Thema | Dossier nach nicht mehr.» Deshalb ist es wichtig, dass sich der Betroffene die nächsten Schritte notiert, etwa den Hausarzt oder die Psychologin zu kontaktieren, um sich dort Hilfe zu holen. Dazu gibt es ein Merkblatt. «Bei Suizidfällen erleben wir häufig, dass die Betroffenen schon über gewisse Erfahrung verfügen, weil es eben nicht der erste Suizidversuch gewesen ist – mit dem Unterschied, dass es dieses Mal leider funktionierte.» Wenn es die Schule trifft Ist die Schule von einem Suizidfall betroffen, klären das Care Team Kanton Bern zusammen mit dem Schulleiter und der betroffenen Klassenlehrperson die Bedürfnisse ab. «Und natürlich arbeiten wir auch sehr schnell mit der Erziehungsberatung zusammen.» Manchmal möchte die Schulleitung die Erziehungsberatung jedoch nicht gleich von Anfang an einbeziehen, sondern erst in einer zweiten Phase. So wollte eine Schule am Morgen die Klasse über den Suizid ihres Mitschülers am Vorabend informieren. Der Schulleiter und der Klassenlehrer baten das Care Team Kanton Bern dabei um Unterstützung. «Der Klassenlehrer benötigte erst selber eine persönliche Betreuung, bevor er seine Klasse informieren konnte.» In diesem Fall wurde die Erziehungsberatung vorgängig über dieses Vorgehen informiert. «Schulleiter und Klassenlehrer wussten, dass sie sich anschliessend an die Erziehungsberatung wenden können.» Es gab auch schon Fälle, in denen das Care Team Kanton Bern und die Erziehungsberatung gleichzeitig auf dem Platz waren. «Das heikle in einem Sui zidfall ist, zu entscheiden, was man erzählt und was nicht.» Grundsätzlich werden gemäss «Werther-Effekt» keine Details zu Tötungsart und -ort bekannt gegeben. Eine Gratwanderung, denn «andererseits sind gewisse Kenntnisse und Details über den Vorfall wichtig, um eben verstehen zu können, was passiert ist.» Manchmal treffen Suizidopfer auch gewisse Schutzmassnahmen nicht nur für sich, sondern auch für andere. Sie hinterlassen zum Beispiel eine Nachricht, in der sie sich dafür entschuldigen, dass sie niemandem etwas erzählt haben. «Darüber darf man berichten, denn sie können einem Schulkollegen helfen, der sich möglicherweise Vorwürfe macht.» In einem Suizidfall in einer Klasse des zehnten Schuljahres trat der Lehrer zusammen mit Irmela Moser und weiteren Mitgliedern des Care Team Kanton Bern vor die Klasse, um über den Tod eines Klassenkameraden zu informieren. «Weil in dieser Klasse viele fremdsprachige Jugendliche sassen, hat der Lehrer daraus eine ‹Deutschlektion› geschaffen.» Gemeinsam arbeiteten alle Satz für Satz das Merkblatt durch, schauten, was sie verstanden und was nicht. Dies ermöglichte ihnen, das Verstandene mit ihren Erfahrungen abzugleichen. «Und somit befassten sie sich mit ihren Erlebnissen – womit wir nicht mehr über das Ereignis, sondern über die individuelle Befindlichkeit sprechen konnten.» Das Angebot des Care Team Das Care Team des Kantons Bern leistet psychologische und seelsorgerische Erste Hilfe bei traumatisierenden Alltagsereignissen, Katastrophen oder Notlagen. Es wurde nach dem Canyoning-Unglück am Saxetbach 1999 gebildet und seither kontinuierlich aufgebaut. Die Blaulichtformationen (Polizei, Sanität, Feuerwehr) des Kantons Bern können zur Unterstützung bei der Bewältigung von ausserordentlichen Ereignissen jederzeit Einsatzkräfte des Care Team anfordern. Das 160 Mitglieder umfassende Team besteht aus 50 «Care Profis», vorwiegend Fachleuten aus Theologie und Psychologie, sowie 110 «Care Givers». Diese in verschiedenen Berufsfeldern tätigen Personen absolvieren eine Ausbildung als «psychologische Nothelfer». Während einer Woche pro Jahr absolvieren gleichzeitig zwei bis drei Personen einen Wiederholungskurs (WK). Sie leisten rund um die Uhr Dienst, wodurch die ständige Einsatzbereitschaft des Care Team gewährleistet ist. Das Milizsystem erlaubt es, bei Bedarf jederzeit zusätzliche Personen aus dem Team aufbieten zu können. www.be.ch/careteam; www.notfallseelsorge.ch; www.suizidpraevention-kantonbern.ch Synthèse « En soi, les jeunes ne sont pas un groupe à risque » Le Care Team du canton de Berne fournit une première assistance psychologique et spirituelle lors d'événements quotidiens à caractère traumatisant, de catastrophes ou de situations d’urgence. Chaque année, quelque 80 interventions sur 500 concernent des suicides qui ont débouché sur une issue fatale, mais les jeunes âgés de 13 à 19 ans représentent moins de 5 pour cent de ces cas. « Les jeunes ne constituent pas un groupe à risque. Nous intervenons plus souvent auprès d’adultes », explique Irmela Moser, responsable adjointe du Care Team. Même si l’école est rarement le théâtre d’un suicide, l’environnement scolaire peut bien entendu jouer un rôle en la matière. Lorsqu’une école est touchée par un suicide, le Care Team clarifie les besoins avec la direction et le maître ou la maîtresse de classe concernée. « Nous collaborons bien sûr aussi très rapidement avec les services psychologiques pour enfants et adolescents. » Dans le cas d’un suicide, le plus délicat est de définir les limites de ce qui peut être raconté. En principe, pour éviter le mimétisme, aucun détail n’est communiqué concernant la manière dont la personne s’est donné la mort et le lieu où elle l’a fait. Cependant, certaines informations peuvent permettre aux proches de comprendre ce qui s’est passé. 22 <strong>EDUCATION</strong> <strong>3.17</strong>
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