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Barftgaans 6/7 2017

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Dr. Fred Mahler (links) und Dr. Ulrich Brohm bei der Materialsichtung.<br />

KEIN PERSONENKULT!<br />

9. Juli <strong>2017</strong>: Ausstellungseröffnung zur Zeit der Reformation im Schloss Holdenstedt<br />

Im Sommer 1527 wurde der letzte katholische Propst in Uelzen abgesetzt.<br />

Ratsherr Tile Hagemann wollte ihn verjagt sehen, aber dafür gibt es keine<br />

Belege. Im Juli 1529 zog mit Heinrich Wenmaring der erste protestantische<br />

Hausherr in St. Marien ein. (Das sei jetzt mal so hingeschrieben, obwohl es<br />

erst vor ein paar Jahren einen Propst gab, der allein Gott als Hausherrn in<br />

seiner Kirche akzeptierte!) Es ging also einigermaßen unspektakulär zu vor<br />

500 Jahren, nichtsdestotrotz kam die Reformation auch hier an. Besonders<br />

befördert natürlich durch den Landesherrn, Ernst, den Bekenner.<br />

Deshalb beschäftigt sich die Ausstellung, die am Sonntag, 9. Juli <strong>2017</strong>,<br />

11.30 Uhr, im Schloss ihre Pforten öffnet und bis zum Feiertag der Reformation,<br />

den 31. Oktober <strong>2017</strong>, zu sehen sein wird, nicht mit der Person<br />

Martin Luther, sondern mit den Auswirkungen, die seine (vermeintlichen)<br />

Thesen-Hammerschläge bewirkten.<br />

Denn der einzige Bezug, den der Reformator<br />

zur Region hat, ist ein Antwortbrief an Heino<br />

Gottschalk, Abt von Oldenstadt, der sich Rat<br />

suchend nach Wittenberg wandte, was denn<br />

nun zu tun sei: Die Klosterbrüder alle auf und<br />

davon, viele verehelicht, und er selbst hochbetagt.<br />

Luther antwortete verständnisvoll: Vom<br />

Ehestand riete er in diesem Alter ab, auch davon,<br />

katholische Liturgien vorzunehmen. Ansonsten<br />

könne der Bruder auf dem Altenteil<br />

bleiben. Wie beruhigend.<br />

Die Hauptausstellung des Jahres wird konzipiert<br />

vom Museum, der Stadtarchäologie<br />

Uelzen und dem Stadtarchiv. Man wolle zeigen,<br />

wie man im 16. Jahrhundert den Alltag lebte.<br />

„Es ist eine Spurensuche“, sagen der Archäologe<br />

Dr. Fred Mahler und Museumsleiter Dr. Ulrich<br />

Brohm übereinstimmend, „und bei jedem Treffen<br />

haben wir was Neues gefunden.“ Mahlers<br />

Art, Geschichte zu untersuchen, war immer die, Zierform<br />

Archäologische Fundstücke: Ofenkachel<br />

dass er mit Bertolt Brecht fragte „Wer baute das siebentorige Theben?/ … /<br />

Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?“ Und weil das eben<br />

nicht so war, geht es in der Schau, die den Titel „… in jenem Winkel und Ende<br />

der Erde“ trägt, vor allem um die Menschen jenseits von Machtausübung.<br />

Es geht um Essen und Trinken, Volksglaube, Hygiene, Wohnkultur, Bildung.<br />

Natürlich wird auch die Verortung der Landesherren eine Rolle spielen und<br />

dass einige Steuerforderungen mit dem Verkauf von Kirchenschätzen beglichen<br />

wurden. Hierin könnte auch ein Grund zu sehen sein, dass sich die<br />

Nonnen der Klöster Medingen und Ebstorf sehr hartnäckig sträubten gegen<br />

die Veränderungen, die für sie Enteignung bedeuteten. Schließlich war es<br />

letztlich das Vermögen ihrer Familien, das nun andere an sich brachten. Es<br />

wird aber auch um die Rezeption der Reformation durch die Jahrhunderte<br />

gehen, beispielsweise um die Feierlichkeiten<br />

mitten im Ersten Weltkrieg.<br />

„Es macht Spaß zu prüfen, kam da im Alltag<br />

was an von den großen Umwälzungen“, betonen<br />

Mahler und Brohm den Dreh- und Angelpunkt<br />

der Betrachtungen. Denn wenn bei Grabungen<br />

an der Veerßer Straße in der Kloake ein<br />

kleines Reliquienglas gefunden wurde, sagt das<br />

eine Menge über die neue Art zu leben seiner<br />

Bewohner. Vielleicht war es ein notwendiger,<br />

überfälliger Akt der Befreiung; so wie Albrecht<br />

Dürer anmerkte, er hätte den Dr. Luther gerne<br />

abkonterfeit, weil er ihn im Alter aus großen<br />

Ängsten geholt habe. Dürer starb 1528, nur<br />

57-jährig.<br />

Die Ausstellung wird also eine Zeitreise sein.<br />

„Auch wenn Uelzen nun kein Brennpunkt war,<br />

es ist durchaus lohnend, die Lebensumstände<br />

zu betrachten und wie sie sich wandelten“, fasst<br />

Fred Mahler das Anliegen zusammen.<br />

<br />

[Barbara Kaiser]<br />

10<br />

www.barftgaans.de | Juni/Juli <strong>2017</strong>

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