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Medical Tribune 37/2017

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15 JAHRE<br />

IMG/1A/2016/12/8Happy Birthday!<br />

49. Jahrgang j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong> Medizin Medien Austria j www.medonline.at<br />

ERWEITERTE ZULASSUNG<br />

Victoza ® – Der<br />

einzige GLP-1 RA,<br />

der nachweislich<br />

CV-Ereignisse<br />

verhindert 1,2,3<br />

BEI TYP-2-DIABETES<br />

Fittere Schüler<br />

mit Pilotprojekt<br />

Mit dem Projekt EDDY-young<br />

konnte Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm,<br />

Präsident des Österreichischen<br />

Akademischen Instituts für<br />

Ernährungsmedizin (ÖAIE), zeigen,<br />

dass man mit wenig Aufwand viel<br />

erreichen kann. Wichtig ist allerdings,<br />

dass auch das Umfeld – Lehrer<br />

und Eltern – mitspielt. ▶ SEITE 8<br />

Immunsystem<br />

auf Abwegen<br />

Bei primären Immundefekten muss<br />

nicht unbedingt die Infektanfälligkeit<br />

im Vordergrund stehen. Auch Atopie,<br />

Autoimmunität und sogar Maligno<br />

me können auf eine angeborene<br />

Abwehrstörung hinweisen. Die Akronyme<br />

ELVIS und GARFIELD fassen<br />

die Symptome zusammen. ▶ SEITE 7<br />

AT/LR/0817/0072 · Fachkurzinformation, Referenzen und Kontakt siehe Seite 14<br />

Medis statt Messer für die<br />

symptomlose enge Karotis<br />

KARDIOLOGIE ■ Am ESC wurde eine neue Leitlinie zu peripheren arteriellen<br />

Erkrankungen präsentiert. Besonders bei den Karotisstenosen gibt es Änderungen.<br />

Mit der engeren Indikationsstellung könnten solche Eingriffe noch deutlich seltener werden.<br />

Die vor zwei Wochen am ESC-Kongress<br />

in Barcelona präsentierte Leitlinie<br />

zum Management peripherer<br />

arterieller Erkrankungen wurde erstmals<br />

in Zusammenarbeit zwischen<br />

Kardiologischer und Gefäßchirurgischer<br />

Fachgesellschaft erarbeitet.<br />

Der antithrombotischen Medikation<br />

ist erstmals ein eigenes Kapitel<br />

gewidmet. Für Patienten mit Karotisstenose<br />

ist eine antithrombotische<br />

Medikation gemäß der Leitlinie<br />

nun immer indiziert – unabhängig<br />

davon, ob klinische Symptome auftreten<br />

oder eine Revaskularisierung<br />

eine Option darstellt. Für Letztere<br />

wird die Indikation nun viel enger<br />

gestellt: Bei asymptomatischer Stenose<br />

soll sie nur noch bei hohem<br />

Schlaganfallrisiko in Betracht gezogen<br />

werden. ▶ SEITE 9<br />

Diese Woche:<br />

SCHWERPUNKT<br />

HERZ-KREISLAUF<br />

▶ Seite 9–14<br />

■ AUS DEM INHALT<br />

Führungswechsel<br />

Novartis & Co – gleich mehrere Konzerne<br />

im Gesundheitswesen haben einen<br />

neuen Chef präsentiert. ▶ SEITE 4<br />

Anaphylaxien enträtseln<br />

Registerdaten helfen, lebensbedrohliche<br />

Anaphylaxien klinisch besser<br />

einzuschätzen. ▶ SEITE 6<br />

Ein Herz für Studien<br />

Am Europäischen Kardiologenkongress<br />

wurden zahlreiche neue Studien<br />

präsentiert. ▶ SEITE 10<br />

LDL-Senkung und mehr<br />

In vitro beeinflusste PCSK9-Hemmung<br />

die Thrombozytenfunktion<br />

und die Inflammation. ▶ SEITE 11<br />

Fallstricke vermeiden<br />

Bei Auswahl, Dosierung und Einnahmemodalitäten<br />

von DOAKs ist einiges<br />

zu beachten, illustrieren zwei<br />

Fallbeispiele. ▶ SEITE 12<br />

Sorge um Kontrastmittel<br />

Gadolinium kann sich im Gehirn ablagern.<br />

Die klinische Implikation dieser<br />

Erkenntnis ist unklar. ▶ SEITE 15<br />

FOTOS: MIRALEX / GETTAIMAGES; PRIVAT<br />

Dr. Ulrike Stelzl mit ihrem Kater.<br />

Glückwunsch,<br />

Dr. Stelzl!<br />

Es ist kaum zu glauben, aber diese<br />

Woche können Sie die 500. Kolumne<br />

der beliebten Grazer Hausärztin lesen.<br />

Die MT-Redaktion und Stelzl-<br />

Fans sagen: Danke! ▶ SEITE 16<br />

Debatte um Arzneimittelpreise<br />

Selbst in Industrieländern wie Österreich<br />

wird der Zugang zu Arzneimitteln<br />

immer mehr zum Thema.<br />

Im Gesundheitsministerium wurde<br />

das auf einer hochkarätig besetzten<br />

Podiumsdiskussion debattiert und<br />

nach Lösungsansätzen gesucht. Öffentliche<br />

Entscheidungsträger und<br />

Funktionäre sparten nicht mit Kritik<br />

an der Industrie und deren Preisgestaltung<br />

und ließen mit brisantesten<br />

Aussagen aufhorchen. Als Lösung<br />

wurde staatenübergreifende Zusammenarbeit<br />

im Einkauf angedacht,<br />

um gegenüber der Pharmaindustrie<br />

Marktmacht zu erlangen. ▶ SEITE 2<br />

Notärzte schlagen Alarm<br />

Der Nachwuchsmangel bei den<br />

Notärzten wird immer virulenter.<br />

Hatte Wien mit April <strong>2017</strong> das Notarztsystem<br />

auf ein KH-gestütztes<br />

Modell umgestellt, weil die Planstellen<br />

bei der Berufsrettung nicht mehr<br />

ausreichend besetzt werden konnten,<br />

schlug zuletzt in Kärnten der zuständige<br />

Referent der Ärztekammer<br />

Alarm: Dienste seien immer schwieriger<br />

zu besetzen. Die Gründe liegen<br />

unter anderem in der neuen Ärzteausbildungsordnung<br />

2015, wonach<br />

Fachärzte im Gegensatz zu früher<br />

das Ius practicandi erst nach Ende<br />

ihrer sechsjährigen Ausbildung erwerben.<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> fragte bei<br />

der Ärztekammer und dem Ministerium<br />

nach, wo die Reform der Notarztausbildung<br />

bleibt. ▶ SEITE 3<br />

Adam liebt<br />

CandAm®<br />

3 Stärken<br />

2 Substanzen kombiniert<br />

Candesartan + Amlodipin<br />

1 - fach verordnen<br />

Green Box, IND-frei<br />

CandAm®<br />

Das Neu-Original<br />

© rh2010 - Fotolia.com, Symbolpackung, <strong>2017</strong>_08_CandAm_I_MT_01<br />

Fachkurzinformationen auf Seite 14


2 THEMA DER WOCHE<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

Impressum<br />

Internationale Wochenzeitung für Österreich<br />

www.medizin-medien.at<br />

www.medonline.at<br />

Offenlegung nach § 25 Mediengesetz:<br />

Verlag und Herausgeber:<br />

Medizin Medien Austria GmbH<br />

1120 Wien, Grünbergstr. 15<br />

Tel.: (01) 54 600-0, Fax: (01) 54 600-710<br />

Geschäftsführer: Thomas Zembacher<br />

Prokuristin: Pia Holzer<br />

Berater des Herausgebers:<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Heinz F. Hammer<br />

Leitung Medizin Medien/Redaktion:<br />

Mag. (FH) Manuela Klauser, DW 650,<br />

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Chefredaktion: Mag. Hans-Jörg Bruckberger,<br />

DW 620, h.bruckberger@medizin-medien.at<br />

Redaktion: Mag. Patricia Herzberger<br />

(Chefin vom Dienst), Mag. Anita Groß,<br />

Dr. med. Luitgard Grossberger, Iris Kofler, MSc<br />

Fax: DW 735, redaktion@medical-tribune.at<br />

Ständige Mitarbeiter:<br />

Mag. Nicole Bachler, Reno Barth, Univ.-Prof. Dr.<br />

med. Heinz F. Hammer, Univ.-Prof. Dr. med. Johann<br />

Hammer, Mag. Dr. med. Rüdiger Höflechner, Mag.<br />

Michael Krassnitzer, Mag. Karin Martin, Hannes<br />

Schlosser, Dr. med. Ulrike Stelzl, Mag. Petra Vock<br />

Lektorat: Mag. Eva Posch<br />

Layout und Herstellung: Günther Machek,<br />

Hans Ljung, Johannes Spandl<br />

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Reinhard Rosenberger, DW 510,<br />

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Einzelpreis € 4,–, Jahresabo € 81,– (inkl. Porto),<br />

Studenten und Ärzte in Ausbildung € 61,–<br />

Konto für Abo-Zahlung: UniCredit Bank Austria AG,<br />

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Druck: Vogel Druck und Medienservice GmbH &<br />

Co. KG, D-97204 Höchberg, DVR-Nr.: 4007613;<br />

ISSN 0344-8304<br />

Blattlinie: Informiert Ärzte über Medizin,<br />

Gesundheitspolitik und Praxisführung<br />

Unternehmensgegenstand der Medizin Medien<br />

Austria GmbH: Herausgabe, Verlag, Druck und<br />

Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften sowie<br />

sonstiger periodischer Druckschriften. Die Produktion<br />

und der Vertrieb von Videofilmen. Die Durchführung<br />

von Werbungen aller Art, insbesondere Inseratenwerbung<br />

(Anzeigenannahme), Plakatwerbung,<br />

Ton- und Bildwerbung, Reportagen, Ausarbeitung<br />

von Werbeplänen und alle sonstigen zur Förderung<br />

der Kundenwerbung dienenden Leistungen.<br />

Gesellschafter der Medizin Medien<br />

Austria GmbH: Alleinige Gesellschafterin der<br />

Medizin Medien Austria GmbH ist Süddeutscher<br />

Verlag Hüthig Fachinformationen GmbH (SVHFI).<br />

Gesellschafter SVHFI sind die Süddeutscher<br />

Verlag GmbH mit 99,718%, Herr Holger Hüthig<br />

mit 0,102%, Frau Ruth Hüthig mit 0,09%, Herr<br />

Sebastian Hüthig mit 0,045% und Frau Beatrice<br />

Hüthig mit 0,045%.<br />

Anmerkungen des Verlages<br />

Mit der Einsendung eines Manuskriptes erklärt<br />

sich der Urheber damit einverstanden, dass sein<br />

Beitrag ganz oder teilweise in allen Ausgaben,<br />

Sonderpublikationen und elektronischen Medien der<br />

Medizin Medien Austria GmbH und der verbundenen<br />

Verlage veröffentlicht werden kann.<br />

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung<br />

und Verbreitung sowie der Übersetzung,<br />

vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf<br />

in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein<br />

anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung<br />

des Verlages reproduziert oder unter Verwendung<br />

elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet,<br />

vervielfäl tigt, verwertet oder verbreitet werden.<br />

Zur besseren Lesbarkeit wurde an einigen Stellen<br />

die männliche Schreibweise gewählt, z.B. „Ärzte“<br />

statt „Ärztinnen“. Dabei handelt es sich ausdrücklich<br />

um keine Bevorzugung eines Geschlechts.<br />

Leseranalyse medizinischer<br />

Fachzeitschriften<br />

Dieses Druckerzeugnis<br />

wurde mit dem Blauen Engel<br />

zertifiziert.<br />

Diskutierten (v.l.): Josef Probst, Christina Cepuch, Esteban Burrone, Hanne B. Pedersen, Clemens Auer, Sabine Vogler, Wolf-D. Ludwig, Jan O. Huber.<br />

Strittige Medikamentenpreise<br />

DISKUSSION ■ Der Zugang zu Arzneimitteln wird auch in den Industrieländern immer mehr zum Thema.<br />

Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion im Gesundheitsministerium suchte Lösungsansätze.<br />

TANJA BECK<br />

„Menschen wie ich ignorierten das<br />

Thema ‚Zugang zu Arzneimitteln‘ für<br />

lange Zeit, weil es in Österreich kein<br />

Problem war“, berichtete Dr. Clemens<br />

Auer, Leiter der Sektion I (Gesundheitssystem,<br />

zentrale Koordination)<br />

im Gesundheitsministerium, zu Beginn<br />

der Diskussion, „dann kam Hepatitis<br />

C und eine amerikanische<br />

AU/CDTN/13/0002a(1)<br />

Firma. In diesem Moment begannen<br />

sogar Leute wie ich zu realisieren,<br />

dass wir ein Problem haben.“<br />

Ein wichtiges Thema für die Sozialversicherung<br />

ist, dass die Therapiekosten<br />

für weit verbreitete Erkrankungen<br />

ständig steigen. So betonte Dr. Josef<br />

Probst, Generaldirektor des Hauptverbandes<br />

der österreichischen Sozialversicherungsträger,<br />

dass die Therapiekosten<br />

für cholesterinsenkende Medikamente<br />

von 70 bis 430 Euro im Jahr<br />

auf bis zu 5000 Euro pro Jahr gestiegen<br />

sind. Zählt man die Kosten für<br />

alle 700.000 Patienten, die in Österreich<br />

cholesterinsenkende Medikamente<br />

einnehmen, zusammen, schlägt<br />

das im Sozialversicherungsbudget mit<br />

fünf Millionen Euro zu Buche.<br />

Hier habe man nur zwei Möglichkeiten:<br />

Man schließt Patienten<br />

von der Therapie mit hochpreisigen<br />

Medikamenten aus, oder man<br />

bringt das Sozialversicherungs-<br />

Candesartan/HCT rtp ®<br />

Jetzt kommt Bewegung in die<br />

Blutdrucktherapie<br />

IND-FREI<br />

Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />

system in Schwierigkeiten. „Wovon<br />

ich spreche, ist eine faire Preisgestaltung.<br />

Denn weltweit haben die Firmen<br />

begonnen, ihre Monopolstellungen<br />

für extreme Preisgestaltung zu<br />

nutzen“, so Probst. Derzeit seien die<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen so<br />

gestaltet, dass sie dem Treiben keine<br />

Grenzen setzen.<br />

Dr. Jan Oliver Huber, Geschäftsführer<br />

der Pharmig, konterte. Seiner<br />

Meinung nach gibt es in Österreich<br />

kein Problem mit dem Zugang zu Arzneimitteln.<br />

Das rechtliche Rahmenwerk<br />

werde von der Politik geschaffen,<br />

nicht von der Pharma industrie.<br />

Was das Thema Hepatitis-C-Medikamente<br />

betreffe, so spreche jeder von<br />

den Therapiekosten, aber niemand<br />

davon, dass es möglich sei, Hepatitis<br />

C zu heilen. Ein Problem gebe es in<br />

Österreich nicht bei der Preisbildung,<br />

sondern vielmehr beim Einkauf.<br />

Zweimal zahlen<br />

Ein noch größeres Problem ist laut<br />

Christina Cepuch, Ärzte ohne Grenzen,<br />

dass die Öffentlichkeit für innovative<br />

Arzneimittel oft zweimal bezahlt.<br />

Denn ein Großteil der Grundlagenforschung<br />

wird in öffentlich finanzierten<br />

Einrichtungen gemacht und erst<br />

später an die Industrie verkauft. So finanziere<br />

die öffentliche Hand die Forschung,<br />

die zur Entdeckung eines Arzneimittels<br />

führe, und zahle später noch<br />

einmal für das Arzneimittel. Ein Argument,<br />

dem sich Auer anschloss: „Man<br />

muss sich fragen, wie blöd der öffentliche<br />

Sektor eigentlich ist, zuerst die<br />

Forschung zu finanzieren und dann<br />

auch noch einen höheren Preis für die<br />

Arzneimittel zu bezahlen.“ Man müsse<br />

bereits beim Entdecken eines Moleküles<br />

in öffentlich finanzierten Einrichtungen<br />

beginnen über den Preis zu reden.<br />

„Uns zu sagen, dass es kein Problem<br />

gibt, heißt auch, uns nicht ernst<br />

zu nehmen“, so Auer weiter.<br />

Profit über alles?<br />

Die Pharmaindustrie betont immer<br />

wieder, dass die Ausgaben für Forschung<br />

und Entwicklung für ein Produkt<br />

rund eine Milliarde betragen,<br />

berichtete Probst und prangerte an:<br />

„Wenn man sich die einzelnen Produkte<br />

ansieht, dann machten sie (Gilead,<br />

Anm.) mit Produkten wie dem<br />

Hepatitis-C-Medikament im ersten<br />

Jahr einen Turn over von 25 Milliarden<br />

und hatten einen Gewinn von<br />

gut 50 Prozent, das entsprach 14 Milliarden<br />

Euro. Dazu kommt, dass Gilead<br />

nirgendwo Steuern dafür gezahlt<br />

hat. Das ist alles Offshore-Geld. Dieses<br />

Offshore-Geld wird nun dazu verwendet,<br />

um andere Firmen aufzukaufen.“<br />

In Großbritannien gebe es zudem<br />

Evidenz, dass die Produktionskosten<br />

für drei Packungen des Hepatitis-C-Medikaments<br />

130 Dollar betragen.<br />

Probst: „Sie haben uns eine Packung<br />

für 17.000 Euro angeboten.“ Er<br />

betonte auch den finanziellen Background<br />

der Pharmaindustrie: „Die<br />

„Man muss sich fragen,<br />

wie blöd der öffentliche<br />

Sektor ist, zuerst die<br />

Forschung zu finanzieren<br />

und dann auch<br />

noch einen höheren<br />

Preis für die Arzneimittel<br />

zu bezahlen.“<br />

Dr. Clemens Auer<br />

Firma mit dem meisten Offshore-Geld<br />

im Pharmasektor ist Pfizer mit 197 Milliarden<br />

Dollar.“ Diese Summe sei unvorstellbar<br />

groß. Zum Vergleich: BMW,<br />

Volkswagen und Daimler sind an der<br />

Börse zusammen etwa 200 Milliarden<br />

Dollar wert. Probst: „Das Offshore-Geld<br />

von Pfizer ist gleich hoch wie der Bestandswert<br />

der drei größten deutschen<br />

Automobilhersteller.“<br />

Eine Lösung, um Arzneimittel billiger<br />

einzukaufen, wäre eine verstärkte<br />

staatenübergreifende Zusammenarbeit.<br />

Probst: „Wir sollten nicht für<br />

neun Millionen Österreicher einkaufen,<br />

sondern für 40 Millionen Menschen<br />

in den Benelux-Staaten plus<br />

Österreich.“ Um dies zu ermöglichen,<br />

müsse man allerdings zuerst die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen ändern.<br />

