitraum der Rückgang der Arbeitslosigkeit<br />
von 9,7 auf 3,4 Prozent, der<br />
Rückgang an hauptberuflicher Festanstellung<br />
von 64,9 auf 52,2 Prozent sowie<br />
der Anstieg der Selbständigkeit von 13,5<br />
auf 22,8 Prozent. Auf mehr als 20 Prozent<br />
erhöhte sich der Anteil an Hochschulabsolventen,<br />
die ihren Lebensunterhalt durch<br />
Teilzeit-, Neben- oder Honorartätigkeit sichern.<br />
Als Hauptschwierigkeiten für den<br />
Berufseinstieg werden von den Absolventen<br />
das fehlende Arbeitsplatzangebot, die<br />
von potenziellen Arbeitsgebern gewünschten<br />
Berufserfahrungen und Zusatzqualifikationen<br />
oder die vergleichsweise geringe<br />
Entlohnung genannt. Hervorgerufen wird<br />
dies u. a. durch die Etablierung einer quasi<br />
»mittleren Ausbildungsebene« im Bereich<br />
des Sports, die zumindest auf dem Arbeits-<br />
für »kostengünstige« Gymnastiktrainer,<br />
Rückenschul- und Gesundheitstrainer,<br />
Freizeit- und Fitnessanimateure, Sportfachwirte<br />
oder Vereinsmanager mit zumeist<br />
enger Berufsfeldorientierung und befristeten<br />
Anstellungsverhältnissen.<br />
Vereinssport in der Sackgasse? –<br />
Gesundheitssport »boomt«!<br />
Der gemeinnützig organisierte Sport sollte<br />
im traditionellen Verständnis von Leistungs-,<br />
Breiten- und/oder Freizeitsport das<br />
Berufsfeld Nr.1 für den akademisch ausgebildeten<br />
Sportpädagogen/-lehrer oder<br />
-wissenschaftler sein. Ein Studium der<br />
Sportwissenschaft, verbunden mit der<br />
Lizenzierung z. B. im Sportverband<br />
11
scientia halensis 4/2001<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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(Sportart), ist hinsichtlich der Fachkompe-<br />
12 tenz in der sportpraktischen Arbeit mit<br />
Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen oder<br />
speziell der Senioren »unschlagbar«, nur<br />
leider flächendeckend von den Sportvereinen<br />
allein durch staatliche Subventionierung,<br />
über Mitgliedsbeiträge oder durch<br />
Sponsorenengagement nicht bezahlbar.<br />
Die Analysen der Verbands- und Vereinsstrukturen<br />
von Cachay et al. (1999) zeichnen<br />
ein realistisches, im Hinblick auf die<br />
zuverlässige Beschäftigungsprognose von<br />
Hochschulabsolventen aber eher »düsteres<br />
Bild«. Ein Umdenken bzw. eine Umorientierung<br />
in der vom Ehrenamt getragenen<br />
traditionsbewussten Vereinsideologie ist<br />
ebenso wenig erkennbar wie eine Trendwende<br />
im Nachwuchsleistungssport. Während<br />
der Vereinssport prognostisch kaum<br />
für mehr Beschäftigung sorgen wird,<br />
boomen Bereiche wie Gesundheitssport/<br />
Prävention, Therapiesport/Rehabilitation<br />
oder Kraftsport/Fitness.<br />
Die gesundheitsorientierten Kursangebote<br />
der Sportfach- oder Landessportverbände<br />
und Sportvereine, der privaten Gesundheits-<br />
und Fitnessstudios oder der privaten<br />
Aus- und Weiterbildungsinstitutionen sind<br />
nicht mehr überschaubar. Wenn diese Entwicklung<br />
kritisch gesehen wird, dann, weil<br />
die derzeitigen inhaltlichen Programmstrukturen<br />
im Gesundheitssport noch uneinheitlich,<br />
inkonsistent und diffus sind<br />
(Bös et al. 1999). Letztlich wird aber auch<br />
dieser Gesundheitssport kaum für mehr<br />
Beschäftigung über Teilzeit-, Neben- oder<br />
Honorartätigkeit hinausgehend sorgen. Allein<br />
der diplomierte Sporttherapeut ist für<br />
Einrichtungen, die eine Zulassung für die<br />
Erweiterte Ambulante Physiotherapie<br />
(EAP) haben, verbindlich gefordert, allerdings<br />
nicht ohne Zusatzqualifikationen<br />
(z. B. Medizinische Trainingstherapie).<br />
Das »Wechselbad« der Gesundheitspolitik<br />
um den Paragraphen 20 zwischen 1988,<br />
1996 und heute war für eine Reihe von<br />
Berufsfeldgruppen ausgesprochen kontraproduktiv.<br />
Man kann nur hoffen, dass eine<br />
weitere Öffnung des Gesundheitssystems<br />
für Sport und Bewegung im Hinblick auf<br />
die Primär- oder Sekundärprävention unter<br />
Einbeziehung qualitätssichernder Maßnahmen<br />
zuverlässig eintritt. Dies vor dem<br />
Hintergrund, dass der Bedarf an Entwicklungsförderung<br />
von Kindern und Jugendlichen,<br />
an betrieblicher Gesundheitsförderung<br />
oder im Alters- und Seniorensport<br />
enorm angestiegen ist.<br />
Die Frage der Effizienz (Kosten – Nutzen<br />
– Bilanz) für unsere Gesundheits-, Sozial-<br />
Isokinetisches Muskelaufbautraining für das Kniegelenk am CYBEX<br />
Foto: rehaFLEX Saline Reha-Klinik Halle<br />
versicherungs- und Rentensysteme ist<br />
mehrfach beantwortet.<br />
Tendenzen und Erfordernisse im Bereich<br />
Studium und Lehre<br />
Der »Boom« und die Ausdifferenzierung<br />
der Diplomstudiengänge durch die unterschiedlichen<br />
Studienschwerpunkte im letzten<br />
Jahrzehnt kann als »ausgereizt« gelten.<br />
Forderungen nach einer »Innenrevision«<br />
bei der Vielzahl von unterschiedlichen<br />
Schwerpunktbildungen werden ebenso<br />
laut, wie eine Reformierung der Lehramtsstudiengänge<br />
im Fach Sport, u. a. durch<br />
eine Erweiterung um »Grundthemen des<br />
Bewegens« in der Schulsportpraxis. Die<br />
Kritik an der Vielzahl der Studienschwerpunkte<br />
in den Diplomstudiengängen zielt<br />
auf mehr Transparenz in den Ausbildungsprofilen<br />
und auf die Erhöhung der Kompetenz<br />
der Sportwissenschaftler an den fachspezifischen<br />
Schnittstellen. Immerhin ist<br />
der Stellenwert und die Nachfrage nach<br />
Zusatzqualifikationen für den Berufseinsteiger<br />
wichtiger denn je. Im gleichen<br />
Atemzug muss daran erinnert werden, dass<br />
diese Zusatzqualifikationen (Medizinische<br />
Trainingstherapie oder Übungsleiter- und<br />
Trainerlizenzen) ausschließlich von den<br />
Berufs- und den Sportfachverbänden vergeben<br />
und anerkannt werden.<br />
Internationalisierung – Modularisierung<br />
– ECTS<br />
Das neue Hochschulrahmengesetz eröffnet<br />
den Universitäten und Hochschulen neue<br />
Handlungsspielräume: Internationale<br />
Studienabschlüsse (Bachelor, Master),<br />
Modularisierung und ECTS als Grundlage<br />
für die gegenseitige Anerkennung von<br />
Studien- und Prüfungsleistungen etc. Eine<br />
Reihe von sportwissenschaftlichen Instituten<br />
haben durch das Angebot von<br />
Bachelor- und Master-Studiengängen insbesondere<br />
mit gesundheitssportlicher Orientierung<br />
diese Entwicklung aufgegriffen.<br />
Allerdings sind auch die kritischen Positionen<br />
wie in anderen Fächern nicht zu<br />
überhören. Vor dem Hintergrund der personellen<br />
und materiell-technischen Ausstattung<br />
ergeben sich für das Institut für<br />
Sportwissenschaft drei Aufgabenbereiche:<br />
• Die Umsetzung der neuen Studienordnungen<br />
für das Lehramt an Gymnasien,<br />
Sekundarschulen und kooperierend für die<br />
Grundschulen,<br />
• die Neustrukturierung und inhaltliche<br />
Ausgestaltung der Studien- und Prüfungsordnungen<br />
der Diplom- und Magisterstudiengänge<br />
mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung<br />
in den ausgewiesenen<br />
Schwerpunkten durch Modularisierung<br />
und Umsetzung des ECTS sowie<br />
• die Vorbereitung, »Partnersuche« und<br />
mittelfristige Einführung von gestuften<br />
Studiengängen in der Sportwissenschaft.<br />
■<br />
Der Autor wurde 1977 an der Philosophischen<br />
Fakultät der halleschen Universität<br />
promoviert und habilitierte sich 1990. Er<br />
wurde 1998 zum Außerplanmäßigen Professor<br />
berufen und ist verantwortlich für<br />
Lehre und Forschung in der Biomechanik<br />
in allen Studiengängen. Seit Juni 2000 leitet<br />
Prof. Dr. Siegfried Leuchte das Institut<br />
für Sportwissenschaft als Geschäftsführender<br />
Direktor.
HOCHSCHULSPORT – ENTWICKLUNG IM ÜBERBLICK<br />
ATTRAKTIVES ANGEBOT IN HALLE UMFASST 54 SPORTARTEN<br />
Hans-Joachim Peucker<br />
Die Martin-Luther-Universität kann am Vorabend ihres 500-jährigen Bestehens auf eine<br />
erfolgreiche Entwicklungsgeschichte zurückblicken. In keinem Zeitraum vorher ist ein so<br />
großer Strukturwandel bewältigt worden wie in den letzten zehn Jahren, so dass hier von<br />
einem Qualitätssprung gesprochen werden kann. Neue Strukturen finden und erproben,<br />
eingeübte Stereotype aufbrechen, um zu mehr Effizienz zu gelangen, das sind gängige<br />
Wege im Sport. Diese Flexibilität war auch für das Universitätssportzentrum notwendig,<br />
um die Veränderungen im Hochschulsport erfolgreich bewältigen zu können.<br />
Die Quellen sportlicher Betätigung an der<br />
Universität Halle lassen sich nachweislich<br />
bis ins Jahr 1694 zurück verfolgen, als die<br />
»sorgfältige Pflege der Leibesübungen«<br />
(Quelle: Frost 1979) ein wesentlicher Bestandteil<br />
im akademischen Leben war, und<br />
das mit teilweise heute noch praktizierten<br />
Sportarten wie Reiten, Fechten, Ballspiel<br />
und Tanzen, ferner Ritterspiele, sowie<br />
Kriegs- und Jagdübungen. Diese Richtungen<br />
wurden später um weitere »Exerzitien«<br />
wie das Voltigieren, Schwimmen und<br />
Kahnfahren erweitert.<br />
Hochschulsport im Wandel<br />
Modernere Auffassungen setzten sich gegen<br />
Ende des 19. Jahrhunderts durch das<br />
Wirken des Universitäts- und Turnlehrers<br />
Gumal Fessel durch, der den erfolgreichen<br />
Abschluss akademischer Turnlehrerprüfungen<br />
vorbereitete. Im Jahre 1925 wurde<br />
in Halle als zweiter Universität Deutschlands<br />
der Pflichtsport für Philologiestudenten<br />
eingeführt, der nach der Gründung<br />
der DDR mit dem Studienjahr 1951 für<br />
alle Studierenden obligatorischer Ausbildungsbestandteil<br />
wurde. Die Abteilung<br />
Studentensport der Martin-Luther-Univer-<br />
sität hat in den 60er bis 80er Jahren hochschulgemäße<br />
Ausbildungs- und Freizeitsportkonzeptionen<br />
für die Hochschulen<br />
der DDR entscheidend mit entwickelt.<br />
Mit der Wende, der Bildung des Landes<br />
Sachsen-Anhalt und einem neuen Hochschulgesetz<br />
veränderten sich die Bedingungen<br />
für den Hochschulsport grundlegend:<br />
Er wurde fakultativ. Den seinerzeit<br />
geltenden Prinzipien wie Pflichtteilnahme<br />
und Leistungsbewertung standen nun Freiwilligkeit,<br />
Breitensportgedanke, Entspannung,<br />
Erlebnisorientierung und soziale<br />
Kommunikationsmöglichkeit gegenüber.<br />
Dieser scheinbare Widerspruch wurde sehr<br />
schnell überwunden, wenn auch nicht in<br />
Bezug auf alle Studierenden. So wird gegenwärtig<br />
mit dem Sportangebot des<br />
Universitätssportzentrums ca. ein Drittel<br />
der Studierenden erreicht.<br />
Ständig steigende Nachfrage<br />
Mit der Bildung des Universitätssportzentrums<br />
als Zentraleinrichtung wurden die<br />
Voraussetzungen für die Durchführung<br />
des Hochschulsports auf hohem Niveau<br />
geschaffen. Durch die fachliche Kooperation<br />
des Universitätssportzentrums mit<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
dem Institut für Sportwissenschaften, die<br />
an der Martin-Luther-Universität eine lange<br />
Tradition hat, sind die begünstigenden<br />
Wechselbeziehungen zwischen Lehre und<br />
Hochschulsport für alle Studierenden an<br />
der Universität sowie eine effektive Nutzung<br />
der universitätseigenen Sportstätten<br />
ohne zusätzlichen Aufwand hervorzuheben.<br />
Das Sportangebot umfasst gegenwärtig 54<br />
Sportarten in 178 Kursen. Neben den traditionellen<br />
Sportarten, von denen die<br />
Spielsportarten besonders gefragt sind,<br />
werden zahlreiche Fitnessprogramme,<br />
Konditionierung, künstlerisch-tänzerische<br />
Betätigung angeboten. Aktuelle Trends<br />
werden aufgegriffen. In diesen vielfältigen<br />
Begegnungen entsteht in einem bemerkenswerten<br />
Maß eine soziokulturelle Integration<br />
von Lehrenden, Studierenden und<br />
Angehörigen unterschiedlicher Nationalitäten<br />
und Kulturkreise; gesundheitliche<br />
Prävention wird praktiziert und Leistungsbereitschaft<br />
gefördert.<br />
Neben dem überwiegend breitensportlich<br />
ausgerichteten Angebot werden auch leistungssportliche<br />
Aktivitäten im studentischen<br />
Wettkampfsport, zum Beispiel bei<br />
deutschen Hochschulmeisterschaften, nationalen<br />
und internationalen Vergleichskämpfen<br />
gefördert.<br />
Die ständig steigende Nachfrage nach neuen<br />
Sportangeboten zeigt, dass eine Bedarfsdeckung<br />
nicht erreicht wird. Die zur<br />
Zeit bestehenden materiellen Voraussetzungen,<br />
insbesondere die Hallenkapazität,<br />
lassen keine Erweiterung des Angebotes<br />
mehr zu. Die begonnenen Erhaltungs- und<br />
Modernisierungsmaßnahmen müssen in<br />
der Folgezeit beschleunigt werden, um die<br />
Qualität und den Umfang der Sportveranstaltungen<br />
weiter erhöhen zu können. Es<br />
ist an der Zeit, nach den zahlreichen Neubau-<br />
und Modernisierungsmaßnahmen an<br />
der Universität auch einen modernen<br />
Sportkomplex in die Planung aufzunehmen.<br />
Die Anziehungskraft des gesamten Hochschulstandorts<br />
steigt nicht zuletzt mit einem<br />
offenen, kreativen Hochschulsport.<br />
■<br />
Hans-Joachim Peucker studierte zwischen<br />
1960 und 1965 die Fächer Körpererziehung<br />
und Biologie an der Pädagogischen<br />
Hochschule in Halle. Von 1966–1969 arbeitete<br />
er an der Kinder- und Jugendsportschule<br />
in Halle als Trainer im Basketball.<br />
Seit 1969 ist er im Hochschulsport<br />
an der Universität Halle tätig.<br />
Akademische Sportart Fechten beim Universitätssportfest<br />
Foto: Archiv<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
SCHÜLER FÜR DIE SPORTWISSENSCHAFT BEGEISTERN<br />
ERFAHRUNGEN AUS DER PROJEKTARBEIT MIT STÄDTISCHEN GYMNASIEN<br />
Siegfried Leuchte und Werner Goder<br />
................................................................................<br />
Die Öffnung der Universitäten und Hochschulen für potenzielle Studieninteressenten aus<br />
14 den Gymnasien der Stadt Halle kristallisiert sich immer mehr zu einer wichtigen hochschulpolitischen<br />
Maßnahme und territorialen Verpflichtung heraus. Für die Mitarbeiter<br />
des Instituts für Sportwissenschaft ist diese Aufgabe nicht so neu, da die Zusammenarbeit<br />
z. B. mit der ehemaligen Kinder- und Jugendsportschule – dem heutigen Sportgymnasium<br />
– eine lange Tradition besitzt und »Generationen« von Nachwuchsleistungssportlern die<br />
»wissenschaftlich-produktive Arbeit« am Institut für Sportwissenschaft leisteten.<br />
Gymnasiasten am Institut für<br />
Sportwissenschaft<br />
Die Projektwochen der vergangenen beiden<br />
Jahre mit mehr als 25 Schülern des<br />
Cantor- und des Friedengymnasiums gingen<br />
auf Anfragen von ehemaligen Absolventen<br />
des Instituts für Sportwissenschaft<br />
zurück (Abb. 1). Dem Wunsch nach gemeinsamer<br />
Gestaltung einer Projektwoche<br />
ging das Institut auch sehr gern nach, obwohl<br />
damit das Kopfzerbrechen über ein<br />
geeignetes Thema und dessen programmatische<br />
Ausgestaltung erst begann. Es wurde<br />
die Absicht verfolgt, die Sportwissenschaft<br />
möglichst pragmatisch und nicht<br />
nur theoretisierend an die Schüler heranzutragen.<br />
Die Praxis von Sport zu erleben<br />
und zugleich auf die Probleme in der<br />
sportwissenschaftlichen Bearbeitung aufmerksam<br />
zu machen, war Herausforderung<br />
genug. Deshalb wählten die Veranstalter<br />
das Thema: »Sportwissenschaft in Theorie,<br />
Methodologie und Praxis« unter Beteiligung<br />
der Wissenschaftsdisziplinen<br />
Biomechanik, Sportmotorik, Sportmedizin<br />
und der Trainingswissenschaft.<br />
Welche Aufgabenstellungen galt es zu<br />
lösen?<br />
1. Sportmotorik<br />
Mit Hilfe des Stabilometers bzw. der so<br />
genannten »Wippe« sollte der komplizierte<br />
Prozess motorischer Lernprozesse exemplarisch<br />
veranschaulicht werden. Die Aufgabenstellung<br />
bestand darin, die »Wippe«<br />
über eine Zeit von 30 Sekunden in der<br />
Waagebalance zu halten. Geübt wurde täglich<br />
in zwei Gruppen, von denen eine<br />
Gruppe eine Rückkopplung in Form der<br />
erreichten Balancierzeit pro Versuch erhielt,<br />
während den Schülern der zweiten<br />
Gruppe diese Information vorenthalten<br />
wurde (Abb. 2): »Lernen als Verhaltensänderung<br />
durch Informationsgaben«.<br />
2. Anthropometrische Biomechanik<br />
Die Bewegungsanalyse nimmt innerhalb<br />
der Biomechanik eine zentrale Stellung<br />
ein. Der Begriff »Körperschwerpunkt«<br />
(KSP) ist zwar mechanisch leicht zu definieren,<br />
praktisch aber eher schwer zu verstehen.<br />
Deshalb sollten verschiedene Körperhaltungen<br />
über Video aufgezeichnet<br />
und der KSP mit Hilfe eines Analyseprogramms<br />
bestimmt und interpretiert<br />
werden.<br />
3. Sportmedizinische Anthropometrie<br />
Die Vermessung des eigenen Körpers und<br />
die exakte Bestimmung von anthropometrischen<br />
Parametern stellt die Grundlage<br />
für die Berechnung von Körperbauindices<br />
dar. Unter anderem sollte das Verhältnis<br />
