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ADAC Urlaub Juli-Ausgabe 2017, Südbayern

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I<br />

mmer wenn man auf die nächste<br />

Reise zu sprechen kam, schwärmte<br />

jemand von Schottland. Aber wie<br />

es so ist: Wir dachten da in Klischees,<br />

an bei schlechtem Wetter<br />

Dudelsack spielende Trunkenbolde<br />

in karierten Röcken. Dann fuhren<br />

wir dahin.<br />

Was soll man sagen? Natürlich<br />

kam Regen von vorn. Natürlich hörten<br />

wir quietschende Musik aus der<br />

Sackpfeife. Tranken torfigen Scotch.<br />

Sahen Tartan-Webmuster, mindestens<br />

250 verschiedene, sogar auf<br />

Strapsen. Und natürlich haben wir<br />

uns sofort in Schottland verliebt.<br />

Wenn auch, sorry, aus anderen<br />

Gründen. Wegen der Schönheit nämlich.<br />

Des Charmes. Der Kontraste.<br />

Und wegen des Humors.<br />

Verwunschenes Edinburgh<br />

Es begann in Edinburgh, der Hauptstadt.<br />

Am Flughafen stand eine lässige<br />

„Der Sinn des<br />

Lebens ist ein<br />

Leben mit Sinn.“<br />

Robert Burns<br />

Schottischer Dichter (1759–1796)<br />

Buchstabenskulptur, EdINburgh. In<br />

der Tram zur City lautete der klassische<br />

Überwachungshinweis: „Smile,<br />

you’re on TV!“ Langsam kam dann<br />

das Zentrum in den Blick, mit dem<br />

einzigen Bahnhof dieses Planeten, der<br />

nach einem Roman benannt wurde,<br />

Walter Scotts „Waverly“. Schließlich<br />

fühlten wir uns angesichts der historischen<br />

Skyline aus mittelalterlichen<br />

Hochhäusern zwischen sieben Hügeln<br />

in eine Märklin-Welt versetzt.<br />

Was stimmte – und auch wieder<br />

nicht. Der majestätisch steile Vulkanfelsen,<br />

auf dem das Castle steht, sorgte<br />

dafür, dass die Häuser der Old Town<br />

im Laufe der Zeit übereinander gebaut<br />

wurden, bis zu 15 Stockwerken<br />

hoch. Steht man vor ihnen, besitzen<br />

die engen Gassen und vielen die Fitness<br />

fördernden Treppen zwischen<br />

den altmodischen Wolkenkratzern<br />

nichts Puppenstubenhaftes mehr,<br />

sondern fordern Respekt. Als erste<br />

Der Dudelsack<br />

ist eng mit<br />

der gälischen<br />

Kultur verbunden.<br />

Es gibt<br />

zwei Musikstile:<br />

Ceòl Mór<br />

(kleine Musik)<br />

und Ceòl Beag<br />

(große Musik).<br />

Links: Altstadt<br />

von Edinburgh<br />

Gebäude Ende des 18. Jahrhunderts<br />

einzustürzen begannen, wurde der<br />

See, die heutigen Princes Street Gardens,<br />

entwässert, auf der anderen<br />

Seite entstand ab 1767 die quadratisch<br />

angelegte New Town im georgianischen<br />

Stil. Der zweite wichtige Stadtteil,<br />

der sich allerdings etwas stärker<br />

als die bummelige und kreative Altstadt<br />

auf Shopping konzentriert.<br />

Dass wir durch eine Neustadt<br />

schlenderten, die älter war als die<br />

Vereinigten Staaten, diese Ironie<br />

nahmen wir bald nicht mehr wahr.<br />

Es gab zu viel zu sehen, zu erleben.<br />

Es war August, und die Stadt platzte<br />

aus allen Nähten: wegen des regulären<br />

Festivals (Schwerpunkt: Theater<br />

und Tanz), des Royal Military Tattoo<br />

(Schwerpunkt: Militärkapellen aus<br />

aller Welt, die auch Songs von David<br />

Bowie spielen) und wegen des Fringe,<br />

des weltweit größten Kultur- und<br />

Comedy-Festivals mit Hunderten von<br />

Schauplätzen, zu denen auch öffentliche<br />

Straßen und Plätze gehören.<br />