MT-INTERAKTIV<br />

Sagen Sie uns Ihre Meinung<br />

redaktion@medical-tribune.at<br />

FOTO: GESUNDHEIT OESTERREICH/MARKO KOVIC


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

3<br />

▶ POLITIK & PRAXIS<br />

■ MELDUNGEN<br />

U-Ausschuss<br />

zu KH Nord?<br />

Nach einem Bericht in der Tageszeitung<br />

„Die Presse“ (5. September<br />

<strong>2017</strong>) über die offenbar nach wie ungeklärte<br />

Kostenfrage zum Bauprojekt<br />

Spital Nord und über die Turbulenzen<br />

im Wiener Krankenanstaltenverbund<br />

(KAV) bezeichnen die ÖVP und die<br />

Neos einen Untersuchungsausschuss<br />

als „unumgänglich“.<br />

Außerdem forderten die zwei Parteien<br />

eine sofortige Ausschreibung<br />

der KAV-Leitung inklusive eines öffentlichen<br />

Hearings. Es werde eine<br />

„transparente Ausschreibung“, wie<br />

sie in der Privatwirtschaft üblich<br />

sei, geben, sagte Gesundheitsstadträtin<br />

Sandra Frauenberger (SP) dazu.<br />

Einen Termin dafür gebe es jedoch<br />

noch nicht.<br />

RED/APA<br />

FOTO: KZENON / GETTYIMAGES<br />

Notärztliche Dienste sind schwierig zu besetzen, es droht ein Personalloch – Experten kritisieren die Ausbildung und eine teils schlechte Bezahlung.<br />

Ärzte in Not – Rettung in Sicht<br />

NOTFALLVERSORGUNG ■ Österreich gehen die Notärzte aus, Paramedics sind laut Ärztekammer aber nicht<br />

notwendig. Sehr wohl jedoch Reformen, allen voran in der Ausbildung. Anfang 2018 soll es so weit sein.<br />

ANITA GROSS<br />

Engpässe bei den Notärzten sorgen<br />

regelmäßig für Schlagzeilen. Anfang<br />

<strong>2017</strong> in Wien, zwischendurch in der<br />

Steiermark, zuletzt in Kärnten. Dr.<br />

Roland Steiner, Referent für Notfallund<br />

Katastrophenmedizin, schlug in<br />

der „Kärntner Ärztezeitung“ (Ausgabe<br />

Juli/August <strong>2017</strong>) Alarm: Es drohe<br />

ein „massives Personalloch“, Dienste<br />

seien immer schwieriger zu besetzen,<br />

zudem steige auch noch die Zahl der<br />

(Fehl-)Einsätze. Als Gründe nennt er<br />

vor allem die neue Ausbildungsordnung<br />

(ÄAO 2015) und die schlechte<br />

Bezahlung von freiberuflichen vs. spitalsgebundenen<br />

Notärzten.<br />

MT nahm dies zum Anlass, bundesweit<br />

genauer hinzuschauen. Welche<br />

Modelle gibt es, wo liegen die<br />

Probleme, wo die Lösungen? In Österreich<br />

gebe es im Wesentlichen fünf<br />

unterschiedliche Notarztsysteme, erklärt<br />

Burgenlands Ärzte-Chef Dr. Michael<br />

Lang, der auch ÖÄK-Referent<br />

für Notfall- und Rettungsdienste sowie<br />

Katastrophenmedizin ist:<br />

▶ KH-gebundene Modelle (überall):<br />

Notarzt ist vom Spital angestellt<br />

und fährt in Kooperation mit einem<br />

Rettungsdienst. Die Dienste<br />

fallen unter das Krankenanstalten-<br />

Arbeitszeitgesetz (KA-AZG).<br />

▶ Berufsrettung (MA 70 in Wien): Die<br />

klassische Form gibt es nicht mehr<br />

(unzureichende Besetzung der<br />

Planstellen), seit 1. April <strong>2017</strong> sind<br />

daher auch in Wien die Notärzte in<br />

Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes<br />

stationiert.<br />

▶ Freiberufliche Modelle (überall<br />

außer Burgenland, bis auf den in<br />

Oberwart stationierten Rettungshubschrauber,<br />

wird aber jetzt angedacht):<br />

Notarzt hat Werkvertrag<br />

mit Rettungsdienst, typisch auch<br />

für Flugrettung.<br />

▶ Kombiniertes Modell (z.B. Steiermark):<br />

KH-gebundene Notärzte<br />

fahren in ihrer Freizeit mit dem<br />

gleichen Dienst.<br />

▶ Niedergelassene Ärzte, die für eine<br />

Blaulichtorganisation als Notärzte<br />

tätig sind (v.a. am Land, z.B. Tirol).<br />

Organisatorisch als auch medizinisch<br />

hält Lang das KH-gebundene Modell<br />

für das beste: „Die Ärzte, meist Anästhesisten<br />

oder Notaufnahmeärzte, arbeiten<br />

im normalen Betrieb mit, sind<br />

medizinisch also ständig am Laufenden.<br />

Der Freiberufliche hat mit der<br />

Notarzttätigkeit nur zu tun in der Zeit,<br />

wo er Einsätze fährt.“ Außerdem: Alle<br />

KH-gebundenen Kollegen sehen die<br />

Folgen ihrer präklinischen Tätigkeit.<br />

„Freizeit ist Freizeit“<br />

Der Nachteil ist die Einschränkung<br />

der Arbeitszeit durch das KA-AZG.<br />

Hier helfen gemischte Modelle: Durch<br />

eine ASVG-Novelle (seit 1.1.2016 in<br />

Kraft) fallen Notärzte, die sowohl<br />

im Spital als auch freiberuflich als<br />

Notärzte tätig sind, aus dem KA-AZG<br />

heraus. Kritikern, die darin eine Umgehung<br />

des KA-AZG sehen, entgegnet<br />

er: „Das muss man schon fair betrachten,<br />

Freizeit ist Freizeit.“ Egal,<br />

ob jemand eine schwere Bergwanderung<br />

mache, extrem sportle oder Notarzt<br />

fahre, „es obliegt sehr wohl dem<br />

Einzelnen, dass er seine Tätigkeit so<br />

wählt, dass er hintennach nicht müde<br />

ins Krankenhaus geht“.<br />

Das weitaus größere Problem sei<br />

ohnehin die drohende Personallücke<br />

durch die ÄAO 2015, wie auch Steiner<br />

aus Kärnten diagnostiziert: Fachärzte<br />

erwerben jetzt das Ius practicandi erst<br />

nach Ende ihrer Ausbildung (nicht<br />

nach dem Turnus), sie dürfen also<br />

gar nicht früher Notarzt fahren, selbst<br />

wenn sie wollten. Die Lösung laut<br />

Steiner: Rasch die „Ausbildung Neu<br />

für Notärzte“ zu beschließen, ein Konzept<br />

liege in der Schublade.<br />

Lang dazu: „Die Verhandlungen<br />

zum ‚Notarzt Neu‘ laufen schon sehr<br />

lange“, mit der ÄAO sei das natürlich<br />

„hochakut“ geworden, der § 40 im<br />

Ärztegesetz (Notarztausbildung) gehöre<br />

grundlegend geändert. Er ist aber<br />

zuversichtlich: „Wir sind in sehr intensiven<br />

Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium<br />

und ich hoffe<br />

doch, dass wir in absehbarer Zeit ein<br />

Ergebnis haben.“ Die Ausbildungsinhalte<br />

seien fertig, es gehe jetzt rein<br />

um die juristischen Hintergründe.<br />

Inhaltlich möchte Lang nichts<br />

„prä judizieren“, die Eckpunkte sind<br />

jedoch klar: Erstens eine qualitativ<br />

hochwertige Ausbildung, u.a. mit supervidierten<br />

Ausfahrten und dem Erlernen<br />

gewisser Skills. Zweitens: „Der,<br />

der da hinausfährt, muss haftungsrechtlich<br />

abgesichert sein.“ Ziel der<br />

neuen gesetzlichen Basis sei es, die<br />

Nachwuchsprobleme abzufangen.<br />

BMGF für rasche Umsetzung<br />

Das Ministerium habe, so Lang,<br />

den von der ÖÄK deponierten Fahrplan<br />

zugesagt: Ein Beginn der neuen<br />

Notärzteausbildung mit 1. Jänner 2018<br />

sei „realistisch“ – trotz Nationalratswahl.<br />

Auf MT-Anfrage bestätigt das<br />

BMGF die laufenden Gespräche mit<br />

der ÖÄK zur Reform der Notarztausbildung,<br />

lässt sich jedoch nicht festnageln:<br />

Für die Umsetzung brauche<br />

es zunächst eine gesetzliche Neuregelung<br />

bzw. in Folge eine Verordnung.<br />

„Bis wann eine Umsetzung möglich<br />

ist, hängt auch davon ab, wie rasch die<br />

Gespräche tatsächlich abgeschlossen<br />

werden können“, man sei jedenfalls<br />

für eine „rasche“ Umsetzung.<br />

„Noch haben wir ein sehr gut funktionierendes<br />

Notarztsystem“, ist Lang<br />

davon überzeugt, „dass es auch nichts<br />

Besseres für den Patienten gibt, als einen<br />

Notarzt vor Ort zu haben“. Von<br />

Alternativen, wie das Notarztsystem<br />

durch Paramedics zu ersetzen, hält<br />

er nichts: „Das ist mit Sicherheit eine<br />

Verschlechterung der Patientenversorgung.<br />

Wir brauchen keine Paramedics,<br />

sondern gut ausgebildete Rettungssanitäter.“<br />

Auch beim Thema Fehleinsätze<br />

spiele es eine Rolle, wie sensibel<br />

eine Zentrale auf Alarmierungen<br />

reagiert – ob sie gleich den Notarzt<br />

schickt oder doch vorher einen gut<br />

ausgebildeten Sanitäter.<br />

Salzburger<br />

Männer holen auf<br />

Statistiker des Landes Salzburg gaben<br />

vorige Woche bekannt, dass die Männer<br />

gegenüber den Frauen in Salzburg<br />

bei der Lebenserwartung leicht aufholen.<br />

Eine 2016 neugeborene Salzburgerin<br />

kann damit rechnen, im Schnitt<br />

84,6 Jahre alt zu werden, ein neugeborener<br />

Salzburger 80,2 Jahre. Vor zehn<br />

Jahren betrug die Lebenserwartung<br />

noch 83,8 bei Frauen und 77,7 Jahre<br />

bei Männern. Damit hat sich der Abstand<br />

zwischen den Geschlechtern um<br />

zirka 1,5 Jahre verringert. Nach wie<br />

vor sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

und Krebs die beiden häufigsten Todesursachen.<br />

Sowohl in Salzburg als<br />

auch bundesweit sind Männer bei allen<br />

Todesursachengruppen stärker als<br />

Frauen gefährdet.<br />

Frankreich weitet<br />

Impfpflicht aus<br />

Die französische Gesundheitsministerin<br />

Agnès Buzyn will ab Jänner<br />

2018 die Impfplicht für Kinder von<br />

drei auf elf Krankheiten ausweiten,<br />

wie kürzlich bekannt wurde. Bisher<br />

sind in Frankreich Impfungen nur<br />

gegen Diphtherie, Tetanus und Polio<br />

verpflichtend, künftig sollen es auch<br />

Impfungen z.B. gegen Pertussis, Masern,<br />

Röteln und Hepatitis B sein. Laut<br />

Medienberichten drohen bei Nichteinhalten<br />

Gefängnisstrafen von bis zu<br />

sechs Monaten und Geldstrafen von<br />

bis zu <strong>37</strong>50 Euro.<br />

DPA<br />

Schweizer<br />

erlauben PID<br />

Seit 1. September <strong>2017</strong> ist Schweizer<br />

Ärzten erlaubt, nach einer künstlichen<br />

Befruchtung den Embryo auf bestimmte<br />

genetische Merkmale zu untersuchen.<br />

Reproduktionsmediziner<br />

Peter Fehr geht davon aus, dass bei<br />

etwa zehn Prozent aller In-vitro-Befruchtungen<br />

eine Präimplantationsdiagnostik<br />

(PID) sinnvoll sei. DPA


4 POLITIK & PRAXIS<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

KAV rüstet auf:<br />

Neue Geräte<br />

in Hietzing<br />

„Dank dieser neuen Geräte können pro<br />

Jahr in Wien um 20 Prozent mehr PatientInnen<br />

behandelt werden“, sagte<br />

der Wiener Bürgermeister Dr. Michael<br />

Häupl anlässlich der Kapazitätserweiterung<br />

im Krankenhaus Hietzing, wo<br />

fortan dank zweier neuer Strahlentherapiegeräte<br />

pro Tag 130 Patienten behandelt<br />

werden können – das sind<br />

doppelt so viele wie bisher.<br />

Ist auch das neue Strahlentherapiezentrum<br />

im Donauspital fertig, dann<br />

erweitern sich die Kapazitäten in der<br />

Bundeshauptstadt sogar um 50 Prozent,<br />

wie der Bürgermeister nicht ohne<br />

Stolz verkündete. Prompt versprach er:<br />

„Dadurch wird sich auch die Wartezeit<br />

in Wien auf eine Strahlentherapie um<br />

mehrere Wochen verringern.“<br />

Strahlentherapie in Wien<br />

Derzeit sind in Wien elf Strahlentherapiegeräte<br />

im Einsatz. Mit den beiden<br />

neuen Geräten in Hietzing und einer<br />

neuen Anlage im Donauspital mit vier<br />

Strahlentherapiegeräten werden 15 Geräte<br />

in Wien für eine Strahlentherapie<br />

zur Verfügung stehen. Die neuen Geräte<br />

im Donauspital werden 2019 ihren<br />

Betrieb aufnehmen, dafür ältere Geräte<br />

in Hietzing und im Donauspital stillgelegt.<br />

„Die neuen Linearbeschleuniger in<br />

Hietzing stehen für Patienten und Patientinnen<br />

aus ganz Wien zur Verfügung.<br />

Die Behandlungsschwerpunkte liegen<br />

auf Prostatakrebs, Brustkrebs, Tumoren<br />

im Hals-Nasen-Ohrenbereich, Darmkrebs<br />

sowie Lungenkrebs“, so Gesundheitsstadträtin<br />

Sandra Frauenberger.<br />

„Der Bau der Infrastruktur und die<br />

Installation der Geräte in Hietzing ist<br />

nun abgeschlossen“, erklärte indes der<br />

medizinische Leiter der Generaldirektion<br />

des Krankenanstaltenverbundes<br />

(KAV), Dr. Michael Binder. Die Anlage<br />

befindet sich in einem „Bunker“ mit<br />

meterdicken Mauern, nun erfolge die<br />

sehr anspruchsvolle Justierung und<br />

Qualitätssicherung bzw. die Einschulung<br />

des Personals. „Am 23. November<br />

kann mit der Behandlung der ersten<br />

PatientInnen begonnen werden“,<br />

so Binder.<br />

RED<br />

Fipronil beschäftigt Minister<br />

EI-SKANDAL ■ Weltweit sind bereits 45 Länder betroffen, EU-Minister<br />

wollen jetzt das europäische Schnellwarnsystem verbessern.<br />

Von dem Skandal um mit Fipronil belastete<br />

Eier sind mittlerweile 45 Länder<br />

betroffen. Bis Redaktionsschluss<br />

hatten 26 der 28 EU-Staaten gemeldet,<br />

dass bei ihnen mit dem Insektengift<br />

verunreinigte Eier oder Eierprodukte<br />

aufgetaucht sind – lediglich Litauen<br />

und Kroatien sind bislang nicht betroffen<br />

gewesen. Hinzu kamen Meldungen<br />

von 19 Nicht-EU-Staaten, darunter die<br />

USA, Russland und die Türkei.<br />

Prompt war der Skandal erstmals<br />

Thema bei einem EU-Ministertreffen,<br />

dem Agrarministertreffen in Estland.<br />

„Es hat sich klar gezeigt, dass hier kriminelle<br />

Machenschaften begangen<br />

500.000 Euro<br />

für Leitstelle<br />

Im zuständigen Wiener Gemeinderatsausschuss<br />

sind die ersten Mittel<br />

für den Aufbau einer gemeinsamen<br />

Leitstelle in Sachen Krankentransporte<br />

beschlossen worden. Gewährt<br />

wurden für die erste Stufe 500.000<br />

Euro, wie das Büro von Gesundheitsstadträtin<br />

Sandra Frauenberger (SPÖ)<br />

mitteilte.<br />

Rettung schlägt Alarm<br />

Die Maßnahme ist Teil der geplanten<br />

Reform des Transports von Patientinnen<br />

und Patienten. Hier hatte es zuletzt<br />

Kritik von Blaulichtorganisationen<br />

gegeben, die beklagt hatten, dass<br />

immer häufiger „normale“ Beförderungsdienste<br />

anstatt Rettungsorganisationen<br />

für Überstellungsfahrten<br />

herangezogen werden.<br />

An einem ersten Runden Tisch im<br />

Juli haben Vertreter der Blaulichtorganisationen,<br />

der Wiener Gebietskrankenkasse,<br />

der Gewerkschaft sowie<br />

auch des Fonds Soziales Wien<br />

teilgenommen. Damals wurde unter<br />

anderem eine Reduktion der geplanten<br />

Kündigungen beim Roten Kreuz<br />

verkündet.<br />

APA<br />

worden sind, die jeweiligen Staatsanwaltschaften<br />

sind eingeschaltet worden“,<br />

sagt Österreichs Landwirtschaftsminister<br />

Andrä Rupprechter.<br />

Warnsystem am Pranger<br />

Er unterstütze Forderungen nach lückenloser<br />

Aufklärung und Verbesserung<br />

des EU-Schnellwarnsystems<br />

RASFF. In den Niederlanden waren<br />

Behörden schon 2016 informiert worden,<br />

dass Fipronil illegal in Ställen eingesetzt<br />

werde. Nach Fällen in Belgien<br />

dauerte es dann noch einmal mehr als<br />

zwei Wochen, bis am 20. Juli die anderen<br />

Mitgliedstaaten informiert wurden.<br />

Der für Lebensmittelsicherheit<br />

zuständige EU-Kommissar Vytenis<br />

Andriukaitis räumte Verbesserungsbedarf<br />

beim Informationsaustausch ein.<br />

Konkret soll darüber am 26. September<br />

bei einem weiteren Treffen gesprochen<br />

werden. Was Österreich betrifft, so betont<br />

Rupprechter, dass die 48 Proben,<br />

wo Fipronil nachgewiesen wurde, im<br />

Großhandel aufgetaucht sind und auf<br />

Deutschland, die Niederlande, Dänemark<br />

und Belgien zurückzuführen waren.<br />

„Das war das Positive, dass kein österreichisches<br />

Ei betroffen war, was ja<br />

durch die heimische Kennzeichnung<br />

nachvollziehbar ist.“<br />

APA/RED<br />

Sesselrücken in den Chefetagen<br />

FÜHRUNGSWECHSEL ■ Gleich<br />

mehrere Konzerne im Gesundheitswesen<br />

haben dieser Tage einen neuen<br />

Chef präsentiert. Allen voran tauscht<br />

der Pharmakonzern Novartis Anfang<br />

2018 den CEO aus. Joseph Jimenez<br />

wird den Konzern nach acht Jahren<br />

an der Spitze auf eigenen Wunsch<br />

verlassen. Sein Nachfolger wird am 1.<br />

Februar 2018 Vasant Narasimhan sein,<br />

der momentan die Medikamentenentwicklung<br />

der Schweizer leitet.<br />

Novartis, Sonova und Stada<br />

An der Strategie des Konzerns soll<br />

sich vorerst nichts ändern, auch die<br />

Zukunft der Augensparte Alcon (das<br />

Augenheilgeschäft ist das Sorgenkind<br />

von Novartis) ist noch offen. Es werden<br />

weiterhin alle Optionen in Betracht<br />

gezogen – vom Behalten des<br />

Bereichs bis zu einem Verkauf, wie es<br />

heißt. Dass Reibereien rund um Alcon<br />

zu seinem angekündigten Rücktritt<br />

geführt hätten, stellte der noch<br />

amtierende Novartis-Chef in Abrede.<br />

Auch beim Schweizer Hörgerätehersteller<br />

Sonova kommt es zu einem<br />

Führungswechsel. Arnd Kaldowski soll<br />

den langjährigen Konzern-Lenker Lukas<br />

Braunschweiler an der Spitze des<br />

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ÖGIM <strong>2017</strong>: Save the date – Gebro Pharma<br />