von aktiver und passiver Körpermasse<br />
(Muskelmasse, Körperfettanteil u. a.) und<br />
der Konstitutionstyp bestimmt werden.<br />
4. Trainingswissenschaft<br />
Der Conconi-Test ist ein Test zur Überprüfung<br />
der aeroben Kapazität. Durch die<br />
stufenabhängige Registrierung der Herzfrequenz<br />
beim Laufens auf dem Laufband<br />
wurde mit vereinfachter Auswertungsmethodik<br />
die aerobe/anaerobe »Schwelle«<br />
ermittelt.<br />
Ergebnisse und Resonanz<br />
Die Projektwochen wurden von den Schülern<br />
des Cantor- und Friedengymnasiums<br />
sehr positiv beurteilt. Die relativ hohen<br />
Abb. 1: Schüler des Cantor-Gymnasiums am<br />
Institut für Sportwissenschaft<br />
Foto: Speer<br />
Arbeitsaufwendungen der Schüler und der<br />
beteiligten Lehrkräfte, die eine Zusammenstellung<br />
aller Ergebnisse in Form eines<br />
Posters am Ende der Projektwochen<br />
zum Ziel hatten (vgl. Tag der Forschung<br />
2001), konnten erfolgreich bewältigt werden.<br />
Und ganz nebenbei konnten Vorbehalte<br />
zum Theorie- und/oder Praxisverständnis<br />
in der Sportwissenschaft bei den<br />
Gymnasiasten ausgeräumt werden. ■<br />
Prof. Dr. Siegfried Leuchte – Autoreninformation<br />
siehe Seite 12.<br />
Dipl.-Physiker Werner Goder studierte<br />
Physik an der halleschen Universität und<br />
ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Institut für Sportwissenschaft tätig.<br />
Abb. 2: Ergebnisse zum motorischen Lernen: Darstellung der mittleren Balancierzeiten im Vergleich<br />
zwischen der Versuchs- und der Kontrollgruppe im Verlauf der Projektwoche
SPORTWISSENSCHAFT UND NEUE MEDIEN<br />
MULTIMEDIALE MÖGLICHKEITEN NOCH ZU WENIG GENUTZT<br />
Günther Bernstein<br />
Die rasante Entwicklung der Computer- und Kommunikationstechnologie der letzten Jahre<br />
hat den Einsatz von Mess- und Objektivierungsverfahren in der sportwissenschaftlichen<br />
Forschung maßgeblich beeinflusst. Die Qualität und Effizienz der Messsysteme<br />
zur Analyse von Bewegungsabläufen sportlicher Techniken haben sich erheblich verbessert<br />
und eine stärkere Einbeziehung in die Lehre ermöglicht.<br />
Eine weitere Folge dieser Entwicklung ist<br />
aber auch die zunehmende Ergänzung der<br />
traditionellen Lehre durch multimediale<br />
Lernmedien zur individuellen online Nutzung<br />
im World Wide Web. Dies bedeutet<br />
langfristig die Entwicklung hin zur »Online-Universität«.<br />
Lernen findet somit<br />
nicht mehr nur im Hörsaal oder im Seminarraum<br />
statt. Lehrende und Lernende diskutieren<br />
in Newsgroups, Foren oder per E-<br />
Mail. Das Lehr-/Lernmaterial (Vorlesungsskripte,<br />
Seminarreferate u. a.) wird<br />
über das WWW zur Verfügung gestellt<br />
und kann jederzeit abgerufen, aber auch<br />
aktualisiert werden.<br />
Vorteile »bewegter« Bilder<br />
Einige Institute in Deutschland bieten bereits<br />
ganze Studiengänge zum Online-Studium<br />
an (z. B. Martin-Luther-Universität:<br />
Institut für Informatik, Universität Hagen/<br />
Hildesheim: Informatik, Mathematik, Informations-<br />
und Medienwissenschaft).<br />
Die sportwissenschaftlichen Institute der<br />
Universitäten in Deutschland greifen diese<br />
neue Form der Lehre allerdings nur sehr<br />
zögernd auf, obwohl gerade hier die multimedialen<br />
Möglichkeiten der neuen Medien<br />
genutzt werden könnten.<br />
Web-Seiten gehen längst über eine reine<br />
Text- und Bild-Darstellung hinaus. Anstelle<br />
statischer HTML-Seiten treten zunehmend<br />
auch dynamisch-generierte Seiten.<br />
Das heißt, im Gegensatz zu Lehrbüchern<br />
und Zeitschriften können im Internet auch<br />
bewegte Bilder interaktiv in Publikationen<br />
und Lehrmaterialien eingebunden werden.<br />
Entweder als relativ speicherintensive<br />
Videosequenz oder besser als animierte<br />
Bildfolgen. Räumliche, zeitliche und dynamische<br />
Aspekte sportlicher Bewegung<br />
können so gut veranschaulicht werden.<br />
Hier liegt ein spezifischer Vorteil dieses<br />
Mediums.<br />
Unterschiede bei Internet-Präsenz<br />
Das Internet könnte somit auch zum sportwissenschaftlichen<br />
Nachschlagwerk und<br />
Diskussionsforum für Wissenschaftler,<br />
Podiumsteilnehmer bei »Quo vadis Olympia?«<br />
Foto: R. Glettner<br />
Studenten und Praktiker werden.<br />
Folgt man der Analyse der Deutschen Vereinigung<br />
für Sportwissenschaft (dvs-Informationen<br />
16 2001 1) in Bezug auf die<br />
Web-Präsenz und Qualität der Homepages<br />
der Institute für Sportwissenschaft in<br />
Deutschland, gibt es erhebliche Unterschiede.<br />
Die Ausnutzung der multimedialen Möglichkeiten<br />
des Internets kann nach dieser<br />
Analyse nur für drei Institute (Essen, Bochum<br />
und Greifswald) bestätigt werden.<br />
Auch das Angebot von Vorlesungsskripten<br />
und die Möglichkeit, diese downloaden zu<br />
können, gibt es nur bei insgesamt sieben<br />
Instituten.<br />
Erste Schritte zur Nutzung der multimedialen<br />
Möglichkeiten des WWW gibt es<br />
aber auch am Institut für Sportwissenschaft<br />
der Martin-Luther-Universität.<br />
Im Juni dieses Jahres veranstaltete das Institut<br />
für Sportwissenschaft eine Podiumsdiskussion<br />
zum Thema: »Quo vadis Olympia?«<br />
(Bild unten). Eingeladen war der<br />
Präsident des Nationalen Olympischen<br />
Komitees für Deutschland, Prof. Walther<br />
Tröger, der auf aktuelle Fragen antwortete.<br />
Diese Podiumsdiskussion wurde live im<br />
Internet übertragen, so dass auch andere<br />
Institute für Sportwissenschaft in Deutschland<br />
die Möglichkeit hatten, diese Veranstaltung<br />
zu verfolgen. Die Realisierung<br />
dieser live Videokonferenz erfolgte erstmals<br />
durch die direkte Zusammenarbeit eines<br />
Instituts mit dem Universitätsrechen-<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
zentrum und dem Institut für Kommunikationswissenschaften<br />
der Martin-Luther-<br />
Universität.<br />
Neugestaltung der Webseiten<br />
Die Struktur und das Layout der Webseiten<br />
des Instituts für Sportwissenschaft der<br />
Martin-Luther-Universität wurden in den<br />
vergangenen anderthalb Jahren generell<br />
überarbeitet. Inhaltliche Gestaltung und<br />
Seiten-Struktur orientieren sich dabei an<br />
den zu erreichenden Zielgruppen. Dazu<br />
gehören unter anderem Interessenten oder<br />
Bewerber, die sich über Studiengänge, -inhalte,<br />
Ausbildungsstätten, Anforderungen<br />
der Eignungsprüfung und Berufsbilder informieren<br />
wollen und Studierende des Instituts,<br />
die Informationen zum laufenden<br />
Studienbetrieb (Stundenplan, Prüfungstermine,<br />
Studien- und Prüfungsordnungen,<br />
Prüfungsschwerpunkte, Praktika/Projekte<br />
usw.) brauchen.<br />
Konzeptionelle Überlegungen zum online<br />
Lehrangebot existieren bereits. Doch Publikation<br />
im WWW bedeutet auch, uneingeschränkten<br />
Zugriff weltweit und durch<br />
jeden, der einen Zugang zum Internet hat.<br />
Möglicherweise kann dies auch ein Grund<br />
dafür sein, dass man sich trotz zunehmender<br />
Euphorie eher noch zurückhält. ■<br />
Der Autor leitet das Lehrgebiet Theorie<br />
und Praxis des Geräteturnens am Institut<br />
für Sportwissenschaft. Er studierte Sportwissenschaft<br />
und Biologie an der Martin-<br />
Luther-Universität in Halle und wurde<br />
1991 an der Philosophischen Fakultät<br />
promoviert.<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
ERREICHEN ERWACHSENE MIT EINER GEISTIGEN<br />
BEHINDERUNG »SPIELEND« MEHR HANDLUNGSKOMPETENZ?<br />
Cornelia Demuth und Ivonne Schmid<br />
................................................................................<br />
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Rehabilitationspädagogik der halleschen Univer-<br />
16 sität wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts am Institut für Sportwissenschaft der<br />
Fragestellung nachgegangen, ob und (wenn ja) welchen Beitrag Sport- und Bewegungsangebote<br />
zur Kompetenzförderung bei geistig behinderten Erwachsenen verschiedener<br />
Schweregrade leisten können. Ausdruck einer modernen sozial begleitenden Arbeit in Beruf<br />
und Freizeit dieser Menschen ist die Schaffung vielfältiger Handlungsspielräume zur<br />
Nutzung und Weiterentwicklung motorischer, lebenspraktischer, kognitiver und sozialer<br />
Dimensionen ihrer generellen Alltagskompetenz.<br />
Das dazu eingereichte Forschungsprojekt<br />
wurde durch das Kultusministerium des<br />
Landes Sachsen-Anhalt als Drittmittelprojekt<br />
bewilligt und finanziell begleitet.<br />
Theoretischer Hintergrund und<br />
Forschungsfragen<br />
In der behindertenpädagogischen Arbeit<br />
auch mit Erwachsenen ist mit den theoretischen<br />
Ansätzen von Bach (1987), Speck<br />
(1993) und Theunissen (1994) im deutschsprachigen<br />
Raum in den letzten Jahren ein<br />
deutlicher Paradigmenwechsel eingeleitet<br />
worden. Es wird davon ausgegangen, dass<br />
die Lebenszufriedenheit der Menschen<br />
noch stärker als bei Nichtbehinderten in<br />
enger Wechselwirkung zu den passfähigen<br />
Arbeits- und Lebensbedingungen steht.<br />
Wir gehen davon aus, dass diese Ressource<br />
des menschlichen Seins durch den Erhalt<br />
und die Erweiterung von Handlungskompetenz<br />
gestärkt wird. Diese generelle<br />
Kompetenz findet jedoch nicht nur in ihrer<br />
Arbeitswelt und in den »Activities of daily<br />
lives« ihren Ausdruck, sondern auch in<br />
arbeitsbegleitenden und freizeitorientierten<br />
Angeboten. Diese bieten die Möglichkeit,<br />
die eigene Kompetenz in psychischer,<br />
physischer und sozialer Hinsicht einzusetzen<br />
und damit zu erleben.<br />
In den Modellen von Greenspan und Granfield<br />
(1992), Holtz (1994) und Sternberg<br />
Anzeige<br />
(1986) und Baltes (1993) und besonders<br />
von Baltes und Wilms (1995) wird »Kompetenz«<br />
nicht nur als Verfügbarkeit von<br />
Mitteln oder Fertigkeiten verstanden, sondern<br />
auch als Handlungs- und Verhaltenseffektivität<br />
definiert. Kern dieser Ansätze<br />
ist die Güte der adaptiven Passung in einer<br />
kontinuierlichen Auseinandersetzung zwischen<br />
dem Individuum und seiner materialen<br />
oder sozialen Umwelt. Eine verstehende<br />
Diagnostik, wie sie von Jantzen (1995)<br />
vertreten wird, konzentriert sich demzufolge<br />
in ihrer Definition auch stärker auf vorhandene<br />
Kompetenzen als auf Schäden<br />
und Beeinträchtigungen.<br />
Dass dieser Ansatz seine gesundheitspolitische<br />
Umsetzung auch weltweit zunehmend<br />
erfährt, wird nicht zuletzt in der<br />
2000 vorgelegten überarbeiteten Fassung<br />
der Definition von »Behinderung« durch<br />
die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />
deutlich, in der zwar von den funktionellorganischen<br />
Schäden (impairment) ausgegangen<br />
wird, aber zur näheren Beschreibung<br />
die Handlungsfähigkeit (activities)<br />
und die Teilnahmemöglichkeiten in ihrer
Abb. 1: Signifikante Veränderung (p
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
................................................................................<br />
18<br />
SPORT ALS MITTEL DER RESOZIALISIERUNG<br />
VON JUGENDLICHEN STRAFGEFANGENEN<br />
Theo Austermühle und Andreas Lau<br />
Im Rahmen der Bemühungen um eine erfolgreiche Resozialisierung von jugendlichen<br />
Strafgefangenen wird in der Jugendanstalt (JA) Halle eine ganze Reihe sozialtherapeutischer<br />
Maßnahmen organisiert. Eine wichtige Säule der Freizeitangebote ist der Sport.<br />
Nach dem Umbau einer alten Werkhalle zur Sportstätte besteht für die Jugendlichen seit<br />
1993 die Möglichkeit, ganzjährig Sport zu treiben. Das erforderte von Anfang an eine<br />
qualifizierte sportfachliche Betreuung der neuen Sportgruppen. So wandte sich der Anstaltsleiter<br />
an das Institut für Sportwissenschaft der halleschen Universität, es begann die<br />
Zusammenarbeit. Seit nunmehr sieben Jahren nutzen Diplomsportstudenten diese Partnerschaft,<br />
um im Hauptstudium ihre Projektarbeit (4 SWS) in der JA Halle zu leisten. Die<br />
wissenschaftliche Betreuung liegt in den Händen von Prof. Dr. Theo Austermühle und<br />
Dr. Andreas Lau. Bisher waren über 25 Studierende als Übungsleiter in den verschiedensten<br />
Sportarten im Einsatz.<br />
Schwerpunkt liegt auf Sportspielen<br />
Das regelmäßige Sporttreiben soll den jugendlichen<br />
Strafgefangenen einen Ausgleich<br />
für die vorherrschende Bewegungsarmut<br />
bieten und durch die Steigerung der<br />
physischen Belastungsfähigkeit ihre Gesundheit<br />
fördern. Die Stärkung des Selbstwertgefühls<br />
und der Abbau psychischer<br />
Spannungen stellen ebenso Ziele dieser<br />
sportlichen Aktivitäten dar wie die Entwicklung<br />
sozialer Verhaltensweisen und<br />
des Bedürfnisses nach einer sinnvollen<br />
Freizeitgestaltung. Hierfür eignen sich vor<br />
allem Sportspiele, weshalb der Schwerpunkt<br />
der Projektarbeit auf die Betreuung<br />
der Basketball-, Fußball- und Volleyballmannschaften<br />
gelegt wurde.<br />
Die Anzahl der Teilnehmer an den<br />
Übungsstunden schwankt zwischen 6 und<br />
20. Durchschnittlich nehmen 100 bis 150<br />
Häftlinge pro Woche an den organisierten<br />
Sportstunden teil. Zusätzlich werden die<br />
Krafträume und die Tischtennisanlagen<br />
stark frequentiert. So kann man davon ausgehen,<br />
dass etwa ein Drittel der Inhaftierten<br />
mehr oder weniger regelmäßig Sport<br />
treiben und die Tendenz ist zunehmend.<br />
Die Arbeit mit den Jugendlichen verläuft<br />
unproblematisch. Im Vordergrund der<br />
Trainingsstunden stehen natürlich Spielformen.<br />
Besonderer Wert wird darauf gelegt,<br />
dass alle beteiligten Spieler die Spiel-<br />
Anzeige<br />
regeln und Formen des Fairplay einhalten.<br />
Das regelmäßige Training und der kontinuierliche<br />
Kontakt der Jugendlichen mit<br />
ihren studentischen Übungsleitern weckte<br />
bei ihnen das Interesse an sportlichen Vergleichen<br />
und regelmäßigeren Kontakten<br />
mit nicht inhaftierten Jugendlichen. Diese<br />
Tatsache wurde genutzt, um die Projektarbeit<br />
zu intensivieren. So half das Institut<br />
für Sportwissenschaft bei der Organisation<br />
von Anstaltssportfesten und Spielturnieren<br />
und suchte darüber hinaus nach Möglichkeiten<br />
zum integrativen Sporttreiben. Es<br />
gelang, mit Unterstützung der Sportjugend<br />
des Landes Sachsen-Anhalt jährlich bis zu<br />
zwei Streetball-Turniere auf dem Freigelände<br />
der JA zu organisieren. Bis zu 50<br />
Spieler pro Turnier wurden gezählt. Die<br />
Teams der Sportstudenten und des USV<br />
Halle wurden voll akzeptiert, und die erhoffte<br />
Integration fand erste Impulse in der<br />
Bildung »gemischter« Mannschaften.<br />
Nach Haftentlassung weiter Sport treiben<br />
Die wissenschaftlichen Begleitstudien, die<br />
von den Studierenden neben ihrer praktischen<br />
Tätigkeit eigenverantwortlich zu<br />
planen und durchzuführen sind, sollen die<br />
Wirkungen der sportlichen Aktivitäten auf<br />
das Verhalten der inhaftierten Jugendlichen<br />
dokumentieren. Dabei stehen vor al-<br />
Jugendliche Strafgefangene beim gemeinsamen<br />
Basketballspiel mit Sportstudenten der halleschen<br />
Universität.<br />
Foto: Dyck<br />
lem sportsoziologische und -psychologische<br />
Fragestellungen im Mittelpunkt des<br />
Interesses. So erfasste F. Wirth im Rahmen<br />
seiner Diplomarbeit Einstellungen<br />
und Motive zum Freizeitverhalten und<br />
zum Sport der Jugendlichen in der JA Halle<br />
vor der Straftat und zu ihrer Prognose<br />
für die Zeit nach der Haft. Die Hauptmotive<br />
der 101 befragten Jugendlichen zum<br />
Sporttreiben in der JA sind vor allem der<br />
Erhalt der körperlichen Gesundheit und<br />
die Verbesserung der Fitness, aber auch<br />
soziale Anschlussmotive haben eine hohe<br />
Bedeutung. So hoffen die Jugendlichen,<br />
beim Sporttreiben später neue Freunde<br />
kennen zu lernen. Letzteres erhält eine besondere<br />
Gewichtung, da 90 Prozent der<br />
Befragten das Bedürfnis anzeigten, auch<br />
nach der Entlassung weiterhin Sport zu<br />
treiben. Knapp die Hälfte davon könnte<br />
sich vorstellen, einem Sportverein beizutreten.<br />
Sowohl die praktische Hilfe als auch die<br />
Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitstudien<br />
finden bei der Anstaltsleitung große<br />
Anerkennung. Bleibt zu hoffen, dass<br />
diese positiven Erfahrungen auch nach<br />
dem Umzug in die neue Jugendanstalt von<br />
Raßnitz zur Fortführung und Erweiterung<br />
der Freizeitsportangebote für möglichst<br />
viele Inhaftierte beiträgt.<br />
■<br />
Dr. Andreas Lau arbeitet seit 1983 als<br />
wiss. Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft.<br />
Seine Schwerpunkte in Lehre<br />
und Forschung liegen auf den Gebieten<br />
der Sportpsychologie, in den Sportspielen<br />
und im Kampfsport.<br />
Prof. Dr. Theo Austermühle – Autoreninformation<br />
siehe Seite 4.
