EGO 174 - 1
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hartz IV und kein ENDE<br />
stehen und wie viel Geld sie vermutlich ihr Leben lang "Einkommen" nennen, erst ALG-<br />
II, dann irgendwann Grundsicherung. Einmal daran gewöhnt, gibt es sicher viele, die<br />
nicht einsehen, warum sie für etwas mehr Geld ihre ganze Freizeit aufgeben sollten. Die<br />
sich eben in diesem finanziellen Rahmen eingerichtet haben und deren einzige Idee, mal<br />
zu mehr Geld zu kommen, in einer diffusen Zukunft liegt oder einer Castingshow.<br />
Schon 1991 hat Wolf Wagner (Angst vor der Armut. Eine Einführung in Sozialpolitik.<br />
Rotbuch, Hamburg 1991) unser Sozialsystem als ein umgedrehtes Sicherheitsnetz<br />
beschrieben, in dem der Weg fast ausschließlich nach unten führt, angefangen bei den<br />
Versicherungsleistungen bis zur letzten Stufe, den Sozialleistungen, damals noch<br />
Sozialhilfe, heute ALG II oder Grundsicherung. Aus dem hervorging, dass es politisch<br />
nicht anders gewollt ist, eine Gruppe von Menschen, die nicht aus der Hilfsbedürftigkeit<br />
herausfinden wird, platt formuliert, benötigt, um die, die unter schlechten Bedingungen<br />
arbeiten, ruhig zu stellen und an ihre Arbeit zu binden.<br />
Auch heute ist dieser Gedanke aktuell und nachvollziehbar, wobei ich mich nicht einem<br />
großen Gejammer und dem Mitleid anschließen will, denn Fakt ist und bleibt, dass die<br />
Sorge nicht ist, hier in diesem Land zu verhungern und zu erfrieren. Das Problem,<br />
welches ich in Arbeitslosigkeit sehe, hat nichts mit Geld zu tun und ist auf politischer<br />
Ebene kaum lösbar. Da die Politik keinen Vorteil darin sehen kann, diese Systemfehler<br />
zu beheben, und wahrscheinlich kein politisches Vorgehen einen Richtungswechsel<br />
erreichen kann, ohne die Demokratie auszuhebeln, liegt die Verantwortung meines<br />
Erachtens bei jedem Einzelnen. Bei denen, die Angst vor Arbeitslosigkeit oder das<br />
Empfinden von Armut innehaben, genau hinzusehen, wo Grundbefürfnisse aufhören<br />
und Luxus anfängt. Bei uns allen, nicht auf das zu sehen, was der neben uns besitzt, uns<br />
nicht zu messen mit Standards, die vielleicht nicht unsere sind. Die Denkweise in eine<br />
Richtung zu lenken, in der wir arbeiten, nicht, um angemessen bezahlt zu werden,<br />
sondern weil es unserer psychischen Gesundheit dient. Ein Gehalt wirkt deshalb oft nur<br />
so gering oder sogar "unmenschlich", weil wir unsere Erwartungen zu hoch stecken und<br />
uns mit einer Masse vergleichen, die unnötigen Konsum betreibt, die Kinder wie<br />
Luxusgüter ausstaffiert und trotz Allem immer unzufrieden bleibt. Gegen soziale<br />
Ungerechtigkeit zu kämpfen und gegen die Stigmatisierung von Personengruppen, ist<br />
sinnvoll und richtig, aber es ist die eigene Sichtweise und auch der Blick über den<br />
Tellerrand dorthin, wo Menschen echte lebensbedrohliche Armut kennen, der darüber<br />
bestimmt, wie zufrieden wir uns in unserem Leben einrichten können.<br />
Quellhinweise:<br />
Bilder: Wikra / Kelm<br />
Beitrag: Enno