Lunch Symposium:<br />

Update kardiovaskuläre Prävention – ist die Polypille die Lösung?<br />

Vorsitz: Univ.-Prof. Prim. Dr. Bernd Eber, Ärztlicher Leiter Klinik Wilhering<br />

• Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen – Rationale und Guidelines<br />

Univ.-Prof. Dr. Robert Zweiker, Medizinische Universität Graz<br />

• Adhärenz bei Risikopatienten – ein Risikofaktor?<br />

Univ.-Prof. Prim. Dr. Bernd Eber, Ärztlicher Leiter Klinik Wilhering<br />

• The polypill: a reality in cardiovascular disease and new clinic data<br />

Prof. Dr. Josep Redón, Director of the Internal Medicine Department of the Clinical Hospital<br />

of Valencia, Spain; Scientific Director of the Institute for Health Research INCLIVA<br />

ÖGIM <strong>2017</strong><br />

Kongress Salzburg, Saal Mozart 2, EG<br />

Freitag, 22. September, 12:30–14:00 Uhr<br />

Weltmarktführers ablösen. Braunschweiler<br />

gibt das Steuer am 1. April<br />

2018 ab, will aber in den Verwaltungsrat<br />

wechseln. Er träumt bereits von vier<br />

Milliarden Franken (3,5 Mrd. Euro)<br />

Umsatz (im vergangenen Jahr wurden<br />

2,4 Milliarden Franken umgesetzt).<br />

Beim jüngst von Finanzinvestoren<br />

übernommenen deutschen Arzneimittelhersteller<br />

Stada bahnt sich indes<br />

der bereits vierte Wechsel an der<br />

Führungsspitze innerhalb gut eines<br />

Jahres an. Claudio Albrecht werde<br />

Übergangschef Engelbert Willink<br />

vorzeitig ablösen, teilten die neuen<br />

Eigner Bain und Cinven mit.<br />

Apropos: Im Streit mit dem Investor<br />

Paul Singer (er hält rund 15 % der Stada-Anteile)<br />

um eine höhere Abfindung<br />

für die Stada-Aktionäre sind die beiden<br />

Finanzinvestoren Bain und Cinven<br />

schließlich eingeknickt. Bei Abschluss<br />

eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags<br />

mit Stada wollen sie<br />

den übrigen Aktionären eine Abfindung<br />

von 74,40 Euro pro Aktie anbieten.<br />

Der von Singer kontrollierte Hedgefonds<br />

Elliott hatte zuvor erklärt, er<br />

werde einen Beherrschungsvertrag nur<br />

unterstützen, wenn die Abfindung zumindest<br />

74,40 Euro beträgt. RED<br />

■ MELDUNGEN<br />

Defi für Apotheke<br />

Anlässlich des Welttages der Ersten<br />

Hilfe hat mit der Apotheke St. Veit in<br />

Wien eine weitere Apotheke einen Defibrillator<br />

bekommen. Die Apothekerkammer<br />

schließt damit die nächste Lücke<br />

im österreichweiten Defi-Netz, das<br />

seit 2015 ausgebaut wird.<br />

APA<br />

Zahn um Zahn<br />

Der Vorschlag von Ministerin Dr. Pamela<br />

Rendi-Wagner, eine Gratis­ Mundhygiene<br />

für Kinder einzuführen, sei zu<br />

begrüßen, so Kieferchirurg DDr. Gerald<br />

Jahl. Allerdings greife er zu wenig weit:<br />

„In der Zahnmedizin sind vor allem ältere<br />

und sozial schwächere Schichten<br />

stark benachteiligt.“<br />

APA<br />

■ MEINUNG<br />

Dr. Harald<br />

Retschitzegger<br />

Präsident der<br />

Österreichischen<br />

Palliativgesellschaft<br />

(OPG)<br />

In Beziehung sein<br />

Wir alle kennen besondere Erlebnisse<br />

unseres beruflichen Lebens, welche<br />

uns lange und vielleicht für immer in<br />

Erinnerung bleiben. Bei mir ist dies<br />

unter anderem die erste Hochzeit eines<br />

weit fortgeschritten erkrankten<br />

Palliativpatienten und seiner Frau auf<br />

meiner Palliativstation vor vielen Jahren.<br />

Nie werde ich diese berührende<br />

Feier vergessen. Der Mann verstarb<br />

nach drei Wochen. Die Ehe dauerte<br />

sein Leben lang.<br />

Die Liebe als besondere Kraft und<br />

wesentliches Element im Leben. Im<br />

Leben unserer PatientInnen und in<br />

unserem eigenen. Immer noch beeindruckt<br />

es mich, wenn ich jetzt „alte“<br />

Paare in meiner palliativgeriatrischen<br />

Tätigkeit erlebe. Da sind diese zwei<br />

lang vertrauten Menschen im Pflegeheim,<br />

die jeden Tag miteinander spielen.<br />

„Mensch ärgere dich nicht“ – ja,<br />

das traditionelle Brettspiel – und oft<br />

auch das andere „Spiel“, das des zwischenmenschlichen<br />

Lebens und Erlebens.<br />

Abschied nehmen<br />

Und diese anderen Beiden, seit nahezu<br />

70 Jahren miteinander verheiratet.<br />

Eine fortgeschrittene Demenzerkrankung<br />

ist mittlerweile Teil ihrer<br />

Beziehung, ihres jahrzehntelangen<br />

Paarlebens. Jeden Tag verbringen sie<br />

miteinander, nach wie vor. Ich finde,<br />

mittlerweile sehen sie sich schon sehr<br />

ähnlich, diese Zwei.<br />

Natürlich ist das Abschiednehmen<br />

Teil dieser Beziehungen, oft unbewusst,<br />

oft aber auch bewusst. Auch in<br />

dieser hier: Lange Zeit hat „sie“ „ihn“<br />

betreut. Ganz plötzlich hat sich nun<br />

der Gesundheitszustand der Frau verschlechtert,<br />

und ihr Mann sitzt beim<br />

Bett und nimmt emotional Abschied<br />

von seiner Frau.<br />

Worauf es ankommt<br />

Und während das Wiener Burgtheater<br />

die Theatersaison großartig mit<br />

Shakespeares bezaubernder Komödie<br />

des jungen Liebens und Lebens<br />

„Ein Sommernachtstraum“ eröffnet,<br />

kommt mit „Unsere Seelen bei<br />

Nacht“ nach dem Bestseller von Kent<br />

Haruf ein Film ins Kino, in dem Jane<br />

Fonda und Robert Redford sich alt<br />

neu verlieben.<br />

„Worauf kommt’s im Leben an?“,<br />

war die regelmäßige letzte Frage in<br />

einer schönen Interviewserie. Leben<br />

ist ein In-Beziehung-Sein. Bis zuletzt.<br />

Unsere Beziehungen sind, wie<br />

sie sind und wie wir sind. Wir können<br />

uns jedenfalls glücklich schätzen,<br />

wenn es uns gelingt, unsere Beziehungen<br />

gut zu leben.<br />

MT-INTERAKTIV<br />

Sagen Sie uns Ihre Meinung<br />

redaktion@medical-tribune.at<br />

FOTO: PRIVAT


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Fachkurzinformationen auf Seite 14


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Inter <strong>Medical</strong> report<br />

Osteoporose: Risikopatientinnen identifizieren<br />

PROLIA ® (DENOSUMAB) ■ Insbesondere nach Hüftfrakturen ist das Risiko für eine Folgefraktur innerhalb nur eines Jahres 1 hoch. Denosumab zweimal<br />

jährlich 60 mg subkutan zeigt sich auch bei über 75-Jährigen 2-4 , die ein hohes Risiko 5 für Hüftfrakturen haben, anhaltend gut wirksam.<br />

FOTO: ULI KIESSWETTER<br />

Epidemiologischen Studien zufolge<br />

6 wird jede zweite Frau über<br />

80 Jahre im Verlauf ihres weiteren<br />

Lebens eine osteoporotische Fraktur<br />

erleiden, macht Univ.-Prof. Dr.<br />

Kristina Åkesson, Lund Universität,<br />

Schweden, bei einem ECTS-Symposium<br />

in Salzburg aufmerksam<br />

(Vorsitz: Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinrich<br />

Resch, Leiter der II. Medizinischen<br />

Abteilung am Krankenhaus<br />

der Barmherzigen Schwestern in<br />

Wien). „Wir Kliniker stehen daher<br />

vor der Aufgabe, jene Frauen zu<br />

identifizieren, die ein besonders hohes<br />

Risiko für eine osteoporotische<br />

Fraktur haben!“<br />

Hohes Risiko für Folgefraktur<br />

Åkesson erinnert daran, dass sich<br />

die typischen Lokalisationen einer<br />

osteoporotischen Fraktur mit dem<br />

Lebensalter verändern. 7 „Während<br />

bei 50- bis 54-jährigen Frauen<br />

beinahe die Hälfte aller Frakturen<br />

den Radius betrifft, dominieren im<br />

hohen Alter die Hüftfrakturen 5 .“<br />

Und nach Hüftfrakturen sei das Risiko<br />

für eine Folgefraktur innerhalb<br />

nur eines Jahres 1 besonders hoch,<br />

wenn nicht ausreichend behandelt<br />

werde, ergänzt die schwedische<br />

Orthopädin.<br />

Åkesson schlägt daher fünf gezielte<br />

Maßnahmen vor, um sich<br />

einen ersten Überblick über das<br />

Frakturrisiko einer älteren Patientin<br />

zu verschaffen: „Erfassen Sie<br />

die klinischen Risikofaktoren,<br />

veranlassen Sie eine Knochendichtemessung<br />

(DEXA), machen<br />

Sie eine Aufnahme der Wirbelsäule,<br />

etwa ein Röntgen, klären Sie, ob<br />

Gründe für eine sekundäre Osteoporose<br />

vorliegen könnten, und<br />

prüfen Sie, ob Ihre Patientin noch<br />

mit adäquater Geschwindigkeit<br />

gehen kann.“ Ein gutes Hilfsmittel<br />

zur Abschätzung des individuellen<br />

Frakturrisikos sei zum Beispiel<br />

auch das FRAX ® -Tool, so Åkesson.<br />

Patientinnen identifizieren<br />

Auf organisatorischer Ebene<br />

könne die Implementierung eines<br />

Fracture Liasion Service (FLS) dazu<br />

beitragen, sowohl im stationären<br />

als auch im ambulanten Bereich<br />

die sektorübergreifende Identifizierung<br />

und Behandlung von Osteoporosepatienten<br />

zu verbessern.<br />

Åkesson: „Idealerweise sollte der<br />

FLS dem Hausarzt eine umfassende<br />

Dokumentation und einen<br />

Behandlungsplan für jeden Osteoporosepatienten<br />

zur Verfügung<br />

stellen, sowie die Nachbetreuung<br />

durch den Spezialisten initiieren,<br />

falls erforderlich.“<br />

Univ.-Prof. Dr. Socrates Papapoulos,<br />

Universität Leiden,<br />

Niederlande, beleuchtet im anschließenden<br />

Vortrag mögliche<br />

Strategien zur Behandlung von<br />

älteren Patientinnen mit erhöhtem<br />

Osteoporoserisiko. „Grundlage jeder<br />

Frakturprävention ist immer die<br />

ausreichende Supplementierung<br />

mit Kalzium und Vitamin D!“ Zudem<br />

sollten ältere Menschen genügend<br />

Proteine mit der Nahrung zuführen<br />

und, so Papapoulos, „denken Sie<br />

auch an nichtpharmakologische<br />

Interventionen, um das Sturzrisiko<br />

zu senken.“<br />

Über 75-Jährige geprüft<br />

Um den Einfluss einer pharmakologischen<br />

Therapie auf das Hüftfrakturrisiko<br />

abzubilden, sei es durchaus<br />

valide 8 , den Surrogatmarker<br />

Knochenmineraldichte heranzuziehen.<br />

„Zudem ist zu prüfen, ob es für<br />

die geplante Medikation spezifische<br />

Studiendaten bei älteren Populationen<br />

gibt.“<br />

Papapoulos erläutert, dass zum<br />

Beispiel ein Drittel der Frauen<br />

aus der für den RANKL-Inhibitor<br />

Denosumab zulassungsrelevanten<br />

Studie FREEDOM 9 älter als 75<br />

Jahre war. In weiterer Folge wurden<br />

diese Patientinnen (n=2471) in<br />

einer eigenen Subgruppenanalyse 2<br />

spezifisch untersucht.<br />

Papapoulos präsentiert<br />

diese Ergebnisse:<br />

„Unter Denosumab<br />

zweimal jährlich 60 mg<br />

subkutan kam es bei<br />

den über 75-Jährigen<br />

Teilnehmerinnen nach<br />

drei Jahren gegenüber<br />

Placebo zu einer<br />

Reduktion der Zahl<br />

der Hüftfrakturen 2 um<br />

62 Prozent (p=0,007<br />

vs. PBO).“ Aus einer weiteren Analyse<br />

3 geht hervor, dass in diesem Kollektiv<br />

auch die Zahl der vertebralen<br />

Frakturen um 64 Prozent verringert<br />

werden konnte (p


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

MEDIZIN<br />

7<br />

ELVIS & GARFIELD entlarven Immundefekte<br />

PRIMÄRE IMMUNDEFKTE ■ Von Infektionsprophylaxe bis zur Immunglobulinsubstitution und vielleicht sogar bald auch der Gentherapie: Für primäre<br />

Immundefekte stehen einige Behandlungsoptionen zur Verfügung. Doch dazu müssen sie erst erkannt werden. Und das ist nicht immer ganz leicht.<br />

IRIS KOFLER<br />

Wie viele Infekte pro Jahr sind eigentlich<br />

noch „normal“ und wann sollten<br />

die Alarmglocken klingeln? Welche<br />

Laborbefunde können bei einem Verdacht<br />

auf einen primären Immundefekt<br />

weiterhelfen und wann überweist<br />

man den Patienten besser an ein spezialisiertes<br />

Zentrum weiter?<br />

Die aktualisierte AWMF-Leitlinie<br />

zur Diagnostik von primären Immundefekten<br />

soll Orientierung geben,<br />

wird aber erst im Oktober veröffentlicht.<br />

Bei den Ärztetagen in Velden<br />

gab Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Förster-Waldl,<br />

Leiterin für Störungen der<br />

Immunabwehr an der Universitätsklinik<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde,<br />