NEUE TRAININGSMITTEL GEGEN DEN RÜCKENSCHMERZ<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
GEMEINSAMES FORSCHUNGSPROJEKT MEDIZIN UND SPORTWISSENSCHAFT<br />
Siegfried Leuchte, René Schwesig, Klaus Müller und Detlev Riede<br />
In diesem Beitrag wird ein interdisziplinäres Forschungsprojekt in Kooperation zwischen<br />
der Sektion Physikalische und Rehabilitative Medizin und dem Institut für Sportwissenschaft<br />
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vorgestellt.<br />
Der Rückenschmerz<br />
Der Begriff »Rückenschmerz« ist der Umgangssprache<br />
entnommen. Es existieren<br />
eine Reihe von Synonymbegriffe, wie<br />
z. B. Kreuzschmerz, Rückenbeschwerden,<br />
Lumbalsyndrom oder low back pain, die<br />
auf eine vergleichbare Symptomatik hinweisen.<br />
Die zumeist unspezifischen Beschwerden<br />
können ganz unterschiedliche<br />
Ursachen haben. In den letzten 15 Jahren<br />
lässt sich eine paradoxe Entwicklung beobachten:<br />
Einerseits sinkt als Folge der<br />
Automatisierung der Arbeitswelt die physische<br />
Belastung und Beanspruchung des<br />
Stütz- und Bewegungsapparates, andererseits<br />
erhöht sich die Zahl der chronischen<br />
Rückenschmerzpatienten explosionsartig.<br />
Geschätzte 80 Prozent der Menschen in<br />
Deutschland haben einmal in ihrem Leben<br />
Rückenschmerzen (Lebenszeitprävalenz),<br />
70 Prozent mindestens einmal im Jahr<br />
(Jahresprävalenz) und 40 Prozent sind zum<br />
Zeitpunkt unserer Befragung bzw. Untersuchung<br />
von Rückenschmerzen betroffen<br />
(Punktprävalenz). In etwa 10 Prozent der<br />
Fälle ist mit rezidivierenden und chronifizierenden<br />
Verläufen zu rechnen. Immerhin<br />
verursachen die chronischen Beschwerden<br />
80 Prozent aller Rückenbehandlungskosten.<br />
In Deutschland belaufen sich die direkten<br />
(30 Prozent) und indirekten (70<br />
Prozent) Kosten auf 34 Milliarden DM.<br />
Auch jede fünfte Frühverrentung ist dieser<br />
Indikationsgruppe zuzuordnen.<br />
Ursachen und Maßnahmen<br />
Will man dem Rückenschmerz mit geeigneten<br />
Maßnahmen wirksam und gezielt<br />
begegnen, so muss man mehr über die Ursachen<br />
und Zusammenhänge wissen. Genau<br />
hier liegt das Problem, denn bei lediglich<br />
6 Prozent der Rückenschmerzen lassen<br />
sich somatische Ursachen als Auslöser<br />
der Beschwerden diagnostizieren. Diese<br />
Rückenschmerzen werden als radikuläre<br />
Syndrome (5 Prozent – z. B. Bandschei-<br />
Anzeige<br />
benvorfall) bzw. spezifische Rückenschmerzen<br />
(1 Prozent – z. B. Entzündungen)<br />
bezeichnet. Dem gegenüber können<br />
bei 94 Prozent der Rückenschmerzpatienten<br />
keine eindeutigen pathologischen Veränderungen<br />
nachgewiesen werden. Man<br />
spricht in dem Zusammenhang vom unspezifischen<br />
Rückenschmerz.<br />
Bisweilen wird auch heute noch den<br />
Rückenschmerzgeplagten Ruhe bzw. körperliche<br />
Schonung empfohlen. Mittlerweile<br />
belegen zahlreiche Untersuchungen,<br />
dass körperliche Inaktivität allenfalls in<br />
der Akutphase sinnvoll ist. Beim chronischen<br />
Rückenschmerz wird über die Senkung<br />
der muskulären Leistungsfähigkeit<br />
letztendlich der Schmerzkreislauf aufrecht<br />
erhalten. Mit einer Reihe von Maßnahmen<br />
versucht man gegen den Rückenschmerz<br />
anzukämpfen:<br />
1. Verhaltensprävention, z. B. durch<br />
»rückengerechtes« Heben und Tragen von<br />
Lasten im Alltags- und Berufsleben,<br />
2. Verhältnisprävention, z. B. durch die<br />
...............................................................................<br />
Anpassung der Umgebungsbedingungen<br />
(Arbeitsplatzbedingungen, Hebe- und<br />
Transporthilfen) und<br />
3. Verhaltensprävention, z. B. durch gezieltes<br />
Kraft- und Koordinationstraining.<br />
Für die Sportwissenschaft ergeben sich aus<br />
dieser Problematik eine Reihe interessanter<br />
Aufgabenstellungen. Bislang ging man<br />
davon aus, dass primär muskuläre Defizite<br />
in Form von atrophierten Muskeln ursächlich<br />
für die Entstehung von Rückenschmerzen<br />
verantwortlich sind oder diese<br />
Abb. 1: Übungssituation im Spacecurl Foto: Schwesig<br />
zumindest begünstigen. Aktuelle Forschungsergebnisse<br />
belegen jedoch, dass<br />
bei 98 Prozent der Patienten mit chronischem<br />
Rückenschmerz muskuläre Dysbalancen<br />
und bei 67 Prozent Koordinationsstörungen<br />
vorliegen (Müller et al.<br />
2001).<br />
Eigene Untersuchungen<br />
Von der Sektion Physikalische und Rehabilitative<br />
Medizin und dem Institut für<br />
Sportwissenschaft wurde ein interdisziplinäres<br />
Forschungsprojekt für die wissenschaftliche<br />
Erprobung des von der NASA<br />
entwickelten Trainingsgerätes »Spacecurl«<br />
initiiert. Der Vorteil des »Dreiachstrainers«<br />
gegenüber bekannten apparativen<br />
Trainingsmitteln besteht in der Möglichkeit,<br />
Bewegungen um alle drei Körperachsen<br />
ausführen zu lassen (Abb. 1).<br />
Durch die Variation der Ausgangs- und<br />
19
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
................................................................................<br />
Endstellungen, der Bewegungsamplituden,<br />
20 der zeitlichen Anforderungen und letztlich<br />
durch die Anzahl der Freiheitsgrade durch<br />
die drei separaten Ringe ergeben sich eine<br />
Vielzahl motorischer Aufgaben mit unterschiedlichen<br />
Schwierigkeitsgraden.<br />
Ziel und Methodik<br />
Im Rahmen der Untersuchungen sollte der<br />
Fragestellung nachgegangen werden, ob<br />
das Trainingsprogramm im Spacecurl neben<br />
der angestrebten Verbesserung der<br />
muskulären Koordination auch sekundärpräventiv<br />
eine Rückenschmerzreduktion<br />
bewirkt und letztlich auf die Einschätzung<br />
zur Lebensqualität Einfluss nimmt. Mehr<br />
als 100 Pflegekräfte der Medizinischen Fakultät<br />
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
stellten sich freiwillig für<br />
die Untersuchungen zur Verfügung. Nach<br />
dem Zufallsprinzip wurden die Versuchsund<br />
Kontrollgruppen zusammengestellt.<br />
Die Trainierenden führten insgesamt 36<br />
Trainingseinheiten (Dauer jeweils 30 min;<br />
1 bis 2 Trainingseinheiten pro Woche) im<br />
Dreiachstrainer Spacecurl durch. Die Probanden<br />
der Kontrollgruppe nahmen an diesem<br />
Training nicht teil. Die Untersuchungen<br />
in beiden Gruppen fanden vor der ersten<br />
und nach der letzten Trainingseinheit,<br />
zwölf Wochen und ein Jahr danach statt.<br />
Die untersuchten Parameter richteten sich<br />
auf die Dimensionen »Koordination«,<br />
»Rückenschmerzsymptomatik« und »Le-<br />
Haben Sie Beschwerden in bestimmten<br />
Körperregionen, die sie<br />
auf Ihren Beruf zurückführen?<br />
bensqualität«. Die Ergebnisse stützen sich<br />
auf elektromyographische Aufzeichnungen,<br />
auf die Posturographie und auf Fragebogenerhebungen<br />
zu den angegebenen<br />
Dimensionen und Messzeitpunkten.<br />
Ergebnisse und Folgerungen<br />
Im Ergebnis der Untersuchung wurde festgestellt,<br />
dass sich nur die aktiven Probanden<br />
signifikant in den Dimensionen »Koordination«,<br />
»Rückenschmerz« und »Lebensqualität«<br />
verbessern konnten. Insbesondere<br />
die Resultate der Oberflächenelektromyographie<br />
verweisen lernstandsabhängig<br />
auf stabile Koordinationsmuster.<br />
Abb. 2 zeigt, dass es dem Probanden nach<br />
dem Trainingszeitraum wesentlich besser<br />
gelang, die Bauch- und Rückenmuskulatur<br />
zielgerichtet (koordiniert) zur Lösung der<br />
motorischen Aufgabenstellung einzusetzen.<br />
Aus den Fragebögen war ersichtlich,<br />
dass sich die Rückenschmerzhäufigkeit bei<br />
34 Prozent der aktiven Probanden signifikant<br />
verringerte. Ein möglicher Zusammenhang<br />
zur Verbesserung der Dimension<br />
Abb. 2: Koordinationsmuster eines Trainierenden vor und nach dem Trainingszyklus<br />
Abb. 3: Beruflich bedingte Beschwerden und der Einfluss des Trainings im Spacecurl auf die<br />
Rückenbefindlichkeit<br />
Vor der 1. Nach der letzten (36.)<br />
Trainigseinheit<br />
Haben Sie den Eindruck, dass<br />
sich Ihre Rückenbefindlichkeit<br />
durch das Training im Spacecurl<br />
verbessert hat?<br />
»Lebensqualität« – bei 43 Prozent signifikant<br />
– ist allerdings nur zu vermuten. Immerhin<br />
brachten 77 Prozent der Probanden<br />
ihre Rückenschmerzen mit der beruflichen<br />
Tätigkeit in Verbindung und waren zu 35<br />
Prozent aus diesen Gründen mindestens<br />
schon einmal arbeitsunfähig.<br />
Die Abb. 3 verdeutlicht die Dominanz der<br />
Schmerzhäufigkeit für das Pflegepersonal<br />
im Bereich der Lendenwirbelsäule und<br />
verweist nachhaltig auf den Stellenwert<br />
der Primär- und Sekundärprävention hin.<br />
Zugleich wird der positive Effekt dieses<br />
apparativen Koordinationstrainings von<br />
den Probanden bestätigt. Die »Nachuntersuchung«<br />
nach einem Jahr zeigte den »bekannten«<br />
Effekt: Eine signifikant erhöhte<br />
Rückenschmerzhäufigkeit mit deutlichem<br />
Einfluss auf die Lebensqualität. Die Notwendigkeit<br />
eines kontinuierlichen Trainings<br />
der im Pflegedienst stark beanspruchten<br />
Muskelgruppen im Bereich der<br />
Wirbelsäule, z. B. durch eine vom Arbeitgeber<br />
»verordnete« Rückenschule nach der<br />
Arbeit im Sinne betrieblicher Gesundheitsförderung<br />
oder/und die selbständige<br />
Durchführung eines individuellen Hausaufgabenprogramms<br />
durch das Pflegepersonal,<br />
sind letztlich auch angezeigt. ■<br />
Prof. Dr. Siegfried Leuchte – Autoreninformation<br />
siehe Seite 12.<br />
Dr. phil. René Schwesig studierte von<br />
1993–1997 im Diplomstudiengang und<br />
promovierte 2001 zur vorgestellten Thematik.<br />
Er ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
an der Sektion Physikalische und<br />
Rehabilitative Medizin der halleschen Universität<br />
tätig.<br />
Dr. med. Klaus Müller studierte von<br />
1984–1990 Medizin an der Universität<br />
Leipzig (Promotion 1993). Seit 1995 ist er<br />
Oberarzt an der Sektion Physikalische und<br />
Rehabilitative Medizin der Universität<br />
Halle.<br />
Prof. Dr. med. Detlev Riede studierte von<br />
1958–1963 Medizin an der Martin-Luther-<br />
Universität (Promotion 1963, Habilitation<br />
1984). Bis zu seiner Emeritierung leitete<br />
er über viele Jahre die Sektion Physikalische<br />
und Rehabilitative Medizin.
