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Barftgaans 6/7 2017

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THEMEN<br />

Blick auf den Eingangs-<br />

bzw. Pfortenbereich<br />

der Justizvollzugsanstalt<br />

Uelzen.<br />

HINTER DER MAUER<br />

Ein Blick in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Uelzen<br />

Sie haben gelogen, betrogen oder gestohlen. Deswegen<br />

sitzen sie hinter Gittern, hier in der Justizvollzugsanstalt<br />

(JVA) Uelzen. Ihr Zuhause ist ein Raum von rund zehn Quadratmetern.<br />

Alles sieht gleich aus, genormt.<br />

Auf den Regalbrettern stehen Grünpflanzen, drei sind pro<br />

Zelle erlaubt. Wenn jemand nur ein paar Regale und zehn<br />

Quadratmeter zu Verfügung hat – wofür nutzt er diesen<br />

Raum? Fernseher, ein paar Fotos der Kinder, Kaffeemaschine,<br />

Radio. Die Bettwäsche verrät den Lieblingsfußballclub: den<br />

HSV. Ein Leben, reduziert auf das Wesentliche.<br />

Der Alltag in Freiheit hat mit dem im Knast nicht viel zu<br />

tun. Die Fenster sind vergittert, die Türen verschlossen, Beamte<br />

in Uniform sind überall. Doch es gibt auch Ähnlichkeiten<br />

mit dem Leben draußen. Die Häftlinge gehen jeden Tag<br />

zur Arbeit oder zur Schule, sie können eine Lehre beginnen.<br />

Wer heute im Gefängnis landet, ist nicht unbedingt von der<br />

Welt vor den Mauern abgeschnitten.<br />

Aufstehen, frühstücken, arbeiten: Der Tagesablauf im<br />

Knast ist klar geregelt. Wecken gegen 6.20 Uhr, um 7 Uhr<br />

gibt es Frühstück. Danach geht es zur Arbeit oder in den<br />

Unterricht. Neun Stunden dauert ein Arbeitstag. Zwischen<br />

Feierabend und dem Abendessen hat der Häftling frei. In<br />

dieser Zeit werden Gespräche mit den einzelnen Fachdiensten<br />

(Sozialer Dienst, Hausleitung, Psychologen, Seelsorger,<br />

Suchtberatung) geführt oder Behandlungsangebote wahrgenommen.<br />

Die sind vielfältig: Suchtsport, Training sozialer<br />

Kompetenzen, Anti- Gewalt- Training, Vater- Kind- Gruppe<br />

und mehr.<br />

Von 18.30 bis 21 Uhr können die Häftlinge an Freizeitangeboten<br />

teilnehmen. Es gibt Sport, Gruppengespräche mit Ehrenamtlichen,<br />

Schachgruppe oder Chor. Um 21 Uhr, mit dem<br />

Nachteinschluss, beginnt die Nachtruhe. – Der Rhythmus<br />

des Gefängnisses bestimmt das eigene Leben.<br />

Umgeben von einer sechs Meter hohen Mauer, auf deren<br />

Krone dicker Stacheldraht thront, liegt das große graue<br />

Gebäude am Rande Uelzens da. Seit 1987 ist die JVA eine<br />

Heimat für insgesamt 359 ausschließlich männliche, erwachsene<br />

Häftlinge, die dort ihre Strafe absitzen. „Es ist<br />

unsere Aufgabe, die Gefangenen auf ein Leben in sozialer<br />

Verantwortung – und ohne dass sie weitere Straftaten begehen<br />

– vorzubereiten“, erklärt Gabriele Bröcher, die in der<br />

JVA Uelzen in der Vollzugsabteilung Freigang arbeitet und<br />

für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Um dieses Ziel zu<br />

erreichen, gibt es von Seiten der JVA vielfältige Angebote.<br />

„Während seiner Haftzeit soll sich der Gefangene mit seinen<br />

Taten auseinandersetzen. Es geht um eine Art Wiedergutmachung<br />

für das Opfer. Der Häftling soll verstehen, was er<br />

diesem Menschen angetan hat“, so Bröcher. Vom Einzug bis<br />

zum Tag der Entlassung werde mit dem Gefangenen gearbeitet.<br />

„Für Einsitzende mit mehr als einem Jahr Haft gibt es<br />

ab dem ersten Tag einen sogenannten Vollzugsplan. In diesem<br />

werden die Ziele des Vollzugs und die entsprechenden<br />

unterstützenden Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Psychotherapie,<br />

Entzug oder auch Schuldnerberatung, festgehalten.<br />

„Wir versuchen, uns ein Bild des Gefangenen zu machen.<br />

Welche Defizite hat er im persönlichen Bereich? Wie<br />

können wir diese aufarbeiten? Welche Hilfe braucht dieser<br />

Mensch?“, sagt die Justizvollzugsbeamtin. Alle sechs Monate<br />

wird der Vollzugsplan überprüft und gemeinsam mit dem<br />

Gefangenen besprochen und bei Bedarf angepasst.<br />

Während seiner Zeit im Knast ist der Häftling zur Arbeit<br />

verpflichtet. Die JVA bietet ein spezielles Arbeits- und Ausbildungsangebot.<br />

Es gibt drei handwerkliche Eigenbetriebe<br />

– eine Schlosserei, eine Holzwerkstatt und eine Näherei.<br />

Dazu kann der Gefangene in drei Unternehmensbetrieben<br />

arbeiten. „Ansonsten bieten wir die Möglichkeit, einen<br />

Haupt- oder Realschulabschluss nachzuholen oder eine<br />

Ausbildung als Garten- und Landschaftsbauer zu machen“,<br />

so Bröcher. Für Häftlinge mit Schreib- und Lesedefiziten<br />

gibt es einen Förderkurs für Semi-Analphabeten. Einsitzen-<br />

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www.barftgaans.de | Juni/Juli <strong>2017</strong>

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