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Realistisches Malen - palette Art-Shop - Palette & Zeichenstift

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20. Jahrgang<br />

Im Interview<br />

Wilfried Georg<br />

Barber<br />

<strong>Realistisches</strong> <strong>Malen</strong><br />

Manfred Hönig<br />

Künstlerporträt<br />

Robert Süess<br />

Extra-Beilage:<br />

<strong>Malen</strong> und<br />

Reisen 2012<br />

Kreativität für<br />

Künstler<br />

Wolfgang Traub<br />

Acrylmalerei<br />

Liane Käs<br />

Bildqualitäten<br />

Gerlinde<br />

Geschwendtner<br />

Porträtzeichnen<br />

Klaus<br />

Ruschmann<br />

und vieles mehr ...<br />

& z e i c h e n s t i f t<br />

Ausgabe 4/2012 Nr. 102<br />

ISSN 0945-5760<br />

G 2058<br />

Deutschland € 7,80<br />

Österreich € 8,90<br />

Italien € 8,90<br />

Spanien € 8,90<br />

Belgien € 8,90<br />

Luxemburg € 8,90<br />

Schweiz CHF 15,00<br />

www.<strong>palette</strong>-verlag.de<br />

FÜR KÜNSTLER UND KUNSTINTERESSIERTE


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

liebe Freunde der Kunst,<br />

die wenigsten Maler können sich heutzutage von ihrer<br />

Kunst ernähren. Der Bundesverband Bildender Künstler<br />

schätzt, dass vielleicht 6 % der Künstler von dem, was sie<br />

tun, leben können. Ein Gros davon verdient zwischen<br />

6.000 und 7.000 Euro im Jahr. Die meisten Maler werden<br />

erst posthum erfolgreich und teuer. Das sieht man daran,<br />

wenn bei bekannten Auktionshäuser Gemälde für horrende<br />

Summen versteigert werden.<br />

Letztes Beispiel: Anfang Mai wurde eine der vier Versionen<br />

des Bildes "Der Schrei", 1885, von Edvard Munch<br />

(1863-1944) bei Sotheby`s in New York für mehr als 91<br />

Millionen Euro versteigert und gilt als das teuerste Kunstwerk<br />

aller Zeiten. Wie Sie sehen gibt es eine weitere Fassung<br />

unseres Cartoonisten Daniel Rodriguez.<br />

Wer ist der Mann, der so traurige Werke malte? Was<br />

steckt hinter seinen Bildern? Edvard Munch, schon zu<br />

Lebzeiten recht bekannt und auch erfolgreich. Doch wie<br />

so viele seiner Malerkollegen, hatte auch er physische<br />

Probleme, er war manisch-depressiv und Alkoholiker.<br />

Munch hatte bereits 1892 in sein Tagebuch geschrieben,<br />

dass ihn bei einem Spaziergang an einem Fjord der Anblick<br />

des Sonnenuntergangs furchtbare Angst ergriffen<br />

hatte. "Der Schrei" gilt als Symbol für die existentiellen<br />

Ängste und die Verzweiflung der modernen Menschen.<br />

Die versteigerte Fassung des Bildes befand sich übrigens<br />

seit 70 Jahren im Besitz des norwegischen Unternehmers<br />

Petter Olsen, dessen Vater ein Nachbar, Freund<br />

und Förderer Munchs gewesen war. Die drei anderen<br />

Versionen befinden sich in norwegischem Staatsbesitz;<br />

zwei sind im Munch-Museum Oslo und eins in der norwegischen<br />

Nationalgelarie zu sehen.<br />

1994 entwendeten Diebe das Bild aus der norwegischen<br />

Nationalgelarie und 2004 erbeuteten maskierte Täter bei<br />

einem befaffneten Raubüberfall eine Fassung des Bildes<br />

aus dem Munch-Museum. 2006 wurden sechs der vermutlich<br />

sieben Täter gefasst, im August 2006 konnte die<br />

norwegische Polizei bei einer Razzia beide gestohlenen<br />

Bilder sicherstellen. Leider war eins der beiden Bilder<br />

derart zerstört worden, dass eine vollständige Retauration<br />

nicht möglich war.<br />

Petter Olsen entschied sich übrigens für den Verkauf des<br />

Bildes, da es der richtige Zeitpunkt sei "dem Rest der<br />

Welt die Chance zu bieten, dieses bemerkenswerte Werk<br />

zu besitzen und zu würdigen." Nun, da das Bild von einem<br />

unbekannten "Telefon-Käufer" ersteigert wurde, ist<br />

es doch sehr fraglich, ob die breite Öffentlichkeit das Bild<br />

je zu sehen bekommt.<br />

Olsen möchte aber mit den Einnahmen der Versteigerung<br />

ein neues Museum, ein Kunstzentrum und ein Hotel in<br />

Hvisten bauen - dort lebten Munch und Olsens Vater.<br />

I Editorial<br />

So, nun aber noch kurz zu dieser Ausgabe, die wieder<br />

viel zu bieten hat!<br />

In unserer Rubrik "Künstler" finden Sie ein Interview mit<br />

dem Maler Wilfried Georg Barber, den einige unserer Leser<br />

vielleicht noch aus vergangenen Ausgaben (5/03,<br />

6/04) kennen. Margrit Schneider erzählt uns, dass das<br />

<strong>Malen</strong> sie schon ein Leben lang begleitet und begeistert<br />

hat. Siegrid Leitner stellt uns den Schweizer Künstler und<br />

Dozenten Robert Süess vor, Maria Zalfen-Lenz beeindruckt<br />

mit ihrer Vielfältigkeit und Monika Kind liebt und<br />

malt "Objekte aus der Natur".<br />

In Sachen "Technik" erklärt uns Manfred Hönig, wie man<br />

realistisch malt, Martin Lutz gibt Tipps zum Aquarellieren,<br />

Klaus Ruschmann, den Sie bereits aus der 3/12 kennen,<br />

