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Abb. 2: Beispiel eines experimentellen Durchgangs<br />
im Theory-of Mind-Task (aus: Walter, Schnell, Erk et al.<br />
2010). Die Probanden sehen in dieser Aufgabe drei aufeinander<br />
folgende Bilder einer Story. Die Stories sind<br />
alle so konstruiert, dass bei identischer physikalischer<br />
Stimulation zwei verschiedene Aufgaben durchgeführt<br />
werden können. In der Kontrollbedingung (räumliche<br />
Perspektivenübernahme) sollen die Probanden<br />
nach dem zweiten und dritten Bild durch einen Knopfdruck<br />
mitteilen, ob der Protagonist (mit kräftigen Linien<br />
gezeichnet) mehr, gleich oder weniger Lebewesen<br />
sieht. In der Aktivierungsbedingung (Hineinversetzen<br />
in die Gefühle des Protagonisten) soll beurteilt werden,<br />
ob der Protogonist sich besser, gleich oder schlechter<br />
fühlt. Im Beispiel sollte sich der Protagonist nach dem<br />
zweiten Bild schlechter fühlen, da er sich von dem Baseballschläger<br />
bedroht fühlt, nach dem dritten Bild<br />
jedoch besser, weil er realisiert, dass es sich hier nur um<br />
ein Ballspiel handelt. Probanden mit der Risikovariante<br />
von ZNF804A zeigen signifikant geringere Aktivierungen<br />
im Kontrast Aktivierung>Kontrolle im dorsomedialen<br />
PFC und linken STS (Teil des Theory-of-Mind-<br />
Netzwerkes) als auch im linken inferioren PFC und linken<br />
inferioren Parietalkortex (Teil des Mirror-Neuron-<br />
Netzwerks) wie sie in vorangehenden Studien auch bei<br />
Schizophrenen beschrieben wurden.<br />
Ein neuartiger Forschungsansatz<br />
verknüpft Genforschung und<br />
Bildgebung<br />
Aber wie kann man einblicke in die Krankheitsmechanismen<br />
erhalten? Im mooDs-<br />
Ver bund werden unterschiedliche experimentelle<br />
Ansätze verfolgt: ausgehend von<br />
dem Genprodukt, in dem die identifizierte<br />
risikovariante liegt, werden beispielsweise<br />
interagierende Proteine gesucht. Dies soll<br />
zu den biologischen signalwegen führen,<br />
die bei der Krankheit eine rolle spielen. mit<br />
derselben Zielsetzung arbeiten auch sys -<br />
tembiologische Ansätze, die die signalweg-<br />
Information aber aus der Gesamtheit der<br />
genomweiten Assoziationsdaten herausfiltern.<br />
Liegt eine identifizierte risikovariante<br />
außerhalb kodierender Genregionen, so<br />
werden mögliche einflüsse auf die Genexpression<br />
untersucht. eine einschleusung<br />
der Variante in modellorganismen ermöglicht<br />
erste detaillierte einblicke in die Pathophysiologie<br />
in vivo.<br />
ein vielversprechender experimenteller<br />
Ansatz, für den in den letzten Jahren der<br />
Begriff „imaging genetics“ geprägt wurde,<br />
ist die Verknüpfung der genetischen Befunde<br />
mit bildgebenden Verfahren des Ge -<br />
hirns. Dieser Ansatz untersucht die Bedeutung<br />
der krankheitsassoziierten Genvarianten<br />
für Gehirnmorphologie und -funktion.<br />
mit ihm konnten im rahmen des mooDs-<br />
Verbundes nun erstmalig funktionelle<br />
effek te von risikovarianten für die schizophrenie<br />
und die bipolare störung nachgewiesen<br />
werden, die zuvor durch genomweite<br />
Assoziationsuntersuchungen identifiziert<br />
worden waren [1-3]. Gelegen sind diese<br />
genetischen Varianten in den Genen<br />
ZNF804A und CACNA1C. ZNF804A kodiert<br />
das Zink Finger Protein 804A, dessen Funktion<br />
bisher noch weitestgehend unbekannt<br />
ist, das aber vermutlich einen Transkriptionsfaktor<br />
darstellt. Bessere Kenntnis der<br />
Forschung<br />
Funktion hat man für CACNA1C, das für eine<br />
Untereinheit des spannungsabhängigen<br />
Calcium-Kanals vom L-Typ kodiert. Diese<br />
Ionenkanäle spielen während der synapsenaktivität<br />
eine wichtige rolle bei der<br />
regulation des Calcium-einstromes in die<br />
dendritische Zelle. ein interessanter Aspekt<br />
ist, dass viele wirksame medikamente bei<br />
neuropsychiatrischen störungen Ionenka -<br />
näle beeinflussen. Die jetzt untersuchten,<br />
mit schizophrenie und bipolarer störung<br />
assoziierten risiko-Genvarianten treten statistisch<br />
signifikant häufiger bei erkrankten<br />
Personen auf, sind aber auch bei Gesunden<br />
häufig zu finden. es wird vermutet, dass sich<br />
bei Trägern der Genvarianten (ob gesund<br />
oder krank) als intermediäres – also „zwischen<br />
Gen und klinischem Krankheitsbild<br />
liegendem“ – erscheinungsbild Änderungen<br />
der Hirnfunktion nachweisen lassen,<br />
die letztlich bei den erkrankten einen Beitrag<br />
zur Psychopathologie leisten. Genau<br />
das konnten Wissenschaftler im mooDs-<br />
Verbund nun mit Hilfe von „imaging genetics“<br />
bestätigen.<br />
Genvarianten öffnen die Tür zu einem<br />
tieferen Verständnis der Abläufe im<br />
Gehirn<br />
Um die schizophrenie-assoziierte risikovariante<br />
des Genes ZNF804A zu untersuchen,<br />
wurde mit ca. 100 gesunden Personen ein<br />
neurokognitiver Test des Arbeitsgedächtnisses<br />
durchgeführt und die dabei vorhandene<br />
Gehirnaktivität mittels funktioneller<br />
magnetresonanztomographie (fmrT) dargestellt<br />
[1]. Dieser Test erlaubt einblicke in<br />
die Aktivität von Gehirnbereichen im dorsolateralen<br />
präfrontalen Cortex (DLPFC) und<br />
im Hippokampus (Abbildung 1). es ist be -<br />
reits in früheren Untersuchungen ge zeigt<br />
worden, dass bei schizophrenen Patienten<br />
störungen der Aktivierung sowie eine ge -<br />
störte funktionelle Verbindung (Dys-Kon-<br />
Abb. 3: Bereiche mit geänderter Hirnfunktion bei gesunden Personen, welche die Risikovariante für bipolare<br />
Störung im CACNA1C-Gen tragen (aus: Erk, Meyer-Lindenberg, Schnell et al. 2010) Während einer Gedächtnisaufgabe<br />
zeigt sich bei gesunden Personen normalerweise eine vermehrte Aktivierung im Bereich des Hippocampus.<br />
Gesunde Träger der CACNA1C-Risikovariante zeigen in der vorliegenden Untersuchung eine deutliche Minderaktivierung<br />
in dieser Region. Darüber hinaus weisen sie eine verminderte Aktivierung im subgenualen Gyrus<br />
cinguli auf, einem Hirnareal, das eine wesentliche Rolle bei der Emotionsregulation spielt und dessen Funktion bei<br />
Patienten mit affektiven Erkrankungen gestört ist. Die Ergebnisse legen nahe, dass es sich hier um eine gestörte<br />
Stressadaptation handelt.<br />
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