AKH Wien, allerdings bereits<br />

einen praxisnahen Einblick in die Basisdiagnostik.<br />

Pathologische<br />

Infektanfälligkeit<br />

Das Leitsymptom ist meist die erhöhte<br />

Infektanfälligkeit. Als „normal“<br />

gelten im Kleinkindalter etwa<br />

fünf Infekte pro Jahr, im Schulalter<br />

um die drei und bei Erwachsenen<br />

zwei. Mindestens ebenso wichtig wie<br />

die Anzahl der Infekte ist allerdings,<br />

ob es sich nur um banale Infekte oder<br />

„Immundefekt heißt<br />

nicht immer Defizienz,<br />

sondern kann auch<br />

Überreaktivität des<br />

Immunsystems<br />

bedeuten.“<br />

Univ.-Prof. Dr. Förster-Waldl<br />

schwere (Meningitis, Osteomyelitis,<br />

Sepsis, septische Arthritiden) handelt,<br />

ob Residuen auftreten oder Rezidive<br />

mit demselben Keim und ob es sich<br />

um opportunistische Erreger handelt.<br />

Bei der Abgrenzung einer physiologischen<br />

von einer pathologischen<br />

Infektanfälligkeit hilft das Akronym<br />

ELVIS (siehe rechts).<br />

Differenzialdiagnostisch gilt es allerdings<br />

zu beachten, dass hinter einer<br />

pathologischen Infektanfällgikeit<br />

auch nicht-immunologische Ursachen<br />

stecken können. So begünstigen Barrierestörungen<br />

der Haut im Rahmen<br />

einer Neurodermitis oder nach einer<br />

Verbrennung das Eintreten von Erregern<br />

in die Haut. Pneumonien können<br />

auch durch Schluckstörungen<br />

oder eine Cystische Fibrose gefördert<br />

werden und unter der Einnahme von<br />

Protonenpumpenhemmern können<br />

mehr GI-Infekte auftreten.<br />

Immundysregulation:<br />

Atopie und Autoimmunität<br />

Doch auch wenn die vermehrte Infektanfälligkeit<br />

das bekannteste Anzeichen<br />

für einen Immundefekt ist, ist<br />

sie lange nicht das einzige und muss<br />

auch nicht bei jedem Patienten im Vordergrund<br />

stehen. „Immundefekt heißt<br />

nicht immer Defizienz, sondern kann<br />

auch durchaus Überreaktivität des Immunsystems<br />

bedeuten“, betonte Förster-Waldl<br />

und wies auf die Auswirkungen<br />

der Immundysregulation hin. So<br />

kann ein primärer Immundefekt auch<br />

durch besonders ausgeprägte atopische<br />

Symptome, autoimmunologische Phänomene<br />

oder gar durch eine maligne<br />

Erkrankung erstmals auffällig werden.<br />

Das Akronym GARFIELD (siehe<br />

rechts) fasst zusammen, wann es sich<br />

lohnt, an eine Immundysregulation<br />

zu denken.<br />

Besteht der Verdacht auf einen<br />

primären Immundefekt, gilt es, in<br />

der Anamnese genauer nachzufragen.<br />

Da es sich um erbliche Erkrankungen<br />

handelt, ist die Familienanamnese<br />

besonders wichtig. „Es<br />

macht wenig Sinn, nachzufragen,<br />

ob es in der Familie schon einmal<br />

einen primären Immundefekt gab“,<br />

schränkte Förster-Waldl ein. Zielführender<br />

sei es, zu erfassen, ob ungewöhnliche<br />

Infektverläufe aufgetreten<br />

sind, ein Familienmitglied im frühen<br />

Lebensalter aufgrund einer durchgemachten<br />

Infektion plötzlich verstorben<br />

ist oder Autoimmunerkrankungen<br />

in der Verwandtschaft diagnostiziert<br />

wurden. Weitere Anhaltspunkte<br />

liefern eventuell aufgetretene<br />

Impfkomplikationen, Entzündungen<br />

beim Zahnen und Omphalitiden<br />

beim Neugeborenen. Förster-Waldl<br />

erklärte: „Die Abheilung des Nabels<br />

ist eine der ersten Prüfungen für das<br />

Immunsystem.“ Tritt beim Abheilen<br />

des Nabels eine Omphalitis auf oder<br />

fällt er sehr spät ab, könne das ein<br />

erster Hinweis auf eine Granulozytenfunktionsstörung<br />

sein.<br />

Als Basisdiagnostik soll ein Differenzialblutbild<br />

gemacht werden.<br />

„Dabei ist es wichtig, auch die Absolutzahlen<br />

der verschiedenen Zellpopulationen<br />

zu erfassen“, betonte<br />

Förster-Waldl.<br />

Ebenfalls zur Basis-Immundiagnostik<br />

gehört die Erfassung der Serumspiegel<br />

der Immunglobuline (IgA,<br />

IgM, IgG, IgE). IgE ist ein sensibler<br />

Parameter, um die Immundysregulation<br />

zu erfassen.<br />

Wichtig ist dabei allerdings, die altersspezifischen<br />

Normwerte zu beachten.<br />

Denn während man noch vor 15<br />

Jahren davon ausging, das niedrige<br />

Werte immer therapiert werden müssen,<br />

gilt beispielsweise die transiente<br />

Hypogammaglobulinämie des Neugeborenen<br />

heute nicht mehr als behandlungsbedürftig.<br />

Victoza ® – Der einzige GLP-1 RA, der nachweislich<br />

kardiovaskuläre Ereignisse verhindert 1,2,3<br />

Neu!<br />

Verhinderung von<br />

CV-Ereignissen 1,2<br />

Unübertroffene<br />

HbA 1C<br />

-Senkung 4-10<br />

Nützen Sie die Vorteile des meistverschriebenen<br />

GLP-1 RA für Ihre Patienten 11<br />

AT/LR/0817/0071 · Fachkurzinformation, Referenzen und Kontakt siehe Seite 14<br />

BEI TYP-2-DIABETES<br />

Überlegene<br />

Gewichtsreduktion 4-10<br />

Liraglutid Injektion<br />

Impfantikörper gelten als sehr gute<br />

Surrogatmarker, um die B-Zell-Achse<br />

des humoralen Immunsystems näher<br />

zu bestimmen. Hat man auch den<br />

Impfpass zur Hand, lässt sich feststellen,<br />

ob der Patient adäquat auf Impfungen<br />

angesprochen hat.<br />

So hilfreich die Basislabordiagnostik<br />

auch ist, alle primären Immundefekte<br />

lassen sich damit nicht entdecken.<br />

Für Förster-Waldl ist daher ganz<br />

klar: „Wenn die Klinik immer wieder<br />

darauf hinweist, dass es sich bei dem<br />

Patienten um einen primären Immundefekt<br />

oder überhaupt um irgendeine<br />

immunologische Störung handeln<br />

könnte, dann muss weiterführende<br />

Diagnostik vorangetrieben werden.“<br />

„ELVIS“ steht für<br />

pathologische<br />

Infektanfälligkeit<br />

▶ Erreger<br />

▶ Lokalisation<br />

▶ Verlauf<br />

▶ Intensität<br />

▶ Summe<br />

„GARFIELD“ steht für<br />

Immundysregulation<br />

▶ Granulome<br />

▶ Autoimmunität<br />

▶ Rezidivierendes Fieber<br />

▶ Fieber<br />

▶ Ekzeme<br />

▶ Lymphoproliferation<br />

▶ Chronische Darmentzündung<br />

Gar nicht so selten<br />

Molekulargenetisch lassen sich mittlerweile<br />

mehr als 300 unterschiedliche primäre<br />

Immundefekte differenzieren. Die<br />

einzelnen Krankheitsbilder sind für sich<br />

genommen zwar Rare Diseases, doch alle<br />

primären Immundefekte zusammen<br />

dürften eine Prävalenz von etwa 1:1200<br />

haben (US-Daten).<br />

Tipp<br />

Die aktualisierte AWMF-Leitlinie ist<br />

ab Oktober verfügbar:<br />

www.awmf.org/leitlinien<br />

Pille gegen Spätdyskinesien<br />

PSYCHIATRIE ■ Die konsequente<br />

Einnahme von Antipsychotika<br />

schützt Schizophrenie-Patienten zwar<br />

vor erneuten Schüben, geht aber auch<br />

mit Nebenwirkungen einher.<br />

Gerade Spätdyskinesien wie unwillkürliches<br />

Schmatzen oder Grimassieren<br />

belasten die Betroffenen<br />

sehr und tragen zu einer zusätzlichen<br />

Stigmatisierung bei. Behandlungsoptionen<br />

sind allerdings rar.<br />

Das Huntington-Medikament Deutetrabenazin<br />

hat sich nun in einer<br />

placebokontrollierten doppelblinden<br />

Phase-III-Studie bewährt.<br />

In Dosierungen von 24 bzw. 36 mg<br />

pro Tag wurde bei 49 % eine 30%ige<br />

Verbesserung festgestellt, bei weiteren<br />

30 % eine über 50%ige und bei 12<br />

bzw. 16 % eine über 70%ige Verbesserung.<br />

Eine 30%ige Verbesserung zeigte<br />

allerdings auch ein Drittel der Placebogruppe.<br />

<br />

RED<br />

DOI: 10.1016/S2215-0366(17)30236-5<br />

Salmonellen kaum noch Thema<br />

AGES-BERICHT ■ Salmonellen werden immer seltener, Campylobacter-Infektionen nehmen weiter zu.<br />

Die Anzahl der Salmonellosen hat in<br />

Österreich im Jahr 2016 ein neues Rekordtief<br />

erreicht. Mit 1415 laborbestätigten<br />

und im epidemiologischen<br />

Meldesystem erfassten Erkrankungsfällen<br />

war die Salmonellose-Inzidenz<br />

im Vorjahr um ganze 83 Prozent geringer<br />

als 2002.<br />

Häufiger sind nach wie vor Campylobacter-Infektionen,<br />

die die Salmonellen<br />

schon vor zehn Jahren überholt<br />

haben, seitdem einen stetigen Anstieg<br />

verzeichnet haben und sich auch 2016<br />

mit 7084 bestätigten Fällen auf Platz<br />

eins der Ursachen für Lebensmittelvergiftungen<br />

behaupten konnten.<br />

Fast schon Seltenheitswert hat dagegen<br />

die Trichinellose: Im Vorjahr<br />

wurden in Österreich nur zwei Fälle<br />

verzeichnet, allerdings ist beim einen<br />

gesichert, dass er sich im Ausland angesteckt<br />

hat, beim anderen gilt es als<br />

wahrscheinlich.<br />

An invasiver Listeriose erkrankten<br />

im Vorjahr 46 Menschen, allerdings<br />

wurde kein einziger Fall einer<br />

schwangerschaftsassoziierten Erkrankung<br />

gemeldet. <br />

IKO<br />

www.ages.at


8 MEDIZIN<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

Übergewicht an der<br />

Schule ausbremsen<br />

PRÄVENTION ■ Mehr Muskelmasse, bessere Motorik,<br />

weniger Körperfett lautet das Fazit eines Wiener Projekts.<br />

„Die Behandlung von Übergewicht<br />

ist äußerst schwierig und sehr wenig<br />

erfolgreich“, bedauert Univ.-Prof. Dr.<br />

Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen<br />

Akademischen Instituts für<br />

Ernährungsmedizin (ÖAIE). „Übergewichtige<br />

Jugendliche entwickeln z.B.<br />

wesentlich schneller einen Diabetes<br />

als ein Erwachsener, und Jugendliche<br />

mit hochgradigem Übergewicht bekommen<br />

Herz-Kreislauf-Probleme,<br />

Hochdruck, haben Skelettprobleme,<br />

Knieschmerzen, können nicht mehr<br />

mitturnen.“ Nicht zu vergessen seien<br />

die psychischen Probleme bis hin zur<br />

Depression. Adipöse Jugendliche neigen<br />

dazu, sich zu isolieren.<br />

■ WISSENSCHAFT FÜR DIE PRAXIS<br />

Lungenkrebs:<br />

HBV-Scree ning vor Chemo<br />

Chemotherapie kann zur Reaktivierung<br />

einer chronischen Virushepatitis<br />

führen, weswegen Trägern des Hepatitis-B-Virus<br />

(HBsAG-positive) die<br />

Einnahme antiviraler Medikamente<br />

vor der Einleitung einer Chemotherapie<br />

empfohlen wird. Die meisten<br />

Metaanalysen dazu haben sich auf<br />

Patienten mit Lymphom oder Brustkrebs<br />

konzentriert. Nun wurde untersucht,<br />

ob auch die Chemotherapie<br />

eines Lungenkarzinoms zu einer<br />

HBV-Reaktivierung führen kann und<br />

daher vor einer Chemotherapie ein<br />

HBV-Screening durchgeführt werden<br />

soll. Dazu wurde eine Metaanalyse<br />

von elf beobachtenden Kohortenstudien,<br />

in die 794 HBsAg-positive Patienten<br />

unter chemotherapeutischer<br />

Lungenkrebsbehandlung eingeschlossen<br />

worden waren, durchgeführt. Es<br />

wurden alle bis November 2016 veröffentlichten<br />

Studien identifiziert, in<br />

denen HBsAG-positive Patienten eine<br />

Chemotherapie erhalten hatten, unabhängig<br />

davon, ob sie eine antivirale<br />

Therapie erhalten hatten oder nicht.<br />

Von den für die Metanalyse geeigneten<br />

Studien waren neun retrospektiv<br />

und zwei waren prospektiv. 326 der<br />

insgesamt 794 Patienten (41 %) hatten<br />

eine Prophylaxe mit Lamivudin<br />

(n = 211) oder Entecavir (n = 115) erhalten.<br />

Es stellte sich heraus, dass<br />

ohne antivirale Prophylaxe die mittlere<br />

HBV-Reaktivierungsrate 21 % (Bereich<br />

zwischen 0 % und 38 %) betrug.<br />

Mit einer antiviralen Prophylaxe lag<br />

die mittlere Rate dagegen bei nur 4 %<br />

(Bereich: 0 % bis 7 %). Die antivirale<br />

Prophylaxe reduzierte somit das Risiko<br />

für eine HBV-Reaktivierung um<br />

78 %, für eine Hepatitis um 65 % und<br />

für eine Unterbrechung der Chemotherapie<br />

um 71 %.<br />

Yu-tuan W et al., PLOSOne <strong>2017</strong>; https://<br />

doi.org/10.1<strong>37</strong>1/journal.pone.0179680<br />

Für die Praxis<br />

Von<br />

Univ.-Prof.<br />

Dr. Heinz<br />

Hammer<br />

Med Uni Graz<br />

Patienten, die positiv auf das HBV-Oberflächenantigen<br />

(HBsAg+) getestet wurden,<br />

haben ein höheres Risiko für eine<br />

virale Reaktivierung und verbundene<br />

Komplikationen während einer Chemotherapie<br />

gegen Lungenkrebs. Diese Patienten<br />

sollten daher vor Einleitung einer Chemotherapie<br />

eine antivirale Therapie erhalten.<br />

Folat senkt gastrointestinales Krebsrisiko<br />

Gesundheitsunterricht kann Kinder körperlich fitter machen.<br />

Widhalm hat daher ein Interventionspaket<br />

unter dem Titel „EDDY- Young“<br />

an zwei Wiener Schulen getestet und<br />

neulich Zwischenergebnisse in Wien<br />

in den Räumlichkeiten der Österreichischen<br />

Ärztekammer präsentiert.<br />

Insgesamt nahmen 160 Schüler im<br />

Alter zwischen acht und zehn Jahren<br />

an dem Projekt teil, davon 88 in der<br />

Kontrollgruppe und 72 in der Interventionsgruppe.<br />

Die Interventionsgruppe erhielt<br />

acht Unterrichtsstunden zum Thema<br />

Ernährung und 16 Bewegungseinheiten<br />

pro Semester und das zwei Semester<br />

lang. Zusätzlich konnten die Kinder<br />

mithilfe einer App das erlernte<br />

Wissen spielerisch vertiefen. Am<br />

Handy sollten sie ein Wesen namens<br />

„Cally“ täglich füttern und im Laufe<br />

der Zeit die Auswirkungen der gewählten<br />

Ernährung beobachten. Nach<br />

einer ungesunden Diät wurde der digitale<br />

Schützling beispielsweise energielos<br />

und dicker. Die App enthielt<br />

auch Quizfragen und Ähnliches.<br />

Nach sechs Monaten zeigte sich<br />

im Gegensatz zur Kontrollgruppe, die<br />

■ KOPF ODER ZAHL<br />

keine Intervention erhielt, eine signifikante<br />

Verbesserung der sportmotorischen<br />

Leistungen. Das Ernährungswissen<br />

und -verhalten verbesserte<br />

sich. Die Muskelmasse stieg an, dafür<br />

konnte der Anstieg der Fettmasse<br />

gebremst werden.<br />

„Prävention in diesem Bereich<br />

ist nicht nur möglich, sondern auch<br />

dringend notwendig“, ist Ärztekammer-Präsident<br />

Prof. Dr. Thomas Szekeres<br />

überzeugt. Doch nach wie vor<br />

gebe Österreich zu wenig Geld für Prävention<br />

aus, „es ist wesentlich weniger<br />

als der Durchschnitt der EU-Länder“.<br />

Gesundheitserziehung könnte<br />

zwar von Schul ärzten geleistet werden,<br />

doch der Haken daran ist: Die<br />

Schulen sind nicht einem Ministerium<br />

zugeordnet und die Zuständigkeiten<br />

seien unklar, so Widhalm. Die<br />

Schulärzte „wissen nicht genau, was<br />

sie dürfen, was sie nicht dürfen und<br />

was sie tun sollen“.<br />

Lieber ein gebrochener<br />

Arm als eine Fettleber<br />

„Zu einem gesunden Lebensstil zählt<br />

neben einer gesunde Ernährung eben<br />

auch ausreichend Bewegung“, fasst<br />

Szekeres zusammen. Doch um Schulkindern<br />

mehr Bewegung ermöglichen<br />

zu können, fehle der politische Wille.<br />

Teilweise mangelt es auch an der Infrastruktur,<br />

gibt Widhalm zu bedenken,<br />

es gebe nicht genügend geeignete<br />

Räumlichkeiten und qualifizierte<br />

Sportlehrer. Außerdem hätten manche<br />

Lehrer Angst, dass Schüler sich<br />

unter ihrer Obhut verletzen, doch<br />

„ein gebrochener Arm ist leichter zu<br />

behandeln als eine Fettleber“, meint<br />

Widhalm.<br />

PH/RED<br />

Website des Projekts: www.eddykids.at<br />

26 tödliche Badeunfälle haben sich von Mai bis August in Österreich<br />

ereignet. Offizielle Unfallstatistiken für den heurigen Sommer liegen zwar<br />

noch nicht vor, doch auf der Basis von Polizeiberichten vermeldet die Nachrichtenagentur<br />