ROLLSTUHLTENNIS<br />
EIN NEUES SPORTANGEBOT FÜR BEHINDERTE<br />
Rainer Glettner und Dörte Boßmann<br />
Trotz vielfältiger Aufklärungsarbeit von Vereinen und Verbänden ist für Menschen mit<br />
einer Behinderung die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben noch weitgehend erschwert.<br />
Weil Behinderte bestimmten Erwartungshaltungen der Gesellschaft nicht entsprechen<br />
bzw. weil dem Begriff »behindert« der Vergleich »normal« gegenüber gestellt<br />
wird, entsteht eine teils negative Sichtweise im Sinne des Stigma-Konzepts. Erst diese<br />
Bewertung, die Registrierung der scheinbaren Abweichung von der Norm, kann bei Begegnungen<br />
im Alltag sowohl für den Behinderten als auch für den nichtbehinderten Interaktionspartner<br />
Unsicherheit und Missverständnisse hervorrufen, die nachfolgend längerfristige<br />
kommunikative Störungen bewirken. Die ganze Tragweite dieser Problematik<br />
kann vielleicht mit der Aussage Richard von Weizsäckers bewusst gemacht werden:<br />
»Nicht behindert zu sein ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit<br />
genommen werden kann.«<br />
Unter diesem Aspekt stellte sich die Frage,<br />
ob Körperbehinderte durch die Aufnahme<br />
sportlicher Aktivitäten in einen Sozialisierungsprozess<br />
eingebunden werden können,<br />
der ihre Identitätsfindung und Suche nach<br />
einem neuen Selbstwertgefühl unterstützen<br />
kann. Die inzwischen weltweit erfolgreichen<br />
»Paralympics«, die Olympischen<br />
Spiele der Behindertensportler, wurden<br />
wegen ihres leistungsdominierenden Charakters<br />
zunächst nur in orientierende Studien<br />
einbezogen. Wichtiger erschien die<br />
regionale Zusammenarbeit mit dem Behindertensportverband<br />
Sachsen-Anhalt, die<br />
schließlich die Voraussetzung für das<br />
sportwissenschaftliche Projekt bildete, bedingt<br />
allerdings durch eine günstige personelle<br />
Ausgangssituation – zwei nach<br />
Übungsmöglichkeiten suchende Rollstuhlfahrer<br />
mit Grundfertigkeiten im Tennisspiel<br />
und zwei auf Praxiserfahrung hoffende<br />
Tennisübungsleiter mit der Zusatzqualifikation<br />
für Rollstuhltennis. Gemeinsam<br />
wurden in ersten Begegnungen die möglichen<br />
Zielstellungen einer intensiven Zusammenarbeit<br />
diskutiert, trainingsmethodische<br />
Maßnahmen geplant, Betreuung bei<br />
Wettkampfreisen signalisiert und (falls erforderlich)<br />
soziale Unterstützung zugesichert.<br />
Das auf sechs Monate fixierte Projekt<br />
wurde auf ein Jahr ausgeweitet, zum<br />
einem, um eine gewisse Kontinuität der<br />
sportlichen Ausbildung der Rollstuhltennisspieler<br />
zu gewährleisten und zum anderen,<br />
um die persönlichen Beziehungen<br />
fortzuführen, die sich zwischen den Beteiligten<br />
entwickelt hatten, die auch gemeinsame<br />
Freizeitgestaltung beinhalteten.<br />
Der Impuls für die Behindertensportart<br />
»Rollstuhltennis« ging Anfang der 70er<br />
Jahre (unter der Bezeichnung »wheelchair-tennis«)<br />
von den Vereinigten Staaten<br />
aus, wo mit technischen Weiterentwicklungen<br />
im Sportrollstuhlbau neue Betätigungsfelder<br />
für sportinteressierte Behinderte<br />
geschaffen wurden. Im Gegensatz<br />
zum »Rollstuhlbasketball«, bei dem der<br />
Sportvergleich weitgehend zwischen den<br />
behinderten Sportlern organisiert ist, hat<br />
eine einzige Änderung des internationalen<br />
Tennisregelwerks dazu geführt, dass Behinderte<br />
und Nichtbehinderte gemeinsam<br />
ein Tennismatch austragen können. Auf<br />
der Spielfeldseite des Behinderten »darf«<br />
der Tennisball zweimal aufspringen, so<br />
dass dem Spieler, natürlich ein geschickter<br />
Umgang mit dem Rollstuhl vorausgesetzt,<br />
ausreichend Handlungsspielraum zur Verfügung<br />
steht, um die Spielsituation erfolgreich<br />
taktisch und technisch zu lösen.<br />
Durch diese Art des Tennisvergleichs, der<br />
als »Rolli gegen Fußgänger« bezeichnet<br />
wird, ergeben sich günstige Ansätze für<br />
ein sportliches und soziales Miteinander in<br />
einem »normalen« Tennisverein. In diesem<br />
Sinne gibt es Äußerungen von erfolgreichen<br />
Wettkampfspielern der Rollstuhltennisszene,<br />
dass sie bewusst bei Tennisturnieren<br />
im Heimatverein den sportlichen<br />
Vergleich mit Fußgängern suchen, um<br />
durch ihre Leistungen den Anspruch auf<br />
Normalität zu dokumentieren. Auch die im<br />
Projekt betreuten Rollstuhltennisspieler<br />
Nach dem Tennismatch auf dem Universitätssportplatz<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
bestärkten dies. Als nämlich die Trainingseinheit<br />
von der Tennishalle auf den Universitätssportplatz<br />
verlegt wurde, der von<br />
Studenten unterschiedlichster Sportarten<br />
frequentiert wird, bewirkte das kurzzeitige<br />
erstaunte Zuschauen, das sicher die Honorierung<br />
der gezeigten Spielleistung einschloss,<br />
einen wesentlichen Einfluss auf<br />
die Steigerung des Selbstwertgefühls. Insgesamt<br />
formulieren Behinderte, die den<br />
Sport für sich entdeckt haben, die Erkenntnis,<br />
dass sie depressive Lebensphasen<br />
schneller überwinden, sich keineswegs<br />
mehr als Pflegefall fühlen, eine Öffnung<br />
ihres Aktionsraumes feststellen und ihnen<br />
die Bewältigung der täglichen Aufgaben<br />
besser gelingt. Rollstuhltennis richtet sich<br />
speziell an Gehbehinderte, Beinamputierte<br />
sowie Querschnittsgelähmte. Neben der<br />
bereits diskutierten Erweiterung des sozialen<br />
Handlungsspielraumes, sind der Abbau<br />
oder Ausgleich muskulärer und organischer<br />
Dysbalancen sowie die Verbesserung<br />
funktioneller Fähigkeiten wichtige<br />
Zielstellungen, wobei die Langfristigkeit<br />
des geschilderten Prozesses außer Frage<br />
steht.<br />
■<br />
Rainer Glettner studierte von 1971–1975<br />
an der Universität Halle Lehramt Sport<br />
und Biologie, wurde 1981 promoviert und<br />
ist seitdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Sportwissenschaft tätig.<br />
Dörte Boßmann war im Rahmen der studentischen<br />
Ausbildung für wesentliche<br />
Projektinhalte verantwortlich und ist inzwischen<br />
Diplomsportlehrerin für Prävention,<br />
Rehabilitation und Therapie.<br />
21
scientia halensis 4/2001<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
ZUR GESCHICHTE DER GANGANALYSE<br />
DEM RÄTSEL DES MENSCHLICHEN GANGS AUF DER SPUR<br />
Siegfried Leuchte und Andreas Speer<br />
................................................................................<br />
Der (aufrechte) Gang des Menschen ist eines der interessantesten Bewegungsphänomene<br />
22 überhaupt. Über das Krabbeln und Aufrichten erlernt das Kleinkind das Gehen und diverse<br />
Karikaturen verweisen nicht zu Unrecht darauf, dass es im höheren Lebensalter, wenn<br />
nicht durch Gehhilfen verhindert, auch dahin wieder zurückgeht. Der Gang des Menschen<br />
gehört als lebenswichtige Fortbewegungsart zu den frühen Untersuchungs- und vorwissenschaftlichen<br />
Studienobjekten. So soll Aristoteles (384–322 v. Chr.) von der Vergleichbarkeit<br />
der Beinstellung im Schritt mit den Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks fasziniert<br />
gewesen sein. Jahrhunderte später hat Leonardo da Vinci (1452–1642) zahlreiche<br />
Studien zur Mechanik von Flug- und Schreitbewegungen hinterlassen und auf ihre technische<br />
Nutzung hin überprüft.<br />
Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679),<br />
ein Zeitgenosse Isaac Newtons, lieferte mit<br />
seinem Werk »De motu animalium« (1680<br />
und 1681) erste mechanische Beschreibungen<br />
der Bewegungen von Tier und<br />
Abb. 2: »Gelenkmechanismus, welcher den<br />
Gesammtschwerpunkt und die Schwere dieser<br />
Abschnitte des menschlichen Körpers<br />
selbsthätig angiebt« (Fischer 1889)<br />
Anzeige<br />
Mensch. Auch die Begriffsbildung zum<br />
»Körperschwerpunkt« wird diesen Studien<br />
zugeschrieben: Durch die Vorverlagerung<br />
vor die Unterstützungsfläche kommt nach<br />
Borelli dem Schwerpunkt eine Antriebswirkung<br />
zu. Gassendi (1592–1655) kam in<br />
seiner Schrift »De motu animalium secundeum<br />
totum, ac tremum degresso« zur Erkenntnis,<br />
dass die Fortbewegung nur durch<br />
den Gegendruck der Erde möglich sei. Des<br />
weiteren erkannte Gassendi, dass das Gehen<br />
eine zusammengesetzte Bewegung ist,<br />
die aus mehreren, um verschiedene Mittelpunkte<br />
beschriebene Kreisbögen besteht,<br />
d. h. sie erscheint nur als geradlinig.<br />
Die Zeit der großen Erfindungen<br />
Das 19. Jahrhundert war die »Geburtsstunde«<br />
zahlreicher (Grenz-)Wissenschaften.<br />
Es war die Zeit der großen Erfindungen<br />
über viele Jahrzehnte hinweg. Einige<br />
von ihnen hatten für den Aufschwung der<br />
wissenschaftlichen Ganganalyse einen besonderen<br />
Stellenwert: Die kinematographische<br />
Registrierung der fortschreitenden<br />
Bewegungen durch den Einsatz von mehreren<br />
Fotoapparaten war von Eadweard<br />
Muybridge (1830–1904) bei Bewegungsstudien<br />
von Pferden erfolgreich gelöst<br />
worden (»Le mouvement« 1894). Bereits<br />
einige Jahre zuvor hatte Muybridge den<br />
menschlichen Lauf »photographisch« zergliedert.<br />
Etienne Jules Marey (1838–1904)<br />
entwickelte ein pneumatisches System zur<br />
Erfassung des Bodendrucks und machte<br />
sich um die Weiterentwicklung der Kinematographie-Serienaufnahme<br />
mit zunächst<br />
zwölf Bildern pro Sekunde auf einer lichtempfindlichen<br />
Platte verdient (»The hu-<br />
man figure in motion«). Später arbeitete er<br />
mit galvanischen Röhren auf einem<br />
schwarzen Anzug, so dass durch rhythmische<br />
Stromkreisunterbrechungen (25 Hz)<br />
eine chronophotographische Abbildung in<br />
Form eines »Strichmannes« entstand<br />
(Abb. 1). Der Bewegungseffekt durch<br />
elektrische Stimulation war seit den Ver-<br />
Abb. 1: Chronophotographie nach Marey<br />
(1884)<br />
suchen von Luigi Galvani (1737–1798)<br />
am Froschmuskel bekannt. Versuche der<br />
Messung dieser elektrischen Aktivität gehen<br />
auf Reymond (1818–1922) und auf<br />
Duchenne de Boulogne (1806–1875) zurück.<br />
Duchenne gelang es 1885, die Funktionen<br />
der oberflächlich zugänglichen<br />
Muskeln durch elektrische Reizung zu untersuchen<br />
und die pathologische von der<br />
normalen antagonistischen Muskeltätigkeit<br />
abzugrenzen (vgl. »Duchenne-Hinken«).<br />
Die Gebrüder Eduard (1795–1881) und<br />
Wilhelm Weber (1804–1891) beschrieben<br />
in der Monographie »Die Mechanik der<br />
menschlichen Gehwerkzeuge« (Göttingen<br />
1836) als erste die Bewegungen beim Gehen<br />
unter Einbeziehung muskulärer Gesichtspunkte.<br />
Die vordergründig phänomenologische<br />
Betrachtung führte allerdings<br />
auch zu Falschaussagen: So wird der<br />
Unterschenkel als freischwingendes mechanisches<br />
Pendel, angetrieben durch die<br />
Schwerkraft, angesehen. Vierordt versuchte<br />
durch eine Reihe von Experimenten die<br />
räumlichen und zeitlichen Verhältnisse des<br />
Gehens zu analysieren. Dazu entwickelte<br />
er verschiedene Registrierungsmethoden<br />
am Fuß und an der Hüfte. Aus der Analyse<br />
pathologischer Gangmuster eines Hemiplegikers<br />
und eines Patienten mit Lateralskoliose<br />
stammt die wichtige Monographie<br />
Ȇber das Gehen des Menschen in gesun-
Abb. 4: Successive Stellungen der beiden Beine im Verlauf eines Doppelschrittes (Fischer 1889)<br />
den und kranken Zuständen« (Tübingen<br />
1882).<br />
Otto Fischer »Der Gang des Menschen«<br />
Das Lebenswerk von Wilhelm Braune und<br />
Otto Fischer umfasst weit mehr als die bekannten<br />
Gangstudien. Zahlreiche theoretische<br />
und experimentelle Vorleistungen<br />
Abb. 3: Das Versuchsindividuum in voller Ausrüstung<br />
(Braune/Fischer 1890)<br />
waren erforderlich, wie z. B. die anatomischen<br />
Präparationen zur Bestimmung der<br />
Lage von Teilschwerpunkten der Körperteile<br />
und ihre Relativierung auf die Gesamtkörpermasse<br />
als Grundlage für das<br />
von ihnen entwickelte Verfahren der analytischen<br />
Körperschwerpunktbestimmung<br />
(Abb. 2). Die erste dreidimensionale kinematographische<br />
Analyse des menschlichen<br />
Ganges entwickelten Otto Fischer und<br />
Wilhelm Braune im Jahre 1891. Von unschätzbarem<br />
Wert – auch für die moderne<br />
Ganganalytik – ist die erste geschlossene<br />
Abhandlung von Otto Fischer und bis zu<br />
seinem Tod von Wilhelm Braune »Der<br />
Gang des Menschen« in sechs Teilen, erschienen<br />
zwischen 1895 und 1904. Es ist<br />
für uns kaum vorstellbar, dass die Verfasser<br />
auch ohne moderne Kommunikationsmittel<br />
sowohl über den aktuellen Erkenntnisstand<br />
zur Gangproblematik – vgl. Gebr.<br />
Weber oder Vierordt – verfügten, als auch<br />
mit der »zweiseitigen Chronophotographie«<br />
die Marey’sche Methodik der Kinematographie<br />
entscheidend weiterentwikkelten.<br />
Die Beschreibung des Versuchsaufbaus<br />
liest sich in der Tat abenteuerlich<br />
und sollte auch beim Rekruten des Königlichen<br />
8. Infanterieregiments Nr. 107 nach<br />
mehr als siebenstündiger Vorbereitungszeit<br />
Angst vor Stromschlägen hervorgerufen<br />
haben (Abb. 3). Die wahren Relationen<br />
gegenüber den heutigen mess- und<br />
rechentechnischen Möglichkeiten dürften<br />
aber im materiellen und zeitlichen Aufwand<br />
für die Koordinatenbestimmungen,<br />
die rechentechnische Weiterverarbeitung<br />
für die Darstellung der Raumbahnen der<br />
Körperpunkte, die Bestimmung der Teilund<br />
des Körperschwerpunktes, die Winkelberechnungen<br />
und die Ableitungen von<br />
Teilkörpergeschwindigkeiten und -beschleunigungen<br />
liegen. Gegenüber diesen<br />
Aufwendungen nimmt sich die Differenz<br />
im Erkenntnisstand gegenüber 1900 eher<br />
bescheiden aus. Fischer anerkannte bereits<br />
in den Muskelkräften, den elastischen<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
Zugspannungen von Sehnen und Bändern<br />
die »inneren Kräfte« für die Fortbewegung<br />
im Wechselspiel mit den »äußeren Kräften«<br />
wie die Erdanziehung, den Bodendruck<br />
als passive Reaktionskraft, die Reibung<br />
und den Widerstand der Luft. Dem<br />
persönlichen Engagement, der für damalige<br />
Verhältnisse modernsten Laborausstattung<br />
und dem Hang zur experimentellen<br />
und methodischen Perfektion ist es zu verdanken,<br />
dass die Ergebnisse von Fischer<br />
und Braune alle wissenschaftlichen Vorleistungen<br />
zur Ganganalytik in den »Schatten«<br />
stellten, auch wenn die Studien und<br />
Experimente eine militärisch motivierte<br />
Förderung erhielten. Von allen Aufzeichnungen<br />
wählte Otto Fischer akribisch drei<br />
Versuche aus: Zwei unbelastete Gehversuche<br />
und einen dritten, bei dem die Versuchsperson<br />
mit einem Tornister, mit Patronentaschen<br />
und einem Gewehr ausgestattet<br />
war. Man wollte unbedingt den »typischen«<br />
Doppelschritt abbilden (Abb. 4),<br />
um die Allgemeingültigkeit der Untersuchungsergebnisse<br />
anzuzeigen.<br />
Abschließend sei darauf verwiesen, dass<br />
die Gangproblematik kaum an wissenschaftlichem<br />
Reiz eingebüßt hat. Weltweit<br />
forschen Biomechaniker, Mediziner und<br />
Therapeuten gemeinsam in zahllosen<br />
»Gait-Labs« zu motorischen, neurologischen<br />
und/oder orthopädisch-traumatologischen<br />
Fragestellungen, unterstützen ganz<br />
wesentlich die Materialentwicklung im<br />
Bereich der Prothetik und Orthetik oder<br />
begleiten messtechnisch die Gangschulung<br />
im Rahmen der frühfunktionellen Rehabilitation<br />
und Therapie.<br />
■<br />
Prof. Dr. Siegfried Leuchte – Autoreninformation<br />
siehe Seite 12.<br />
Andreas Speer beendete 2000 sein Studium<br />
als Diplomsportlehrer für Prävention,<br />
Rehabilitation und Therapie und arbeitet<br />
seit anderthalb Jahren im Rahmen der<br />
Graduiertenförderung an der Promotion<br />
zum Thema der Ganganalytik.<br />
Anzeige<br />
23
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
DIE EFFEKTIVITÄT VON SPORTLICHER AKTIVITÄT<br />
ZUR VERBESSERUNG DER PSYCHISCHEN GESUNDHEIT<br />
Oliver Stoll<br />
................................................................................<br />
In den vergangenen zehn Jahren wurde eine Fülle verschiedener Untersuchungsergebnis-<br />
24 se bezüglich psycho-sozialer Effekte von primärpräventiver, moderater, körperlicher Aktivität<br />
publiziert. Die ersten Zusammenfassungen vorliegender Studien erfolgten in Form<br />
von narrativen Reviews. Der generelle Tenor dieser Reviews war, dass Sport bzw. körperliche<br />
Aktivität einen positiven Effekt auf Variablen der psychischen Gesundheit aufweist.<br />
Diese Erkenntnis deckte sich durchaus mit dem, was an Universitäten gelehrt wird<br />
und vielfach auch als Alltagswissen gilt. Aus dem eigenen Erleben erfahren die meisten<br />
Menschen, dass Sporttreiben – zumindest wenn es nicht übertrieben wird – der Gesundheit<br />
dient und zum Wohlbefinden beiträgt.<br />
Schaut man sich die Ergebnisse wissenschaftlicher<br />
Studien der vergangenen<br />
zwanzig Jahre an, so muss dieses Bild relativiert<br />
werden. Erste narrative Reviews<br />
kommen zunächst zu einer recht optimistischen<br />
Einschätzung der Auswirkungen<br />
von körperlichen Aktivitäten auf die Gesundheit<br />
im Allgemeinen und der psychischen<br />
Gesundheit im Speziellen. Vorliegende<br />
Meta-Analysen jüngeren Datums<br />
widersprechen eher dieser Einschätzung.<br />
Betrachtet man die wichtigsten Ergebnisse<br />
der Reviews, Meta-Analysen und Einzelstudien,<br />
so ist eine positive Auswirkung<br />
von sportlicher Aktivität auf Variablen der<br />
Gesundheit möglich. Diese positiven Auswirkungen<br />
finden sich in »körpernahen«<br />
Variablen, wie z. B. dem Körperkonzept,<br />
konsistent wieder, weniger jedoch in »körperferneren«<br />
Selbstkonzeptvariablen. Die<br />
Ergebnisse im Bereich der Ängstlichkeit,<br />
der Depressivität und der psychosomatischen<br />
Beschwerden sind eher inkonsistent.<br />
Es finden sich darüber hinaus stärkere Effekte<br />
in Studien mit nicht experimentellen<br />
Untersuchungsdesigns. Studien im Bereich<br />
der Rehabilitation zeigen ebenfalls stärkere,<br />
mitunter aber auch überraschende und<br />
nur schwer interpretierbare Ergebnisse. Es<br />
lässt sich außerdem feststellen, dass die<br />
Dauer der Intervention eine zentrale Rolle<br />
zu spielen scheint. Effekte sind überhaupt<br />
erst bei Sportprogrammen ab der 10. bis<br />
12. Woche zu erwarten. Je länger die Intervention<br />
andauert, desto deutlicher werden<br />
die Effekte. Um diesen Forschungsbereich<br />
weiter aufzuhellen, führte eine Leipziger<br />
Forschergruppe in den vergangenen<br />
zehn Jahren eine Reihe verschiedener Interventionsstudien<br />
durch, die die o. g. methodologischen<br />
Defizite berücksichtigen.<br />
Wirkungen sportlicher Aktivität bei<br />
»Wiedereinsteigerinnen«<br />
Insgesamt 21 Personen nahmen an dieser<br />
Studie (Stoll, 2000) teil, wobei zehn Personen<br />
der Treatment-, also der Sportgruppe<br />
(VG) zugeordnet wurden. Alle Personen<br />
waren weiblich und seit mindestens<br />
zwei Jahren sportabstinent. Zwecks Parallelisierung<br />
der beiden Gruppen wurden<br />
mehrere Frauen (n=50) gleichen Alters per<br />
Zufall in Leipzig (Fußgängerzone) angesprochen<br />
und elf Frauen aus dieser Stichprobe<br />
einer Kontrollgruppe zugeteilt, um<br />
die Fragebogen zum gleichen Zeitpunkt,<br />
wie die Sportgruppe auszufüllen. Die elf<br />
Frauen der Kontrollgruppe (KG) waren<br />
ebenfalls seit mindestens zwei Jahren keiner<br />
körperlichen Aktivität nachgegangen<br />
und beabsichtigten auch keine Sportteil-<br />
Beim sechsten Tanzfest, das vom Uni-Sportzentrum<br />
im Juni 2001 organisiert wurde<br />
Foto: Fisser<br />
nahme für den folgenden Untersuchungszeitraum<br />
von zwölf Wochen. Alle Teilnehmerinnen<br />
nahmen freiwillig an der Untersuchung<br />
teil und konnten die Intervention<br />
jederzeit abbrechen. Alle Personen, die rekrutiert<br />
wurden, nahmen an der Befragung<br />
zum Messzeitpunkt 1 und 2 teil. Im Hauptergebnis<br />
konnte lediglich ein univariater<br />
Interaktionseffekt für die Körperkonzeptdimension<br />
»Wahrgenommene Fitness«<br />
festgestellt werden. Dieser Interaktionseffekt<br />
basiert auf der Tatsache, dass sich<br />
die Probanden der VG in dieser Dimensionen<br />
verbessern, während sich die Probanden<br />
der KG in dieser Dimension nicht veränderten.<br />
Für die weiteren drei Körperkonzeptdimensionen<br />
(positives Körperbild,<br />
negatives Körperbild und Figursorgen)<br />
und für die Variablen der Ängstlichkeit,<br />
der psychosomatischen Beschwerden<br />
konnten keine Haupt- und Interaktionseffekte<br />
festgestellt werden.<br />
»Wiedereinsteiger« im Seniorenalter<br />
Das Untersuchungsdesign dieses Projekts<br />
(Stoll & Alfermann, in print) entspricht<br />
dem der vorangegangenen Studie. Zielgruppe<br />
waren jedoch nun Personen im hohen<br />
Erwachsenenalter (zwischen 55 und<br />
81 Jahre). Zusätzlich wurden neben einer<br />
KG ohne Intervention eine weitere Kontrollgruppe<br />
eingerichtet, deren Probanden<br />
einen Englischunterricht für Anfänger erhielten.<br />
Damit sollte ein möglicher »Aufmerksamkeitseffekt«<br />
auch als Placebo-<br />
Aufmerksamkeitseffekt bekannt, kontrolliert<br />
werden. In die spätere Analyse gingen<br />
insgesamt 66 Seniorinnen und Senioren<br />
ein, wobei jeweils 22 der Versuchs-, der<br />
Kontroll-, und der Placebo-Aufmerksamkeitsgruppe<br />
angehörten. Die Intervention<br />
(moderat-intensive sportliche Aktivität) erfolgte<br />
über sechs Monate. Als Hauptergebnis<br />
konnte das Ergebnis von Studie 1 repliziert<br />
werden. Bei weiterer Elimination<br />
von möglichen methodischen Artefakten<br />
(zu kleine Stichprobe, Kontrolle von<br />
Übungsleiteraufmerksamkeit, Verlängerung<br />
der Interventionsdauer, Kontrolle<br />
motorischer Effekte) verbleibt erneut<br />
ein Interaktionseffekt in der Körperkonzeptdimension<br />
»Wahrgenommene Fitness«,<br />
der auf eine Zunahme der Werte in<br />
der VG, bei unveränderten Werten in den<br />
beiden KG zurückgeht. Auch in dieser<br />
Studie konnten keine weiteren Effekte<br />
identifiziert werden.
