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FEUILLETON<br />
„ES IST EIN GROSSES STAUNEN!“<br />
Das Jahrmarkttheater begeht seine 10. Sommertheater-Saison in Wettenbostel<br />
„Wir sagen immer noch Ja!“ Das ist das an den Titel eines Liederabends<br />
angelehnte Credo, was die Summe ausmacht, die Anja Imig und Thomas<br />
Matschoß aus zehn Jahren Sommertheater Wettenbostel bilden. Dass das<br />
Haus in Bostelwiebeck auch schon vier Jahre lang erfolgreich Zuschauer<br />
anzieht, ist zusätzlicher Bonus. „Wir staunen über das Publikum, das ein<br />
großes Geschenk ist!“, sagt Imig. „Wir staunen darüber, dass es uns jeden<br />
Tag aufs Neue Freude macht, Geschichten zu erzählen“, ergänzt Thomas<br />
Matschoß. Und besonders groß ist wohl auch das Staunen darüber, „dass<br />
wir in die Förderstrukturen reingekommen sind.“ Wie die Nominierung<br />
für den Tabori-Theaterpreis im letzten Jahr bewies.<br />
Das Jahrmarkttheater Bostelwiebeck/Wettenbostel ist das UFO unter<br />
all den freien und mehr oder weniger kreativen Bühnen, die Fördermittelanträge<br />
abgeben. Ein unbekanntes Flugobjekt, in der einsamen Heide<br />
gelandet und doch von Beginn an umringt von vorbehaltlos Neugierigen,<br />
von Theaterenthusiasten, von zahlreichen Zuschauern durch alle Altersgruppen,<br />
die ausgesprochen treu sind. Im Sommer <strong>2017</strong> feiern die (wechselnden)<br />
Ensemblemitglieder ihr erstes Jahrzehnt. Zehn Jahre tollkühner<br />
Einfälle und überbordenden Spielwitzes, zauberhafter Kostüme und<br />
Maskenbildnerei in nicht nur zehn Inszenierungen und, nicht zu vergessen,<br />
einer Musik, die träumen macht, ins Herz trifft oder albert. Was im<br />
Sommer 2008 mit „Was ihr wollt“ seinen Anfang nahm, findet – durchaus<br />
auch mit Shakespeare verknüpft – seine Jubiläums-Abrundung in „Der<br />
schönste Tag oder Die Erfindung der Liebe, Teil 1“.<br />
Eine weibliche Göttin sieht sich veranlasst, die Liebe zu erfinden. Weil<br />
sie mehr als nötig ist in diesen Zeiten. Sie wettet mit einem männlichen<br />
Widersacher (?) darum, ob sie es schaffen wird. Wo aber kann man diese<br />
Mammutaufgabe am besten beginnen als an einer Hochzeitstafel? An der<br />
es nach dem Willen von Autor Thomas Matschoß drunter und drüber geht.<br />
Denn vergessen wir bei der Organisation dieses vermeintlich schönsten,<br />
vor allem aber teuren Tages nicht, dass die Liebe eigentlich das Wichtigste<br />
ist? Die ist für kein Geld zu haben! „Schmeißen Sie sich also in festliche<br />
Garderobe und feiern Sie mit!“, lautet die Aufforderung des Jahrmarkttheaters.<br />
Es gibt eine (Hochzeits)Feier und ein großes (Hochzeits)Foto mit allen<br />
Anwesenden. Erzählt werden Episoden, die am Ende eine Geschichte, also<br />
eine Liebeserklärung, ergeben. Man kann sich an Shakespeares „Sommernachtstraum“<br />
erinnert fühlen oder an die Wette von Faust und Mephisto.<br />
Vor allem aber soll man sich wohlfühlen in dieser Komödie, an deren Ende<br />
die Liebe – das versprechen die Macher hoch und heilig – erfunden sein<br />
wird. Vielleicht sorgt das für die eine oder andere Erkenntnis auch beim<br />
Zuschauer, denn davor ist man bei Matschoß nie gefeit.<br />
Zehn Jahre Jahrmarkttheater! Das heißt auch mehr als 50.000 Zuschauer<br />
über diese Zeit und für die neue Saison <strong>2017</strong> den besten Kartenvorverkaufsstart<br />
(aber keine Angst, es gibt noch zwei Drittel der 5.500<br />
Billetts dieses Open-Air-Sommers).<br />
„Was für eine Reise wir gemacht haben“, schwärmt Anja Imig. Von Shakespeare<br />
zu den „Dorfgesprächen“, die beweisen, dass hier in der dunklen<br />
Heide eine Gemeinschaft existiert. Dass es ein Vertrauen gibt in diese<br />
bunte Theatertruppe – schließlich bestellen die Leute Karten und wissen<br />
nicht, was sie erwartet! Wenn also Thomas Matschoß im Lüneburger Kino<br />
scherzhaft darauf hingewiesen wird, dass er als „Oma Sanne“ (seine Paraderolle)<br />
eigentlich auf der falschen Toilette sei – dann sind die Gaukler<br />
und Musiker, die Theatermacher, die Welterklärer wohl angekommen in<br />
einer Region, an die man in Sachen Kultur nicht unbedingt zuerst denkt.<br />
Als Kinderstück wird „Zebraline von der Insel“ wieder aufgenommen.<br />
Alle Termine unter www.jahrmarkttheater.de. Kartenbestellungen unter<br />
karten@jahrmarkttheater.de oder 05807 979971. Und übrigens: Weil die<br />
Liebe nimmer aufhöret, gibt es einen Teil 2 im November im Theaterhaus<br />
Bostelwiebeck!<br />
[Barbara Kaiser]<br />
Erste Regie, 2008<br />
Was ihr wollt, 2008<br />
Das Theaterhaus in Bostelwiebeck.<br />
www.barftgaans.de | Juni/Juli <strong>2017</strong><br />
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