zeigt uns, seine <strong>Art</strong> Porträts zu zeichnen, Gerlinde<br />

Gschwendtner schreibt über Bildqualitäten, Liane Käs<br />

verrät uns, wie man Wellen und Wasser in Acryl malt und<br />

Hans-Dieter Jung dokumentierte sein 3,4 x 1,0 m großes<br />

Materialbild. Nicht zu vergessen ist Wolfgang Traub, der<br />

uns wichtige Informationen zum Thema "Kreativität für<br />

Künstler" mit auf den Weg gibt.<br />

Ach ja, und in dieser Ausgabe finden Sie wieder unsere<br />

kleine, aber feine Extra-Beilage "<strong>Malen</strong> und Reisen".<br />

Dann möchten wir Sie noch auf unseren Sommerurlaub<br />

aufmerksam machen: Vom 21.07. - 05.08.2012 ist<br />

unser Verlag geschlossen. Wir sind ab dem 06.08.2012<br />

wieder in alter Frische für Sie da!<br />

Viel Spaß mit dieser Ausgabe!<br />

Ihre <strong>palette</strong> Redaktion<br />

<strong>palette</strong> & zeichenstift 3


Inhalt I<br />

4 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Künstler Seite 6<br />

Wilfried Georg Barber<br />

Malerei als Reflexion des Lebens<br />

Dr. Ulrike Fuchs<br />

T echnik Seite 12<br />

<strong>Realistisches</strong> <strong>Malen</strong><br />

Manfred Hönig<br />

T echnik Seite 18<br />

Aquarellieren mit Martin Lutz<br />

Architektur - Teil 3<br />

Künstler Seite 24<br />

Margrit Schneider<br />

Das <strong>Malen</strong> hat mich mein Leben lang begleitet<br />

und begeistert<br />

T echnik Seite 28<br />

Ein nach Modell und Foto gezeichnetes Porträt<br />

Klaus Ruschmann<br />

I nformation Seite 32<br />

Kreativität für Künstler - Teil 1<br />

Wolfgang Traub<br />

B e s u c h e n S i e u n s<br />

a u c h i m I n t e r n e t :<br />

We itere Rubriken<br />

I <strong>palette</strong> & zeichenstift 4/2012<br />

Künstler Seite 36<br />

Robert Süess<br />

Wenn die Seele Farbe bekennt<br />

Siegrid Leitner<br />

Künstl er Seite 48<br />

Maria Zalfen-Lenz<br />

"Dat kann jo mole"<br />

T echnik Seite 54<br />

Acryl - Wellen und Wasser<br />

Liane Käs<br />

w w w . p a l e t t e - v e r l a g . d e<br />

T echni k Seite 42<br />

Bildqualitäten<br />

Gerlinde Gschwendtner<br />

Künstler Seite 58<br />

Monika Kind<br />

Objekte aus der Natur<br />

Technik Seite 62<br />

Materialbilder<br />

Hans-Dieter Jung<br />

Agenda Seite 68<br />

Ausgaben/Hefte Seite 70<br />

Edition Seite 66<br />

Editorial Seite 3<br />

Kunsträtsel Seite 2<br />

News Seite 72<br />

Vorschau/Impressum Seite 74<br />

<strong>palette</strong> & zeichenstift 5


Künstler I<br />

Malerei als Reflexion des Lebens<br />

Dr. Ulrike Fuchs<br />

6 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Ein Besuch bei Wilfried Georg Barber<br />

Eine ehemalige Dorfgaststätte in der kleinen Odenwaldgemeinde<br />

Limbach-Balsbach ist die Wohn- und Arbeitsstätte<br />

des Malers Wilfried Georg Barber. Den alten Tanzsaal,<br />

durch eine zweiflügelige Tür vom ehemaligen Gastraum<br />

getrennt, machte Barber zum kleinen Atelier, das<br />

große findet sich in einer angebauten Remise.<br />

Nach langjährigem Aufenthalt in Italien und verschiedenen<br />

Umzügen in Deutschland scheint der Maler nun an<br />

einem Wohlfühlort und auch bei sich selbst angekommen<br />

zu sein. Dies spiegeln nicht nur seine selbstbewusste Reflexion<br />

über die eigene Malerei, sondern auch seine Bilder<br />

wider. Einen Querschnitt durch die verschiedenen<br />

Schaffensphasen präsentiert er an der großen Stirnwand<br />

des Gastraumes, der nun als Wohn- und Ausstellungsraum<br />

dient.<br />

Diese Bilder zeugen von Brüchen und Neuanfängen, vom<br />

Experimentieren mit Linien, geometrischen Formen und<br />

freien Farbflächen. Und sie zeigen die Suche des Malers<br />

nach den seinem Denken und Fühlen adäquaten Ausdrucksformen.<br />

Überschaut man die Arbeiten, wird deutlich, dass es ihm<br />

in jüngster Zeit gelungen ist, die Linie, die seine frühen<br />

Arbeiten bestimmte und die er zu überwinden suchte, mit<br />

den seine Malerei phasenweise beherrschenden freien<br />

Farbformen zu kombinieren und beide miteinander zu<br />

versöhnen. Eine Aufhellung der <strong>Palette</strong> und die Betonung<br />

starker Kontraste gehen mit dieser Entwicklung einher. Während sein Temperament sich in den freien Farbfor-<br />

Rosentag, 2012, Öl auf Leinwand, 140 x 160 cm<br />

Die Gedanken des Organisten, 1989, Öl auf Spanplatte, 90 x 70 cm<br />

men eines "Rosentages" entfaltet, zeigen die kleinformatigen,<br />

mit Öl auf Karton gemalten "Caprifoglio", die lyrische<br />

Seite des Künstlers. Die spielerisch gestische Experimentierfreude,<br />

mit der der Maler die Farben mitunter<br />

aufträgt, verleiht diesen Arbeiten einen besondern Klang.<br />

Mit seinen "Skizzen aus dem Atelier", einer <strong>Art</strong> Rundbrief,<br />