APA die meisten Todesopfer in Kärnten, gefolgt von Oberösterreich<br />

und Wien. <br />

APA/RED<br />

Frühere Studien, die einen Zusammenhang<br />

zwischen Folat und Karzinomen<br />

des oberen Gastrointestinaltraktes<br />

untersucht haben, sind zu<br />

widersprüchlichen Ergebnissen gekommen.<br />

Diese Frage wurde nun in<br />

einer Metaanalyse von 46 Studien zur<br />

Folataufnahme bei Patienten mit oberen<br />

GI-Krebserkrankungen näher untersucht.<br />

Dabei konnte ein signifikanter<br />

Zusammenhang zwischen mit der<br />

Nahrung aufgenommenem Folat und<br />

reduzierten Krebsrisiken nachgewiesen<br />

werden: Das Risiko für Ösophaguskarzinome<br />

wurde um bis zu 46 %,<br />

das für Magenkarzinome um bis zu<br />

24 % und das für Pankreaskarzinome<br />

um bis zu 27 % reduziert. Der Effekt<br />

war dosisabhängig und abhängig<br />

vom Geschlecht: Pro 100 μg/Tag über<br />

die Nahrung aufgenommenes Folat<br />

wurde das Risiko für Ösophaguskarzinom<br />

um 9 %, das für Magenkarzinom<br />

um 1,5 % und das für Pankreaskarzinom<br />

um 6 % gesenkt. So reduzierte<br />

zum Beispiel 405 μg/Tag Folat das<br />

Risiko für Ösophaguskarzinom um<br />

41 %. Eine erhöhte Folataufnahme<br />

führte bei Männern zu einem niedrigeren<br />

Risiko für Magenkarzinom<br />

(minus 40 %), nicht aber bei Frauen.<br />

Eine erhöhte Folataufnahme führte<br />

bei Frauen zu einem niedrigeren Risiko<br />

für Pankreaskrebs (minus 28 %),<br />

nicht aber bei Männern.<br />

Liu W et al., Oncotarget <strong>2017</strong>; https://<br />

doi.org/10.18632/oncotarget.18775<br />

Senioren: Vorsichtige Blutdrucksenkung<br />

Irische Forscher haben die Auswirkungen<br />

der jüngsten Empfehlung zur<br />

Therapie der Hypertonie, welche eine<br />

aggressive Senkung des Blutdrucks<br />

anstreben, in ihrer Auswirkung auf<br />

ältere Personen überprüft. Das Systolic<br />

Blood Pressure Intervention Trial<br />

(SPRINT) hatte in seiner Studienpopulation<br />

nämlich gezeigt, dass eine<br />

TILDA untersuchte Folgen einer<br />

intensiven Blutdrucksenkung.<br />

Senkung des systolischen Blutdrucks<br />

auf Werte von < 120 mmHg verglichen<br />

mit


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

9<br />

▶ HERZ-KREISLAUF<br />

■ MELDUNGEN<br />

pAVK: Marker<br />

verrät Herzrisiko<br />

Der Rezeptor EMMPRIN könnte bei<br />

pAVK-Patienten Informationen über<br />

das Herzinfarktrisiko liefern. Das zeigt<br />

eine am ESC präsentierte Studie einer<br />

Arbeitsgruppe der MedUni Wien. Laut<br />

Studien-Erstautor Bernhard Zierfuss<br />

könnten erhöhte EMMPRIN-Werte als<br />

Marker für die generelle atherosklerotische<br />

Last oder auch als Indikator für<br />

instabile Gefäßablagerungen interpretiert<br />

werden.<br />

DGK/RED<br />

Kaffee schützt<br />

über 45-Jährige<br />

Aus einer spanischen Langzeitstudie<br />

geht hervor, dass es sich lohnt, ab<br />

dem 45. Geburtstag den Kaffeekonsum<br />

zu erhöhen. Wer vier oder mehr<br />

Tassen am Tag trank, hatte ein um 30<br />

Prozent geringeres Risiko, während<br />

des Studienzeitraumes von zehn Jahren<br />

zu versterben.<br />

DGK/RED<br />

FOTO: WIKIMEDIA / MME MIM<br />

So präsentiert sich eine hochgradige Stenose der Arteria carotis interna im farbcodierten Doppler-Ultraschall.<br />

Karotisstenose nicht immer weiten<br />

ESC ■ Die druckfrische ESC-Leitlinie zu peripheren arteriellen Erkrankungen geht ausführlich auf antithrombotische<br />

Medikation ein und bringt eine Abkehr von der pauschalen Empfehlung zur Revaskularisierung bei Karotisstenose.<br />

RENO BARTH<br />

Erstmals hat die Europäische Kardiologengesellschaft<br />

ESC ihre Empfehlungen<br />

zum Management peripherer arterieller<br />

Erkrankungen gemeinsam mit<br />

den Gefäßchirurgen der European Society<br />

for Vascular Surgery (ESVS) erstellt.<br />

Eine wichtige Neuerung liegt bereits im<br />

Titel. Aus der Leitlinie zur „Peripheral<br />

Artery Disease“ sind „Guidelines on the<br />

Diagnosis and Treatment of Peripheral<br />

Arterial Diseases“ geworden.<br />

PAD umfasst mehr<br />

als nur die pAVK<br />

„Das bedeutet, dass wir uns auf alle<br />

Arterien mit Ausnahme der Koronarien<br />

beziehen“, erläutert Univ.-Prof.<br />

Dr. Petr Widimsky von der Karlsuniversität<br />

Prag. Dementsprechend werden<br />

in der Leitlinie auch Empfehlungen<br />

beispielsweise zur Karotis oder<br />

den Nierenarterien separat aufgelistet.<br />

Insgesamt schätzt man die Zahl<br />

der von diesen Erkrankungen Betroffenen<br />

allein in Europa auf mehr als 40<br />

Millionen. Die periphere arterielle Verschlusskrankheit<br />

pAVK (also PAD der<br />

unteren Extremitäten) ist ein Teil dieser<br />

Gruppe von Erkrankungen.<br />

Als generelle Maßnahmen bei allen<br />

Formen von PAD empfiehlt die Leitlinie<br />

den Nikotin-Stopp, gesunde Ernährung<br />

und Bewegung sowie medikamentöse<br />

Lipidsenkung mit Statinen<br />

mit einem LDL-Ziel von weniger als<br />

70 mg/dL. Bei Diabetikern wird strikte<br />

glykämische Kontrolle empfohlen, der<br />

Blutdruck sollte bei allen Betroffenen<br />

unter 140/90 mm Hg gehalten werden.<br />

Bei Patienten mit PAD und Hypertonie<br />

sind ACE-Inhibitoren oder<br />

Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten<br />

die Antihypertensiva der Wahl. Widimsky:<br />

„Das betrifft die große Mehrheit<br />

der PAD-Patienten.“<br />

„Die Studiendaten,<br />

die Vorteile durch die<br />

Revaskularisierung<br />

zeigen, stammen aus<br />

den 90er Jahren.“<br />

Prof. Dr. Victor Aboyans<br />

Erstmals enthält die Leitlinie ein eigenes<br />

Kapitel zum Thema antithrombotische<br />

Medikation. Hier werden detaillierte<br />

Empfehlungen für jeden potenziell<br />

betroffenen Körperteil und<br />

die einsetzbaren Plättcheninhibitoren<br />

und Antikoagulanzien gegeben.<br />

So hält die Guideline fest, dass antithrombotische<br />

Therapie für alle Patienten<br />

mit Karotisstenose indiziert<br />

ist – und zwar unabhängig von klinischen<br />

Symptomen oder einer möglichen<br />

Revaskularisierung.<br />

Nach einer Intervention an der Karotis<br />

sollte für mindestens ein Monat<br />

duale Anti-Plättchen-Therapie gegeben<br />

werden. Bei Patienten mit arterieller<br />

Erkrankung der unteren Extremitäten<br />

ist eine einfache antithrombotische<br />

Therapie indiziert, wenn die Patienten<br />

symptomatisch sind oder sich<br />

einer Revaskularisierung unterziehen.<br />

Substanz der Wahl ist Clopidogrel.<br />

Dauerhafte Antikoagulation wird<br />

nur für Patienten empfohlen, bei denen<br />

aus anderen Gründen Indikation<br />

besteht. Eine Kombination mit einfacher<br />

antithrombotischer Therapie ist<br />

möglich und kann nach einer Revaskularisierung<br />

sinnvoll sein. Antithrombotische<br />

Therapie ist Teil des Managements<br />

des symptomatischen PAD.<br />

Wenn zur PAD noch eine<br />

Herzerkrankung kommt<br />

Ebenfalls neu ist ein Kapitel zum Management<br />

kardialer Erkrankungen<br />

bei Patienten mit PAD. Dies sind neben<br />

der koronaren Herzkrankheit beispielsweise<br />

Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern<br />

und Klappenerkrankungen.<br />

„Patienten mit peripheren arteriellen<br />

Erkrankungen leiden häufig auch unter<br />

Herzkrankheiten. Leider gibt es<br />

dazu sehr wenig spezifische Evidenz<br />

aus klinischen Studien. Wir haben<br />

daher größtenteils auf Basis von Expertenmeinungen<br />

Empfehlungen für<br />

diese Krankheitsbilder produziert“,<br />

kommentiert Prof. Dr. Victor Aboyans<br />

vom Centre Hospitalier Universitaire<br />

de Limoges, der Leiter der Task Force.<br />

Bei einigen spezifischen arteriellen<br />

Erkrankungen gibt es im Vergleich zur<br />

Leitlinie von 2011 wichtige Änderungen.<br />

Diese betreffen beispielsweise Patienten<br />

mit Karotisstenose. Während<br />

in der bisherigen Leitlinie für diese<br />

Patienten grundsätzlich eine Revaskularisierung<br />

gefordert wurde, empfiehlt<br />

die neue Guideline Revaskularisierung<br />

bei asymptomatischer Stenose<br />

jetzt nur noch bei hohem Schlaganfallrisiko.<br />

Schlaganfallraten haben<br />

sich deutlich verändert<br />

Die Empfehlung für den Einsatz eines<br />

Device zum Schutz gegen Embolien<br />

während des Stentings wurden<br />

auf IIa hochgestuft. Aboyans: „Diese<br />

Änderung ist wichtig. Die Studiendaten,<br />

die Vorteile durch die Revaskularisierung<br />

zeigen, stammen aus<br />

den 90er Jahren. Seitdem sind jedoch<br />

die Schlaganfallraten für alle Patienten<br />

mit asymptomatischer Karotisstenose<br />

deutlich gesunken – und zwar<br />

unabhängig von der Therapie. Es ist<br />

also sehr fraglich, wie viel Gültigkeit<br />

diese Studienresultate heute noch haben.“<br />

Im Falle der Nierenarterien gibt<br />

es nun sogar eine starke Empfehlung<br />

gegen die systematische Revaskularisierung,<br />

während diese in der Guideline<br />

von 2011 noch als Therapieoption<br />

angeführt wurde.<br />

ESC-Kongress; Barcelona, August <strong>2017</strong><br />

Webtipp<br />

Die Leitlinie steht auf der Webseite der<br />

Europäischen Kardiologengesellschaft<br />

ESC zum Download bereit:<br />

www.escardio.org (unter „Guidelines“)<br />

Eisenmangel ist<br />

riskant bei ACS<br />

Wenn Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom<br />

unter einem Eisenmangel<br />

leiden, haben sie ein um 70 Prozent<br />

erhöhtes Risiko, innerhalb von vier<br />

Jahren einen Herz-Kreislauf-bedingten<br />

Tod oder einen nicht-tödlichen Herzinfarkt<br />

zu erleiden. Die Autoren der<br />

ebenfalls am ESC präsentierten Studie<br />

sehen daher den Eisenmangel als starken<br />

unabhängigen negativen prognostischen<br />

Faktor für Patienten mit akutem<br />

Koronarsyndrom. DGK/RED<br />

Bei Kälte mehr<br />

Myokardinfarkte<br />

Niedrige Außentemperaturen dürften<br />

ein Trigger für das vermehrte Auftreten<br />

von Myokardinfarkten sein. Das<br />

geht aus einer über 16 Jahre laufenden<br />

schwedischen Studie an mehr als<br />

280.000 Patienten hervor, die am Kongress<br />

der Europäischen Kardiologengesellschaft<br />

ESC Ende August in Barcelona<br />

präsentiert wurde. Ob das vermehrte<br />

Auftreten von Myokardinfarkten<br />

bei Kälte wirklich durch die<br />

niedrigen Temperaturen verursacht<br />

oder durch Verhaltensänderungen ausgelöst<br />

wird, sei allerdings noch unklar,<br />

so die Studienautoren. Auch Atemwegsinfekte<br />

und die Grippe könnten<br />

eine Rolle spielen.<br />

DGK/RED<br />

proBNP sagt den<br />

Herztod voraus<br />

Bei Hochrisikopatienten mit Diabetes<br />

und KHK korreliert die Höhe des<br />

proBNP mit der kardiovaskulären Mortalität.<br />

Damit ist proBNP ein Marker<br />

für das individuelle Risiko. Welchen<br />

Einfluss die proBNP-Werte auf Behandlungsentscheidungen<br />

haben sollten, ist<br />

allerdings noch unklar. DGK/RED


10 HERZ-KREISLAUF<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

Aktuelle Studien mit Herz<br />

ESC <strong>2017</strong> ■ Am Europäischen Kardiologenkongress wurde eine ganze Reihe von<br />

Studien präsentiert. Ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand der Herzforschung.<br />

RENO BARTH<br />

Die Studie CANTOS hat die Inflammationshypothese<br />

der Atherosklerose<br />

auf den Prüfstand gestellt. Mit<br />

mit dem gegen das proinflammatorische<br />

Zytokin Interleukin 1-beta gerichteten<br />

Antikörper Canakinumab<br />

wurde ein Eingriff in die Entzündungskaskade<br />

bei Patienten mit erhöhtem<br />

CRP, die bereits einen Myokardinfakt<br />

erlitten hatten, getestet<br />

– und zwar mit Erfolg. In der Verum-Gruppe<br />

war die Wahrscheinlichkeit<br />

für ein erneutes kardiovaskuläres<br />

Ereignis um 15 Prozent geringer.<br />

Je deutlicher die hsCRP-Senkung unter<br />

Canakinumab ausfiel, desto stärker<br />

war die Risikoreduktion.<br />

In der multizentrischen schwedischen<br />

Registerstudie DETO2X-AMI<br />

wurden Nutzen und Risiken einer<br />

Sauerstoffgabe für Patienten mit<br />

akutem Myokardinfarkt untersucht.<br />

Mit einem negativen Ergebnis: Binnen<br />

eines Jahres starben nicht weniger<br />

Patienten als in der Kontrollgruppe.<br />

Normoxämische Infarktpatienten<br />

scheinen daher wohl von einer<br />

Sauerstoffgabe hinsichtlich Mortalität<br />

nicht zu profitieren.<br />

Ist Aspirin für die kardiovaskuläre<br />

Sekundärprophylaxe ausreichend? In<br />

der Studie COMPASS wurde bei Patienten<br />

mit stabiler KHK oder pAVK<br />

eine ASS-Monotherapie mit einer Rivaroxaban-Monotherapie<br />

sowie mit<br />

der Kombination von ASS und Rivaroxaban<br />

verglichen. Aufgrund der<br />

Überlegenheit des NOAKs wurde die<br />

Studie vorzeitig abgebrochen.<br />

Wie verlässlich sind die neuen<br />

oralen Antikoagulanzien im Kontext<br />

elektrischer Kardioversion wegen<br />

Vorhofflimmerns? In der Studie<br />

EMANATE wurde Apixaban in<br />

dieser Indikation mit konventioneller<br />

Therapie verglichen. EMANATE<br />

zeigte in der Apixaban-Gruppe ein<br />

geringeres Schlaganfallrisiko als in<br />

der mit Heparin/Warfarin antikoagulierten<br />

Gruppe, bei vergleichbarem<br />

Blutungsrisiko.<br />

In der Studie LAACS wurde untersucht,<br />

ob ein Verschluss des linken<br />

Herzohrs das Schlaganfallrisiko<br />

nach Operationen am offenen Herzen<br />

senkt. Mit positivem Outcome:<br />

Patienten mit verschlossenem Herzohr<br />

erlitten in den drei Jahren nach<br />

dem Eingriff signifikant seltener einen<br />

Apoplex.<br />

In der Studie VIVA wurde ein kombiniertes<br />

Screening auf Aortenaneurysma,<br />

periphere arterielle Erkrankung<br />

und Hypertonie hinsichtlich<br />

Sinnhaftigkeit und Kosteneffektivität<br />

evaluiert und schnitt sehr gut ab (siehe<br />

Seite 13).<br />

Frühe klinische Daten zum neuen<br />

PCSK9-Inhibitor Inclisiran hat die<br />

Phase-II-Studie ORION generiert.<br />

Anders als die bisher verfügbaren<br />

PCSK9-Hemmer ist Inclisiran kein<br />

monoklonaler Antikörper, sondern<br />

eine small-interfering-RNA.<br />

Ein Update zu FOURIER zeigt,<br />

dass auch eine extreme LDL-Senkung<br />

(auf ein Drittel der Zielwerte)<br />

unter dem PCSK9-Inhibitor Evolocumab<br />

in Kombination mit intensiver<br />

oder moderat-intensiver Statintherapie<br />

Patienten mit klinisch evidenter<br />

koronarer Herzkrankheit Vorteile<br />

bringt – ohne Sicherheitsprobleme.<br />

Die Studie PURE schließlich hat<br />

sich dem Lebensstil gewidmet und<br />

mit ihren Ergebnissen sogar die Ernährungpyramide<br />

gehörig ins Wanken<br />

gebracht. MT berichtet in der<br />

nächsten Ausgabe (38/<strong>2017</strong>).<br />

ESC-Kongress; Barcelona, August <strong>2017</strong><br />

Zentraler Blutdruck<br />

meldet Organgefahr<br />

FACHLITERATUR ■ Patienten mit einer Kombination<br />

aus morgendlicher und nächtlicher Hypertonie tragen<br />

ein hohes Risiko für Organschäden und Gefäßsteifigkeit.<br />

Welche Form des Hypertonus birgt<br />

die größte kardiovaskuläre Gefahr?<br />

Dieser Frage gingen Kardiologen<br />

der Yonsei Universität in Seoul<br />

nach. Sie untersuchten 1070 Patienten<br />

mit hohem kardiovaskulärem<br />

Risiko. Diese teilten sie in drei<br />

Subgruppen ein: morgendliche Normotension<br />

(I), morgendlicher Hypertonus<br />

ohne nächtlichen Hypertonus<br />

(II) sowie morgendlicher und<br />

nächtlicher Hypertonus (III). Bei allen<br />

Studienteilnehmern erfolgten sowohl<br />

ein ambulantes 24-Stunden-Blutdruck-Monitoring<br />

als auch zentrale<br />

Blutdruckmessungen. Außerdem wurden<br />

Pulswellengeschwindigkeit und<br />

Knöchel-Arm-Index gemessen sowie<br />

ein Koronarkalk-Scan durchgeführt.<br />

Gruppe III mit erhöhtem<br />

Koronarkalk-Score<br />

Die Studienergebnisse zeigten deutlich,<br />

dass die Kombination aus morgendlichem<br />

und nächtlichem Hypertonus<br />

mit dem höchsten kardiovaskulären<br />

Risiko einhergeht. Diese Untergruppe<br />

(III) wies im Vergleich zu<br />

den restlichen Studienteilnehmern<br />

signifikant höhere zentrale Blutdruckwerte<br />

auf. Außerdem zeigten<br />

die Probanden der Gruppe III häufiger<br />

eine beschleunigte Pulswellengeschwindigkeit<br />

– als Zeichen<br />

für eine vermehrte Gefäßsteifigkeit.<br />

Auch der Koronarkalk-Score lag in<br />

Subgruppe III höher als in den Vergleichskollektiven.<br />

Hochdruck nur am Morgen<br />

bereitet weniger Probleme<br />

Zudem schien ein gesteigerter nächtlicher<br />

und morgendlicher Blutdruck<br />

im Gegensatz zu einer alleinigen morgendlichen<br />

Hypertension vermehrt<br />

mit Organschäden im Bereich der<br />

Aorta zu korrelieren.<br />

Nach Meinung der Autoren gewinnt<br />

der zentrale Blutdruck zunehmend<br />

an Bedeutung gegenüber dem<br />

peripheren, wenn es um die Vorhersage<br />

von Organschäden und kardiovaskuläre<br />

Komplikationen geht. ADB<br />

Oh J et al., J Am Heart Assoc <strong>2017</strong>;<br />

DOI: 10.11,61/JAHA.116.005424<br />

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Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />

