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OFFENER BRIEF an Vattenfall<br />
Sehr geehrter Herr Prof. Josefsson,<br />
soeben komme ich von e<strong>in</strong>er dreiwöchigen<br />
Schwe<strong>de</strong>nreise zurück und b<strong>in</strong> begeistert von<br />
diesem wun<strong>de</strong>rvollen Land. Niemand käme hier<br />
auf <strong>de</strong>n Gedanken, so riesige Löcher <strong>in</strong> die Er<strong>de</strong><br />
zu wühlen wie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Lausitz, Jahrhun<strong>de</strong>rte gewachsene<br />
Dörfer abzureißen und e<strong>in</strong>e nationale<br />
M<strong>in</strong><strong>de</strong>rheit <strong>in</strong> ihrem Bestand zu gefähr<strong>de</strong>n. Vattenfall<br />
(Wasserfall) – was für e<strong>in</strong> schöner Name<br />
für e<strong>in</strong> Unternehmen. Ich hatte mich damals<br />
sehr gefreut, nach<strong>de</strong>m bekannt wur<strong>de</strong>, dass die<br />
LAUBAG von e<strong>in</strong>em schwedischen Unternehmen<br />
übernommen wird. Inzwischen b<strong>in</strong> ich ernüchtert.<br />
Soeben habe ich erfahren, dass die Lakomaer<br />
Teiche bei <strong>Cottbus</strong> durch Gerichtsentscheid<br />
zur Abbaggerung freigegeben wer<strong>de</strong>n. Bitte nehmen<br />
Sie davon Abstand. Das könnte für alle Parteien<br />
als e<strong>in</strong>e Geste <strong>de</strong>s guten Willens und <strong>de</strong>s<br />
gewachsenen ökologischen Bewusstse<strong>in</strong>s Ihres<br />
Unternehmens gewertet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Lakomaer Teiche s<strong>in</strong>d das letzte <strong>in</strong>takte<br />
Feuchtgebiet vor <strong>de</strong>n Toren <strong>de</strong>r Stadt <strong>Cottbus</strong>.<br />
Die Lausitzmetropole lei<strong>de</strong>t schon heute mehr<br />
als an<strong>de</strong>re Städte unter Hitzeperio<strong>de</strong>n. So zeigt<br />
das Thermometer <strong>in</strong> <strong>de</strong>r City oft mehr als 10°C<br />
über <strong>de</strong>n Vorhersagewerten, tropische Nächte<br />
zwischen 25 und 30°C s<strong>in</strong>d dann ke<strong>in</strong>e Seltenheit.<br />
Regional betrachtet, ist dafür auch Vattenfall<br />
mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit mitverantwortlich.<br />
Bei Erhalt <strong>de</strong>r Lakomaer Teiche wäre auch<br />
e<strong>in</strong>e artenreiche Wie<strong>de</strong>rbesiedlung benachbarter<br />
Bergbauflächen gegeben. Vom Aussterben<br />
bedrohte Arten blieben vorerst vor <strong>de</strong>m Verschw<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />
bewahrt.<br />
Was wer<strong>de</strong>n Sie Ihren K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Enkeln antworten,<br />
wenn sie nach <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>treten sogenannter<br />
klimatischer Kipppunkte (Ereignisse, nach<br />
<strong>de</strong>ren Beg<strong>in</strong>n ke<strong>in</strong>e Umkehr e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Gang<br />
gesetzter Vorgänge mehr möglich wäre) fragen:<br />
Vater, Opa, was hast Du damals getan, als die Klimakatastrophe<br />
noch zu verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn war? War Dir<br />
Maximalprofit wichtiger als unsere Zukunft?<br />
Die CO2-Abscheidung brauchen Sie nicht <strong>in</strong>s<br />
Feld führen, weil man jetzt noch nicht weiß, ob<br />
es großtechnisch und zu Marktpreisen funktioniert.<br />
Falls es schief geht, wären die letzten 10<br />
Jahre, die uns vielleicht noch Zeit bleiben, verspielt.<br />
Warum setzten Sie nicht auf Lösungen, die<br />
schon heute Wirkung zeigen? Vattenfall sollte<br />
sich wie die Ölkonzerne BP und Shell für alternative<br />
Energietechniken engagieren. So hat die<br />