»Wiedereinsteiger« im mittleren<br />
Erwachsenenalter<br />
Dieses Feldexperiment zeichnet sein echtexperimentelles<br />
Vorgehen aus (Alfermann<br />
& Stoll, 2000). Probanden dieser Studie<br />
waren 93 gesunde Personen im mittleren<br />
Erwachsenenalter, die randomisiert auf jeweils<br />
zwei Versuchs- und zwei Kontrollgruppen<br />
zugeteilt wurden. Mit der einen<br />
VG-Gruppe wurden ein Jogging-Programm<br />
und mit der anderen VG Aerobic-<br />
Übungen durchgeführt. In den beiden<br />
Kontrollgruppen erfolgte ein Entspannungstraining<br />
bzw. wurden Übungen zu<br />
rückengerechten Verhalten vermittelt. Die<br />
Interventionen wurden zwei mal pro Woche<br />
über sechs Monate durchgeführt. Erneut<br />
konnte lediglich ein Interaktionseffekt<br />
Gruppe mal Zeit für die Körperkonzeptdimension<br />
der »Wahrgenommenen<br />
Fitness« festgestellt werden. Auch in dieser<br />
Studie profitierten diesbezüglich die<br />
VG-Teilnehmer im Vergleich zu den KG-<br />
Teilnehmern von ihrer Intervention. Ein<br />
weiteres interessantes Ergebnis in dieser<br />
Studie sind jedoch weitere Haupteffekte<br />
über die Zeit, insbesondere in der Dimension<br />
der psychosomatischen Beschwerden.<br />
Dieser Effekt beruht auf positive Veränderungen<br />
in drei der vier Gruppen (nämlich<br />
der Jogging-, Aerobic- und Entspannungsgruppe).<br />
Somit sind positive Veränderungen<br />
der gemessenen psychischen Dimensionen<br />
nicht nur durch sportliche Aktivität<br />
festzustellen.<br />
Zusammenfassung und Diskussion<br />
Regelmäßiges Sporttreiben hat einen nachweisbaren<br />
positiven Effekt auf die psychische<br />
Gesundheit, aber dieser Effekt ist<br />
nicht exklusiv für das Sporttreiben! Andere,<br />
weniger körperlich beanspruchende<br />
Aktivitäten, wie z. B. Entspannungstraining<br />
oder Rückenschulungen, können das<br />
psychische Wohlbefinden in gleicher Weise<br />
fördern. Dieses Ergebnis ist ernüchternd<br />
und ermutigend zugleich: Es rückt zunächst<br />
die Bedeutung des Sporttreibens für<br />
die psychische Stabilisierung, die ja oft euphemistisch<br />
überzeichnet wird, in einen<br />
realistischen Rahmen. Das Ergebnis unterstreicht<br />
aber auch die grundsätzliche Nützlichkeit<br />
des Sports für genau diesen<br />
Zweck. Die von uns durchgeführten Studien<br />
tragen zur Aufklärung dieser Problematik<br />
bei. In den drei aufeinander aufbauen-<br />
den Experimenten wurde untersucht, wie<br />
sich körperliche Aktivität auf die beiden<br />
psychologischen Gesundheitsindikatoren<br />
Selbstkonzept und Wohlbefinden auswirkt.<br />
Dabei gelang es, ein echtes experimentelles<br />
Untersuchungsdesign (randomisierter<br />
Versuchsgruppen-Zuordnung, parallelisierten<br />
Kontrollgruppen) umzusetzen,<br />
und damit methodologische Schwächen<br />
anderer Studien (quasi-experimentelles<br />
Vorgehen, Korrelationsstudien) abzulegen.<br />
■<br />
Der Autor studierte 1989–1991 in Gießen<br />
Sportwissenschaft, Psychologie und Pädagogik<br />
und wurde 1994 promoviert. Er<br />
war 1995–2001 wissenschaftlicher Assis-<br />
Anzeige<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
tent am Lehrstuhl für Sportpsychologie 25<br />
der Sportwissenschaftlichen Fakultät in<br />
Leipzig, wo er sich im Jahr 2000 habilitierte.<br />
Seit dem Wintersemester 2000/2001<br />
nimmt Dr. Oliver Stoll die Vertretungsprofessur<br />
für Sportpsychologie und Sportpädagogik<br />
am Institut für Sportwissenschaft<br />
in Halle wahr.
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
DREIDIMENSIONALE VIDEOBILDANALYSE VON<br />
SCHWIMMBEWEGUNGEN IM LEISTUNGSSPORT BEHINDERTER MENSCHEN<br />
Andreas Hahn, Falk Hildebrand und Constanze Draper<br />
................................................................................<br />
Die Beschreibung einer sportwissenschaftlichen Untersuchung im Leistungssport soll an-<br />
26 hand behinderter Schwimmathleten vorgenommen werden. Diese Studie ist insofern aufschlussreich,<br />
als einerseits die Resultate mittels einer in der Sportwissenschaft modernen<br />
Methode der dreidimensionalen Videobildanalyse erstellt wurden und andererseits die<br />
Untersuchungen innerhalb eines überregionalen Forschungsprojekts stattfanden (Abb. 1).<br />
Es wurden ausgewählte Schwimmbewegungen<br />
von behinderten Leistungssportlern<br />
analysiert, um Antriebsmodelle zur<br />
Fortbewegung des Menschen im Wasser<br />
zu beschreiben und die Bewegungsabläufe<br />
der Athleten zur Wettkampfvorbereitung<br />
zu optimieren. Insbesondere die Problematik<br />
der Bestimmung des Körperschwerpunktes,<br />
als wesentlicher Bestandteil biomechanischer<br />
Untersuchungen wird spezifiziert,<br />
da die vielfältigen Behinderungsarten<br />
mit unterschiedlichen Körperlagen<br />
im Wasser verbunden sind. Bewegungen<br />
im Sport von behinderten Menschen sind<br />
biomechanisch relativ wenig untersucht<br />
worden.<br />
In diesem Zusammenhang ist eine Betrachtung<br />
der statischen Körperlage und<br />
des dynamischen Auftriebs für die Ableitung<br />
der Schwimmtechnik erforderlich.<br />
Demzufolge ist der Volumenmittel- und<br />
Körperschwerpunkt zu objektivieren, um<br />
den hypothetischen Charakter von Technikempfehlungen<br />
im Leistungsschwimmen<br />
zu erweitern und wissenschaftlich zu entwickeln.<br />
Analysen des Volumenmittelpunktes<br />
sind bisher nicht gelungen. Man<br />
kann aber davon ausgehen, dass dieser<br />
sich im Vergleich zum Körperschwerpunkt<br />
kranial befindet und auf körperliche Veränderungen<br />
weniger sensibel als der Körperschwerpunkt<br />
reagiert.<br />
In der hier vorliegenden Studie wurden die<br />
Schwimmbewegungen von Eliteschwimmern<br />
im Behindertenbereich, Teilnehmer<br />
an den Paralympics, insbesondere unter<br />
Berücksichtigung der Geschwindigkeit des<br />
Körperschwerpunktes bestimmt.<br />
Versuchsaufbau<br />
Das angewandte Bildmessverfahren ist ein<br />
indirektes, berührungsloses physikalisches<br />
Messverfahren, das die Bewegungsparameter<br />
in Raum und Zeit bestimmt. Dieses<br />
Standardverfahren ist zur Gewinnung von<br />
biomechanischen Parametern sportlicher<br />
Bewegungen universell im Training und<br />
Wettkampf nutzbar. Für jede Kameraseite<br />
wurde ein gemischtes Videobild mit Überund<br />
Unterwasserperspektive erstellt, das<br />
für die qualitative Auswertung genutzt<br />
wurde. Durch die Anordnung der synchron<br />
arbeitenden Kameras in einem Winkel<br />
von etwa 45° zueinander werden die<br />
Informationen aus der Ebene in den Raum<br />
extrahiert. Eine Kalibrierung und Methodenkritik<br />
wurde erstellt (Hildebrand 1996).<br />
Bei der Auswertung der Schwimmzyklen<br />
im Peak-2D-Bewegungsanalysesystem<br />
wurde das 21-Körperpunkt-Modell<br />
(»Stick-Figur«) angewandt. Aufgrund der<br />
vorhandenen Behinderungen war es notwendig,<br />
eine Modifizierung des Körpermodells<br />
nach Zaciorski (1984) vorzunehmen.<br />
Fehlende oder missgebildete Körperglieder<br />
bewirken eine Verschiebung der<br />
prozentualen Massenverteilung. Die Teilmassen<br />
werden mit Hilfe der ermittelten<br />
Prozentzahlen in Bezug zur Gesamtkörpermasse<br />
errechnet:<br />
Abb.1: Gerätekonfiguration im Schwimmbecken (zwei Überwasserkameras/Ü, zwei Unterwasserkameras/U)<br />
Die quantitative Auswertung der<br />
Schwimmzyklen erfolgte anhand von Grafiken,<br />
die mit Hilfe des Softwareprogramms<br />
dargestellt werden können. Die<br />
Bewegungsphasen werden durch »Stick-<br />
Figur« veranschaulicht und simultan zum<br />
intrazyklischen Geschwindigkeitsverlauf<br />
des Körperschwerpunkts dargestellt<br />
(Abb. 2).<br />
Ausgewählte Resultate<br />
Aufgrund der Spezifik der Behinderungen<br />
wurde eine individuelle Ergebnisanalyse<br />
der fünf untersuchten Schwimmathleten<br />
vorgenommen. Folgende Teilschritte wurden<br />
realisiert:<br />
• Darstellung des modifizierten Körpermodells,<br />
• Qualitative Analyse der Schwimmtechnik,<br />
• Quantitative Analyse der Schwimmtechnik<br />
anhand der Geschwindigkeitsverläufe.<br />
Die qualitative und quantitative Auswertung<br />
in dieser Art und Weise erfolgte erstmals<br />
für behinderte Athleten im Sportschwimmen.<br />
Als Vorlage fungierte die<br />
Modellierung der Geschwindigkeitsverläufe<br />
nach Maglischo 1987. Der Algorithmus<br />
der Resultatsermittlung wird anhand<br />
eines Leistungsschwimmers exemplarisch<br />
dargestellt (vgl. Abb. 2):<br />
Qualitative Analyse der Bewegungsabläufe<br />
Im Bereich der qualitativen Auswertung<br />
von Bewegungen werden einzelne Phasen,<br />
Teilbewegungen und die Koordination von<br />
Teilbewegungen mittels der vorliegenden<br />
Videobilder bezüglich ihrer räumlich-zeitlichen<br />
Charakteristik untersucht. Der untersuchte<br />
Schwimmathlet liegt während<br />
der extremen Beugung im Knie- und Hüftgelenk<br />
sehr steil im Wasser. Die Körperlage<br />
wird durch eine Rotation im Bereich<br />
der Lendenwirbelsäule stabilisiert. Die<br />
Arme werden symmetrisch und zeitgleich<br />
geführt. Trotz fehlender Unterarme wird<br />
das räumliche Muster des Brustschwimmens<br />
realisiert. Der erzeugte Vortrieb<br />
durch die Armbewegung ist relativ gering.<br />
Der Antrieb durch die Beintätigkeit wird<br />
in zwei Teilbewegungen differenziert<br />
(Brustbeinschlag und Delphin-Kick). Das<br />
einwärts gedrehte Bein berührt in dieser<br />
Phase nahezu ventral den Oberkörper.