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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

HERZ-KREISLAUF<br />

11<br />

PCSK9-Inhibition kann mehr als LDL senken<br />

ESC <strong>2017</strong> ■ Die Hemmung von PCSK9 dürfte nicht nur das Plasma-LDL senken, sondern auch Thrombozytenfunktion und Inflammation<br />

beeinflussen. Klinische Studien zu diesen Effekten fehlen allerdings noch, war am Europäischen Kardiologenkongress in Barcelona zu hören.<br />

RENO BARTH<br />

„Es ist uns gelungen,<br />

zumindest in vitro,<br />

einen pro-inflammatorischen<br />

in einen<br />

anti-inflammatorischen<br />

Zustand zu<br />

ändern.“<br />

Prof. Dr. Johan Frostegård<br />

Die mittlerweile in Studien dokumentierten<br />

kardiovaskulären Risikoreduktionen<br />

unter Therapie mit Inhibitoren<br />

der Proproteinkonvertase<br />

Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) wurden<br />

als klarer Beleg für die „LDL-Hypothese“,<br />

die die Wirkungen beispielsweise<br />

von Statinen auf harte<br />

Endpunkte praktisch ausschließlich<br />

auf die Senkung des LDL zurückführt,<br />

interpretiert.<br />

Aktuelle Daten und Diskussionen<br />

im Rahmen des Kardiologenkongresses<br />

ESC legen nun jedoch nahe,<br />

dass sich die Dinge doch etwas komplizierter<br />

verhalten könnten. Denn<br />

auch die PCSK9-Inhibitoren könnten<br />

pleiotrope Effekte haben, wie sie<br />

ja für Statine seit Langem bekannt<br />

sind. Zwei Mechanismen werden vorgeschlagen,<br />

wie die Antikörper gegen<br />

PCSK9 über die Lipidsenkung hinaus<br />

das kardiovaskuläre Risiko reduzieren<br />

könnten: anti-inflammatorische und<br />

gerinnungshemmende Effekte.<br />

Anti-inflammatorische<br />

Wirkung in vitro<br />

Hinweise in Richtung einer anti-inflammatorischen,<br />

immunmodulierenden<br />

Wirkung kommen vom<br />

schwedischen Karolinska-Institut.<br />

Dort wurde ein experimentelles<br />

Atherosklerose- Modell entwickelt,<br />

das es erlaubt, die Aktivierung<br />

von T-Zellen und dendritischen Zellen,<br />

die in atherosklerotischen Plaques<br />

häufig gefunden werden, in vitro<br />

zu studieren. Unter anderem untersuchten<br />

sie, wie PCSK9 die Reifung<br />

dendritischer Zellen beeinflusst, sowie<br />

die Effekte von oxidiertem LDL<br />

auf die T-Zell-Aktivierung.<br />

Die in diesem Modell verwendeten<br />

T-Zellen wurden aus atherosklerotischen<br />

Plaques von Patienten entnommen,<br />

die sich wegen einer Karotisstenose<br />

einer Endarterektomie unterziehen<br />

mussten. Als Kontroll-Population<br />

dienten T-Zellen aus dem peripheren<br />

Blut gesunder Probanden. Weiters<br />

wurden menschliche Monozyten aus<br />

dem Blut isoliert und zur Differenzierung<br />

in dendritische Zellen angeregt.<br />

Diese dendritischen Zellen wurden<br />

mit oxidiertem LDL vorbehandelt<br />

und mit den T-Zellen aus den atherosklerotischen<br />

Plaques gemeinsam<br />

kultiviert. Dabei zeigte sich, dass oxidiertes<br />

LDL die Reifung dendritischer<br />

Zellen fördert. Diese mediieren dann<br />

ihrerseits die Aktivierung von T-Zellen<br />

in T-Helferzellen. Darüber hinaus<br />

induziert oxidiertes LDL PCSK9.<br />

Die Inhibition der PCSK9 (die in diesem<br />

Fall durch Stilllegen des verantwortlichen<br />

Gens erfolgte) unterband<br />

die Wirkung von oxidiertem LDL auf<br />

dendritische Zellen und T-Zellen. Die<br />

Reifung dendritischer Zellen wurde<br />

ebenso unterbunden wie die Aktivierung<br />

von T-Zellen.<br />

„Es ist uns gelungen, zumindest in<br />

vitro, einen pro-inflammatorischen<br />

in einen anti-inflammatorischen Zustand<br />

zu ändern. Auch konnten wir<br />

erstmals demonstrieren, dass PCSK9-<br />

Inhibition die Wirkungen von oxidiertem<br />

LDL auf die Immun-Aktivierung<br />

umkehrt. Wir haben also ein potenziell<br />

anti-atherosklerotisches Milieu<br />

geschaffen. Interessanterweise haben<br />

Statine ebenfalls anti-inflammatorische<br />

und immunmodulierende Wirkungen,<br />

die allerdings über andere<br />

Mechanismen zustande kommen“,<br />

kommentierte Studienautor Prof. Dr.<br />

Johan Frostegård.<br />

„Unsere Daten legen<br />

nahe, dass die<br />

PCSK9-Inhibition<br />

bei kardiovaskulären<br />

Patienten günstige<br />

Effekte über die reine<br />

LDL-Senkung hinaus<br />

haben könnte.“<br />

Prof. Dr. Marina Camera<br />

Antithrombotische<br />

Wirkung in vitro<br />

Darüber hinaus mehren sich Hinweise,<br />

dass die Hemmung von PCSK9<br />

auch in die Thrombozytenaggregation<br />

eingreifen könnte. Eine italienische<br />

Gruppe berichtete im Rahmen<br />

des ESC, dass PCSK9 auch als Co-Aktivator<br />

der Thrombozytenfunktion<br />

fungiert, woraus sich eine antithrombotische<br />

Wirkung der PCSK9<br />

ergeben könnte. In diese Richtung<br />

weisen Befunde, die den Plasma-Spiegel<br />

von PCSK9 unabhängig<br />

vom LDL-Spiegel mit kardiovaskulären<br />

Ereignissen in Verbindung bringen.<br />

„Bislang hat allerdings noch niemand<br />

untersucht, ob PCSK9 einen direkten<br />

Einfluss auf die Plättchenfunktion<br />

hat“, sagt dazu Prof. Dr. Marina<br />

Camera von der Universität Mailand,<br />

„unsere Hypothese war, dass der Beitrag<br />

von PCSK9 zu kardiovaskulären<br />

Ereignissen über die LDL-Senkung hinaus<br />

beeinflusst werden kann.“ Dies<br />

wurde in einem In-vitro-Setting,<br />

nämlich mittels Epinephrin-induzierter<br />

Plättchenaggregation, untersucht.<br />

Die Thrombozyten stammten von Patienten<br />

mit stabiler Angina, Diabetikern<br />

und gesunden Kontrollen.<br />

Die Studie lieferte eine ganze Reihe<br />

neuer Informationen. Konkret:<br />

▶ PCSK9 wird in humanen Megakaryozyten<br />

(die im Knochenmark<br />

Plättchen produzieren) exprimiert.<br />

Ein Teil der zirkulierenden Plättchen<br />

enthält PCSK9, was einen<br />

komplexen und geregelten Transportmechanismus<br />

für die PCSK9<br />

vom Megakaryozyten zu bestimmten<br />

Plättchen nahelegt.<br />

▶ PCSK9 spielt eine Rolle in Plättchenaktivierung<br />

und -aggregation.<br />

▶ Plättchen von Patienten mit Diabetes<br />

und Angina enthalten doppelt<br />

so viel PCSK9 wie Plättchen<br />

von Personen mit nur einer oder<br />

keiner der beiden Erkrankungen.<br />

Camera: „Unsere Daten weisen in<br />

Richtung eines neuen Mechanismus,<br />

der für die Plättchenaktivierung bei<br />

kardio vaskulären Patienten mitverantwortlich<br />

sein könnte. Und sie legen<br />

nahe, dass die PCSK9-Inhibition<br />

in diesen Patienten günstige Effekte<br />

über die reine LDL-Senkung hinaus<br />

haben könnte.“<br />

1<br />

Frostegård J et al. PCSK9 plays a novel immunological<br />

role in Oxidized LDL-induced<br />

dendritic cell maturation and T cell activation<br />

from human blood and atherosclerotic<br />

plaque. ESC <strong>2017</strong>, Abstract 3856<br />

2<br />

Rossetti L et al. PCSK9 beyond its role in<br />

cholesterol homeostasis: co-activator of platelet<br />

function. ESC <strong>2017</strong>, Abstract 2210<br />

European Society of Cardiology (ESC) <strong>2017</strong>;<br />

Barcelona, August <strong>2017</strong><br />

Fachkurzinformationen auf Seite 14


12 HERZ-KREISLAUF<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

So umgehen Sie Fallstricke bei den DOAKs<br />

ÄRZTETAGE VELDEN ■ Die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKS) sind in der Schlaganfallprävention nicht wegzudenken. Warum ein<br />

sorgfältiges Medikationsmanagement bei Auswahl, Dosierung und Einnahmemodalitäten so wichtig ist, illustrieren zwei Fallbeispiele.<br />