bittet Wilfried Georg Barber in regelmäßigen Abständen<br />

zum Besuch seines Atelierhauses. An einem sonnigen<br />

Frühlingstag fand auch ich mich dort ein.<br />

U. F.: Was veranlasst einen erfolgreichen Grafikdesigner<br />

dazu, nur noch zu malen?<br />

W. G. B.: Ich habe während meines Studiums an der<br />

Werkkunstschule in Köln parallel zu meinem Grafikdesignstudium<br />

schon Malerei studiert, dann jedoch zunächst<br />

bei einer Werbeagentur gearbeitet. Dabei begleitete<br />

mich immer das unbefriedigende Gefühl, doch eigentlich<br />

malen zu wollen. Da das aber parallel zum<br />

"Lohnberuf" kaum möglich war, wurde mir immer klarer,<br />

dass ich einen totalen Schnitt machen müsste, um mei-


Technik I<br />

12 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Manfred Hönig<br />

<strong>Realistisches</strong> <strong>Malen</strong><br />

Mit der Aufgabe betraut, einen <strong>Art</strong>ikel über Maltechnik<br />

oder die Entstehung eines Bildes zu schreiben, gibt es<br />

natürlich verschiedene Möglichkeiten, dies zu tun.<br />

Nachdem ich aber in vielen Büchern Einführungen in die<br />

verschiedensten künstlerischen Techniken geschrieben<br />

habe, in denen ich die technischen Voraussetzungen und<br />

Systematiken erläutert habe, möchte ich Ihnen im Rahmen<br />

dieses <strong>Art</strong>ikels nun einen Einblick in meine eigene<br />

Arbeit und deren Entstehung geben.<br />

Komplexität ist dabei das Ergebnis des konsequenten<br />

Einsetzens der Grundtechniken und des Wissens um<br />

Stärken und Schwächen der Arbeitsmaterialien. Dabei<br />

wird es nicht um ein Nachmalen gehen, sondern um eine<br />

Demonstration der Möglichkeiten!<br />

Vielleicht inspiriert es Sie ja auf Ihrem eigenen Weg, sich<br />

an immer komplexere Bilder zu wagen und in einem steten<br />

Prozess der Herausforderung dazu zu lernen. Lernen<br />

wird man schließlich immer nur dann, wenn man sich an<br />

eine Aufgabe wagt, die man noch nicht beherrscht!<br />

Venezianischer Kanal<br />

Material: Acrylfarbe, grundierte und glatt geschliffene<br />

Malplatte<br />

Unter Benutzung eines Dias, das ich vor einigen Jahren<br />

in Venedig gemacht habe, entstand das folgende Bild.<br />

Nachdem eine Kamera kein menschliches Auge ist, musste<br />

ich während des Malprozesses einiges erfinden und improvisieren.<br />

Die Schattenpartien wiesen nur wenig Zeichnung<br />

auf, hier mussten Wandstrukturen und Architektur,<br />

vor allem rechts, neu gefunden werden. Trotzdem, für aufwendige<br />

Arbeiten dieser <strong>Art</strong> gibt es keine Alternative zum<br />

Einsatz von Fotografien; ein wochenlanges Sitzen vor Ort<br />

ist kaum machbar und liefert wegen des ständig wechselnden<br />

Lichts auch keine besseren Ergebnisse.<br />

Das schnelle Arbeiten vor Ort bleibt skizzenhaften Ausführungen<br />

und Malstilen vorbehalten. Ein großer Vorteil<br />

der Fotografie ist das Einfrieren von Lichtstimmung und<br />

Schattenwurf in einem bestimmten Moment. So ist es<br />

auch kein Zufall, dass in der Landschaftsmalerei die Darstellung<br />

komplexer Vordergründe mit präzisen und komplizierten<br />

Schattensituationen durch Maler vor dem Einsatz<br />

von Fotos nicht existent war. Die präziseste Annäherung<br />

an einen echten Realismus war aber später durch<br />

den Einsatz der Camera obscura möglich, die zumindest<br />

in einem relativ kurzen Zeitraum ein Erfassen der Raumsituationen<br />

und Schatten ermöglichte (ich denke, die Zeitgenossen<br />

damals waren auch ordentlich verblüfft von<br />

den Ergebnissen). Der Vorteil, den wiederum die Malerei<br />

gegenüber der Fotografie besitzt, ist die Möglichkeit der<br />

Auswahl und Betonung jedes einzelnen Elements - somit<br />

eine Anpassung des Gemalten an eine natürliche Seherfahrung.<br />

So kann ein realistisches Bild viel räumlicher<br />

und echter wirken als eine Fotografie.<br />

Schritt 1<br />

Das erste Stadium zeigt die Bleistiftvorzeichnung und wässrig gesetzte<br />

Untermalungen sowie erste deckende Farbschichten, um Formen und<br />

Lokalfarben herauszuarbeiten.


Technik I<br />

18 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Aquarellieren mit Martin Lutz<br />

Architektur – Teil 3<br />

Wenn man eine Vorzeichnung für ein Architekturaquarell<br />

macht, zeichnet man gewöhnlich mit dem Bleistift vor.<br />

Man legt anfangs mehr oder weniger fest, wo sich die<br />

Formen befinden; man orientiert sich. Diese Bleistiftlinien<br />

sind nur Mittel zum Zweck, sie werden im Laufe des Malprozesses<br />

kaschiert und von den folgenden Farbaufträgen<br />

überdeckt. Bei vielen Aquarellen ist die Linie schließlich<br />

gar nicht mehr sichtbar. In der Welt der Grafik dominiert<br />

die Linie, aber in der Malerei haben Formen,<br />

Tonwerte und Farben klar die Oberhand.<br />

In der Geschichte der Malerei gibt es allerdings immer<br />

wieder Beispiele von Künstlern, die auch in ihren Gemälden<br />

von der Linie als gestalterisches Mittel Gebrauch gemacht<br />

haben. Hierzu zählen unter anderem Pablo Picasso<br />

(1881-1973), Wassily Kandinsky (1866-1944) oder<br />

Raoul Dufy (1877-1953). Die Maler Max Beckmann<br />

(1884-1950) und Bernard Buffet (1928-1999) haben in ihren<br />

Bildern die Linie extrem kraftvoll betont. Ihre Linien<br />

sind schwarz und markant, sodass man beim Betrachten<br />

ihrer Bilder unwillkürlich an einen Holzschnitt denken<br />

muss. Alberto Giacometti (1901-1966) setzte die Linie dagegen<br />

minimalistisch und mager ein und ging soweit,<br />

dass er sogar bei seinen Skulpturen - also Dinge im<br />

Raum, die ja Volumen haben - fast alles nur noch auf eine<br />

Linie reduzierte.<br />

Das kalligrafische Bild<br />

Nun gibt es viele <strong>Art</strong>en von Linien mit den unterschiedlichsten<br />

Bildwirkungen: zittrig, substanzlos, gefühlvoll,<br />

schwungvoll, dominant usw. Wie die Linie im grafischen<br />

Bereich wirkt, so tut sie dies auch in Verbindung mit der<br />

Malerei. Mir persönlich gefällt die asiatische Kombination<br />

aus Schrift, Pinselzeichnung und Bild sehr gut. Hier hat<br />

Der Anleger, 45 x 65 cm<br />

Diese Hafenansicht habe ich etwas abstrakter und freier interpretiert. Pfähle, Masten, Takelage der Boote etc. bieten sich geradezu<br />

für ein kalligrafisches Aquarell an. Beachten Sie auch das Weiß: Es befindet sich fast nur in der Bildmitte.


