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36 Wissenschaft kompakt<br />
bei denen je weils ein Gen so ver ändert war, dass es der mutation<br />
bei den menschlichen Brachydaktylien A1 bzw. B1 entsprach. Die<br />
Wissenschaftler stellten fest, dass bei beiden mäusegruppen die<br />
Aktivität des „Knochenmorphogenetischen Protein“ (bo ne morphogenetic<br />
protein, BmP) -signalweges betroffen war. BmPs sind<br />
eine Gruppe von signalproteinen, die von einigen Zellen eines<br />
organismus ausgeschüttet werden, um direkt benachbarte Zellen<br />
zu beeinflussen. sie fungieren vor allem als Wachstumsfaktoren,<br />
dies ist jedoch nicht ihre einzige Funktion. Bei allen Tieren fanden<br />
sie ein signalzentrum direkt vor dem sich neu bildenden skelettelement<br />
bzw. Fingerglied, welches eine besonders hohe Aktivität<br />
des BmP-signalweges aufwies. Dieses signalzentrum ist dafür verantwortlich,<br />
unspezifische embryonale Bindegewebszellen<br />
(mesenchymzellen) zur Um wand lung in Knorpelzellen anzuregen.<br />
Die Knorpelzellen entwickeln sich im nächsten schritt zu Knochenzellen,<br />
das bedeutet, der Finger wächst in die Länge. Durch<br />
genetische und molekulare experimente konnten die Wissenschaftler<br />
zeigen, dass das signalzentrum durch eine reihe weiterer<br />
signalmechanismen (IHH, ror2, WnT) gesteuert wird. Ihre Arbeit<br />
beschreibt zum ersten mal den genetischen und molekularen<br />
mechanismus des Fingerwachstums bei säugetieren und<br />
beleuchtet dessen rolle bei der entstehung von menschlichen<br />
Brachydaktylien.<br />
Originalpublikation: Witte, F et al. (2010) ROR2 and Indian Hedgehog regulate<br />
digit outgrowth mediated by the phalanx-forming region. PNAS, July 26,<br />
2010, doi: 10.1073/pnas.10093 14107<br />
Genvariante entscheidet<br />
über hohen Cholesterinspiegel<br />
Weshalb haben manche menschen einen zu hohen Cholesterinspiegel<br />
und erleiden einen Herzinfarkt, während andere offenbar<br />
geschützt sind? Forscher in Dänemark und Deutschland haben<br />
darauf jetzt eine Antwort gefunden: „schuld“ ist ein Gen. es tritt in<br />
verschiedenen Varianten auf – eine Variante des Gens schützt, die<br />
andere nicht. ein internationales Forscherteam konnte zeigen,<br />
dass das fragliche Gen bestimmt, wie viel Cholesterin die Leber ins<br />
Blut freisetzt. Bei dem Gen handelt es sich um sorT1, das auch eine<br />
rolle im Bereich der Herzkreislauferkrankungen spielt. Dies ergaben<br />
so genannte Genom-weite Assoziationsstudien. Dabei schauen<br />
Genetiker, ob zwischen gewöhnlichen genetischen Varianten<br />
im menschlichen erbgut und bestimmten erkrankungen eine Verbindung<br />
besteht. In diesem Fall interessierte Forscher, ob zwischen<br />
dem risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen – einem zu<br />
hohen Cholesterinspiegel – und winzigen genetischen Varianten<br />
einzelner Personen Zusammenhänge bestehen. In groß angelegten<br />
internationalen Genomstudien war vor kurzem eine bestimmte<br />
region auf dem menschlichen Chromosom 1 identifiziert worden,<br />
welche einen hohen Cholesterinspiegel verursacht. Die Funktion<br />
dieser Genregion auf Chromosom 1 konnten die Wissenschaftler<br />
jetzt mit Hilfe von mäusen klären. sie hatten in diesen<br />
mäusen das Gen für das Protein sorT1 gezielt ausgeschaltet. Die<br />
mäuse hatten trotz fettreicher ernährung 20 Prozent weniger Cholesterin<br />
im Blut, als mäuse mit sorT1. mit weiteren Untersuchungen<br />
fand das internationale Forscherteam aus Dänemark und<br />
Deutschland auch heraus, wie sorT1 wirkt. es bildet einen Faktor,<br />
welcher dafür sorgt, dass die Leber effizienter Cholesterin freisetzt.<br />
Das bedeutet, Personen mit einer aktiven sorT1-Genvariante<br />
schütten viel Cholesterin ins Blut aus und haben damit ein höheres<br />
risiko einen Herzinfarkt zu erleiden. menschen dagegen, welche<br />
eine weniger aktive Genvariante tragen, schütten weniger Cholesterin<br />