ANITA GROSS<br />

Die Leitlinie der Europäischen Kardiologengesellschaft<br />

zum Management<br />

von Vorhofflimmern (VHF)*<br />

spreche eine „eindeutige Präferenz“<br />

zugunsten von DOAKs gegenüber Vitamin-K-Antagonisten<br />

(VKAs) aus,<br />

betonte Mag. pharm. Christina Labut,<br />

Klinische Pharmazeutin im AKH<br />

Wien, auf den Ärztetagen in Velden.<br />

„Dabei sollte ein hoher Blutungsrisiko-Score<br />

in der Regel nicht dazu führen,<br />

auf OAK zu verzichten.“ Vielmehr<br />

gelte es, behandelbare Blutungsrisikofaktoren<br />

zu identifizieren und zu<br />

korrigieren, wie etwa:<br />

▶ Hypertonie, v.a. bei > 160 mmHg<br />

▶ labile INR oder TTR < 60 % bei Patienten<br />

unter VKA<br />

▶ prädisponierende Medikamente<br />

wie NSAR<br />

▶ übermäßiger Alkoholkonsum<br />

Mittlerweile stehen vier DOAKs zur<br />

Schlaganfallprävention von Patienten<br />

MEDICAL<br />

TRIBUNE<br />

*Artikel „‚Neue Leitlinie hilft,<br />

Rhinosinusitis zu lindern“<br />

MT 28/<strong>2017</strong>, Seite 9<br />

www.medonline.at<br />

mit nicht-valvulärem VHF und zur<br />

Therapie und Prävention von rezidivierenden<br />

tiefen Venenthrombosen<br />

und Lungenembolien zur Verfügung:<br />

Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban<br />

und Edoxaban (die ersten drei auch<br />

für die Prophylaxe venöser Thromboembolien<br />

nach Hüft- oder Kniegelenksersatz).<br />

Pharmakokinetisch unterscheidet<br />

sich Dabigatran in puncto Wirkmechanismus,<br />

Bioverfügbarkeit, Ausscheidung<br />

über die Niere stark von<br />

den anderen DOAKs. Eine Untersuchung<br />

der Nierenfunktion wird<br />

bei allen DOAKs vor und während<br />

der Behandlung empfohlen, wobei<br />

Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban<br />

erst ab einer Kreatinin-Clearance<br />

(CrCl) von 15 ml/min kontraindiziert<br />

sind.<br />

Alle DOAKs sind Substrate von<br />

P-Glykoprotein (Pgp), jedoch Dabigatran<br />

in besonders starker Weise.<br />

Dabigatran darf daher nicht mit Ketoconazol,<br />

Ciclosporin, Itraconazol,<br />

Dronedaron, Johanniskraut sowie Rifampicin<br />

kombiniert werden (Inhibition<br />

bzw. Induktion von Pgp). Vorsicht<br />

ist geboten bei Amiodaron, Posaconazol,<br />

Chinidin, Verapamil und<br />

Ticagrelor.<br />

Allerdings wird Dabigatran nicht<br />

über die Cytochrome P450 (CYP) der<br />

Leber metabolisiert, auch Edoxaban<br />

kaum (< 10 %). Substrate von CYP3A4<br />

sind hingegen Rivaroxaban, Apixaban<br />

und Cumarine. CYP3A4-Inhibitoren<br />

sind u.a. Erythromycin, Clarithromycin,<br />

ein Induktor ist Rifampicin.<br />

Von VKAs auf DOAKs?<br />

Die engagierte Pharmazeutin, die gemeinsam<br />

mit Mag. pharm. Dr. med.<br />

Alexander Hartl die Leitung der Medikationsmanagementkurse<br />

für Apotheker<br />

innehat, kann mittlerweile aus<br />

einem großen Fundus an Fallbeispielen<br />

und Fragen aus der Praxis schöpfen<br />

(mehr als 1800 Apotheker besuchten<br />

bereits die Intensivkurse).<br />

Eine Frage, die immer wieder auftaucht:<br />

Sollen VKA-Patienten besser<br />

auf DOAKs umgestellt werden?<br />

„Bei gut eingestellten Marcoumar®oder<br />

Sintrom®-Patienten besteht in<br />

der Regel keine Notwendigkeit, auf<br />

DOAKs umzustellen“, erläuterte Labut<br />

– im Gegensatz zu Patienten, bei<br />

denen unter VKA therapeutische INR-<br />

Werte trotz guter Adhärenz nicht erzielt<br />

oder erwartet werden können,<br />

relevante Nebenwirkungen bestehen<br />

oder ein INR-Monitoring nicht möglich<br />

ist. In diesen Fällen empfehlen<br />

die aktuellen Leitlinien sehr wohl,<br />

eine Umstellung auf DOAKs zu erwägen.<br />

Mag. Christina<br />

Labut<br />

Klinische<br />

Pharmazeutin,<br />

AKH Wien<br />

WW mit NEMs und Speisen?<br />

Bei der Frage nach möglichen Interaktionen<br />

mit Nahrungsergänzungsmitteln<br />

sind nicht nur Grapefruit<br />

(Inhibitor von CYP3A4/Pgp) und Johanniskraut<br />

(Induktor von CYP3A4/<br />

Pgp) zu nennen. „Auch Goji-Beere,<br />

Ginkgo, Pelargonium, Knoblauch erhöhen<br />

in höheren Dosierungen möglicherweise<br />

das Blutungsrisiko“, so<br />

die Pharmazeutin.<br />

Wichtig zu wissen ist weiters, dass<br />

die orale Bioverfügbarkeit von Rivaroxaban<br />

in der Dosierung von 2,5 mg<br />

und 10 mg mit oder ohne Mahlzeit<br />

80–100 % beträgt. „Aber bei höheren<br />

Dosen zeigt Rivaroxaban eine durch<br />

die Löslichkeit begrenzte Resorption<br />

mit verminderter Bioverfügbarkeit<br />

und verminderter Resorptionsrate“,<br />

informierte Labut, „Rivaroxaban<br />

15 mg und 20 mg müssen<br />

daher mit einer Mahlzeit eingenommen<br />

werden!“ Apixaban, Dabigatran<br />

und Edoxaban hingegen können unabhängig<br />

von den Mahlzeiten eingenommen<br />

werden.<br />

Adhärenz besonders wichtig<br />

Im Gegensatz zu Phenprocoumon, das<br />

eine Plasmahalbwertszeit von 160 Stunden<br />

aufweist, bewegen sich die Halbwertszeiten<br />

der DOAKs im Mittel nur<br />

um die 12–15 Stunden. Der Vorteil besteht<br />

in einer relativ guten Steuerbarkeit,<br />

auf der anderen Seite ist aber eine<br />

regelmäßige Einnahme der DOAKs besonders<br />

wichtig. Wird die Einnahme<br />

einer oder mehrerer Dosen vergessen,<br />

ist die Wirksamkeit sehr schnell nicht<br />

mehr vorhanden, so Labut.<br />

Fallbeispiel: Nagelpilz<br />

Wie kniffelig so manche Interaktion<br />

sein kann, schildert die Arznei-Expertin<br />

an zwei (fiktiven, aber an der<br />

Praxis orientierten) Fallbeispielen: Im<br />

ersten löste Herr O. gegen seinen Nagelpilz<br />

ein Rezept mit Itraconazol Dermis<br />

100 mg ein. Seine Dauertherapie:<br />

Bisoprolol 5 mg, Xarelto® 20 mg, Pantoprazol<br />

20 mg, Lisinopril 20 mg, Magnosolv®.<br />

Gibt es Interaktionen?<br />

„Ja, weil mit einer relevanten, nämlich<br />

2,6-fachen Konzentrationserhöhung<br />

von Rivaroxaban und einem entsprechend<br />

erhöhtem Blutungsrisiko<br />

gerechnet werden muss“, erinnerte<br />

Labut daran, dass Rivaroxaban bei Patienten<br />

mit systemischer Behandlung<br />

mit Azol-Antimykotika (wie Ketoconazol,<br />

Itraconazol, Voriconazol und Posaconazol)<br />

oder mit HIV-Proteaseinhibitoren<br />

nicht empfohlen werde. Grund:<br />

Diese Wirkstoffe sind sowohl starke<br />

CYP3A4- als auch Pgp-Inhibitoren.<br />

Fallbeispiel: Knieinfektion<br />

Das zweite Beispiel: Ein 68-jähriger<br />

Patient, 175 cm, 82 kg, wird mit der<br />

Diagnose Mediainsult aufgenommen<br />

und verstirbt wenig später im<br />

Spital. Die Anamnese: Hypertonie,<br />

Vorhofflimmern, KHK, Staphylokokken-Infektion<br />

im Knie, mehrmals<br />

punktiert. Die Medikation: Pradaxa®<br />

(1/0/1, seit 1 Jahr), Pantoloc® 20 mg,<br />

Beloc® 50 mg (50/0/50/0), Acecomb®<br />

(1/0/0/0); gegen die Infektion wurde<br />

Rifoldin® 300 mg verschrieben. Welcher<br />

Umstand kann trotz Dabigatran<br />

zum Insult geführt haben? Rifampicin<br />

ist ein starker Induktor von Pgp und<br />

führt in diesem Fall zu einem stark<br />

beschleunigten Abbau von Dabigatran.<br />

Hier wäre die Wahl eines anderen<br />

Antibiotikums oder die zeitweise<br />

Umstellung auf ein niedermolekulares<br />

Heparin empfehlenswert, verdeutlichte<br />

Labut, wie Medikationsmanagement<br />

durch Apotheker in Zusammenarbeit<br />

mit Ärzten fatale Verläufe<br />

mitunter verhindern könne.<br />

* ESC Pocket Guidelines 2016<br />

21. Ärztetage Velden, August <strong>2017</strong><br />

MM-Kurse für Ärzte<br />

Aufgrund zahlreicher Nachfragen möchten<br />

Labut und Hartl in Zukunft auch Medikationsmanagementkurse<br />

für Ärzte<br />

anbieten. „Unser Ziel ist es, die Zusammenarbeit<br />

der beiden Berufsgruppen zu<br />

stärken“, so beide Vortragende, „denn<br />

wir können viel voneinander profitieren.“<br />

MM-Kurse für Apotheker:<br />

https://medonline.at/mmkurse/<br />

Tipps für die Praxis<br />

▶ Bereiten Sie die Patienten auf mögliche<br />

NW von Antikoagulanzien vor:<br />

bei DOAKs z.B. gastrointestinale Beschwerden;<br />

bei Rivaroxaban häufig<br />

Schwindel, gelegentlich Synkopen<br />

(Achtung beim Auto fahren!); leichte<br />

Schleimhautblutungen.<br />

▶ Patient soll stärkere Blutungen mitteilen.<br />

▶ Dabigatran-Kapsel nicht öffnen: Bioverfügbarkeit<br />

kann sich dadurch bis<br />

75 % erhöhen, damit steigt das Blutungsrisiko!<br />

▶ Dabigatran-Kapseln nicht aus dem<br />

Blister nehmen: Wirkstoff ist hygroskopisch<br />

und kann durch die Luftfeuchtigkeit<br />

beeinträchtigt werden.<br />

▶ Notfallkarte immer bei sich tragen.<br />

▶ Ein No-Go: Enoxaparin-Natrium-<br />

Spritzampullen + DOAKs.<br />

▶ Cave: OAK, Plättchenhemmer + NSAR,<br />

Kortikoide, Ginkgo (Hochdosis) + SSRI<br />

(erhöhtes Blutungsrisiko v.a. der Haut<br />

und des GI-Traktes, Nasenbluten).<br />

Antidota für DOAKs<br />

Derzeit gibt es drei Antidota für DOAKs,<br />

eines davon ist bereits auf dem Markt:<br />

▶ Idarucizumab (zugelassen; Phase III/<br />

Reverse): bindet Dabigatran.<br />

▶ Andexanet alfa (PRT064445, Phase<br />

III): kompetitive Bindung mit FXa-Inhibitoren.<br />

▶ Ciraparantag (Aripazine, PER977; Phase<br />

II): universelles Antidot, kann direkte<br />

FXa- und FIIa-Inhibitoren, aber auch<br />

niedermolukulare und unfraktionierte<br />

Heparine und Fondaparinux abfangen<br />

und deren Wirkung unterbinden.<br />

FOTO: PRIVAT


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

HERZ-KREISLAUF<br />

13<br />

Gefäß-Screening effizienter als Koloskopie<br />

ESC <strong>2017</strong> ■ Ergebnisse der dänischen VIVA-Studie zeigen Vorteile eines Screenings der älteren Bevölkerung auf kardiovaskuläre Erkrankungen.<br />

Die Effekte eines Gefäß-Screenings<br />

sind deutlicher als bei jedem bislang<br />

untersuchten onkologischen<br />

Screening und dies bei erheblich niedrigeren<br />

Kosten. Im Rahmen der randomisierten,<br />

prospektiven Danish Viborg<br />

Vascular (VIVA) Studie wurden<br />

alle 50.156 Männer im Alter zwischen<br />

65 und 74 Jahren einer dänischen Region<br />

erfasst. Jeder zweite von ihnen<br />

erhielt eine Einladung zu einer<br />

Screening-Untersuchung auf Hypertonie,<br />

Aortenaneurysma und periphere<br />

arterielle Verschlusskrankheit.<br />

Die übrigen Männer erhielten „usual<br />

care“, was bedeutete, dass die entsprechenden<br />

Erkrankungen erst gefunden<br />

wurden, wenn sie Symptome verursachten<br />

oder aus anderen Gründen<br />

Kontakt mit dem Gesundheitssystem<br />

aufgenommen wurde. Der primäre<br />

Endpunkt war die Gesamtmortalität.<br />

Screening- und 2715 Todesfälle in der<br />

Kontrollgruppe, was einer statistisch<br />

signifikanten relativen Risikoreduktion<br />

von sieben Prozent entspricht.<br />

Auf die „number needed to screen“<br />

umgerechnet, bedeutet dies, dass 169<br />

Männer gescreent werden müssen,<br />

um einen Todesfall zu vermeiden.<br />

Dem stehen absolut überschaubare<br />

Kosten gegenüber.<br />

Die direkten Screening-Kosten<br />

werden mit 148 Euro pro Person angegeben.<br />

Damit ergeben sich für ein<br />

gewonnenes Lebensjahr Kosten von<br />

6872 Euro bzw. 7716 Euro für ein QALY<br />

(quality adjusted life year). „Ein Effekt<br />

dieser Größe wurde bislang in keinem<br />

Populations-Screening erreicht. Wir<br />

nehmen an, dass die treibenden Faktoren<br />

die 2,5-fach höhere Zahl an elektiven<br />

Aneurysma-Operationen sowie<br />

die vermehrte Initiation antithrombotischer<br />

und lipidsenkender Therapien<br />

in der Screening-Gruppe sind“, kommentiert<br />

Lindholt.<br />

REB<br />

European Society of Cardiology (ESC) <strong>2017</strong>;<br />

Barcelona, August <strong>2017</strong><br />

1 x täglich dran denken – das schaff‘ ich !<br />

Hohe Rate an unerkannten<br />

Gefäß-Pathologien<br />

Bei rund 20 Prozent der untersuchten<br />

Männer wurden Auffälligkeiten gefunden.<br />

Drei Prozent litten unter einem<br />

Aortenaneurysma, elf Prozent hatten<br />

eine pAVK und ebenfalls elf Prozent<br />

eine bislang unerkannte oder nicht<br />

therapierte Hypertonie. „Wir waren<br />

erstaunt, dass in einem Land, in dem<br />

praktisch an jeder Ecke modernste<br />

dia gnostische Gerätschaften zur Verfügung<br />

stehen, fast jeder fünfte Mann<br />

über 65 unter einer nicht erkannten<br />

Gefäßerkrankung leidet“, kommentierte<br />

Studienautor Prof Dr. Jes Lindholt<br />

vom Odense Universitätsspital.<br />

Männer mit Aortenaneurysma<br />

und/oder pAVK wurden weiter abgeklärt<br />

und erhielten individuelle Beratung<br />

mit der generellen Empfehlung<br />

mit dem Rauchen aufzuhören sowie<br />

als generelle pharmakologische Präventionsmaßnahme<br />

Azetylsalizylsäure<br />

(75 mg/d) und Simvastatin (40 mg/d).<br />

Bei einem Aneurysma mit mehr als<br />

50 mm Durchmesser wurde an einen<br />

Gefäßchirurgen überwiesen, um die<br />

Frage nach Indikation zu einer möglichen<br />

Operation zu beantworten. Hypertoniker<br />

wurden zur Blutdruckeinstellung<br />

an den Allgemeinmediziner<br />

überwiesen.<br />

Der Effekt auf die Mortalität war<br />

erheblich. Innerhalb von fünf Jahren<br />

ereigneten sich 2566 Todesfälle in der<br />

GPB.TRI 170401<br />

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Fachkurzinformationen auf Seite 14


14 HERZ-KREISLAUF<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

■ PHARMA-TICKER<br />

Am ESC-Kongress wurden Ergebnisse<br />

der RE-DUAL PCI-Studie präsentiert.<br />

Die Studie verglich die Sicherheit einer<br />

dualen antithrombotischen Therapie<br />

mit Dabigatran (Pradaxa ® ) und einem<br />

Thrombozytenfunktionshemmer (ohne<br />

ASS) bei VHF-Patienten, die sich einer<br />

PCI mit Stenteinlage unterzogen hatten,<br />

mit einer Triple-Therapie mit Warfarin.<br />

Im primären Sicherheitsendpunkt (Zeit<br />

bis zum ersten schweren oder klinisch<br />

relevanten, nichtschweren Blutungsereignis)<br />

betrug die Risikoreduktion 48 %<br />

mit Dabigatran 2x 110 mg und 28 % mit<br />

2x 150 mg. Thromboembolische Ereignisse<br />

waren unter Dabigatran und unter<br />

Warfarin vergleichbar.<br />

NEJM; DOI: 10.1056/NEJMoa1708454<br />

Eine orale Antikoagulation mit Edoxaban<br />

(Lixiana ® ) zur Prophylaxe von<br />

Schlaganfällen und systemischen<br />

Embolien (SEE) bei Patienten mit<br />

nicht-valvulärem VHF (nvVHF) erwies<br />

sich gegenüber Warfarin als vergleichbar<br />

wirksam, aber überlegen sicherer.<br />

Dies zeigte eine Subanalyse der Studie<br />

ENGAGE AF-TIMI 48, in der Patienten<br />

anhand des CHA 2<br />

DS 2<br />

-VASc-Scores<br />

gruppiert wurden. Die Ergebnisse<br />

wurden am ESC-Kongress präsentiert.<br />

STEMI-Leitlinie wurde erneuert<br />

ESC <strong>2017</strong> ■ Die europäische Kardiologengesellschaft ESC hat ihre Empfehlungen zum Management des akuten<br />

Myokardinfarkts mit ST-Streckenhebung (STEMI) aktualisiert. Es gibt einige wichtige Neuerungen und Ergänzungen.<br />

RENO BARTH<br />

In der aktualisierten ESC-Leitlinie<br />

zum Management des akuten Myokardinfarkts<br />

mit ST-Streckenhebung<br />

(STEMI) 1,2 sind gegenüber der Version<br />

von 2012 einige wichtige Neuerungen<br />

und Ergänzungen.<br />

So gibt es erstmals eine klare Empfehlung,<br />

ab wann die maximal 90 Minuten,<br />

die bis zur perkutanen Katheterintervention<br />

vergehen sollen, gezählt<br />

werden. Und zwar soll ab dem<br />

Zeitpunkt gerechnet werden, zu dem<br />

erstmals eine Hebung der ST-Strecke<br />

im EKG diagnostiziert wird. Dazu der<br />

Vorsitzende der Task Force, Prof. Dr.<br />

Stefan James: „Bis jetzt war unklar,<br />

wann wir zu zählen beginnen. Beim<br />

Auftreten der ersten Symptome?<br />

Beim Eintreffen der Rettung? Oder<br />

wenn der Patient das Krankenhaus<br />

erreicht?“ Man habe sich schließlich<br />

auf den Zeitpunkt der EKG-Diagnose<br />

geeinigt, da man zuvor ja nicht wisse,<br />

ob es sich um einen STEMI handelt<br />

oder nicht. Jedenfalls sollte das Gefäß<br />

90 Minuten nach der Diagnose wieder<br />

offen sein, so James.<br />

Aus für „door-to-balloon“<br />

Der Terminus „door-to-balloon”<br />

wurde aus der Leitlinie entfernt.<br />

Stattdessen wird ein „erster medizinischer<br />

Kontakt“ definiert als jener<br />

Zeitpunkt, zu dem der Patient von einer<br />

fachkundigen Person untersucht<br />

und ein EKG aufgenommen wird.<br />

Diese Änderung hat auch mit neuen<br />

Praktiken zu tun. „Früher wurde die<br />

Therapie im Krankenhaus begonnen.<br />

Heute kann dies schon im Rettungswagen<br />

erfolgen, es ist also nicht mehr<br />

klar, was mit Türe gemeint wäre“,<br />

kommentiert Dr. Borja Ibanez von<br />

der ESC Task Force. Dafür erhöht die<br />

neue Leitlinie in manchen Fällen den<br />

Zeitdruck. Wird Fibrinolyse als Reperfusions-Strategie<br />

gewählt, so muss<br />

sie maximal zehn Minuten nach der<br />

STEMI-Diagnose erfolgen. In der alten<br />

Version der Guideline blieben dafür<br />

30 Minuten Zeit.<br />

Wichtige Änderungen gibt es auch<br />

für die Katheter-Intervention. Während<br />

in der Guideline von 2012 lediglich<br />

empfohlen wurde, das vom Infarkt<br />

direkt betroffene Areal zu revaskularisieren,<br />

so eröffnet die neue Leitlinie<br />

auch die Option der kompletten<br />

Revaskularisation. Diese muss nicht<br />

im Rahmen der Index-Prozedur erfolgen,<br />

sondern kann zu einem späteren<br />

Zeitpunkt nachgeholt werden. Angesichts<br />

neuerer Daten besteht keine<br />

Empfehlung mehr für die Thrombus-Aspiration.<br />

Auch von einem verzögerten<br />

Stenting nach Öffnung des<br />

Koronargefäßes soll Abstand genommen<br />

werden. Die Empfehlungen für<br />

Drug-eluting Stents sowie für den radialen<br />

statt des femoralen Zugangs<br />

werden nun durch stärkere Evidenz<br />

gestützt als in der Leitlinie von 2012.<br />

Hinsichtlich der Medikation nach<br />

PCI hält die neue Guideline fest, dass<br />

bei ausgewählten Patienten eine Verlängerung<br />

der dualen Anti-Plättchen-Therapie<br />

sinnvoll sein kann.<br />

14 % sind MINOCA<br />

Ein eigenes Kapitel ist dem Myokardinfarkt<br />

ohne Obstruktion von Koronargefäßen<br />

(myocardial infarction<br />

with non-obstructive coronary arteries<br />

– MINOCA) gewidmet. Diese Erkrankung<br />

macht bis zu 14 Prozent aller<br />

STEMI-Fälle aus und erfordert zusätzliche<br />

diagnostische Abklärung sowie<br />

eine individualisierte Therapie,<br />

die von den generellen STEMI-Empfehlungen<br />

abweichen kann.<br />

1<br />

<strong>2017</strong> ESC Guidelines for the management of<br />

acute myocardial infarction in patients presenting<br />

with ST-segment elevation. European<br />

Heart Journal. <strong>2017</strong>. doi 10.1093/eurheartj/<br />

ehx393<br />

2<br />

ESC-Leitlinigen: www.escardio.org/<br />

Guidelines/Clinical-Practice-Guidelines<br />

European Society of Cardiology (ESC) <strong>2017</strong>;<br />

Barcelona, August <strong>2017</strong><br />

CandAm ® 8 mg/5 mg Hartkapseln. CandAm ® 16 mg/5 mg Hartkapseln. CandAm ® 16 mg/10 mg Hartkapseln. Qualitative und quantitative Zusammensetzung CandAm ® 8 mg/5 mg Hartkapseln: Jede Hartkapsel enthält 8 mg Candesartan Cilexetil und 5 mg Amlodipin (entsprechend 6,935 mg Amlodipinbesilat). Sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung: Jede Hartkapsel enthält 101,95 mg<br />

Lactose-Monohydrat. Qualitative und quantitative Zusammensetzung CandAm ® 16 mg/5 mg Hartkapseln: Jede Hartkapsel enthält 16 mg Candesartan Cilexetil und 5 mg Amlodipin (entsprechend 6,935 mg Amlodipinbesilat). Sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung: Jede Hartkapsel enthält 203,90 mg Lactose-Monohydrat. Qualitative und quantitative Zusammensetzung CandAm ® 16 mg/10<br />

mg Hartkapseln: Jede Hartkapsel enthält 16 mg Candesartan Cilexetil und 10 mg Amlodipin (entsprechend 13,87 mg Amlodipinbesilat). Sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung: Jede Hartkapsel enthält 203,90 mg Lactose-Monohydrat. Liste der sonstigen Bestandteile: Kapselinhalt: Lactose Monohydrat; Maisstärke; Carmellose-Calcium; Macrogol 8000; Hydroxypropylcellulose; Magnesiumstearat.<br />

Kapselhülle von CandAm ® 8 mg/5 mg Hartkapseln: Chinolingelb (E104); Eisenoxid, gelb (E172); Titandioxid (E171); Gelatine. Kapselhülle von CandAm ® 16 mg/5 mg Hartkapseln: Chinolingelb (E104); Titandioxid (E171); Gelatine. Kapselhülle von CandAm ® 16 mg/10 mg Hartkapseln: Titandioxid (E171); Gelatine. Schwarze Drucktinte bei CandAm ® 16 mg/5 mg Hartkapseln: Schellack (E904); Eisenoxid,<br />

schwarz (E172); Propylenglycol; konzentrierte Ammoniaklösung; Kaliumhydroxid. Anwendungsgebiete: CandAm ® ist angezeigt als Substitutionstherapie bei erwachsenen Patienten mit essentieller Hypertonie, deren Blutdruck bereits mit der gleichzeitigen Gabe von Candesartan und Amlodipin in gleicher Dosierung ausreichend kontrolliert wird. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe,<br />

gegen Dihydropyridinderivate oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile. Zweites und drittes Schwangerschaftstrimester (siehe Abschnitte 4.4 und 4.6). Obstruktion der Gallengänge und schwere Leberinsuffizienz. Schock (einschließlich kardiogenem Schock). schwere Hypotonie. Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts (z.B. hochgradige Aortenstenose). Hämodynamisch<br />

instabile Herzinsuffizienz nach akutem Myokardinfarkt. Die gleichzeitige Anwendung von CandAm ® mit Aliskiren-haltigen Arzneimitteln ist bei Patienten mit Diabetes mellitus oder eingeschränkter Nierenfunktion (GFR < 60 ml/min/1,73 m 2 ) kontraindiziert (siehe Abschnitte 4.5 und 5.1). Pharmakotherapeutische Gruppe: Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System, Angiotensin-II-Antagonisten<br />

und Calciumkanalblocker. ATC-Code: C09DB07. CandAm ® 8 mg/5 mg Hartkapseln, OP zu 30 Stück, Rezept- und apothekenpflichtig. CandAm ® 16 mg/5 mg Hartkapseln, OP zu 30 Stück, Rezept- und apothekenpflichtig. CandAm ® 16 mg/10 mg Hartkapseln, OP zu 30.Stück, Rezept- und apothekenpflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: +pharma arzneimittel gmbh, A-8054 Graz, E-Mail: pluspharma@<br />

pluspharma.at. Weitere Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstigen Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Gewöhnungseffekten und zu den Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Candesartan ratiopharm 4 mg, 8 mg, 16 mg und 32 mg Tabletten; Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 4 mg Candesartan Cilexetil. Jede Tablette enthält 8 mg Candesartan Cilexetil. Jede Tablette enthält 16 mg Candesartan Cilexetil. Jede Tablette enthält 32 mg Candesartan Cilexetil. Sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung: Jede Tablette enthält 133,80 mg<br />

