WZB-Mitteilungen 123: Chancen und Risiken im Lebensverlauf
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„Es wird an den Gr<strong>und</strong>festen gerçttelt“<br />
Ulrich Jçrgens çber Autokrise <strong>und</strong> Innovationspotenziale deutscher Autobauer<br />
Die Automobilindustrie ist hart von der Rezession<br />
getroffen. Gleichzeitig stellt sich die Frage der<br />
Umweltkosten der Automobilitåt <strong>im</strong>mer dringlicher.<br />
Viel wird von der Innovationsfåhigkeit der Branche<br />
abhången. Von den fossilen Brennstoffen wegzukommen<br />
ist aber ein langwieriges <strong>und</strong> teures<br />
Unterfangen, fçr das die Firmen schwierige Entscheidungen<br />
treffen mçssen. Ûber die aktuelle Situation<br />
<strong>und</strong> die Zukunftsperspektiven der Automobilindustrie<br />
sprach Wiebke Peters mit Ulrich Jçrgens,<br />
Leiter der <strong>WZB</strong>-Forschungsgruppe Wissen, Produktionssysteme<br />
<strong>und</strong> Arbeit.<br />
Frage: Weltweit ist der Autoabsatz dramatisch<br />
eingebrochen. Hat die Autoindustrie<br />
Vergleichbares schon einmal erlebt?<br />
Ulrich Jçrgens: Die Autoindustrie ist eine klassische<br />
zyklische Industrie, die <strong>im</strong>mer wieder<br />
starke Krisen erlebt. Allerdings ist dieser rasche<br />
Einbruch, wie er derzeit stattfindet, ungewæhnlich,<br />
vergleichbar vielleicht mit 1929, dem Jahr<br />
der Weltwirtschaftskrise, <strong>und</strong> den beiden Úlpreisschocks<br />
von 1974 <strong>und</strong> Anfang der 1980er<br />
Jahre. Ein Abschwung war allerdings ohnehin<br />
fållig, denn die Automobilindustrie hatte einen<br />
enorm langen Wachstumsboom hinter sich. Best<strong>im</strong>mte<br />
Eigenschaften machen diese Krise dennoch<br />
einzigartig: Der enorme Anstieg des Úlpreises<br />
– verstårkt durch die Weltwirtschaftskrise<br />
– hat dazu gefçhrt, dass Politiker <strong>und</strong><br />
Verbraucher jetzt umdenken. Es wird nun intensiv<br />
nach Wegen gesucht, wie wir die Abhångigkeit<br />
vom Úl reduzieren <strong>und</strong> Emissionen<br />
senken kænnen.<br />
WasanderglobalenKriseistentscheidend<br />
fçr den sinkenden Absatz von Autos?<br />
Einen Autokauf çber einen Kredit zu finanzieren<br />
– heute die çbliche Praxis – ist riskant<br />
geworden. Autos sind weniger Konsum-,<br />
sondern eher Investitionsgçter: Ûber die<br />
Hålfte der verkauften Automobile geht an<br />
institutionelle Kåufer wie Mietwagenfirmen<br />
oder æffentliche Einrichtungen. Gçnstige<br />
Kredite von Firmen mit Autobanken mçssen<br />
auf den Kapitalmårkten refinanziert werden.<br />
Das wird çblicherweise çber Anleihen gemacht,<br />
die aber sind sehr teuer geworden.<br />
Nicht nur bei Kåufern in der EU, auch in<br />
China ist die Nachfrage gesunken. Wie<br />
schwer wiegt der Wegbruch dieses Marktes?<br />
Die chinesische Nachfrage ist wichtig fçr die<br />
deutschen Unternehmen, sie hat in den letzten<br />
Jahren erheblich zum Gewinn beigetra-<br />
42 <strong>WZB</strong>-<strong>Mitteilungen</strong> Heft <strong>123</strong> Mårz 2009<br />
gen. Insofern schmerzen die Einbrçche. Sie<br />
waren bisher aber weniger tiefgreifend als in<br />
den USA, <strong>und</strong> die Wachstumsdynamik in<br />
China ist weiter vorhanden. Da bin ich also<br />
fçr die Zukunft durchaus opt<strong>im</strong>istisch.<br />
Sind viele Probleme der Autobauer nicht<br />
auch hausgemacht? Hat nicht gerade die<br />
deutsche Autoindustrie versåumt, rechtzeitig<br />
spritsparende Autos zu entwickeln?<br />
Sie hat es best<strong>im</strong>mt nicht versåumt, rechtzeitig<br />
innovative Modelle zu entwickeln. Ende der<br />
1980er <strong>und</strong> Anfang der 1990er Jahre spielten<br />
die deutschen Autobauer eine Vorreiterrolle<br />
bei der Entwicklung ækologischer Produktkonzepte<br />
wie dem 3-Liter-Auto. Diese wurden<br />
aber von den Konsumenten nicht hinreichend<br />
angenommen <strong>und</strong> auch von den Unternehmen<br />
nicht konsequent vermarktet. Der Trend ging<br />
in den 1990er Jahren zu großen, PS-starken<br />
Autos. Die deutsche Autoindustrie stand Anfang<br />
der 1990er aufgr<strong>und</strong> der Krise mit dem<br />
Rçcken zur Wand <strong>und</strong> musste reagieren, denn<br />
die Amerikaner waren mit solchen Modellen<br />
erfolgreich. Die Anreize waren <strong>im</strong> Ûbrigen<br />
stark politisch strukturiert; in den USA galten<br />
lange Zeit beispielsweise sehr „lasche“ Abgasvorgaben<br />
fçr diese Gruppe von Fahrzeugen.<br />
Dort ist inzwischen der Smart ein Renner ...<br />
Genau. Der Smart ist allerdings erst <strong>im</strong> letzten<br />
Jahr wirklich erfolgreich geworden, insbesondere<br />
auch in den USA, nachdem er dort erst<br />
sehr spåt eingefçhrt wurde. Richtig ist, dass<br />
die deutschen Autobauer den Trend zu ækologisch<br />
besseren Antrieben, wie dem Hybrid-<br />
Fahrzeug oder dem Start-Stopp-System, bei<br />
dem sich der Motor be<strong>im</strong> Stillstand des Fahrzeugs<br />
automatisch ausschaltet, zu spåt erkannt<br />
haben. Man hat die Entwicklung in diesem Bereich<br />
nicht vorangetrieben, weil das Geld letztlich<br />
mit græßeren Fahrzeugen sehr gut verdient<br />
wurde. Danach konnte man auch nicht so<br />
schnell umsteigen, denn die Entwicklung alternativer<br />
Technologien dauert långer als von<br />
den Unternehmen oft erwartet. Dabei ist das<br />
Innovationspotenzial in Deutschland besonders<br />
groß, auch be<strong>im</strong> Hybridantrieb. Die <strong>Risiken</strong><br />
sind es allerdings ebenso: Vom Úl wegzukommen<br />
geht auf unterschiedlichen, aber<br />
stets investitionsintensiven Wegen. Kein Hersteller<br />
wird alles allein machen kænnen.<br />
Kænnen Sie kurz skizzieren, wie diese Wege<br />
aussehen?