Modifiziertes Körpermodell<br />
Abb. 2: Darstellung des modifizierten Körpermodells<br />
Die errechneten prozentualen Teilmassen eines behinderten Leistungsschwimmers werden in einem<br />
Körpermodell veranschaulicht (Zaciorski 1984, Löschner 1996).<br />
Während der Flexion des Kniegelenks<br />
wird der Unterschenkel auswärts rotiert.<br />
Ein kraftvoller Beinschub wird mit einem<br />
Delphin-Kick während der Erholungsphase<br />
der Arme verbunden. Bezüglich der Koordination<br />
erfolgen zwei Beinschläge pro<br />
Armzug (je ein Brustbeinschlag und ein<br />
Delphin-Kick). Während der Extension<br />
im Kniegelenk werden die Arme in<br />
Schwimmrichtung geführt.<br />
Geschwindigkeitsverläufe<br />
Der Geschwindigkeitsverlauf während einer<br />
sportlichen Bewegung spiegelt die Effizienz<br />
der eingesetzten energetischen Res-<br />
Kopf<br />
7.85%<br />
oberer Teil des Rumpfes<br />
18.05%<br />
Oberarm (je rechts/links)<br />
6.13%<br />
mittlerer Teil des Rumpfes<br />
18.47%<br />
unterer Teil des Rumpfes<br />
12.64%<br />
Oberschenkel links<br />
3.96%<br />
Oberschenkel rechts<br />
17.0%<br />
Unterschenkel links<br />
2.60%<br />
Unterschenkel rechts<br />
4.53%<br />
Fuß links 1.13%/Fuß rechts 1.55%<br />
sourcen wider. Insbesondere in den Ausdauersportarten<br />
erweist es sich als effektiv,<br />
Geschwindigkeitsschwankungen zu reduzieren.<br />
So ist es sinnvoll, lange Beschleunigungswege<br />
mit moderaten absoluten<br />
Werten als kurze Beschleunigungswege<br />
mit überdurchschnittlichen Werten z. B.<br />
im Skilaufen, Rudern und Schwimmen zu<br />
erzielen.<br />
In dem vorliegenden Beispiel (Leistungsschwimmer)<br />
ist das Geschwindigkeitsprofil<br />
durch viele Schwankungen gekennzeichnet.<br />
Im Vergleich zum grundlegenden<br />
Orientierungsmodell in der Schwimmsportforschung<br />
nach dem amerikanischen<br />
Sportwissenschaftler Maglischo (1982)<br />
werden ebenfalls Geschwindigkeitsgipfel<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
...............................................................................<br />
während des Beinschlages und des Armzuges<br />
beim Brustschwimmen erzielt. Ein<br />
intrazyklischer Geschwindigkeitsgipfel<br />
entsteht während des ersten Drittels der<br />
Antriebsbewegung der Arme. Der zweite<br />
intrazyklische Höhepunkt bildet sich nach<br />
der Streckung der Beine (vgl. Abb. 2). Das<br />
technische Problem liegt in der ausgedehnten<br />
Antriebspause nach der Antriebsbewegung<br />
der Arme (ca. ein Drittel der Zykluszeit).<br />
Aufschlussreich sind die Betrachtungen<br />
zum Vergleich des Geschwindigkeitsverlaufs<br />
des Gesamtsystems im Raum und<br />
in der longitudinalen Richtung (Schwimmrichtung).<br />
Es wird Auskunft über die Effektivität<br />
der Antriebsbewegungen gegeben,<br />
indem man überprüft, inwiefern die<br />
Antriebskräfte zur Bewegung in<br />
Schwimmrichtung genutzt wurden. ■<br />
Dr. Andreas Hahn ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft<br />
der Martin-Luther-Universität.<br />
PD Dr. Falk Hildebrand ist Fachgruppenleiter<br />
der Forschungstechnologie am Institut<br />
für Angewandte Trainingswissenschaft<br />
Leipzig.<br />
Constanze Draper studierte bis 1996 an<br />
der Universität Halle Sportwissenschaft<br />
und ist seit 1997 am Institute of Sport New<br />
South Wales/Australien tätig.<br />
27
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport und Sprechwissenschaft<br />
MOTORIK UND KOMMUNIKATION<br />
Jürgen Leirich, Ulrike Liebisch und Mariam Hartinger<br />
................................................................................<br />
Auch durch Bewegung gehen Menschen bewusst oder unbewusst kommunikative Bezie-<br />
28 hungen ein. In motorischen Lehr- und Lernprozessen spielt die verbale Information eine<br />
wichtige Rolle, um motorische Handlungsvollzüge zu verstehen, d. h. ausführen und bewerten<br />
zu können. Durch Bewegung findet aber auch nonverbale Kommunikation statt,<br />
wie das beispielsweise in der Gebärdensprache der Fall ist (Projekt von Ulrike Liebisch).<br />
Besonders interessant sind auch Arbeitsergebnisse, die auf einen Zusammenhang von<br />
sprachlicher und motorischer Entwicklung hinweisen (Mariam Hartinger).<br />
Motorisches Lernen und verbale Kommunikation<br />
Bewegung ist mehr als Ortsveränderung in<br />
der Zeit. Menschliche Bewegung hat gleichermaßen<br />
kommunikative und damit verbundene<br />
soziale Funktionen. Mit Hilfe von<br />
Bewegung kooperieren wir:<br />
• Durch Gestik und Mimik werden Emotionen<br />
und Sinnbedeutungen transportiert.<br />
Wir wenden uns jemandem zu oder ab,<br />
Kooperieren im Spiel oder Tanz, Hüpfen<br />
vor Freude und drücken Niedergeschlagenheit<br />
durch entsprechende Motorik aus.<br />
• Viele Berufe sind an die Bewältigung einer<br />
mehr oder weniger spezifischen Arbeitsmotorik<br />
gebunden.<br />
• Alltagsmotorik ist für die Bewältigung<br />
täglicher Lebenssituationen erforderlich.<br />
Diese nach Krankheit wieder herzustellen<br />
bzw. lange zu erhalten, ist eine besondere<br />
Aufgabe der Sporttherapie bzw. des Seniorensports.<br />
Zum gesunden Leben und<br />
Altern gehört die regelmäßige Bewegung,<br />
denn Bewegung ist Leben und Leben ist<br />
Bewegung. Die soziale und kommunikative<br />
Komponente sei hier nur erwähnt.<br />
Im Zusammenhang mit dem Lehren und<br />
Lernen von sportmotorischen Fertigkeiten<br />
ist auf die große Bedeutung der Sprache<br />
für die Informationsverarbeitung hinzuweisen.<br />
Die reafferenten Signale vermitteln<br />
Informationen, die an die entsprechende<br />
Sinnesmodalität gebunden sind. Wir<br />
spüren Bewegung durch visuelles Wahrnehmen<br />
der Ortsveränderung in der Zeit,<br />
durch kinästhetische Wahrnehmungen die<br />
Kontraktionen der Muskulatur auch in Bezug<br />
zur Wirkung äußerer Kräfte, die wir<br />
für die Bewegung nutzen oder denen wir<br />
entgegenwirken. Darüber hinaus verfügt<br />
der Mensch über ein verbales Zeichensystem,<br />
das eine besondere Qualität der Informationsverarbeitung<br />
ermöglicht. Dieses<br />
verbale Zeichensystem hat sich in der<br />
Menschwerdung auf Grund der Kooperationsanforderungen<br />
vor allem in Arbeitsund<br />
sozialen Prozessen herausgebildet. Im<br />
Verlaufe seiner Individualentwicklung<br />
muss das heranwachsende Kind auch lernen,<br />
Bewegungsprozesse zu verbalisieren<br />
und darüber Informationen auszutauschen.<br />
Dabei spielen die Bewegungsvorstellungen<br />
eine wichtige Rolle. Sie sind mehr<br />
oder weniger verallgemeinerte Widerspiegelungen<br />
von Bewegungen und haben<br />
sinnlich-expressive und verbal-logische<br />
Komponenten. Der ungeübte Sportler ist<br />
noch nicht in der Lage, eine sprachliche<br />
Darstellung seiner Bewegung zu geben,<br />
der geübte hingegen nimmt seine Bewe-<br />
gungen in Einzelheiten wahr und kann<br />
auch unabhängig vom unmittelbaren Bewegungsvollzug<br />
darüber sprechen.<br />
Bewegungsvorstellungen nehmen in bewegungsbezogenenKommunikationsprozessen<br />
eine zentrale Stellung ein und unterstützen<br />
zugleich als mental determinierte<br />
innere Modelle die Erstellung von Bewegungsprogrammen<br />
auf der Grundlage von<br />
Prozessen der Wahrnehmungs-, Entscheidungs-<br />
und Handlungsregulation. Durch<br />
Sprache werden Kooperationsprozesse im<br />
Sport qualifiziert, Selbstbefehle und bewegungslenkende<br />
sowie sanktionierende Reafferenzen<br />
(Anochin) werden verbalisiert,<br />
und für das Lehren und Lernen spielt neben<br />
der visuellen Information durch das<br />
Vormachen besonders auch die verbale Information<br />
durch das Beschreiben, Erklären<br />
und Korrigieren eine bedeutende Rolle.<br />
Räumliche, zeitliche und dynamische<br />
Sachverhalte werden verbal kodifiziert,<br />
vorausgesetzt es gibt ein entsprechendes<br />
terminologisches System, auf dessen<br />
Grundlage Lehrende und Lernende wechselseitig<br />
über einen gemeinsamen Zeichenvorrat<br />
verbunden sind. Die Abbildung 1<br />
verdeutlicht die Bedeutung der Terminologie<br />
im Sinne der Übereinstimmung des gemeinsamen<br />
Zeichenvorrates für das Funktionieren<br />
der Kommunikationsprozesse<br />
zwischen Lehrer/Trainer/Übungsleiter und<br />
Schüler/Sportler und die Gewährleistung<br />
einer sachentsprechenden Informationsverarbeitung.<br />
Die Effizienz von Lernprozessen<br />
ist somit vielfach an das Funktionieren<br />
wechselseitiger Rückkopplungsprozesse<br />
gebunden. Unabdingbare Voraussetzung<br />
dafür ist auch im Sport, dass Bezeichnungen<br />
für Bewegungen und Kooperationsan-<br />
Abb. 1: Kommunikationsbeziehungen im Lehr- und Lernprozess (ZL/ZS = Zeichenvorrat des Lehrers<br />
bzw. Schülers)<br />
forderungen, wie zum Beispiel taktische<br />
Aspekte, gelehrt werden. Darüber hinaus<br />
werden auch die Geräte selbst, die Umgebungsbedingungen,<br />
Erlebnisinhalte, Wertungen<br />
und Emotionen verbalisiert.<br />
Motorische Aspekte der Gebärdensprache<br />
Die Gebärdensprache dient als Kommunikationsform<br />
hauptsächlich gehörlosen und<br />
taubstummen Menschen und wird nicht<br />
ohne Grund die »Sprache der Hände« genannt.<br />
Im Gegensatz zu hörenden Menschen,<br />
deren wichtigstes Sprachinstrument<br />
die verbalen Zeichen sind, bedienen sich<br />
gebärdende Personen ihrer Hände, um zu<br />
kommunizieren. Jedem Wort wird eine eigene<br />
Gebärde zugeordnet. Um der großen<br />
Anzahl von Wörtern gerecht zu werden,<br />
setzt sich jede Gebärde aus den vier simultanen<br />
Parametern Handform, Ausfüh-
ungsstelle, Bewegung und Handstellung<br />
zusammen. Gebärden unterscheiden sich<br />
häufig in nur einem Parameter, und sinnverwandte<br />
Wörter können durch nur geringe<br />
Modifikation der Handbewegung ausgedrückt<br />
werden. Demzufolge kann jede<br />
Gebärde als motorische Handlung verstanden<br />
werden, da für diese Form der Kommunikation<br />
immer die Bewegung entsprechender<br />
Körperteile erforderlich ist. Die<br />
Abb. 2: Gebärde für »Milchflasche«<br />
Abbildung 2 zeigt beispielsweise die Bewegungen<br />
für das Wort »Milchflasche« in<br />
der Gebärdensprache (Bream 1995).<br />
Kommunikation durch Motorik und die<br />
Untersuchung damit zusammenhängender<br />
Aspekte sind Gegenstände unseres wissenschaftlichen<br />
Projektes. Dazu wurden hörende<br />
Probanden untersucht, die in der Gebärdensprache<br />
unterschiedlich qualifiziert<br />
sind. Unter anderem sollten die Probanden<br />
vorgegebene Gebärden reproduzieren und<br />
visualisierte Wörter lautsprachlich oder<br />
gebärdend wiedergeben. Ziele unserer Untersuchung<br />
sind die Objektivierung von<br />
räumlich-zeitlichen Parametern der Bewegungshandlung<br />
(Gebärde) sowie die Bestimmung<br />
der Informationsverarbeitungszeiten<br />
von der Wahrnehmung des visualisierten<br />
Begriffs bis zur Ausführung der<br />
Gebärde. Darüber hinaus erfolgen vergleichende<br />
Analysen der inter- und intrapersonellen<br />
Stabilität sowie Variabilität der Gebärden.<br />
Erste Ergebnisse zeigen, dass die<br />
Reaktionszeit deutlich sinkt, wenn die Gebärde<br />
auf Grund von Übung im Gedächtnis<br />
besser repräsentiert ist. Es zeigte sich<br />
auch, dass die Übersetzung eines visualisierten<br />
Wortes in die entsprechende Gebärde<br />
deutlich länger dauerte als beispielsweise<br />
die Übersetzung vom Englischen ins<br />
Deutsche. In diesem Zusammenhang interessieren<br />
uns weiterführend auch motorische<br />
Prozesse bei älteren Gehörlosen und<br />
die Variabilität räumlicher und zeitlicher<br />
Parameter auf die Qualität der motorischdeterminierten<br />
Kommunikation. Trotz einer<br />
großen interpersonellen Variabilität<br />
der räumlichen Bewegungsparameter<br />
scheint es nicht zu Schwierigkeiten in der<br />
Informationsverarbeitung (Verständnis) zu<br />
kommen. Im Gegensatz dazu haben sich<br />
zeitliche Parameter als ein Maß der Lernprozesse<br />
erwiesen, die einer gewissen Stabilität<br />
bedürfen.<br />
Zusammenhänge zwischen sprachlicher<br />
und motorischer Entwicklung<br />
Sprache ist auch Bewegung! Der Sprechvorgang<br />
ist der komplizierteste aller motorischen<br />
Vorgänge. Er wird genauso wie<br />
die sportmotorische Handlungsfolge (Fertigkeit)<br />
in den motorischen Zentren des<br />
Gehirns koordiniert. Die Komplexität dieser<br />
Abläufe wird uns nur im Lernprozess<br />
oder Krankheitsfall bewusst. Beim Erlernen<br />
des englischen »th« wissen wir zunächst<br />
nicht, wie die Zunge zu positionieren<br />
ist, und nach einer Zahnoperation fällt<br />
die korrekte Lautbildung ebenso schwer,<br />
wie das Gehen mit einem Gipsbein.<br />
Die enge Verbindung von Sprache und<br />
Motorik wird besonders in der Entwicklungsphase<br />
des Kindes deutlich. Ist die<br />
Motorik unterentwickelt, gehen damit meistens<br />
auch sprachliche Defizite einher. Zu<br />
dieser Erkenntnis sind verschiedene Wissenschaftler<br />
gelangt, die entweder die motorischen<br />
Fähigkeiten bei sprachgestörten<br />
Kindern oder den sprachlichen Entwicklungsstand<br />
bei motorisch auffälligen Kindern<br />
analysiert haben. Unsere Untersuchungen<br />
über die Zusammenhänge von<br />
Sprachentwicklung und Motorik im Vorschulalter<br />
basierten auf einer vollkommen<br />
anderen Methode. Ohne die Kenntnis über<br />
den motorischen oder sprachlichen Entwicklungsstand<br />
wurden vierjährige Kindergartenkinder<br />
ausgewählt. Als Vergleichsgruppe<br />
kamen Kinder hinzu, die<br />
sich auf Grund der Diagnose »Sprachentwicklungsverzögerung«<br />
in sprachtherapeutischer<br />
Behandlung befanden. Mit Hilfe<br />
des Screening-Verfahrens von Heinemann<br />
und Höpfner (1992) wurde fast jedes<br />
dritte Kind (29 Prozent) ebenfalls als<br />
sprachentwicklungsverzögert eingestuft,<br />
aber nur ein Kind war in therapeutischer<br />
Behandlung.<br />
Hinsichtlich der Frage, ob Sprache mehr<br />
durch fein- oder grobmotorische Fähigkeiten<br />
beeinflusst wird, deuten unsere Ergeb-<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
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nisse auf eine Abhängigkeit zwischen feinmotorischer<br />
und sprachlicher Ungeschicklichkeit<br />
bei 63,5 Prozent der Probanden<br />
hin. Die Abb.3 stellt das wichtigste Untersuchungsergebnis<br />
dar. Bei zwei Drittel (69<br />
Prozent) der Probanden konnte ein direkter<br />
Zusammenhang zwischen ungeschickter<br />
Motorik und auffälliger Sprache nachgewiesen<br />
werden. Während 31 Prozent der<br />
Kinder trotz sprachlicher Auffälligkeiten<br />
motorisch geschickt war, konnte kein Kind<br />
mit guten sprachlichen und gleichzeitig<br />
schlechten motorischen Leistungen diagnostiziert<br />
werden. Der Verlauf der motorischen<br />
Entwicklung dient somit als wichtiger<br />
Indikator für die Beurteilung der<br />
Sprachentwicklung.<br />
■<br />
Abb. 3: Zusammenhang zwischen dem Gesamtergebnis<br />
Sprache und dem Ergebnis Motorik<br />
Prof. Dr. Jürgen Leirich – Autoreninformation<br />
siehe Seite 6.<br />
Mariam Hartinger studierte 1993–1999 im<br />
Diplomstudiengang Sprechwissenschaft<br />
und Phonetik. Seit 1999 bearbeitet sie als<br />
Doktorandin der Martin-Luther-Universität<br />
das Forschungsprojekt »Untersuchungen<br />
der Sprechmotorik von Polterern mit<br />
Hilfe der elektromagnetischen Artikulographie<br />
(EMA)« am Zentrum für Allgemeine<br />
Sprachwissenschaft Berlin.<br />
Ulrike Liebisch studiert seit 1997 im Diplomstudiengang<br />
Sportwissenschaft mit<br />
dem Schwerpunkt Prävention, Therapie<br />
und Rehabilitation. Sie ist als wissenschaftliche<br />
Hilfskraft im Bereich der<br />
Sportmotorik tätig und bearbeitet im Rahmen<br />
ihrer Diplomarbeit das Thema: »Aspekte<br />
der Motorik und Informationsverarbeitung<br />
der Gebärdensprache«.<br />
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Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
Foto: Uwe Kohn<br />
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30
WIE GUT ERNÄHREN SICH SPORTLER?<br />
STEIGERUNG DER LEISTUNGSFÄHIGKEIT DURCH GEZIELTE ERNÄHRUNG<br />
Mareike Großhauser und Klaus Eder<br />
Eine richtige Ernährung ist nicht nur für einen guten Gesundheitszustand wichtig, sondern<br />
stellt auch die Basis für körperliche Leistungsfähigkeit dar. Sportler und Sportlerinnen<br />
interessieren sich deshalb in zunehmendem Maße dafür, wie sie durch gezielte Ernährung<br />
ihre sportliche Leistung verbessern können. Mit zunehmendem Trainingsumfang<br />
steigt der Bedarf an Energie und Nährstoffen.<br />
Besonders Hochleistungssportler haben einen<br />
enormen Bedarf an Hauptnährstoffen,<br />