Lactose-Monohydrat. Jede Tablette enthält 129, 80 mg Lactose-Monohydrat. Jede Tablette enthält 121,80 mg Lactose-Monohydrat. Jede Tablette enthält 243,60 mg Lactose-Monohydrat. Anwendungsgebiete: Candesartan ratiopharm ist angezeigt zur: Behandlung der essenziellen Hypertonie bei Erwachsenen. Behandlung von Hypertonie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

MEDIZIN<br />

15<br />

Gadoliniumhaltige Kontrastmittel bald passé?<br />

BILDGEBUNG ■ Arzneimittelbehörde fordert EU-weite Pause für die Zulassung von vier Substanzen<br />

Seit dem Medienrummel im letzten<br />

Jahr weiß jeder: Das MR-Kontrastmittel<br />

Gadolinium kann sich im Gehirn<br />

ablagern. Auch wenn die klinische Relevanz<br />

dieser Erkenntnis nach wie vor<br />

unklar ist, so hat sie zu einer Neubewertung<br />

des Sicherheitsprofils auf europäischer<br />

Ebene geführt.<br />

Gadolinium (Gd) ist ein paramagnetisches<br />

chemisches Element.<br />

Gd-haltige Kontrastmittel führen bei<br />

MRT-Untersuchungen zu einer Verstärkung<br />

des Kontrasts in den Geweben.<br />

Freie Gd-Ionen sind toxisch<br />

und werden deshalb an lineare oder<br />

zyklische Trägersubstanzen gebunden.<br />

Allerdings scheint die Verbindung<br />

insbesondere zwischen Gadolinium<br />

und den linearen Trägersubstanzen<br />

nicht so stabil zu sein, wie<br />

bisher angenommen.<br />

Denn vor allem für diese wurde<br />

über Ablagerungen von Gadolinium<br />

in verschiedenen Geweben, z.B. in der<br />

Haut und auch im Gehirn berichtet.<br />

Bislang ist nicht klar, ob und welche<br />

Symptome oder Erkrankungen mit<br />

den Ablagerungen im Gehirn in Verbindung<br />

stehen könnten.<br />

Weder die europäische Arzneimittelbehörde<br />

EMA noch die US-amerikanische<br />

FDA haben Hinweise<br />

auf Gesundheitsschäden gefunden.<br />

Der Ausschuss für Risikobewertung<br />

im Bereich der Pharmakovigilanz<br />

(PRAC) bei der EMA hat derweil ein<br />

Ruhen der Zulassung für vier lineare<br />

Gd-haltige Kontrastmittel empfohlen:<br />

Gadodiamid, Gadopentetsäure,<br />

Gadobensäure und Gadoversetamid.<br />

Gadoxetsäure, das in niedriger Konzentration<br />

zur Leberbildgebung verwendet<br />

wird, soll verfügbar bleiben,<br />

ebenso wie Gadopentetsäure zur direkten<br />

Gelenkinjektion. Dabei gilt<br />

es, die Mittel so gering wie möglich<br />

zu dosieren und nur zu verwenden,<br />

DFP-Literaturstudien des<br />

ärztemagazin<br />

wenn eine kontrastmittelfreie Bildgebung<br />

nicht möglich ist. Auch alle<br />

makrozyklischen Gd-haltigen Präparate<br />

sollten zurückhaltend und möglichst<br />

in geringer Dosierung zum Einsatz<br />

kommen. Inzwischen ist die EMA<br />

der Empfehlung – quasi als präventive<br />

Maßnahme – weitgehend gefolgt.<br />

Gadobensäure darf allerdings weiterhin<br />

für spezielle Leberuntersuchungen<br />

genutzt werden. Im nächs ten<br />

Schritt muss die Europäische Kommission<br />

dem Beschluss noch zustimmen.<br />

BE/MT<br />

1<br />

Lamkemeyer T et al., Bulletin zur Arzneimittelsicherheit<br />

<strong>2017</strong>; 1: 11–16<br />

2<br />

arznei-telegramm <strong>2017</strong>; 48: 70<br />

In der Klinik<br />

unentbehrlich<br />

Wenn Gadolinium für eine Untersuchung<br />

nicht gebraucht wird, sollte man es nicht<br />

verarbreichen, meint auch die International<br />

Society for Magnetic Resonance<br />

in Medicine (ISMRM) in einer aktuellen<br />

Bewertung. Allerdings sei die Erfolgsbilanz<br />

bei bestimmten Indikationen<br />

nicht von der Hand zu weisen: Gd-haltige<br />

Kontrastmittel liefern eine genaue<br />

Diagnostik und Kontrolle zahlreicher Erkrankungen,<br />

darunter Krebs, Herz- und<br />

Leberleiden. Zudem handelt es sich um<br />

allgemein nebenwirkungsarme Substanzen.<br />

Dementsprechend sehen die<br />

Experten derzeit keinen Grund für eine<br />

dramatische Veränderung des Einsatzes<br />

– zumal derzeit kein nachweisbares erhöhtes<br />

Gesundheitsrisiko durch Ablagerungen<br />

im Gehirn besteht.<br />

Gulani V et al., Lancet Neurol; 16: 564–570<br />

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16 MEDIZIN<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

■ MEDIZIN UND ICH VON A BIS Z<br />

Das grenzenlose Ich<br />

Es gibt da die Geschichte darüber, wie<br />

es in der Hölle zugeht bzw. im Himmel.<br />

Die geht ungefähr so: „In der<br />

Hölle, da sitzen alle um einen großen<br />

Tisch, der sich biegt unter der Last der<br />

köstlichen Speisen, die im Überfluss<br />

vorhanden sind. Doch alle, die darum<br />

herumsitzen jammern und klagen<br />

und leiden furchtbaren Hunger.<br />

Denn jeder hat einen riesigen, langen<br />

Löffel in seiner Hand, mit dem er immer<br />

wieder versucht, sich etwas von<br />

den Köstlichkeiten in den Mund zu<br />

stopfen, jedoch vergebens. Im Himmel<br />

dagegen sieht es so aus: gleiches<br />

Bild, gleiche Tafel, gleiches wunderbares<br />

Essen. Auch die gleichen deppert<br />

langen Löffel. Nur dort füttert jeder<br />

sein Gegenüber, alle sind glücklich<br />

und alle werden satt.“ Was mir daran<br />

gefällt, ist das Plädoyer für kreative<br />

■ BUCHTIPP<br />

Von<br />

Dr. Ulrike Stelzl<br />

Kassenärztin für<br />

Allgemeinmedizin<br />

in Graz<br />

Smart, aber auch mal nicht erreichbar<br />

Flexible Arbeitszeiten, Home Office, Mails von überall<br />

aus bearbeiten – die heutige Arbeitswelt bietet viele<br />

Möglichkeiten, und damit auch viele Möglichkeiten für<br />

Burnout und Dauerstress. Viele Menschen fühlen sich<br />

durch die digitale Lebensverdichtung stärker belastet als<br />

je zuvor. Markus Albers experimentierte mit Nichterreichbarkeit<br />

und Not-to-do-Listen, und lässt seine Leserschaft<br />

daran teilhaben, was er daraus gelernt hat. Sein<br />

Ratgeber, der zeigt, dass wir produktiver werden, wenn<br />

wir lernen abzuschalten.<br />

Markus Albers: Digitale Erschöpfung – wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen.<br />

Hanser <strong>2017</strong>, ISBN 978-3-446-25662-0, 288 Seiten, 22,70 €<br />

Lösungsvorschläge und den Blick<br />

über den eigenen Tellerrand. Meine<br />

persönliche Vorstellung vom Himmel<br />

sieht etwas anders aus. Essen klingt<br />

schon sehr verlockend, aber in meinem<br />

Himmel braucht es nicht gar so<br />

viele Menschen um mich herum, dafür<br />

einen Haufen Katzen.<br />

Warum ich heute von sowas anfange?<br />

Ich möchte niemanden nerven<br />

mit irgendwelchen moralinsauren<br />

Kolumnen oder schon gar nicht<br />

irgendwelche Belehrungen absondern.<br />

Ich schreibe jetzt darüber, weil<br />

ich riesig genervt bin und genug habe<br />

von diesem ewigen Ich! Ich! Ich! Auf<br />

Facebook vermeide ich es, so gut es<br />

geht, Sinnsprüche und Pseudotiefsinniges<br />

zu lesen. An manchen Tagen<br />

geht das ganz gut, der eine oder<br />

andere Geistesschwachsinn zwischen<br />

zwei Urlaubsfotos oder Katzenvideos<br />

von Freunden ist verkraftbar. Manchmal<br />

sind auch Dinge dabei, die ich<br />

mir durchaus selber zur Behirnung<br />

nehme, z.B.: „Hör auf, für Menschen<br />

das Meer teilen zu wollen, die für dich<br />

nicht einmal einen Bach überqueren<br />

würden!“ Hat was und es ist absolut<br />

wichtig, auf sich selbst zu schauen<br />

und zwischendurch eine energetische<br />

„Einnahmen-Ausgabe-Rechnung“<br />

durchzuführen.<br />

Aber der Großteil der Postings hat<br />

nichts mehr mit gesunder Selbstachtung<br />

und sorgsamem Mit-sich-selbst-<br />

Umgehen zu tun. Im Zentrum steht<br />

das „Ich“ und auch in der Peripherie<br />

steht das „Ich“, eigentlich gibt es nur<br />

das „Ich“. Das „Ich“, das immer als<br />

erstes kommen muss, das „Ich“, das<br />

nicht zu kurz kommen darf, das „Ich“,<br />

dessen Bedürfnisse Tag und Nacht<br />

erkundet werden müssen und dann<br />

auch noch prompt erfüllt. Denn alles<br />

andere könnte das „Ich“ ja zu kurz<br />

kommen lassen. Und dann würde es<br />

gelangweilt oder unglücklich oder in<br />

seiner Entwicklung und Entfaltung<br />

gebremst. So manch einer scheint<br />

der Entfaltung seines Ichs seine ganze<br />

Zeit zu widmen. Wie die Leute dazwischen<br />

noch zum Arbeiten kommen,<br />

ganz zu schweigen von der Pflege irgendwelcher<br />

zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen ist mir ein Rätsel und<br />

wird das wahrscheinlich auch bleiben.<br />

E wie Egoismus<br />

Als Hausarzt hat man oder frau ja<br />

auch immer wieder mit den diversen<br />

Auswüchsen der verschiedensten<br />

Ichs zu tun. Angefangen von irgendwelchen<br />

Patienten (meist Männer<br />

in guten Positionen), die schon<br />

statt der Begrüßung ihren ersten Forderungskatalog<br />

auf den Tisch knallen,<br />

bis zu denen, die, obwohl sie noch<br />

nie irgendeinen Beitrag zum Gemeinwohl<br />

geleistet hätten, lautstark nach<br />

allen Segnungen und Gaben desselben<br />

schreien. Dann gibt es da noch<br />

viele Junge, die nicht einsehen, warum<br />

sie so was wie arbeiten müssen,<br />

da das uncool und anstrengend ist,<br />

oder manche Mütter, die befinden,<br />

dass ich kein Recht hätte, ihren kleinen<br />

Engel an der Zerstörung meines<br />

Ordinationseigentums zu hindern. Er<br />

wolle sich schließlich frei entfalten.<br />

Aber heute kam die Krönung. Patient<br />

M. ist Amerikaner und hat von seinem<br />

Doktor in den Staaten meine Adresse<br />

bekommen. Wie meine Bekanntheit<br />

es geschafft hat, über die Bezirksgrenzen<br />

und den großen Teich hinüber<br />

zu diffundieren, weiß ich nicht.<br />

Anyway. Jedenfalls ist M. depressiv<br />

und findet sein Leben leer und seine<br />

Arbeit unbefriedigend. Sozialleben<br />

hat er keines. Die Psychotherapeutin,<br />

zu der ich ihn geschickt hatte, hält er<br />

für inkompetent. An der Kompetenz<br />

der Psychiaterin zweifelt er ebenfalls,<br />

obwohl er sie noch nicht einmal gesehen<br />

hat. Er bezweifelt, dass sie ihn<br />

in seiner Komplexität erfassen könnten.<br />

Ich trainiere innere Ruhe und Gelassenheit.<br />

Ich weiß nicht, wie viele Stunden<br />

wir schon reden. Zum österreichischen<br />

Kassentarif, nicht zum amerikanischen<br />

privaten, den er gewohnt<br />

war. Jedenfalls erklärt er mir heute,<br />

dass er sich die ganze letzte Woche<br />

intensiv damit beschäftigt hätte, was<br />

die Leute in seiner Umgebung für<br />

ihn tun könnten. Was sie ihm geben<br />

könnten. Was er von ihnen kriegen<br />

könnte. Nach der x-ten Stunde<br />

der Bauchnabelumkreisung kollabiert<br />

mein ohnehin klein geratener<br />

innerer Buddha und ich werde etwas<br />

lauter. Man stelle sich dazu das englische<br />

Äquivalent für „Himmel A....<br />

und Zwirn“ vor. Und dann frage ich<br />

ihn: „Haben Sie sich jemals überlegt,<br />

was Sie für andere Menschen tun können?<br />

Womit Sie Ihren Arbeitskollegen<br />

eine Freude machen oder Sie entlasten<br />

können? Was Sie für die Allgemeinheit<br />

tun können hier in Graz?<br />

Überlegen Sie mal, ob Ihnen irgendwas<br />

einfällt, was Menschen glücklich<br />

machen könnte, oder wenn Sie<br />

keine Menschen mögen, dann helfen<br />

Sie im Tierheim! Vielleicht gibt Ihnen<br />

das was? Als Hausaufgabe denken Sie<br />

bitte bis zu unserem nächsten Termin<br />

intensiv darüber nach!“<br />

MT-INTERAKTIV<br />

Sagen Sie uns Ihre Meinung<br />

redaktion@medical-tribune.at<br />

FOTO: FURGLER<br />

einer<br />

der Vornamen<br />

Cäsars<br />

nicht<br />

stationär<br />

Fluss im<br />

Vorderen<br />

Orient<br />

Weltkulturorganisation<br />

Kurzform:<br />

Einkommensteuer-<br />

gesetz<br />

sich<br />

öffentlich<br />

bekennen<br />

(engl.)<br />

früheres<br />

Luftdruckmaß<br />

persönliches<br />

Fürwort<br />

Sinn für<br />

Schallwahrnehmungen<br />

1<br />

Verhalten,<br />

Benehmen<br />

Sinnesorgane<br />

rechter<br />

Donau-<br />

Quellfluss<br />

Techniker<br />

lat.:<br />

drei<br />

Einrichtung<br />

für<br />

Bankkunden<br />

best.<br />

Lkw<br />

kurz für<br />

CD, DVD<br />

Abk.:<br />

Unfalldatenspeicher<br />

Heiterkeitsäußerung<br />

Zimmerpflanze<br />

Gegengift<br />

weibl.<br />

Vorname<br />

kleiner,<br />

lichter<br />

Wald<br />

Behälter<br />

zur Lagerung<br />

von<br />

Zigarren<br />

Fluss in<br />

Vorderasien<br />

Vorsatz:<br />

Milliardstel<br />

einer<br />

Einheit<br />

süddt.:<br />

Jagdtasche<br />

Flitterkram<br />

südjapan.<br />

Inselgruppe<br />

Rennplatz<br />

in<br />

England<br />

ugs.:<br />

Flachbildschirm<br />

altrömisches<br />

Obergewand<br />

rein,<br />

unverfälscht<br />

körperliche<br />

Erscheinung<br />

Behälter<br />

der Gesetzestafeln<br />

(A. T.)<br />

Zahlungsfähigkeit<br />

nicht<br />

wieder<br />

aufnehmen<br />

scherzhaft:<br />

Arzt<br />

israel.<br />

Politiker<br />

† 1992<br />

unteres<br />

Ende der<br />

Wirbelsäule<br />

österr.<br />

Politiker<br />

(Victor)<br />

† 1918<br />

Stadt<br />

an der<br />

Warthe<br />

(Polen)<br />

belg.<br />

Staatsmann<br />

† 1972<br />

Lotterieschein<br />

zukünftig<br />

Hautreinigungsmittel<br />

Abzugskanal<br />

für Abwässer<br />

Fluss in<br />

Schottland<br />

6 3<br />

5<br />

2<br />

®<br />

svd2011-231<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Muse<br />

der<br />

Liebespoesie<br />

4<br />

Musik:<br />

ziemlich<br />

Stadt<br />

an der<br />

Thaya,<br />

in NÖ<br />

5<br />

7<br />

Glatt-,<br />

Wühlechse<br />

6<br />

Stadt<br />

in Westirland<br />

Stadt in<br />

Geldern<br />

(NL)<br />

7<br />

MT-Rätsel<br />

Die Wasserfrau – in Erscheinung<br />

als Nixe, Meerjungfrau,<br />

Undine oder Melusine<br />

– ist eine Ikone der Märchen-<br />

und Sagenliteratur.<br />

Zumeist erscheint die Nixe<br />

als Migrantin, als Fremde<br />

und als Eindringling. In seinem<br />

neuen Theaterstück<br />

„das donauweibchen“ verdichtet Bernd Watzka historische<br />

Meerjungfrau-Geschichten von Andersen<br />

bis Bachmann zu einer halluzinatorisch-fantastischen<br />

Neudeutung. Vor dem Hintergrund einer modernen<br />

Märchengeschichte trifft das Stück Aussagen zu den<br />

Themen Flucht, Vertreibung und Integration.<br />

Schicken Sie die Lösung per Fax (01/54600-735) oder<br />

E-Mail (sekretariat@medizin-medien.at) bis 19.9. an die<br />

Redak tion und gewinnen Sie 2 x 2 Karten für den 30.9.<br />

Das Lösungswort aus MT 36 lautet „Lakrimation“.<br />

Mit Ihrer Teilnahme akzeptieren Sie die AGB sowie die<br />

Datenschutzbestimmungen der Medizin Medien Austria.<br />

Die AGB und die Datenschutzbestimmungen finden Sie auf<br />

www.medonline.at. DVR-Nr.: 4007613

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