Künstler I<br />

Das <strong>Malen</strong> hat mich mein Leben<br />

lang begleitet und begeistert<br />

Margrit Schneider<br />

Als die Kinder auf eigenen Füßen standen, musste ich<br />

mir ein neues Beschäftigungsfeld suchen. Was lag da<br />

näher, als meine Leidenschaft weiter auszubauen. Ich<br />

hatte die Gelegenheit, mir bei einer ortsansässigen<br />

Künstlerin einige Grundlagen anzueignen und verschiedene<br />

Techniken zu erlernen. Dieses Grundwissen baute<br />

ich in einer Kunstakademie weiter aus. Bald schon stellte<br />

sich heraus, dass Acryl auf Leinwand mein liebstes Arbeitsmaterial<br />

werden würde. Seit 2007 widmete ich mich<br />

dann ganz der Malerei und hatte erste externe Ausstellungen.<br />

Anfängliche Arbeiten beschränkten sich auf gegenständliche<br />

Darstellungen wie Muscheln, Bäume, Tiere und<br />

Landschaften. Dann aber begann ich, Menschen zu malen,<br />

meistens Gesichter.<br />

Ein befreiter Traum, Acryl auf Leinwand, 50 x 70 cm<br />

24 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Nur manchmal zeige ich in meinen Bildern den ganzen<br />

Körper. Zunehmend konzentrierte ich mich auf das Gesicht.<br />

Ein Gesicht ist für mich ein unerschöpfliches Repertoire<br />

an Unterschiedlichkeit, Ausdruck und Emotionen.<br />

Ein Kind, das lacht; eine Frau, die sehnsüchtig aus dem<br />

Fenster schaut; ein Mann, der nachdenklich zu grübeln<br />

scheint ...<br />

Der Blick des Betrachters soll auf die Augen fokussiert<br />

werden. Gesichter haben für mich etwas Geheimnisvolles.<br />

Sie erzählen von sich - ihren Gefühlen.<br />

Ja, Menschen berühren mich.<br />

In meinen Bildern entstehen immer wieder andere Ausdrücke<br />

durch das Spiel mit Farben, Farbkontrasten, Mi-


Technik I<br />

Klaus Ruschmann<br />

28 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Ein nach Modell und Foto<br />

gezeichnetes Porträt<br />

Ein Porträt sollte authentisch sein. Das heißt, die Zeichnung<br />

sollte aus der persönlichen Wahrnehmung der Erscheinung<br />

des Modells entstehen. Man kann kein authentisches<br />

Porträt eines Menschen zeichnen, den man<br />

nur vom Foto kennt. Das schließt aber die Verwendung<br />

eines Fotos als Zwischenschritt keineswegs aus. Ein vom<br />

Künstler selbst aufgenommenes Foto ist sehr hilfreich,<br />

wenn er sehr detailliert nach der Natur arbeiten will. Der<br />

größte Nutzen ist, dass sich der Zeitaufwand für die<br />

handwerkliche Arbeit des geometrischen Abbildens verkürzt.<br />

Dem Modell werden viele Stunden Sitzen erspart -<br />

und die Mühsal, einen gewünschten Gesichtsausdruck<br />

ununterbrochen aufrecht zu erhalten.<br />

Die Aufnahme des Fotos ist ein wichtiger Akt für die Gestaltung<br />

des Bildnisses. Hier achtet man auf einen für die<br />

Person typischen Ausdruck und auf eine gute Ausleuchtung.<br />

Die Komposition der hellen und dunklen Stellen beginnt<br />

mit der Wahl der Lichtquellen und ihrer Anordnung.<br />

Bei Holger, dessen Porträt ich hier als Beispiel nehme,<br />

habe ich das Licht eines wolkenlosen Himmels verwen-<br />

Abbildung 1<br />

det. Holger stand im Schatten einer Häuserwand. Direkte<br />

Sonne hätte das Licht- und Schattenspiel zu hart gemacht.<br />

Damit das Gesicht plastisch und kontrastreich<br />

wirkt, habe ich ein schwarzes Tuch an die Wand neben<br />

Holger gehängt. Die weiße Wand hätte zu viel Licht abgestrahlt<br />

und für eine diffuse Rundumbeleuchtung gesorgt.<br />

Mit dem Bildbearbeitungsprogramm meiner Kamera habe<br />

ich am Computer Helligkeit, Kontrast und Lichter der<br />

Monochromaufnahme so eingestellt, dass Teile des Gesichts<br />

weiß werden. An den entsprechenden Stellen kann<br />

ich später die Zeichnung weiß lassen. Da ich Gesichter<br />

nie kompakt, sondern zur Lichtseite geöffnet zeichne,<br />

brauche ich die weißen Stellen als Verbindung zum weißen<br />

Hintergrund.<br />

Holgers Porträt sollte etwa einen Maßstab von 90% haben.<br />

Entsprechend habe ich das Format zweier Graustufendrucke<br />

gewählt. Einen Druck auf dünnem Papier nehme<br />

ich zum Pausen der Umrisslinien, einen weiteren auf<br />

Fotopapier zum Abzeichnen der Hell-Dunkelwerte und<br />

Feinheiten. Die Rückseite des dünnen Papiers schwärze<br />

ich mit einem breiten, weichen Grafitstab, bevor ich das<br />

Blatt mit wieder lösbarem Klebeband auf einen großen<br />

Bogen Zeichenkarton hefte. Die Position des Kopfes in<br />

der Bildfläche werde ich erst mit dem Zuschneiden des<br />

Kartons am Ende meiner Arbeit festlegen.<br />

Jetzt drücke ich mit einem Bleistift die Umrisslinien durch<br />

- aber nur von einem Teil des Kopfes. Nicht alle Partien<br />

des Kopfes sind wichtig für die Charakterisierung der Person.<br />

Das Bild wird interessanter, wenn man diese Partien<br />

weglässt (Abb. 1).<br />

Mithilfe des zweiten Fotos lege ich die Schraffur an. Mit<br />

ihr soll nicht nur hell und dunkel herausgearbeitet werden.<br />

Es ist wichtig, mit der Schraffur einen Zeichenstil zu<br />

erzeugen, der die Zeichnung vom Foto abhebt. Irgendwann<br />

im Verlauf der Arbeit bekomme ich plötzlich das<br />

Gefühl, die Person schaue mich durch das Porträt an.<br />

Damit ist ein bedeutender Abschnitt erreicht: Das Bild ist<br />

halb fertig (Abb. 2 und 3).<br />

Bisher habe ich mich nur an das Foto gehalten. Nun gilt<br />

es, sich an der lebenden Person zu orientieren. Als erstes<br />

ist eine Pause angesagt, in der ich mich vom Bild löse.<br />

Trete ich am nächsten Tag vor das Bild, fällt mir sicher<br />

spontan eine Unstimmigkeit auf. Ich erkenne die gemeinte<br />

Person, merke aber sofort, dass irgendetwas nicht<br />

stimmt. Bei Holger waren es zunächst die Augen, nach<br />

meinem inneren Bild von Holger mussten sie weiter hin-


Information I<br />

Wolfgang Traub<br />

32 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Kreativität für Künstler<br />

