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CYBERMOBBING<br />
Konflikt kommt mit sich selbst, ein Glas zu viel trinkt», erinnert sich<br />
Tizianas Mutter Maria Teresa Giglio, 59, Gemeindeangestellte seit 25<br />
Jahren. Eine Frau, von der man den Eindruck hat, sie verbringe wie<br />
Tiziana viele St<strong>und</strong>en vor dem Spiegel. Eine Jakobsmuschel hängt um<br />
ihren Hals, darin das Bild ihrer Tochter.<br />
Im Konflikt mit sich selbst zu sein, das bedeutet im Leben von<br />
Tiziana Cantone fast immer: in Konflikt mit einem Mann zu sein. Es<br />
beginnt mit ihrem Vater. Tiziana kennt ihn nicht. Die Mutter verlässt<br />
ihn, als die Tochter sechs Monate alt ist, weil er ihr zwar Blumen<br />
schenkt <strong>und</strong> die Tür öffnet, sie aber belügt <strong>und</strong> betrügt. Sie verzeiht<br />
ihm einmal, zweimal, dreimal <strong>und</strong> lässt sich schliesslich nach 16 Monaten<br />
Ehe scheiden. Seitdem wohnte Maria Teresa nie mehr mit einem<br />
Mann zusammen, sie führte nur eine einzige ernsthafte Beziehung.<br />
Die ging nach vier Jahren auseinander, weil die Eltern ihres Partners<br />
nicht damit einverstanden waren, dass der Sohn eine geschiedene<br />
Frau liebte.<br />
Mit ihrem leiblichen Vater hat Tiziana nie wieder Kontakt. Er<br />
bemüht sich nicht, seine Tochter kennenzulernen, <strong>und</strong> irgendwann hört<br />
das Mädchen auf, nach ihm zu fragen. «Dass sich ihr Vater nie für sie<br />
interessiert hat, war wohl ihr grösstes Trauma», sagt die Mutter. Als<br />
Tiziana vier Jahre alt ist, ziehen sie um, gemeinsam mit den Grosseltern<br />
leben sie nun in einer Wohnung in einem Häuschen in Mugnano di<br />
Napoli. Im Stockwerk über ihnen wohnt Maria Teresas Bruder Pepe mit<br />
seiner Lebensgefährtin Maria. Die beiden haben keine Kinder, sie kümmern<br />
sich um Tiziana, als ob sie ihre Tochter sei.<br />
Als Opa Ciro, Tizianas wichtigste männliche Bezugsperson, stirbt,<br />
ist sie neun Jahre alt. Fortan leben drei Frauengenerationen zusammen.<br />
Mit der Mama teilt Tiziana auch im Erwachsenenalter noch das Bett.<br />
«Wir waren nicht nur Mutter <strong>und</strong> Tochter, wir waren Fre<strong>und</strong>innen, ja<br />
Komplizinnen», sagt die Mutter. Tiziana habe es an nichts gefehlt, sie sei<br />
mit ges<strong>und</strong>en Werten gross geworden, habe die besten Schulen besucht,<br />
mit Auszeichnung ihr Abitur abgeschlossen. Philosophie ist ihr Lieblingsfach.<br />
Sie übt klassischen Tanz <strong>und</strong> spielt Klavier, sonntags besucht<br />
sie mit der Mutter <strong>und</strong> Grossmutter den katholischen Gottesdienst,<br />
morgens <strong>und</strong> abends beten sie gemeinsam.<br />
GUT SO.<br />
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