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WZB-Mitteilungen 123: Chancen und Risiken im Lebensverlauf

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Zu guter Letzt<br />

Der kurze Frçhling der Empærung<br />

Erst ein Jahr nach der Grçndung entbrannte 1970 der æffentliche Streit ums <strong>WZB</strong><br />

Von Paul Stoop<br />

Der universitåre Muff, das politische Establishment,<br />

die hart auftretende Polizei, die<br />

Kriegspolitik der USA – als Ende der 1960er<br />

Jahre Studenten rebellierten, mangelte es<br />

nicht an Gegnern. Im Frçhjahr 1970 war das<br />

Hassobjekt eine Einrichtung, die gerade erst<br />

entstand: das Wissenschaftszentrum Berlin<br />

(<strong>WZB</strong>). Was so mancher Aktivist dem <strong>WZB</strong><br />

wçnschte, war auf die Fassade des politikwissenschaftlichen<br />

Instituts der FU Berlin gesprçht:<br />

„Zerquetscht das <strong>WZB</strong>“.<br />

Formal war das <strong>WZB</strong> schon mehr als ein Jahr<br />

zuvor gegrçndet worden, am 3. Februar<br />

1969, als gemeinnçtzige GmbH mit 15 Gesellschaftern,<br />

allesamt B<strong>und</strong>estagsabgeordnete<br />

von SPD <strong>und</strong> CDU/CSU. Drei von ihnen,<br />

die Sozialdemokraten Gerhard Jahn, Alex<br />

Mæller <strong>und</strong> Egon Franke, wurden <strong>im</strong> Herbst<br />

1969 B<strong>und</strong>esminister. Die Initiatoren verfolgten<br />

mehrere Ziele: eine Stårkung West-<br />

Berlins durch die Bindung internationaler<br />

Forscher an die Stadt, die Færderung wissenschaftlicher<br />

Beratung fçr die Praxis <strong>und</strong> die<br />

Schaffung eines Abstands zu den aufgewçhlten<br />

Hochschulen. Die Gesellschafter<br />

arbeiteten an einem großen Plan, der den<br />

Aufbau von acht Instituten vorsah, von Management<br />

<strong>und</strong> Verwaltung çber Linguistik<br />

bis zu einem Center for Advanced Studies.<br />

Obwohl der B<strong>und</strong>estag <strong>im</strong> Herbst 1969 fast<br />

300.000 DM zuschoss, wurde çber die Plåne<br />

æffentlich çberhaupt nicht diskutiert. Die<br />

Grçnder informierten die Presse nicht; sie<br />

wollten die Idee zuerst politisch absichern<br />

<strong>und</strong> nicht zerreden lassen. Nach einem Gespråch<br />

mit den beiden West-Berliner Universitåten<br />

Anfang April 1970 gingen jedoch deren<br />

Leitungen an die Presse. Daraufhin brach<br />

ein Proteststurm los, der die Gazetten wochenlang<br />

beschåftigte.<br />

Die Gegner des <strong>WZB</strong> waren in der Offensive.<br />

Die Zeitungen gaben die Argumente der Universitåtspråsidenten<br />

ausfçhrlich wieder. Nçchtern<br />

berichtete der Tagesspiegel (10. April):<br />

Mit dem <strong>WZB</strong> erwachse den Universitåten<br />

aus deren Sicht eine direkte Konkurrenz, die<br />

keiner æffentlichen Kontrolle unterliege – <strong>und</strong><br />

schon gar nicht den Mitbest<strong>im</strong>mungsregeln<br />

des neuen Hochschulgesetzes. Die <strong>WZB</strong>-ThemenfandendieUni-Pråsidenten<br />

zwar wichtig,<br />

diese seien aber an den Universitåten<br />

schon gut aufgehoben bzw. dort besser zu<br />

konzentrieren. Eine Kooperation, von den<br />

<strong>WZB</strong>-Grçndern angestrebt, lehnten Rolf Krei-<br />

58 <strong>WZB</strong>-<strong>Mitteilungen</strong> Heft <strong>123</strong> Mårz 2009<br />

bich (FU) <strong>und</strong> Hans Wever (TU) mit dieser<br />

„Privat-Universitåt“ ab.<br />

Auch wenn Zeitungen, etwa die Badische<br />

Zeitung <strong>und</strong> der Tagesspiegel (beide am<br />

11. April), Stellungnahmen des <strong>WZB</strong>-Generalsekretårs<br />

Gerd Brand einholten, beherrschten<br />

die Kritiker die Schlagzeilen; sie<br />

lieferten die Neuigkeiten. Denn den Uni-Pråsidenten<br />

folgten in den nåchsten Apriltagen<br />

die Westdeutsche Rektorenkonferenz, die<br />

Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

sowie die B<strong>und</strong>esassistentenkonferenz. Alle<br />

formulierten massive Kritik an der geplanten<br />

æffentlichen Finanzierung einer privatrechtlichen<br />

Einrichtung, am vermuteten Charakter<br />

der „Gegenuniversitåt“, an „Eliten-<br />

Studiengången“. Das lange Schweigen der<br />

<strong>WZB</strong>-Initiatoren erwies sich als Nachteil; zu<br />

viele Vermutungen machten die R<strong>und</strong>e, zu<br />

viel Misstrauen wurde von der ein Jahr wåhrenden<br />

Nichtkommunikation genåhrt. Eine<br />

„clandestine Etablierung einer postuniversitåren<br />

Funktionårselite-Schule (fçr privatkapitalistische<br />

Organisationen <strong>und</strong> æffentliche<br />

Bçrokratien als Einheit konzipiert)“<br />

nannte Stephan Leibfried, einer der jungen<br />

protestierenden Wissenschaftler, <strong>im</strong> akademischen<br />

Politjargon jener Tage die „wohldotiertenPlåne“inderFrankfurter<br />

R<strong>und</strong>schau.<br />

Die heftigen Angriffe, die Argumente gegen<br />

den Typus der Einrichtung, mæglicherweise<br />

auch direkte Drohungen, hatten unmittelbare<br />

Folgen. Die Politikwissenschaftler Iring Fetscher<br />

<strong>und</strong> Frieder Naschold, Berater des<br />

<strong>WZB</strong> fçr das geplante Institut fçr Friedens<strong>und</strong><br />

Konfliktforschung, zogen sich zurçck,<br />

weil auch sie die Unabhångigkeit des <strong>WZB</strong><br />

von den Universitåten nicht befçrworten<br />

konnten. Der Soziologe Wolfgang Zapf<br />

wurde gedrångt, sein Engagement fçr das<br />

<strong>WZB</strong> einzustellen, beugte sich dem Druck jedoch<br />

nicht (Die Welt,21.April).<br />

Der Protest eskalierte am 21. April. Eine<br />

Pressekonferenz des <strong>WZB</strong> in einem Charlottenburger<br />

Hotel wurde von einigen Dutzend<br />

Mitgliedern der „Roten Zellen“ mittels Stinkbomben,<br />

Knallkærpern <strong>und</strong> Sprechchæren gesprengt.<br />

Das <strong>WZB</strong> sei eine „Ausbeuter- <strong>und</strong><br />

Kriegstreiber-GmbH“ <strong>und</strong> ein „Technokraten-Olymp<br />

fçr die Mandarine der Zukunft“.<br />

Die Studenten verließen erst nach der Androhung<br />

eines Polizeieinsatzes den Kampfplatz –<br />

<strong>und</strong> nach Verzehr des kalten Buffets. „Hung-

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