aus – und sind geschützt. Der Körper benötigt Cholesterin<br />
unter anderem für seine Zellen zum Aufbau von Zellmembranen<br />
oder als Baustein für Hormone. Cholesterin wird vom Körper selbst<br />
gebildet oder über die nahrung aufgenommen. es wird zunächst<br />
in der Leber gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben. Überschüssiges<br />
Cholesterin muss die Leber wieder zurücknehmen,<br />
damit es nicht die Blutgefäße verstopft (Arteriosklerose). Wer<br />
einen zu hohen Cholesterinspiegel hat, läuft Gefahr einen Herzinfarkt<br />
zu erleiden, wenn er nicht mit einer entsprechenden Diät und<br />
medikamenten gegensteuert. nach Ansicht der Forscher könnte<br />
das sorT1-Gen einen Angriffspunkt für neue medikamente bieten,<br />
um die Freisetzung von „schlechtem“ Cholesterin aus der<br />
Leber ins Blut zu blockieren. Allerdings ist sorT1 nur einer von vielen<br />
Herzinfarktrisikofaktoren. es genügt dabei jedoch nicht, zu<br />
testen, welche Genvariante von sorT1 jemand hat. Herzkreislaufrisiken<br />
hingen mit vielen verschiedenen Faktoren zusammen,<br />
betonen die Autoren der studie. Auch menschen mit der „gesunden<br />
Genvariante“ können einen hohen Cholesterinspiegel be -<br />
kommen, wenn andere ungünstige Faktoren wie ungesunde<br />
ernährung oder Übergewicht im spiel sind. Daher plädieren die<br />
Forscher für einen gesunden Lebenstil – keine fettreiche er näh -<br />
rung und viel Bewegung.<br />
Originalpublikation: Mads Kjolby, M et al. (2010) Sort1, Encoded by the Cardiovascular<br />
Risk Locus 1p13.3, Is a Regulator of Hepatic Lipoprotein Export.<br />
Cell Metabolism, Volume 12, Issue 3, 213-223. doi:10.1016/j.cmet.2010.08.006<br />
Gene sind nicht alles<br />
Die menschliche erbsubstanz (DnA) liegt nicht ungeordnet in der<br />
Zelle vor. Wie um spulen ist das zwei meter lange molekül um spezielle<br />
Proteine (Histone) gewickelt, damit es in den Zellkern mit<br />
einem Durchmesser von nur 0,006 millimetern passt. Den so verpackten<br />
Komplex aus DnA und Proteinen nennen Forscher Chromatin.<br />
Bis in die 90er-Jahre nahmen Wissenschaftler an, dass Histone<br />
nur für die organisation und stabilisierung der DnA verantwortlich<br />
sind. Doch mittlerweile ist klar, dass sie auf vielfältige Weise<br />
in die regulation von Genen eingreifen können. Histone bilden<br />
jedoch nicht nur das Gerüst des Chromatins, sondern spielen auch<br />
eine essentielle rolle bei der entscheidung, welche Gene abgelesen<br />
und in Proteine übersetzt<br />
werden und welche<br />
nicht. obwohl in einem<br />
organismus alle Zellen die<br />
gleichen Gene besitzen,<br />
werden diese unterschiedlich<br />
abgelesen und es entstehen<br />
verschiedene Zell-<br />
Im Zellkern (blau und grün) ist die DNA um<br />
Histone gewickelt. Diese Proteine sind<br />
jedoch nicht nur Gerüst, sondern können<br />
auch in die Genregulation eingreifen. Rot<br />
markiert ist das Zellskelett (Foto: Martina<br />
Augsburg / MPI für Molekulare Zellbiologie<br />
und Genetik).<br />
typen mit jeweils anderer<br />
Proteinzusammensetzung.<br />
Die Wissenschaft, die<br />
sich mit diesem Phänomen<br />
beschäftigt, heißt epigenetik.<br />
Fehler können zu<br />
störungen in der entwicklung<br />
eines embryos oder<br />
zu Krankheiten wie Krebs<br />
führen. obwohl Histone eine so bedeutende rolle in der Genregulation<br />
spielen, ist der genaue mechanismus noch nicht im Detail<br />
verstanden. eine wichtige rolle spielen Veränderungen in der<br />
struktur der Histone: Durch das Anfügen von chemischen Gruppen<br />
werden die Histone so modifiziert, dass sie von unveränderten<br />
Histonen unterscheidbar sind. Auf diese Weise können sie eine<br />
gezielte Funktion an dieser speziellen stelle im Genom ausführen.<br />
eine der häufigsten modifikationen ist die methylierung, die dazu<br />
führt, dass weitere Proteine an die modifizierten Histone binden.<br />
so können sie das Ablesen eines Gens erleichtern oder aber ver-<br />
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