Firma Dethloff & Lange GmbH Neubukow (www.<br />
DELA-gmbh.<strong>de</strong>) e<strong>in</strong>e überall aufzubauen<strong>de</strong>W<strong>in</strong>dkraftanlage,<br />
z.B. für je<strong>de</strong>n Eigenheimbesitzer<br />
entwickelt, die <strong>de</strong>r großtechnischen Massenproduktion<br />
harrt (1-2 KW/Tag, ke<strong>in</strong>e Geräusch- und<br />
Schattenwurfwirkung). Ich wür<strong>de</strong> mich freuen,<br />
diese Anlagen überall <strong>in</strong> Deutschland mit <strong>de</strong>m<br />
Firmenlogo Vattenfall zu sehen. Wagen Sie <strong>de</strong>n<br />
schrittweisen Wan<strong>de</strong>l! Wer hätte vor 20 Jahren<br />
geglaubt, dass Mannesmann mal e<strong>in</strong>e überaus<br />
erfolgreiche Telekommunikationsfirma se<strong>in</strong><br />
wür<strong>de</strong>?<br />
Mit freundlichen Grüßen André Micklitza<br />
E<strong>in</strong>e Bahn für alle statt e<strong>in</strong>er Börsenbahn für Profite<br />
Das bislang hun<strong>de</strong>rtprozentige Eigentum <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
an <strong>de</strong>r Bahn soll bis zu 49 Prozent an private Investoren<br />
verkauft wer<strong>de</strong>n. Die Infrastruktur, d.h. die Bahnhöfe<br />
und das Schienennetz, bleibt im Eigentum <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s. Für <strong>de</strong>n Bund wäre <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zige Vorteil dieser<br />
Transaktion die e<strong>in</strong>malige E<strong>in</strong>nahme von etwa fünf<br />
bis 15 Milliar<strong>de</strong>n Euro aus <strong>de</strong>m Anteilsverkauf an<br />
Investoren. Gemessen am eigentlichen Gesamtwert<br />
<strong>de</strong>r Bahnverkehrsgesellschaften, <strong>de</strong>r vorsichtig auf<br />
150 bis 250 Milliar<strong>de</strong>n Euro geschätzt wird, ist das e<strong>in</strong><br />
ausgesprochen schlechtes Geschäft. Es sollen Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro verschenkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Ausgaben <strong>de</strong>s Staates für das Schienennetz wer<strong>de</strong>n<br />
jedoch auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren bleiben,<br />
d.h. trotz gleicher Ausgaben verfügt <strong>de</strong>r Bund über<br />
weniger E<strong>in</strong>fluss auf die Deutsche Bahn.<br />
Die privaten Investoren wer<strong>de</strong>n ihren Betrieb an <strong>de</strong>r<br />
Rendite ausrichten und nicht an <strong>de</strong>r Sicherung <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Eisenbahnverkehrs. Geplante Renditen<br />
von bis zu 10 Prozent können nur durch e<strong>in</strong>en Mix<br />
aus Fahrpreiserhöhungen, weniger Service, weniger<br />
Personal und niedrigere Löhne realisiert wer<strong>de</strong>n. Dabei<br />
besteht die Gefahr, dass nicht rentable Strecken<br />
nicht mehr betrieben wer<strong>de</strong>n bzw. dass sich <strong>de</strong>r Betrieb<br />
abgelegener Verb<strong>in</strong>dungen durch f<strong>in</strong>anzielle<br />
Zuschüsse von Land und Kommune gut bezahlt wer<strong>de</strong>n<br />
lässt.<br />
Es ist zu befürchten, dass es durch die Konkurrenz auf<br />
<strong>de</strong>r Schiene zu Unsicherheit und Verwirrung unter<br />
<strong>de</strong>n Fahrgästen kommen wird. Dies betrifft vor allem<br />
unterschiedliche Fahrpläne, Tarife und Sicherheitsstandards.<br />
Für die Beschäftigten wird sich <strong>de</strong>r Druck<br />
auf die Löhne weiter erhöhen, obgleich die Arbeitse<strong>in</strong>kommen<br />
bereits am unteren En<strong>de</strong> vergleichbarer<br />
Berufsgruppen liegen. Durch Sozialdump<strong>in</strong>g wer<strong>de</strong>n<br />
e<strong>in</strong>zelne private Betreiber versuchen, <strong>de</strong>n Zuschlag<br />