aber auch einen erhöhten Bedarf an Vitaminen<br />
und Mineralstoffen. Die übliche<br />
Kost, wie sie in den Industrieländern verzehrt<br />
wird, ist durch einen hohen Energieund<br />
Fettgehalt gekennzeichnet, während<br />
die Gehalte an Vitaminen, Mengen- und<br />
Spurenelementen als Folge industrieller<br />
Verarbeitung häufig gering sind. Defizite<br />
an lebensnotwendigen Nährstoffen führen<br />
nicht nur zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit,<br />
sondern können auch das<br />
Risiko für akute Erkrankungen wie Infektionskrankheiten<br />
oder Verletzungen begünstigen.<br />
Über einen langen Zeitraum andauernde<br />
suboptimale Ernährung kann<br />
aber auch das Risiko für Kreislauf- oder<br />
Krebserkrankungen steigern. Das Ziel einer<br />
Studie, die eine Arbeitsgruppe des Instituts<br />
für Ernährungswissenschaften gemeinsam<br />
mit dem Olympiastützpunkt Halle<br />
durchführte, bestand darin herauszufinden,<br />
ob Hochleistungssportler durch ihre<br />
übliche Ernährung den Bedarf an Energie<br />
und Nährstoffen decken können. Im Vordergrund<br />
der Betrachtung standen dabei<br />
Nachwuchsathleten, die größtenteils an<br />
Durchschnittliche Energiezufuhr der Athleten<br />
Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung<br />
(»Schulküche«) teilnehmen und daher<br />
ihre Ernährung nur bedingt frei wählen<br />
können.<br />
Kooperation mit Olympiastützpunkt Halle<br />
Die Verantwortlichen des Olympiastützpunktes<br />
äußerten ihr Interesse, die Ernährung<br />
von Nachwuchsathleten auf eine wissenschaftliche<br />
Basis zu stellen. Defizite in<br />
der Ernährung sollten aufgezeigt werden,<br />
um durch gezielte Veränderungen der Ernährung<br />
die Leistungsfähigkeit der Athleten<br />
zu verbessern.<br />
Nahezu 100 Athletinnen und Athleten vom<br />
Olympiastützpunkt Halle wurden in die<br />
Studie einbezogen. Sie waren in folgende<br />
Sportarten einzuordnen:<br />
• Ausdauersportarten: Gehen, Schwimmen,<br />
Mittelstreckenlauf und Rudern<br />
• Kraft/Schnellkraftsportarten: Sprint,<br />
Weitsprung, Siebenkampf, Allgemeine<br />
Leichtathletik<br />
• Kampfsportarten: Judo, Ringen<br />
• Technisch-kompositorische Sportarten:<br />
Wasserspringen, Turnen,<br />
1 = Ausdauer, 2 = Kampf, 3 = Kraft/Schnellkraft, 4 = Technik, 5 = Gesamt<br />
Abbildung 1: Tägliche Energiezufuhr der Athleten<br />
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scientia halensis 4/2001<br />
Landwirtschaftliche Fakultät<br />
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Rhythmische Sportgymnastik.<br />
Das Alter der Sportler lag im Bereich zwischen<br />
12 und 20 Jahren, das Trainingspensum<br />
zwischen 15 und 20 Stunden pro<br />
Woche. Alle untersuchten Sportler lagen<br />
auf einem hohen Leistungsniveau. In der<br />
Gruppe der Sportler befand sich eine Reihe<br />
von Landesmeistern, Deutschen Meistern<br />
sowie erfolgreiche Teilnehmer bei Junioren-Europameisterschaften<br />
und den<br />
Olympischen Spielen in Sydney.<br />
Analyse der Ernährung durch Protokolle<br />
Im ersten Schritt der Studie sollten die<br />
Sportler über einen Zeitraum von jeweils<br />
sieben Tagen Ernährungsprotokolle führen,<br />
die mit einem Computerprogramm<br />
ausgewertet wurden. Dem verwendeten<br />
Computerprogramm lag eine Datenbasis<br />
mit mehr als 1000 Lebensmitteln zugrunde,<br />
anhand derer die Aufnahme an über 20<br />
Nährstoffen (Hauptnährstoffe, Mineralstoffe,<br />
Vitamine) errechnet werden konnte.<br />
Bezüglich der durchschnittlichen Energiezufuhr<br />
gab es erwartungsgemäß zwischen<br />
den männlichen und weiblichen Athleten<br />
der verschiedenen Sportarten große Unterschiede<br />
(Abbildung 1).<br />
Insbesondere bei den technisch-kompositorischen<br />
Sportarten Turnen und Rhythmische<br />
Sportgymnastik war die Energiezufuhr<br />
mit durchschnittlich 1529 kcal pro<br />
31
scientia halensis 4/2001<br />
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Landwirtschaftliche Fakultät<br />
................................................................................<br />
Tag bei den Mädchen und 2063 kcal pro<br />
32 Tag bei den Jungen sehr niedrig. Im Mittel<br />
nahmen die Athleten dabei 52 Prozent der<br />
Energie in Form von Kohlenhydraten, 34<br />
Prozent in Form von Fett und 14 Prozent<br />
in Form von Eiweiß auf. Die Verteilung<br />
der Nährstoffaufnahme deckt sich annähernd<br />
mit den Empfehlungen der Deutschen<br />
Gesellschaft für Ernährung (DGE).<br />
Da Kohlenhydrate eine besonders wichtige<br />
Energiequelle für den arbeitenden Skelettmuskel<br />
darstellen, sollte ihr Anteil an der<br />
Energieaufnahme beim Sportler auf etwa<br />
60 Prozent gesteigert, die Fettzufuhr dagegen<br />
auf 25 Prozent reduziert werden. Die<br />
Aufnahme mehrfach ungesättigter Fettsäuren<br />
war bei den Sportlern hingegen zu<br />
niedrig. Diese Fettsäuren, die besonders in<br />
pflanzlichen Ölen vorkommen, sind wichtige<br />
Ausgangssubstanzen für die Bildung<br />
von Gewebshormonen. Sie senken aber<br />
auch den Cholesterinspiegel und wirken<br />
daher präventiv gegen Herz-Kreislauf-<br />
Krankheiten. Die Eiweißzufuhr betrug bei<br />
den Mädchen 1,3 g pro kg Körpergewicht<br />
und bei den Jungen 1,9 g pro kg Körpergewicht<br />
und war damit ausreichend. Die<br />
DGE empfiehlt für 15- bis 18-Jährige eine<br />
tägliche Eiweißaufnahme von 0,8 g pro kg<br />
Körpergewicht. Der Sportler hat aber aufgrund<br />
eines höheren Proteinumsatzes der<br />
Muskulatur zweifelsohne einen höheren<br />
Bedarf, der im Bereich zwischen 1 und<br />
1,5 g pro kg Körpergewicht liegen dürfte.<br />
Ähnlich wie in der Bevölkerung allgemein,<br />
war bei den Athleten die Aufnahme<br />
an Ballaststoffen mit 18 g täglich sehr<br />
niedrig; die DGE empfiehlt eine Aufnahme<br />
von 30 g Ballaststoffen täglich. Durch<br />
einen höheren Verzehr von Obst, Gemüse<br />
und Vollkornprodukten kann diese Menge<br />
realisiert werden. Weiterhin zeigten die<br />
Ernährungsprotokolle, dass die Aufnahme<br />
einiger Vitamine unter den Empfehlungen<br />
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung<br />
liegt (Abbildung 2).<br />
Insbesondere bei den Vitaminen A, E und<br />
Folsäure wurden die Empfehlungen nicht<br />
erreicht. Gerade bei den weiblichen Athleten<br />
war die Vitamin-A-Zufuhr zu niedrig.<br />
Der Bedarf an Vitamin B 6 steht in enger<br />
Korrelation zur Aufnahme an Protein. Bei<br />
der relativ hohen Proteinzufuhr ist zweifelsohne<br />
auch die Versorgung an Vitamin<br />
B 6 suboptimal, obgleich die Empfehlungen<br />
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung<br />
erfüllt werden. Ein Mangel an Vitamin B 6<br />
dürfte gerade beim Sportler besonders gravierend<br />
sein, da es im Aminosäurenstoffwechsel<br />
und für die Proteinsynthese sowie<br />
Muskelbildung eine besonders wichtige<br />
Rolle spielt. Bei anderen Vitaminen (Vitamin<br />
C, Vitamine B 1 , B 2 und B 12 ) schien<br />
eine ausreichende Versorgung hingegen<br />
besser gesichert, obwohl ebenfalls zu berücksichtigen<br />
ist, dass Sportler auch bei<br />
diesen Vitaminen einen erhöhten Bedarf<br />
haben. Innerhalb der Gruppe der Mineralstoffe<br />
zeigten sich ebenso einige Defizite.<br />
Bei 52 Prozent der Athleten lag die Mag-<br />
Dr. Corinna Brandsch (links) und Mareike Großhauser (rechts) bei der Auswertung der Ernährungsprotokolle<br />
am Computer Fotos (2): Eder<br />
Abb. 2: Zufuhr an Vitaminen (im Vergleich zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für<br />
Ernährung für 15- bis 18-Jährige)<br />
nesiumaufnahme unter den Empfehlungen<br />
der DGE; 53 Prozent der Athleten nahmen<br />
zu wenig Eisen und 24 Prozent zu wenig<br />
Zink auf. Nur 7 Prozent der Athleten nahm<br />
ausreichend Jod auf. Während Magnesium<br />
unter anderem eine wichtige Rolle bei der<br />
Muskelkontraktion spielt, greift Zink auch<br />
in die Proteinbiosynthese ein. Eisen ist als<br />
Bestandteil von Hämoglobin und Myoglobin<br />
besonders für die Sauerstoffversorgung<br />
des Muskels wichtig. Jod spielt als<br />
Bestandteil der Schilddrüsenhormone eine<br />
wichtige Rolle für den Energiehaushalt des<br />
Körpers.<br />
Analyse von Blutproben<br />
Die Ernährungsprotokolle deuteten darauf<br />
hin, dass bei einer Reihe lebensnotwendiger<br />
Nährstoffe ein Defizit vorliegen könnte.<br />
Andererseits liefern Ernährungsprotokolle<br />
alleine häufig keine ausreichende<br />
Aussage, weil die in Lebensmitteln tatsächlich<br />
vorhandenen Nährstoffe oft von<br />
den in Tabellenwerten angegebenen sehr<br />
stark abweichen können. Um ein beweiskräftigeres<br />
Bild zu erlangen, wurden zur<br />
Diagnostik des Status kritischer Elemente<br />
auch biochemische Analysen hinzugezogen.<br />
Dazu wurden von den Athleten Blutproben<br />
gewonnen und die Konzentrationen<br />
verschiedener Vitamine (A, E, B 12 und<br />
Folsäure) im Blutplasma der Proben gemessen,<br />
bei denen die Ernährungsprotokolle<br />
auf eine unzureichende Versorgung<br />
hindeuteten (Tabelle 1). Es wurden aber<br />
auch die Fettsäuren-Konzentrationen in<br />
den roten Blutzellen bestimmt, um Hinweise<br />
auf die Versorgung mit einzelnen<br />
Fettsäuren zu erlangen. Im Gegensatz zu<br />
den Aussagen der Ernährungsprotokolle<br />
erwies sich die Versorgung an den Vitaminen<br />
A, E, B 12 und Folsäure anhand der gemessenen<br />
Plasmakonzentrationen als weitgehend<br />
ausreichend. Ein kritisches Vitamin<br />
ist aber das Vitamin A, bei dem knapp<br />
10 Prozent der Athleten unzureichende<br />
Spiegel im Blut aufwiesen. Ein Vitamin-<br />
A-Mangel kann nicht nur zu Nachtblindheit,<br />
sondern auch zu einer Schwächung<br />
des Immunsystems führen.
Tabelle 1 Plasmakonzentrationen der Vitamine A, E, B und Folsäure sowie von Zink<br />
12<br />
und Eisen<br />
Vit. A Vit. E Vit. B Folsäure Zink Eisen<br />
12<br />
[ g/dl] [mg/dl] [pg/ml] [ng/ml] [ g/dl] [ g/dl]<br />
Jungen 42,0 1,1 513 11,7 63,5 89,9<br />
Mädchen 43,0 1,1 557 12,2 55,2 84,5<br />
Referenz > 301 > 0,52 > 1501 > 61 > 753 > 404 Abkürzungen: Vit.: Vitamin; Referenzwerte nach 1: Biesalski et al. (1997), 2: DGE (2000), 3: Berg<br />
et. al. (1993), 4: Yip et al. (1984).<br />
Innerhalb der Gruppe der Mineralstoffe<br />
zeigte sich eine deutliche Unterversorgung<br />
beim Zink. 88 Prozent aller Athleten hatten<br />
einen zu niedrigen Zinkgehalt im Blut.<br />
Beim Eisen war der Gehalt im Blut bei 13<br />
Prozent der Sportler zu niedrig. Die Fettsäuren-Konzentration<br />
in der Erythrozytenmembran<br />
spiegelte eine unausgewogene<br />
Aufnahme an Fettsäuren wieder, die sich<br />
bereits in den Ernährungsprotokollen andeutete.<br />
Das Verhältnis zwischen Ölsäure<br />
und Linolsäure lag sehr hoch; die Sportler<br />
nehmen zu viel an gesättigten Fettsäuren<br />
und zuwenig an mehrfach ungesättigten<br />
Fettsäuren auf. Das Verhältnis zwischen<br />
Arachidonsäure und der Eicosapentaensäure<br />
lag ebenfalls deutlich über dem<br />
günstigen Wert von 5:1. Dies bedeutet,<br />
dass die Sportler sehr wenig n-3-Fettsäuren<br />
aufnehmen, die vor allem in fetten<br />
Seefischen und in bestimmten Pflanzenölen<br />
vorkommen. N-3-Fettsäuren bieten<br />
einen sehr effizienten Schutz vor Herz-/<br />
Kreislauferkrankungen.<br />
Zink – ein wichtiges Element für das<br />
Immunsystem und die Proteinsynthese<br />
Die Ergebnisse der Blutanalyse haben gezeigt,<br />
dass die Zinkversorgung bei praktisch<br />
allen Sportlern, unabhängig von der<br />
Sportart, unzureichend ist. Die Ursachen<br />
hierfür sind sicherlich in den relativ großen<br />
Mengen an Zink zu sehen, die über<br />
den Schweiß verloren gehen. Die Verfügbarkeit<br />
von Zink aus der Nahrung kann<br />
durch verschiedene Faktoren beeinflusst<br />
werden. Gehemmt wird die Zinkaufnahme<br />
in den Körper durch Vollkornprodukte mit<br />
einem hohen Gehalt an Phytinsäure oder<br />
durch einen hohen Calciumgehalt bei einer<br />
Ernährung, die reich an Milchprodukten<br />
ist. Eine ausreichende Zinkversorgung ist<br />
besonders beim Sportler sehr wichtig.<br />
Zink spielt eine wichtige Rolle bei der<br />
Proteinsynthese und damit für die Regeneration<br />
von Muskelgewebe. Als Folge unzureichender<br />
Zinkversorgung tritt häufig<br />
das Übertrainingssyndrom auf, das nicht<br />
nur zu einer verminderten physischen und<br />
psychischen Leistungsfähigkeit führt, sondern<br />
auch eine Reduktion des Trainingsumfangs<br />
erzwingt. Auch das Immunsystem<br />
ist bei einer unzureichenden Zinkversorgung<br />
beeinträchtigt. Eine erhöhte<br />
Anfälligkeit für Infektionserkrankungen<br />
und Verletzungen als Folge davon führt<br />
beim Sportler zu Trainingsausfällen, die<br />
sich ebenfalls negativ auf die Leistung im<br />
Wettkampf auswirken.<br />
Es ist zu erwarten, dass eine Verbesserung<br />
der Zinkversorgung zu einer deutlichen<br />
Leistungssteigerung der Athleten führt.<br />
Diese Hypothese sollte im dritten Teil der<br />
Studie verfolgt werden. Dazu sollte die<br />
Wirkung einer Zinksupplementierung auf<br />
den Zinkstatus der Sportler und ihr Immunsystem<br />
(Unterstützung durch das Institut<br />
für Medizinische Immunologie, Prof.<br />
Dr. Jürgen Langner und OÄ Dr. Dagmar<br />
Riemann) untersucht werden. 40 Sportler<br />
wollten an dieser Studie teilnehmen und<br />
erklärten sich zu einer anfänglichen Blutabnahme<br />
bereit. Derzeit nehmen diese<br />
Sportler über einen Zeitraum von sechs<br />
Wochen täglich zwei Zinktabletten ein.<br />
Anschließend wird erneut von jedem der<br />
teilnehmenden Athleten eine Blutprobe genommen.<br />
Durch den Vergleich der Werte<br />
vor und nach der Zinkeinnahme soll der<br />
Erfolg dieser Behandlung ermittelt werden.<br />
Bislang liegen noch keine Ergebnisse<br />
vor; einige Athleten berichteten aber wenige<br />
Tage nach der ersten Einnahme von<br />
besserem Wohlbefinden und subjektiv<br />
empfundener Leistungssteigerung.<br />
Einschätzung der Ernährung von<br />
Sportlern<br />
Ein kritischer Faktor in der Ernährung von<br />
Sportlern ist zweifelsohne die Aufnahme<br />
von Fetten. Die Sportler nehmen zuviel<br />
tierische Fette, zuwenig pflanzliche Fette<br />
und zuwenig Ballaststoffe auf. Dieser<br />
Aspekt beeinträchtigt zwar nicht die Leistung,<br />
aber das langfristige Risiko für verschiedene<br />
Erkrankungen. Eine leistungsmindernde<br />
Wirkung dürfte aber vor allem<br />
die unzureichende Zufuhr an Zink, Magnesium<br />
und einigen Vitaminen haben.<br />
Die teilweise unzureichende Ernährungssituation<br />
der Sportler resultiert zum Teil<br />
aus dem Konsum stark verarbeiteter Produkte.<br />
Die Sportler sollten mehr Obst, Gemüse<br />
und Getreideprodukte als Lieferanten<br />
für Stärke, Ballaststoffe und einige<br />
Vitamine verzehren. Durch einen geringeren<br />
Konsum fetter tierischer Produkte sollte<br />
die Aufnahme gesättigter Fettsäuren gesenkt<br />
werden. Fleisch sollte teilweise<br />
durch Seefisch ersetzt werden, um die<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Landwirtschaftliche Fakultät<br />
...............................................................................<br />
33<br />
Anja Bettzieche, Studentin der Ernährungswissenschaft<br />
und studentische Hilfskraft, im<br />
Labor<br />
Aufnahme an n-3-Fettsäuren und Jod zu<br />
verbessern. Zur Zubereitung von Speisen<br />
sollten mehr pflanzliche Öle verwendet<br />
werden, um eine bessere Versorgung mit<br />
mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu gewährleisten.<br />
Der hohe Bedarf an Magnesium<br />
und Zink von Sportlern kann möglicherweise<br />
nur durch Nahrungsergänzungspräparate<br />
gedeckt werden. Eine Fortführung<br />
der Studie wird hierüber Aufschluss<br />
geben.<br />
■<br />
Klaus Eder studierte Ökotrophologie<br />
(Haushalts- und Ernährungswissenschaften)<br />
an der Technischen Universität München<br />
in Freising-Weihenstephan, wurde<br />
1991 am dortigen Institut für Ernährungsphysiologie<br />
promoviert und habilitierte<br />
sich 1995 mit dem Thema »Experimentelle<br />
Untersuchungen zum Einfluss von Zinkmangel<br />
auf den Lipidstoffwechsel«. 1997<br />
folgte er dem Ruf auf die Professur »Qualität<br />
tierischer Produkte« an die Universität<br />
Göttingen und seit 1998 hat er an der<br />
halleschen Universität die Professur »Ernährungsphysiologie«<br />
inne. Er ist Direktor<br />
des Instituts für Ernährungswissenschaften<br />
an der Landwirtschaftlichen Fakultät.<br />
Mareike Großhauser ist ist seit April 2000<br />
Doktorandin am Institut für Ernährungswissenschaften.
