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44<br />

architektur und textil<br />

Die Erotik der Berührung<br />

Die Beziehung zwischen Architektur und Textil ist (fast) so alt wie die Menschheit selbst.<br />

Doch was war zuerst da? text: ingrid divis<br />

die hängung der textilen elemente<br />

korres pondiert mit der natursteinwand<br />

durch lichteinfall, faltenwurf und knitter.<br />

ProJektdaten:<br />

thurnhof, weinbar i cafe i<br />

vinothek:<br />

Bauherr: Kainz u. Lehner Gastro OEG<br />

Baumeisterarbeiten: Leyrer + Graf, Horn<br />

Installationen: Jäger & Kronsteiner, Wien<br />

Lüftungstechnik: Fa. Hauer, Horn<br />

Tischlerarbeiten, Holzfußböden und Fenster:<br />

Trittenwein & Binder, Guntersdorf<br />

Textile Wandarbeiten: MMag. Susa<br />

Schintler-Zuerner<br />

» taPete & textil<br />

Bevor es zu dieser Beziehung kam, war<br />

zuerst das textile Element da und dann<br />

die Architektur. Die Techniken der textilen<br />

Kunst wie das Reihen, das Binden, das<br />

Winden sowie das Wenden und Flechten stehen<br />

auch am Anfang jeder Baukunst“, weiß<br />

Hans Peter Mikolasch, Architekt und Textiltheoretiker.<br />

Konkretisiert wird diese Aussage<br />

von Adolf Loos in seinem Buch „Ins Leere gesprochen“:<br />

Darin beschreibt er, dass die Decke<br />

das älteste Architekturdetail überhaupt ist.<br />

Ursprünglich war es aus Fellen oder Erzeugnissen<br />

der Textilkunst. Diese Decken mussten<br />

aber irgendwo angebracht werden, sollten sie<br />

genügend Schutz für eine Familie bieten.<br />

Dann kamen auch die Wände hinzu, um seitlich<br />

Schutz zu bieten. In dieser Reihenfolge<br />

entwickelte sich, so Adolf Loos, der bauliche<br />

Gedanke.<br />

textilien sexualisieren architektur<br />

Inwiefern nun die Architektur das textile Design<br />

beeinflusst und umgekehrt, beantwortet<br />

Gilbert Bretterbauer, Textilkünstler und Professor<br />

an der Kunstuniversität Linz: „Architektur<br />

kommt ohne Textilien nicht aus. Tut sie<br />

das, fehlt die Verbindung zum Menschen. Die<br />

Berührung mit dem Raum erfolgt durch textile<br />

Materialien, Textilien sexualisieren Architektur.“<br />

Die Interieurdesignerin Susa<br />

Schintler-Zuerner sagt: „Im Idealfall gibt es<br />

die Zuschreibungen Architektur und textiles<br />

Design nicht mehr.“ Die Mitbegründerin des<br />

Architektur-, Textil- und Fotografienetzwerks<br />

punktdrei meint darüber hinaus, dass die Geschichte<br />

des textilen Designs beziehungsweise<br />

der angewandten Künste ja mitunter eine<br />

schwierige sei: „Während Architektur und bildende<br />

Künste über Jahrhunderte männlich<br />

konnotiert waren, wurden die angewandten<br />

Künste vorwiegend Frauen zugeschrieben. Es<br />

kam zu einer Hierarchisierung der einzelnen<br />

Bereiche. Es war ja so, dass es zur damaligen<br />

Zeit für Frauen sehr schwer war, überhaupt in<br />

den Bereich der Architektur vorzudringen.<br />

Oftmals war es der Weg, über das Textildesign,<br />

die Innenraumdekoration oder die Gartengestaltung<br />

an die Randbereiche der Architektur<br />

heranzukommen.“<br />

Schintler-Zuerner erklärt, wie die Zusammenarbeit<br />

zwischen einem Textildesigner und Architekten<br />

aus heutiger Sicht aussieht: „Häufig<br />

werden die Interieurdesigner und Textilkünstler<br />

erst nach dem vollendeten Bauprozess hinzugezogen.“<br />

Meist gehe es dabei darum, „Verfehlungen“<br />

der Architektur zu kompensieren.<br />

Dem Textil werde lediglich die Aufgabe zugeschrieben,<br />

den Raum bewohnbar zu machen,<br />

die Chance, mit Textil (Form, Haptik, Farbe)<br />

raumbildende oder gestalterische Aufgaben zu<br />

übernehmen, werde leider oft nicht wahrgenommen,<br />

so die Designerin. Das kann Architekt<br />

Gerfried Schneider bestätigen: „Mein Kollege<br />

und ich sind vor allem im Wohnbau tätig<br />

und hier passiert eine Zusammenarbeit mit<br />

Textildesignern nicht. Das liegt aber in erster<br />

Linie an den Bauherren, die dies eigentlich<br />

forcieren sollten.“<br />

textiles design als troubleshooter<br />

Als Beispiel einer gelungenen Zusammenarbeit<br />

erwähnt Schintler-Zuerner die Thurnhof<br />

Weinbar, Café und Vinothek in Horn, gestaltet<br />

von Gerfried Schneider. „Doch auch hier wurde<br />

ich erst nach dem Bauprozess hinzugezogen.<br />

Es gab ein Problem – nämlich die Akustik<br />

des Raums. Die Architektur ist zwar wunderschön,<br />

aber durch den Einbau der Möbel wurde<br />

die Akustik sehr laut und hallig.“ Die Aufgabe<br />

der Raumausstatterin bestand darin, mit<br />

den Textilien jene akustische Schärfe einzudämmen.<br />

Die herausgearbeitete Ziegelwand<br />

color - 04 2012<br />

Fotos: Nicole Tintera | www.punktdrei.at

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