Teil 1<br />

Bitte? Kreativität für Künstler, was soll denn das? Kunst<br />

ist doch von sich aus kreativ!<br />

Natürlich ist das Schaffen eines Kunstwerkes, das <strong>Malen</strong><br />

eines Bildes, eine kreative Tätigkeit - nur sagt das noch<br />

nichts darüber aus, wie viel tatsächliche Kreativität in das<br />

Werk einfließt. So ist das reine Abbilden mit möglichst hoher<br />

Detailtreue zwar eine Kunst, aber nicht unbedingt<br />

kreativ.<br />

Kreativität bedeutet, sich über Alternativen Gedanken zu<br />

machen und aus Altbekanntem Neues zu schaffen. Vor<br />

allem aber: Bildhaft und auch mal in Symbolen zu denken,<br />

frei und subjektiv zu assoziieren und seine individuelle<br />

Sicht verständlich zu machen.<br />

Dieser Beitrag befasst sich mit der Kreativität als solcher,<br />

vor allem aber mit Beispielen, wie sie in der Kunst auftreten<br />

und bewusst genutzt werden kann.<br />

Kreativität hat genauso viel mit Ideenreichtum zu tun wie<br />

mit Wahrnehmung - unserer Wahrnehmung innerer Bilder<br />

und unserer ureigensten Erfahrungen und Vorstellungen.<br />

Und sie hat mit der Wahrnehmung des Betrachters zu<br />

tun, damit, wie wir diesem unser Bild vermitteln können.<br />

Das gilt für abstrakte Malerei nicht weniger als für eine<br />

darstellende Malerei.<br />

Die Kreativität ist subjektiv, wie die Malerei auch. Es geht<br />

nicht um die eine absolute Lösung, sondern um die ureigene<br />

Idee. Es geht weniger um eine neutrale Wiedergabe<br />

unseres Motivs, sondern vielmehr um eine nachvollziehbare<br />

Wiedergabe unserer eigenen Realität und Vorstellung.<br />

Wenn dies gelingt, dann ist die wesentlichste<br />

Aufgabe der Kunst erreicht. Das alles wird klarer, wenn<br />

wir uns kurz Zeit nehmen, die Kreativität als solche zu betrachten.<br />

Im Alltag bewältigen wir die meisten Anforderungen aus<br />

unserer Erfahrung heraus. Wir wissen, was zu tun ist.<br />

Können wir aber auf keine passende Erfahrung zurückgreifen,<br />

dann haben wir zwei Helfer: unseren Verstand<br />

und unsere Kreativität. Mit dem Verstand analysieren und<br />

bewerten wir, mittels der Kreativität suchen wir nach vergleichbaren<br />

Situationen und alternativen Lösungen. Dieser<br />

kreative Prozess funktioniert über Assoziationen, also<br />

Verbindungen, die wir aufgrund irgendeiner "Ähnlichkeit"<br />

empfinden, ganz subjektiv aus unserer Erfahrung heraus<br />

und daher für Andere nicht immer nachvollziehbar. Auf<br />

diese Weise sammeln wir Informationen und Gefühle aus<br />

unserem Gedächtnis, die uns helfen einer neuen, unbe-<br />

kannten Situation richtig zu begegnen. Der Verstand<br />

sammelt Fakten und sucht die einzige richtige Lösung.<br />

Die Kreativität sammelt Erinnerungen und Gefühle, setzt<br />

diese möglichst in innere Bilder um und liefert alternative<br />

Ideen.<br />

Was hat das jetzt mit Malerei zu tun? Viel - denn, ein wenig<br />

provokativ ausgedrückt, wenn Sie vor einem neuen<br />

Motiv stehen, dann sammeln Sie Erinnerungen und Gefühle,<br />

setzen diese in einige "innere Bilder" um und entscheiden<br />

sich dann für eine Alternative: So will ich versuchen,<br />

das Motiv wiederzugeben.<br />

Abbildung 1: August Macke hat dieses Aquarell auf seiner<br />

berühmten Tunisreise gemalt. Neben den Krügen und der<br />

abstrahierten Gestalt finden sich auch ornamentale Elemente<br />

wieder, die auf vielen dieser Bilder zu finden sind.<br />

Ganz offensichtlich hat Macke das Motiv völlig neu komponiert.<br />

Erkennbar ist der eher kubistische Bildaufbau,<br />

den er geschickt genutzt hat, um einzelne Krüge wie in einer<br />

Collage darzustellen und so orientalische Form- und<br />

Farbenfreude in eine überschaubare Ordnung zu arrangieren.<br />

Ob erdacht, erträumt oder erfühlt, die Kreativität,<br />

Abbildung 1: August Macke: Händler mit Krügen, 1914


Künstler I<br />

Siegrid Leitner<br />

36 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Robert Süess<br />

Wenn die Seele Farbe bekennt<br />

Der Ausspruch von Friedrich Nietzsche "man muss noch<br />

Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären<br />

zu können", gewinnt durch die Werke von Robert Süess<br />

eine ganz besondere Bedeutung. Chaos und Ordnung,<br />

Kalkül und Intuition, Sein und Schein sind Polaritäten, die<br />

sich auch in den Arbeiten des Künstlers wiederfinden.<br />

Süess versteht die schwierige Balance von Gegensätzen,<br />

begreift die Beziehung zwischen außen und innen in<br />

einem Spannungsfeld auszuloten - dass schon ein zu viel<br />

oder zu wenig die Spannung der Komposition zerstören<br />

kann. Nur durch sensibles Reagieren der beiden Kräfte<br />

gelingt ihm der Ausgleich, schafft er eine Form, die ein<br />

Höchstmaß an Ausdruck erreicht.<br />

Im Chaos gibt es Inseln der Stabilität<br />

Robert Süess‘ Bilder verlangen Zeit und Konzentration,<br />

um die emotionale Qualität, aber auch ästhetische<br />

Schönheit zu entdecken.<br />

Anziehung, 2012, Mischtechnik, 80 x 120 cm<br />

Was ich im Gespräch mit Süess ebenso wie beim Betrachten<br />

und Berühren seiner Werke erfahren habe, ist,<br />

dass hier eine Malerei vorliegt, die Entschlossenheit<br />