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft<br />
KORONARE HERZKRANKHEIT UND SPORTTHERAPIE<br />
PSYCHISCHE BEWÄLTIGUNG VON CHRONISCHEN ERKRANKUNGEN<br />
Kati Dürrenfeld und Cornelia Demuth<br />
................................................................................<br />
Besonders in psychologisch orientierten Studien zur Koronaren Herzkrankheit (KHK) un-<br />
34 tersuchte man, dass diese chronische Erkrankung mit globalen schwerwiegenden, körperlichen<br />
und psychosozialen Belastungen einhergehen können, die im Prozess der Krankheitsbewältigung<br />
an die Patienten besondere Anforderungen stellen. Eine moderne Langzeitrehabilitation<br />
zielt sowohl auf eine Optimierung kardiophysiologischer Paramater<br />
auch die Wiederherstellung der psychischen Stabilität, die sich in einer individuumsspezifischen<br />
Wahrnehmung von »Gesundheit« bei den Patienten (vgl. Saner, H., 1993,<br />
S. 154).<br />
Ausgehend von stresstheoretischen Modellen<br />
(Lazarus & Folkman, 1984) bzw.<br />
der Life-event-Forschung (Filipp,1984)<br />
liegt ein Schwerpunkt der klinisch- psychologischen<br />
Forschung auf der psychischen<br />
Bewältigung von chronischen Erkrankungen.<br />
Am Institut für Sportwissenschaft wurde<br />
spezifisch der Fragestellung nachgegangen,<br />
ob in Abhängigkeit von der Verlaufsform<br />
der KHK und der aktuellen physischen<br />
Belastbarkeit der Patienten eine<br />
Teilnahme an sporttherapeutischen Maßnahmen<br />
den Prozess der Krankheitsverarbeitung<br />
positiv unterstützt.<br />
Die Untersuchungen wurden im Rahmen<br />
einer Diplomarbeit in der Rehabilitationsklinik<br />
»Elbe-Saale« in Barby durchgeführt.<br />
Die Patientenstichprobe wurde zwei<br />
Versuchgruppen zugeordnet: Patienten<br />
nach Bypassoperation (ohne Infarktereignis)<br />
und Patienten nach Herzinfarkt. Ebenso<br />
wurden beide Versuchsgruppen aufgrund<br />
ihrer physischen »Rest«-Leistungsfähigkeit<br />
zu Beginn des Klinikaufenthaltes<br />
belastungsspezifischen »Herzgruppen« zugeordnet.<br />
Die Aufgaben in der Sporttherapie reichten<br />
dabei von einem täglichen Ergometertraining<br />
(»HG/ 0«) bis zu intensiven physischen<br />
Tagesbelastungen (»HG/4«), die<br />
neben dem täglichen Ergometertraining<br />
durch Gehtraining, Wassertherapie eine<br />
Funktionsgymnastik in der Gruppe und<br />
ein koodinativ-konditionell belastendes<br />
Zirkeltraining erweitert wurden.<br />
In einem Prä-Posttest-Design wurde zur<br />
Datenerhebung der »Freiburger Fragebogen<br />
zur Krankheitsverarbeitung-FKV<br />
102« von F. A. Muthny (1989) eingesetzt.<br />
Aus der Varianzanalyse über die Zeit<br />
konnte ein signifikanter Interaktionseffekt<br />
zwischen den Krankheitsformen und dem<br />
Summenscore der Krankheitsverarbeitung<br />
(siehe Abbildung) ermittelt werden. Aus<br />
den signifikant veränderten Daten ausgewählter<br />
Skalen wird deutlich, dass die Infarktpatienten<br />
nach dreiwöchiger Rehabilitationsmaßnahme<br />
im Vergleich zu den Bypasspatienten<br />
Ereignisse weniger depressiv<br />
verarbeiten (p=,003**), ihre Erkrankung<br />
deutlich weniger bagatellisieren und ihre<br />
Krankheit eher realistisch beurteilen<br />
(p=,007**). Weiterhin ergeben die Daten,<br />
dass die Bypasspatienten auch nach der<br />
Rehabilitation ihre Emotionen stärker kontrollieren<br />
bzw. sich immer noch stärker aus<br />
sozialen Beziehungen zurück ziehen, als<br />
das die Herzinfarktpatienten tun (p=,014*).<br />
Die Ergebnisauswertung der physischen<br />
Leistungsfähigkeit verdeutlicht, dass sich<br />
die einzelnen Herzsportgruppen (HG) signifikant<br />
in der Subskala »Depressive Verarbeitung«<br />
unterschieden. Erwartungskon-<br />
form weisen Bypasspatienten mit geringer<br />
kardiovaskulärer Belastbarkeit (HG/0) im<br />
Posttest signifikant höhere Depressionswerte<br />
(p=,008*) als Bypasspatienten, die<br />
kardiovaskulär stärker belastbar waren und<br />
dadurch auch an vielfältigen sporttherapeutischen<br />
Maßnahmen teilnehmen konnten.<br />
Bei den Herzinfarktpatienten dagegen<br />
traten keine Unterschiede in den einzelnen<br />
Belastungsgruppen bezüglich aller Skalen<br />
der psychischen Krankheitsverarbeitung<br />
auf.<br />
Es kann geschlussfolgert werden, dass das<br />
Überleben eines Herzinfarktes dem Patienten<br />
eine Chance zur Neuorientierung bietet.<br />
Sporttherapie unterstützt die Bewältigung<br />
bei Infarktpatienten stärker als bei<br />
Bypasspatienten. Bypasspatienten erleben<br />
schon über längeren Zeitraum pathophysiologische<br />
Symptome, die sie als »bedrohlich«<br />
wahrnehmen und denen sie<br />
wahrscheinlich auch schon relativ hilflos<br />
»ausgeliefert« waren. Deshalb erscheint es<br />
nur logisch, dass sich dieser Prozess nach<br />
einer dreiwöchigen Rehabilitation eben<br />
noch nicht in einer vom Patienten selbst<br />
wahrnehmbaren kognitiven Umstrukturierung<br />
befinden kann.<br />
■<br />
Darstellung der MW-Unterschiede im Prä-Post-Vergleich von Krankheitsverarbeitung (gesamt) beider<br />
Untersuchungsgruppen<br />
Anzeige<br />
Autoreninformation Dr. Cornelia Demuth<br />
– siehe Seite 17.<br />
Kati Dürrenfeld wird das 2001 erfolgreich<br />
bearbeitete Diplomthema im Rahmen eines<br />
Promotionsstudiums am Institut für Sportwissenschaft<br />
fortführen.
BERUFUNGEN<br />
Prof. Dr. Christian Tietje<br />
JURISTISCHE<br />
FAKULTÄT<br />
Universitätsprofessor für Öffentliches<br />
Recht, Europarecht und Internationales<br />
Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät<br />
seit 1. Oktober 2001.<br />
Geboren am 14. März 1967 in Walsrode.<br />
Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />
1987–1993 Studium der Rechtswissenschaften,<br />
Politischen Wissenschaften<br />
und Volkskunde in Kiel<br />
!989–1990 Studium in Paris<br />
1993 1. Juristisches Staatsexamen<br />
1994–1995 Studium an der University of<br />
Michigan (Ann Arbor), LL.M<br />
1993–1998 Referendar am OLG Schleswig<br />
1997 Promotion zum Dr. iur.<br />
1998 2. Juristisches Staatsexamen<br />
1998–2001 Wissenschaftlicher Assistent an<br />
der Universität Kiel<br />
2001 Habilitation und Lehrbefugnis;<br />
Universitätsprofessor in Halle<br />
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />
Internationalisiertes Verwaltungshandeln,<br />
Weltwirtschaftsrecht (insbes. WTO), Ursachen<br />
und Auswirkungen der Entstehung einer<br />
internationalen/globalen Zivilgesellschaft;<br />
Global Governance u. internationale Rechtsordnung;<br />
Europäisches Außenwirtschaftsrecht;<br />
Europäisches und internationales Umweltrecht,<br />
Verfassungsrecht.<br />
Publikationen (Auswahl):<br />
• Internationalisiertes Verwaltungshandeln,<br />
763 Seiten, Berlin 2001<br />
• Normative Grundstrukturen der Behandlung<br />
nichttarifärer Handelshemmnisse in der<br />
WTO/GATT-Rechtsordnung, 510 Seiten,<br />
Berlin 1998<br />
• Welthandelsorganisation, Textausgabe mit<br />
Sachregister und einer Einführung, Beck-<br />
Texte im dtv Nr. 5752, XXIV + 321 Seiten,<br />
München 2000<br />
• Verschiedene Kommentierungen/Darstellungen<br />
in: Grabitz/Hilf/Krenzler (Hrsg.), Das<br />
Recht der EU, Bd. I und II, ca. 200 Seiten,<br />
München 1998 ff.<br />
• Die Stärkung der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />
im föderalen System Deutschlands in der jüngeren<br />
Rechtsprechung des BVerfG, Archiv<br />
des öffentlichen Rechts 124 (1999), S. 282–<br />
305<br />
Prof. Dr. Manfred Hettling<br />
Aerobic SV Halle, Trio<br />
Foto: Köhn<br />
FACHBEREICH<br />
GESCHICHTE,<br />
PHILOSOPHIE UND<br />
SOZIALWISSEN-<br />
SCHAFTEN<br />
Universitätsprofessor für Neuere und Neueste<br />
Geschichte am FB Geschichte, Philosophie u.<br />
Sozialwissenschaften seit 1. Oktober 2001.<br />
Geboren am 24. März 1956 in Ulm.<br />
Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />
1976–1977 Studium der Mathematik und<br />
Physik in Regensburg<br />
1977–1980 Studium der Geschichte, Germanistik,<br />
Sozialkunde und Sprecherziehung<br />
in Regensburg<br />
1980 Sprecherzieherprüfung<br />
1980–1985 Studium der Geschichte und<br />
Germanistik in Bielefeld<br />
1983–1985 Stipendiat der Studienstiftung<br />
des deutschen Volkes<br />
1985 Staatsexamen<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 4/2001<br />
Personalia<br />
...............................................................................<br />
1986–1994 Wiss. Mitarb. an d. Uni Bielefeld<br />
1989 Promotion zum Dr. phil<br />
1995–1997 DFG-Habilitationsstipendium<br />
1997 Habilitation<br />
1998–1999 Lehrstuhlvertr. an d. Uni Jena<br />
2000-2001 Lehrstuhlvertr. an d. Uni Halle<br />
2001 Universitätsprofessor in Halle<br />
Wissenschaftspreise:<br />
1989 Jahrespreis d. Westfälisch-Lippischen<br />
Universitätsgesellschaft<br />
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />
Sozial- und Kulturgeschichte des 19. und 20.<br />
Jahrhunderts und Theorie der Geschichte<br />
Publikationen (Auswahl):<br />
• Politische Bürgerlichkeit. Der Bürger zwischen<br />
Individualität und Vergesellschaftung<br />
in Deutschland und der Schweiz 1860 bis<br />
1918 (1999)<br />
• Totenkult statt Revolution. 1848 und seine<br />
Opfer (1998)<br />
• (Mitautor) Eine kleine Geschichte der<br />
Schweiz. Der Bundesstaat und seine Traditionen<br />
(1998)<br />
• (Mitherausgeber) Struktur und Ereignis<br />
(2001)<br />
• (Mitherausgeber) Der bürgerliche Wertehimmel.<br />
Innenansichten des 19. Jh. (2000)<br />
35
scientia halensis 4/2001<br />
...............................................................................<br />
Autorenanschriften/Rätsel<br />
WETTEN,<br />
SIE WISSEN’S<br />
NICHT!<br />
................................................................................<br />
Zeigt das Foto: 36 a) das Innenleben einer Teig-Knetmaschine<br />
b) Teile eines Wasserkochers<br />
oder<br />
c) etwas ganz Anderes – und wenn ja,<br />
was?<br />
AutorInnen dieser Ausgabe<br />
Schwerpunkt »Sport und Sportwissenschaft«<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Fachbereich Musik-, Sport- und<br />
Sprechwissenschaft<br />
Institut für Sportwissenschaft<br />
Selkestraße 9, 06122 Halle/Saale<br />
Tel.: (0345) 552 4421<br />
Fax: (0345) 552 7054<br />
Prof. Dr. Jürgen Leirich<br />
Tel.: (0345) 552 44 50<br />
E-Mail: leirich@sport.uni-halle.de<br />
Prof. Dr. Siegfried Leuchte<br />
Tel.: (0345) 552 44 44<br />
E-Mail: leuchte@sport.uni-halle.de<br />
Dr. Klaus Stöber<br />
Tel.: (0345) 552 44 47<br />
E-Mail: stoeber@sport.uni-halle.de<br />
Werner Goder<br />
Tel.: (0345) 552 4439<br />
E-Mail: goder@sport.uni-halle.de<br />
Dr. Hans-Günther Bernstein<br />
Tel.: (0345) 552 4428<br />
E-Mail: bernstein@sport.uni-halle.de<br />
Dr. Cornelia Demuth<br />
Tel.: (0345) 552 4437<br />
E-Mail:demuth@sport.uni-halle.de<br />
Ivonne Schmid<br />
Tel.: (0345) 552 4421 (über Sekretariat<br />
des Instituts für Sportwissenschaft)<br />
Dr. Andreas Lau<br />
Tel.: (0345) 552 4438<br />
E-Mail: lau@sport.uni-halle.de<br />
Dr. Rainer Glettner<br />
Tel.: (0345) 552 4438<br />
E-Mail: glettner@sport.uni-halle.de<br />
Foto: F. Olbertz<br />
Die Abbildung im Oktober-Journal 2001 zeigte die Baustelle auf dem Universitätsplatz aus einem<br />
besonderen Blickwinkel.<br />
Andreas Speer<br />
Tel.: (0345) 552 4451<br />
E-Mail: speer@sport.uni-halle.de<br />
PD Dr. Oliver Stoll<br />
Tel.: (0345) 552 4440<br />
E-Mail: stoll@sport.uni-halle.de<br />
Dr. Andreas Hahn<br />
Tel.: (0345) 552 4429<br />
E-Mail: hahn@sport.uni-halle.de<br />
Ulrike Liebisch<br />
Tel.: (0345) 552 4451<br />
Kati Dürrenfeld<br />
Tel.: (0345) 552 4441<br />
Universitätssportzentrum<br />
Selkestraße 9, 06122 Halle<br />
Hans-Joachim Peucker<br />
Tel.: (0345) 552 4430<br />
E-Mail: peucker@sport.uni-halle.de<br />
Autorenadressen außerhalb der<br />
Martin-Luther-Universität<br />
Prof. Dr. Theo Austermühle<br />
Rosenstraße 33<br />
06198 Salzmünde<br />
Tel.: (034609) 20403<br />
Tel.: (0345) 552 44 24<br />
E-Mail: austermuehle@sport.uni-halle.de<br />
Prof. Dr. Hans-Joachim Bartmuß<br />
Bad Harzburger Weg 6<br />
06120 Halle<br />
Tel.: (0345) 7760478<br />
Dörte Boßmann<br />
Karl-Liebknecht-Str. 25<br />
06114 Halle<br />
Tel.: (0345) 5321603<br />
PD Dr. Falk Hildebrand<br />
Institut für Angewandte Trainingswissenschaft<br />
PF 100841, 04008 Leipzig<br />
Tel.: (0341) 494501<br />
Fax: (0341) 4945400<br />
Constanze Draper<br />
NSW Institute of Sport<br />
P.O Box 475<br />
Sydney Markets NSW 2129<br />
Australia<br />
Tel.: 61 2 9763 0222<br />
Fax: 61 2 9763 0250<br />
Institut für Sprechwissenschaft und<br />
Phonetik<br />
Advokatenweg 37, 06114 Halle<br />
Miriam Hartinger<br />
Tel.: (0345) 552 4461<br />
Medizinische Fakultät<br />
Sektion Physikalische und<br />
Rehabilitative Medizin<br />
Ernst-Grube-Str. 40, 06120 Halle<br />
Prof. Dr. med. Detlev Riede<br />
Tel.: (0345) 557 2306<br />
Fax: (0345) 557 3334<br />
Dr. René Schwesig<br />
Tel.: (0345) 557 2753<br />
OA Dr. med. Klaus Müller<br />
Tel.: (0345) 557 2874<br />
E-Mail: klaus.mueller@medizin.unihalle.de<br />
Landwirtschaftliche Fakultät<br />
Institut für Ernährungswissenschaften<br />
Emil-Abderhalden-Straße 26,<br />
06108 Halle<br />
Prof. Dr. Klaus Eder<br />
Tel.: (0345) 552 2702<br />
E-Mail: eder@landw.uni-halle.de<br />
Mareike Großhauser<br />
Tel.: (0345) 552 2727
VEREINIGUNG DER FREUNDE UND FÖRDERER DER<br />
MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE–WITTENBERG E.V.<br />
Ehrenvorsitzender des Kuratoriums: Senator e.h. Dr. h.c. mult. Hans-Dietrich Genscher<br />
DIE ARENA<br />
Schaufenster und Bühne<br />
Ein zentraler Bestandteil der Konzeption<br />
der Landesausstellung Sachsen-<br />
Anhalt 2002 „EMPORIUM. 500 Jahre<br />
Universität Halle–Wittenberg“ ist das<br />
Anliegen, im Jubiläumsjahr Themenbereiche<br />
wie Universität und Wissenschaft<br />
verstärkt in den öffentlichen,<br />
den städtischen Raum zu tragen.<br />
Daher wird während der Laufzeit der<br />
Ausstellung vom 23. April bis 30. September<br />
2002 direkt vor dem Hauptgebäude<br />
auf dem Universitätsplatz die<br />
ARENA errichtet, eine transparente<br />
und vielseitig nutzbare Bühnenkonstruktion,<br />
für die im Schnittpunkt<br />
gemeinsamer Themen von Universität<br />
und Stadt ein abwechslungsreiches<br />
Programm verschiedener Veranstalter<br />
konzipiert wird.<br />
Als Podium für kulturelle Veranstaltungen,<br />
als Informationsstelle für Fragen<br />
der Studienorganisation und -beratung,<br />
aber auch als Hörsaal in außergewöhnlicher<br />
Umgebung kann die<br />
ARENA durch ihren Standort und ihre<br />
offene Form das Interesse der Vor-<br />
Vorsitzender des Kuratoriums: Senator e.h. Dr. Gerhard Holland<br />
Präsident: Senator e.h. Dr. Wolfgang Röller<br />
übergehenden auf<br />
das Thema “Universität”<br />
lenken<br />
und ein breites<br />
Publikum ansprechen.<br />
Das vielseitige<br />
Angebot der<br />
ARENA umfasst<br />
unter anderem<br />
Konzerte, Theateraufführungen,Vorlesungen,Diskussionsrunden<br />
und<br />
Experimentalvorführungen.SpezielleThemenbereiche<br />
der Landesausstellungwerden<br />
in besonderen Veranstaltungen<br />
aufgegriffen und vertieft. Außerdem<br />
beinhaltet das gebotene Programm<br />
sowohl Präsentationen einzelner<br />
Fakultäten und Fachbereiche als auch<br />
öffentliche Vorträge zur Wissenschaftshistorie<br />
verschiedener Disziplinen.<br />
Die Montagsvorlesungen zur<br />
500-jährigen Geschichte der Universi-<br />
Geschäftsführer: Peter Weniger<br />
c/o Martin-Luther-Universität Halle –Wittenberg, 06099 Halle (Saale)<br />
Telefon: (03 45) 55-2 10 24/25<br />
Telefax: (03 45) 55-2 70 85<br />
e-mail: PWeniger@vff.uni-halle.de<br />
Internet: http://www.uni-halle.de/vff/<br />
Für Mitgliedsbeiträge und Spenden wurden folgende Konten eingerichtet:<br />
Dresdner Bank Halle,<br />
Konto-Nr. 857 362 100, BLZ 800 800 00<br />
Stadt- und Saalkreissparkasse Halle,<br />
Konto-Nr. 386 300 762, BLZ 800 537 62<br />
tät Halle-Wittenberg für Hörer aller<br />
Fakultäten finden ebenfalls in der<br />
ARENA statt.<br />
Ausstellung und ARENA werden von<br />
der VFF gefördert. Hauptsponsor ist<br />
die Dresdner Bank. Eine umfangreiche<br />
Unterstützung gewährt auch die<br />
Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt.<br />
Spenden zur Verwirklichung der Ziele der Vereinigung und zum Nutzen der Universität sind jederzeit willkommen. Diese Spenden können<br />
an eine Zweckbestimmung gebunden sein. Die Vereinigung ist berechtigt, steuerwirksame Spendenbescheinigungen auszustellen<br />
Grafik: QUADRO