Was dazu führen kann, dass man<br />

betrunkenen Astronauten ebenso<br />

begegnet wie Männern, die einen<br />

aufgerollten Teppich transportieren,<br />

aus dem Füße ragen. Aber das<br />

unterstützt den zauberhaft verwunschenen<br />

Charakter von Edinburgh<br />

nur umso mehr. Kein Wunder,<br />

dass J. K. Rowling hier einst Harry<br />

Potter erfand – im Elephant House<br />

(21 George IV Bridge), einem Café<br />

neben dem verwitterten Friedhof<br />

Greyfriars, auf dem sich auch der<br />

Grabstein eines Tom Riddle findet<br />

– wie Voldemort bürgerlich heißt.<br />

Herbschöne Highlands<br />

Dann wanderten wir durch die Highlands,<br />

die eigentlich gar kein Hochland<br />

sind. Der höchste Berg, der Ben<br />

Nevis, ist gerade mal 1345 Meter<br />

hoch, weniger als die Hälfte der<br />

Zugspitze. Dafür sehen die schroffen<br />

Berge, zwischen denen langgezogene<br />

und spiegelnd klare Lochs liegen, die<br />

pittoresk verfallenen Ruinen hinter<br />

grasenden Schafen, die Moore inmitten<br />

grüner Fruchtbarkeit oder<br />

die Kliffs mit Blick auf im Atlantischen<br />

Ozean spielende Delfine, die<br />

zudem einfach nicht enden wollende<br />

Weite so aus, als wären sie alle<br />

In den Highlands<br />

wandert<br />

man überwiegend<br />

durch<br />

baumlose<br />

Hochmoore<br />

von Gerhard Richter gemalt und<br />

gespachtelt. Und zwar an einem<br />

besonders guten Tag.<br />

Gruppenreisen sind nicht jedermanns<br />

Sache. Ihr Vorteil: Man lernt<br />

fremde Menschen kennen. Ihr Nachteil:<br />

Man lernt fremde Menschen kennen.<br />

Der Nachteil war diesmal aber<br />

keiner: Alle Teilnehmer der Reise<br />

„Natur und Kultur in Schottland“<br />

des Veranstalters Wikinger Reisen –<br />

Motto: „<strong>Urlaub</strong>, der bewegt“ – erwiesen<br />

sich als gesellige Individualisten.<br />

Schottland Inspiration<br />

Schottische<br />

Hochlandrinder<br />

Kühe haben<br />

übrigens längere<br />

Hörner als Bullen<br />

Die 13-tägige Bus- und Schiffstour<br />

führte neben den Metropolen<br />

Edinburgh und Glasgow über die<br />

Hebriden-Insel Isle of Mull nach Fort<br />

William (wo auch der sogenannte<br />

Harry-Potter-Zug über das Glenfinnan-Viadukt<br />

startet), Gairloch,<br />

Inverness in der Nähe des Loch Ness<br />

sowie in das pittoreske Grantown-on-<br />

Spey. Die Tagesabläufe waren in der<br />

Regel geteilt: Eine Hälfte gehörte<br />

Besichtigungen von Clan-Sitzen, Museen,<br />

herausgeputzten Schlössern<br />

und vom Golfstrom umspülten subtropischen<br />

Gärten. Die andere jeweils<br />

zwei- bis dreistündigen Wanderungen<br />

mit herbschönen Panoramen – ob mit<br />

Nebelfetzen oder in fast mediterran<br />

anmutendem Licht – von grünen Steilküsten<br />

und von Flechten überzogenen<br />

Wäldern, violett gefärbten und würzig<br />

duftenden Heidelandschaften, dunklen<br />

Mooren, schon mal stürmischen<br />

Küsten sowie der Spitze des Ben Nevis.<br />

Die Reiseleitung sorgte darüber<br />

hinaus während der Fahrten für intensiven<br />

Informationsfluss. So durchstreifte<br />

man das Tal von Clencoe, auch<br />

Tal der Tränen genannt, im Wissen um<br />

das politisch motivierte Massaker im<br />

17. Jahrhundert. Erfährt, warum die<br />

Distel die Nationalblume des Landes<br />

ist – das stachelige Kraut rettete der<br />

Legende nach schlafende Schotten, als<br />

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