zeigt, Lebensfreude ausdrückt, die trotz fester Struktur eine<br />

verblüffende Leichtigkeit hat und die voll tiefer Empfindung<br />

und Leidenschaft ist. Es sind eigentlich Seelenlandschaften,<br />

die aus ihm heraus entstehen und uns viel von<br />

der Persönlichkeit des Künstlers verraten. Da sieht man<br />

die überlagerten Farbschichten mit ihren Zwischenräumen<br />

und Durchbrüchen, die angedeuteten Spuren, aber<br />

auch das Licht, das Ausblick in ein neues Leben ermöglicht,<br />

das zeigt sich in der Dynamik der Gefühle, in der<br />

Angst zu scheitern und in der Sehnsucht nach Balance<br />

oder der Suche nach Wegen.<br />

Robert Süess, 1950 in Luzern/Schweiz geboren, lebt und<br />

arbeitet, wenn er nicht gerade unterwegs ist, in Dierikon<br />

bei Luzern. Er erlernte den Beruf als Typografiker und<br />

war 20 Jahre lang als Personalverantwortlicher für ein<br />

größeres Medienunternehmen tätig. Mit 49 Jahren ent-


Technik I<br />

Gerlinde Gschwendtner<br />

In meinen beiden letzten <strong>Art</strong>ikeln in der <strong>palette</strong> habe ich<br />

die Themen Bilddeutungen und Bildpolaritäten punktuell<br />

behandelt und mit Bildbeispielen belegt. In dieser Folge<br />

werde ich mich nun mit einigen Qualitätskriterien des<br />

Bildwissens befassen. Meine Bilder sollen das Thema visuell<br />

ergänzen.<br />

Qualität: Aus dem Lateinischen, bedeutet soviel wie Beschaffenheit,<br />

Güte, Wert. Nach Aristoteles sinnlich wahrnehmbare,<br />

wesentliche Eigenschaften von Gegenständen.<br />

Ontologisch bedeutet Qualität, ein System von Eigenschaften,<br />

die ein Ding zu dem machen, was es ist und<br />

es von anderen Dingen unterscheidet.<br />

Qualifikation: Befähigung, Eignung, Befähigungsnachweis.<br />

Es gibt unzählige Ansätze über die Qualität und den<br />

Wert von Bildern zu diskutieren. Zum Beispiel: historische<br />

Einordnungen, Stile, Themen und Motive, arbeitstechnische<br />

Feinheiten, kompositorische Überlegungen oder<br />

ganz individuelle Zugänge zu Darstellungen. Jeder Betrachter<br />

hat andere Kriterien, nach denen er das Bild beurteilt.<br />

Daher möchte ich in unüblicher Weise auch auf die<br />

Helga, Aquarell<br />

Die reduzierte malerische Auflösung des Gesichtes genügt für<br />

einen Gesamteindruck - der Betrachter muss dabei aktiv sein..<br />

42 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Bildqualitäten<br />

Qualität des Betrachters eingehen. Bei jedem Rezipienten<br />

sind die Qualitätsmaßstäbe durch drei <strong>Art</strong>en vom<br />

Schlüsselwissen gekennzeichnet: Bildwissen, Empfindsamkeit<br />

und Einfühlungsvermögen, Vergleiche.<br />

Auch Kritik (griechisch "kritike techne") bedeutet die<br />

Kunst der Unterscheidung und Beurteilung. Sie wird heute<br />

meistens als wertende Beurteilung von Kunstwerken<br />

aufgrund von Maßstäben und Qualitäten, die eine Überprüfung<br />

und Begründung erlauben, eingesetzt. Üblich ab<br />

dem 18. Jahrhundert. Zuerst eher nur von Künstlern über<br />

Künstler gebräuchlich, gibt es nun die "Laienkritiker". Probleme<br />

der Bewertung gibt es immer, besonders wenn bestimmte<br />

Vorbilder von Menschen als Kunstideal gelten<br />

(zum Beispiel marxistische oder faschistische Ästhetik).<br />

Im Spannungsfeld von Kunst und Gesellschaft ist die<br />

Werthaftigkeit der Qualitätsbestimmung von neuen<br />

Kunstwerken besonders strittig.<br />

Qualitätsverbesserung des eigenen Urteils entsteht durch<br />

Weiterbildung und durch Offenwerden gegenüber Impulsen<br />

von außen. Den Zeitpunkt zur Verhaltensänderung<br />

erkennt man, wenn man nur mehr gewohnheitsmäßig kritisiert<br />

und die eigenen Anforderungen erlahmen. "Lifelong<br />

Learning" ist heute nicht nur in der Arbeitswelt, sondern<br />

auch für Künstler und Kunstbetrachter eine selbstverständliche<br />

Notwendigkeit. Komplexe Kompositionen<br />

in Bilder erfassen Fachleute schneller, sodass ein "trainierter<br />

Blick" auch für den Betrachter eine Qualitätsverbesserung<br />

bedeutet.<br />

Da sich heute immer mehr Richtungen der Kunst gleichzeitig<br />

entwickeln, werden Werturteile immer schwieriger<br />

und komplexer. Das sich Zurückziehen auf die einfache<br />

Urteilsfähigkeit "ein Bild muss mir nur gefallen" ist daher<br />

für einige der leichteste Ausweg.<br />

Die Qualitätsforderung an den Künstler ist nach wie vor<br />

die Förderung einer verstärkten Sensibilität und eines kritischen<br />

Potentials, die den Erfahrungshorizont erweitert<br />

und Bereiche der Wirklichkeit in neuem Licht zeigt. Allgemeine<br />

Normen sind für den schöpferischen Geist des<br />

Künstlers nicht verbindlich. Allerdings hat uns die Erfahrung<br />

in der Kunstlandschaft gezeigt, dass man keinem<br />

Menschen das absolute Urteil gestatten soll. Die gegenwärtige<br />

Kunst ist in fast allen Formen frei und akzeptiert.<br />

Dennoch werden für den Betrachter und vor allem für den<br />

Käufer Qualitätskriterien und Maßstäbe gesucht. Sie zeigen<br />

die Ambivalenz des Genres. Die guten alten Begriffe<br />

- wie handwerkliches Wissen, Originalität oder Ausdruck<br />

Frauenakt, Aquarell<br />

Die Augen des Betrachters vervollständigen das malerische<br />

Bild durch ein Verbinden von Farbelementen.