für ausgeschriebene Strecken und Netze zu erhalten.<br />
Diese Prognosen und Befürchtungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen<br />
Umwelt & NGO - 13<br />
Der im Vattenfall-Atomkraftwerk Krümmel abgebrannte Transformator soll durch e<strong>in</strong>en an<strong>de</strong>ren ersetzt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>m<br />
Transport <strong>de</strong>s Ersatz-Trafos aus <strong>de</strong>m Atomkraftwerk Brunbüttel blockierten 5 AktivistInnen <strong>de</strong>r Umweltschutzorganisation<br />
ROBIN WOOD das Schiff be<strong>in</strong>ahe 13 Stun<strong>de</strong>n an e<strong>in</strong>er Schleuse bei Geesthacht. Sie seilten sich von e<strong>in</strong>er Brücke bis auf<br />
wenige Meter über <strong>de</strong>r Wasseroberfläche vor das Schiff ab, so dass dieses nicht passieren konnte. Sie for<strong>de</strong>rten: „Krümmel<br />
stillegen, sofort“<br />
Län<strong>de</strong>rn wie Großbritannien o<strong>de</strong>r Argent<strong>in</strong>ien, die<br />
als Vorreiter <strong>de</strong>r Bahnprivatisierung gelten, bereits<br />
e<strong>in</strong>getreten. Das Streckennetz wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewaltigen<br />
Maße stillgelegt, die Fahrpreise explodierten,<br />
Beschäftigte wur<strong>de</strong>n entlassen und Sicherheitsstandards<br />
vernachlässigt. So wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m britischen,<br />
privaten Bahnbetreiber Railtreck die Streckenlizenz<br />
nach mehreren Unfällen und wegen erheblicher Sicherheitsmängel<br />
wie<strong>de</strong>r entzogen.<br />
Wir for<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>shalb,<br />
o die <strong>de</strong>utsche Bahn muss als Gesamtsystem im Besitz<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s bleiben<br />
o vor <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund energie- und umweltpolitischer<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen, e<strong>in</strong>en Ausbau <strong>de</strong>s Streckennetzes<br />
und Verlagerung von mehr Verkehr auf<br />
die Schiene voranzutreiben<br />
o Besteuerung von Flugbenz<strong>in</strong> und Keros<strong>in</strong> sowie<br />
e<strong>in</strong>e generelle Straßenmaut für LKW<br />
o Ausbau e<strong>in</strong>es kun<strong>de</strong>norientierten Services durch<br />
zufrie<strong>de</strong>nes und qualifiziertes Personal<br />
Die Bahn als wichtiges <strong>in</strong>frastrukturelles, umwelt-<br />
und verkehrspolitisches Instrument darf nicht <strong>in</strong> die<br />
Hän<strong>de</strong> von Investoren und Spekulanten geraten.<br />
Anfang August haben die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r auf e<strong>in</strong>er<br />
Son<strong>de</strong>rkonferenz, <strong>de</strong>n aktuellen Gesetzesentwurf<br />
zur Bahnprivatisierung abgelehnt, Nachbesserungen<br />
gefor<strong>de</strong>rt und e<strong>in</strong> Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit<br />
<strong>de</strong>s Entwurfes <strong>in</strong> Auftrag gegeben.<br />
En<strong>de</strong> September beraten die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r auf e<strong>in</strong>er<br />
weiteren Son<strong>de</strong>rkonferenz über das Gutachten und<br />
die weitere Vorgehensweise. For<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n M<strong>in</strong>ister<br />
für Verkehr und Infrastruktur im Land Bran<strong>de</strong>nburg,<br />
Herrn Dellmann, unter www.campact.<strong>de</strong> auf, dieses<br />
Gesetz im Bun<strong>de</strong>srat abzulehnen.<br />
Attac Gruppe <strong>Cottbus</strong>, e-mail: attac.<strong>cottbus</strong>@gmx.<strong>de</strong><br />
Treff je<strong>de</strong>n zweiten Donnerstag im Monat, 19 Uhr im<br />
QuasiMono