Künstler I<br />

48 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Maria Zalfen-Lenz<br />

"Dat kann jo mole"<br />

Einer meiner Wahlsprüche lautet: "Wer glaubt, etwas zu<br />

sein, hat aufgehört, etwas zu werden." Dieser Ausspruch<br />

von Philip Rosenthal imponiert mir sehr, sagt er doch genau<br />

das aus, was ich alle paar Jahre verspüre, wenn mich<br />

das Gefühl überkommt, meinen künstlerischen Horizont<br />

erweitern zu müssen.<br />

Wenn mich jemand fragt, wie lange ich schon male, dann<br />

antworte ich stets: "Schon immer". Meine Kunst ist das<br />

Resultat meines Schaffensdranges etwas “Schönes”<br />

oder "Künstlerisches" oder "Praktisches" zu schaffen.<br />

Das nötige Handwerk - sprich, die malerischen Techniken<br />

- habe ich mir, seit ich denken kann, durch genaues Hinsehen,<br />

Nachempfinden, Studieren von Gemälden und<br />

Bildbänden im "Selbstversuch" angeeignet.<br />

Mein Werdegang begann im Eifeldorf Marmagen, in dem<br />

ich 1967 geboren wurde und heute noch lebe. Fern ab<br />

vom Großstadtgehabe wuchs ich mit viel Liebe für die<br />

Natur auf. Ich war immer ein schüchternes Kind mit wenig<br />

Selbstbewusstsein, konnte mich aber letztendlich<br />

durch meine malerischen Leistungen hervortun.<br />

Ein einschneidendes Schlüsselerlebnis hatte ich an meinem<br />

ersten Schultag. Wir sollten unser Kinderzimmer<br />

malen. Am Raunen einiger Eltern, die unmittelbar neben<br />

mir an der Klassenzimmerwand standen (die Eltern durften<br />

damals noch an der ersten Schulstunde teilnehmen),<br />

erkannte ich, dass ich doch Talent zum <strong>Malen</strong> haben<br />

Kirschblüte, 2011, Aquarell, 50 x 50 cm<br />

Alte Linde Schmidtheim I, 2011, Aquarell, 26 x 19 cm<br />

musste: "Dat kann jo mole!", hörte ich. Von da an wusste<br />

ich, wohin die "Reise" gehen sollte.<br />

Als mein Vater mit 41 Jahren an Krebs starb, war ich gerade<br />

erst acht Jahre alt, meine Geschwister zehn, sechs<br />

und vier Jahre. Ich kann mich an einige Bleistiftzeichnungen<br />

erinnern, die mein sterbender Vater im Krankenhaus<br />

gezeichnet hatte. Sie waren wie mein Allerheiligstes. Ich<br />

wollte seither diese vergangene Kreativität weitertragen<br />

oder fortführen, die nie die Chance bekommen hatte, entdeckt<br />

zu werden.<br />

Es war eine harte Zeit, aber unsere Mutter gab uns nie das<br />

Gefühl, dass uns etwas oder jemand fehlte. Mit ihrer unzerstörbaren<br />

Schaffenskraft und Stärke hatte sie immer neue<br />

kreative Ideen, die sie mit uns Kindern zu kleinen Kunstwerken<br />

umsetzte. Es war die Zeit, wo das Angebot an


Technik I<br />

Liane Käs<br />

54 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Acryl - Wellen und Wasser<br />

Eines der faszinierenden Naturschauspiele ist und bleibt<br />

die Schönheit und Farbenvielfalt der Meeresbrandung -<br />

die Gewalt der heranrollenden Wellen, das Sprühen der<br />

Gischt. Ob man in den frühen Morgenstunden das Meer<br />

betrachtet oder abends, wenn die Sonne untergeht, das<br />

Spiel des Wassers ist ein unendliches Bild der Natur. Man<br />

vergisst die Zeit, möchte verweilen und schließlich regt<br />

sich in einem der Wunsch, diese besonderen Eindrücke<br />

malerisch festzuhalten.<br />

Nicht, dass dies einfach wäre. Diese zarten, schnell<br />

wechselnden Bilder der Natur sind schwer festzuhalten.<br />

Das Kommen und Gehen der Wellen sind "Verschwindende<br />

Landschaften"- kaum ist die Welle angekommen,<br />

zerfließt sie schon wieder; hat sich eben noch ein Wellenkamm<br />

aufgebaut, ist er gleich schon wieder gebrochen …<br />

Wie soll man diese Darstellung wohl bewerkstelligen?<br />

Deshalb ist der erste Schritt vor dem Skizzieren und <strong>Malen</strong><br />

das Beobachten der Meeresbrandung. Denn nahezu alle<br />

Wellen rühren von der Kraft des Windes her, ihre Fortbewegung<br />

wird von der Schwerkraft beeinflusst, dazu kommen<br />

Reibung und Strömungswiderstand, die neben dem<br />

Wind die Wellen weiter auftürmen. Wie groß ist die freie<br />

Meeresfläche? Beobachte ich vom Strand her, oder bin ich<br />

auf hoher See? Wie stark steigt der Meeresboden an? Gibt<br />

es Felsen im Untergrund, die die Wellen schneller brechen<br />

lassen, oder laufen sie auf einem Strand aus? Das alles<br />

sind physikalische Grundüberlegungen, die es zu berücksichtigen<br />

gilt. Denn selbst beim schrägen Auftreffen der<br />

Wellenfront auf die Küste, richtet sich diese fast immer<br />

waagerecht zum Küstenverlauf aus.<br />

Es gibt sehr unterschiedliche Erscheinungsformen der<br />

Wellen und so entsteht häufig der Wunsch, nicht nur Wellen,<br />

große Wellen, sondern auch brechende Wellen mit<br />

Schaum, die sprühende Gischt, das Auflaufen auf den<br />

Strand usw. zu malen.<br />

Hat das Auge genug gesehen, kann eine schnelle Hand<br />

ein paar Bleistiftskizzen anfertigen. So kann man die Dynamik<br />

und die Hell-Dunkel-Kontraste im Wasser festhalten.<br />

Wie viele Wellenbrecher man auf seinen Malgrund<br />

bannen möchte, hängt sehr stark von der Größe der Leinwand<br />

und von der Höhe der Horizontlinie im Bild ab.<br />

Eine große Leinwand bedingt große Pinsel (Abb. 1a und<br />

1b). Ungezwungen und frei gibt man großzügig Acrylfarbe<br />

auf den Malgrund (Abb. 2) und legt für sich die Höhe<br />

des Horizontes fest. (Abb. 3)<br />

Sämtliche Blautöne, die die Farb<strong>palette</strong> hergibt, sind einzubeziehen.<br />

Will ich eher das Mittelmeer malen, benötige<br />

ich mehr Türkis und Smaragdtöne, die man auch sehr gut<br />

Abbildung 1a<br />

Abbildung 1b<br />

Abbildung 2


Künstler I<br />

Seit 1992 beschäftigt sich Monika Kind intensiv mit der<br />

Malerei. Der Grundstein zur künstlerischen Tätigkeit wurde<br />

in Urlaubsaufenthalten in der Bretagne gelegt, wo<br />

auch ihre ersten Werke entstanden. Seitdem entstehen<br />

die meisten Werke in Aquarelltechnik, aber auch in anderen<br />

Techniken wie Acryl und Öl.<br />

Durch die Ausbildung zur technischen Zeichnerin im Fach<br />

Maschinenbau dauerte es eine Zeit, bis sie in die Aquarellmalerei<br />

eintauchte und die durch die Ausbildung bedingten<br />

typischen Zeichnungen vergaß. Malstudien in<br />

verschiedenen Aquarellkursen und Seminaren halfen ihr<br />

dabei.<br />

Die Motive der Künstlerin sind oft Objekte aus der Natur,<br />

Menschen, Erinnerungen - ein erster Ausgangspunkt -<br />

dann beginnen sich die Gedanken und Prozesse zu verselbstständigen.<br />

Besonders Wasser und alles, was damit<br />

58 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Monika Kind<br />

Objekte aus der Natur<br />

Alcudia, Mallorca, Bütten Aquarellpapier, 24 x 32 cm<br />

in Verbindung steht, regten sie an, neue Bilder entstehen<br />

zu lassen. So entstand auch das Quartett "Segelboote" in<br />

der Zeit, als ihre Tochter den Segelschein machte. "Auf<br />

meinen Reisen nach Asien, wie zum Beispiel Bali und<br />

Thailand, brannten sich Eindrücke und Stimmungen auf<br />

Papier ein", so die Künstlerin.<br />

Für Monika Kind gehört die Aquarellmalerei nicht nur zu<br />

den schwersten, sondern auch zu den menschlichsten aller<br />

Maltechniken. Die Erklärung hierfür ist relativ naheliegend,<br />

denn die Aquarellmalerei ist eine spontane Technik.<br />

"Es bleibt nicht viel Zeit zu überlegen, die Entscheidungen<br />

kommen aus dem Gefühl, aus dem Bauch<br />

heraus. Nicht etwa wie bei so vielen künstlerischen Disziplinen<br />

"aus dem Kopf". Vieles in unserer heutigen Welt<br />

entspringt dem Kopf; wird abgesichert, geplant, perfektioniert.<br />

Spontanität findet dann selten Platz. Doch nicht zu<br />

vergessen: Spontanität bedeutet auch Improvisation. Na-


Künstler I<br />

Hans-Dieter Jung<br />

Seit meiner frühesten Kindheit und ganz besonders in der<br />

Schule, beschäftigte ich mich mit Zeichnen und <strong>Malen</strong>.<br />

Mein damaliger Lehrer hat mich schon in jungen Jahren<br />

gefördert. Damals wie heute faszinierten mich die Bilder<br />

des Malers Vincent van Gogh sowie der Expressionisten<br />

Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff. Das erste<br />

intensive Studium begann ich mit 19 Jahren in Form<br />

eines Fernstudiums der "Famous <strong>Art</strong>ists School Amsterdam".<br />

Leider hat mich meine spätere Tätigkeit als Betriebsleiter<br />

einer großen Stahlbaufirma daran gehindert, intensiv zu<br />

zeichnen und zu malen. Während dieser Periode musste<br />

ich mich mit technischem Zeichnen begnügen, Stahlkonstruktionen<br />

am Reißbrett entwerfen, und später computerunterstützte<br />

Anlagen konstruieren und berechnen. In<br />

dieser Zeit gönnte ich mir lediglich, jährlich eine Sommerakademie<br />

zu besuchen.<br />

Als ich mich 2002 aus dem aktiven Arbeitsleben verabschiedete<br />

und ich mehr Freizeit hatte, begegnete mir Prof.<br />

Wolf Wrisch. In seiner Akademie in Rhodt unter Rietburg<br />

belegte ich das Studium für Malerei sowie die Meisterklasse<br />

und viele Themenseminare. Mehrere Malreisen, begleitet<br />

von Prof. Wolf Wrisch, hängte ich an das Studium an.<br />

Mittsommernacht, 2011, 340 x 100 cm<br />

62 <strong>palette</strong> & zeichenstift<br />

Materialbilder<br />

Ich beschäftigte mich überwiegend damit, Bilder aus verschiedenen<br />

Materialien zu gestalten. Der besondere Reiz<br />

der unterschiedlichen Materialien und deren Oberflächen<br />

liegt darin, dass sie eine Fülle von kompositorischen Möglichkeiten<br />

eröffnen, die zum gestalterischen Spiel verführen.<br />

Meistens entstehen bei dieser Vorgehensweise ungegenständliche<br />

bis abstrakte Motive. Für den Ausdruck ist natürlich<br />

auch die Farbgestaltung von großer Bedeutung.<br />

Sie hat dabei den- selben Stellenwert wie der Farbauftrag<br />

bei der klassischen Malerei. Besonders wichtig ist es für<br />

mich, dass das Material nicht für sich selbst steht, das<br />

heißt, dass z.B. eine Muschel nicht für eine Muschel<br />

steht, Sand nicht für einen Sandstrand und Steine nicht<br />

für Steine. Dabei wäre der dekorative Aspekt für mich zu<br />

sehr in den Vordergrund gestellt.<br />

Meine vielen Malreisen nach Norwegen (Lofoten) inspirierten<br />

mich, mich dem Thema Sonnenuntergang sowie der<br />

Mittsommernacht in künstlerischer Weise zu nähern. Um<br />

das Wesen und die Einmaligkeit, speziell dieses Naturschauspiels,<br />

in diesem so faszinierenden Land zu erfahren,<br />

benötigte es alle zur Verfügung stehenden Sinne. Die<br />

Ohren, um zu hören, die Nase um zu riechen, aber am<br />

meisten natürlich die Augen um die Schönheit zu erblicken<br />

und dann in ein bildnerisches Werk umzusetzen.

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