Medical Tribune 37/2017
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2 THEMA DER WOCHE<br />
<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />
Impressum<br />
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Gesundheitspolitik und Praxisführung<br />
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Zur besseren Lesbarkeit wurde an einigen Stellen<br />
die männliche Schreibweise gewählt, z.B. „Ärzte“<br />
statt „Ärztinnen“. Dabei handelt es sich ausdrücklich<br />
um keine Bevorzugung eines Geschlechts.<br />
Leseranalyse medizinischer<br />
Fachzeitschriften<br />
Dieses Druckerzeugnis<br />
wurde mit dem Blauen Engel<br />
zertifiziert.<br />
Diskutierten (v.l.): Josef Probst, Christina Cepuch, Esteban Burrone, Hanne B. Pedersen, Clemens Auer, Sabine Vogler, Wolf-D. Ludwig, Jan O. Huber.<br />
Strittige Medikamentenpreise<br />
DISKUSSION ■ Der Zugang zu Arzneimitteln wird auch in den Industrieländern immer mehr zum Thema.<br />
Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion im Gesundheitsministerium suchte Lösungsansätze.<br />
TANJA BECK<br />
„Menschen wie ich ignorierten das<br />
Thema ‚Zugang zu Arzneimitteln‘ für<br />
lange Zeit, weil es in Österreich kein<br />
Problem war“, berichtete Dr. Clemens<br />
Auer, Leiter der Sektion I (Gesundheitssystem,<br />
zentrale Koordination)<br />
im Gesundheitsministerium, zu Beginn<br />
der Diskussion, „dann kam Hepatitis<br />
C und eine amerikanische<br />
AU/CDTN/13/0002a(1)<br />
Firma. In diesem Moment begannen<br />
sogar Leute wie ich zu realisieren,<br />
dass wir ein Problem haben.“<br />
Ein wichtiges Thema für die Sozialversicherung<br />
ist, dass die Therapiekosten<br />
für weit verbreitete Erkrankungen<br />
ständig steigen. So betonte Dr. Josef<br />
Probst, Generaldirektor des Hauptverbandes<br />
der österreichischen Sozialversicherungsträger,<br />
dass die Therapiekosten<br />
für cholesterinsenkende Medikamente<br />
von 70 bis 430 Euro im Jahr<br />
auf bis zu 5000 Euro pro Jahr gestiegen<br />
sind. Zählt man die Kosten für<br />
alle 700.000 Patienten, die in Österreich<br />
cholesterinsenkende Medikamente<br />
einnehmen, zusammen, schlägt<br />
das im Sozialversicherungsbudget mit<br />
fünf Millionen Euro zu Buche.<br />
Hier habe man nur zwei Möglichkeiten:<br />
Man schließt Patienten<br />
von der Therapie mit hochpreisigen<br />
Medikamenten aus, oder man<br />
bringt das Sozialversicherungs-<br />
Candesartan/HCT rtp ®<br />
Jetzt kommt Bewegung in die<br />
Blutdrucktherapie<br />
IND-FREI<br />
Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />
system in Schwierigkeiten. „Wovon<br />
ich spreche, ist eine faire Preisgestaltung.<br />
Denn weltweit haben die Firmen<br />
begonnen, ihre Monopolstellungen<br />
für extreme Preisgestaltung zu<br />
nutzen“, so Probst. Derzeit seien die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen so<br />
gestaltet, dass sie dem Treiben keine<br />
Grenzen setzen.<br />
Dr. Jan Oliver Huber, Geschäftsführer<br />
der Pharmig, konterte. Seiner<br />
Meinung nach gibt es in Österreich<br />
kein Problem mit dem Zugang zu Arzneimitteln.<br />
Das rechtliche Rahmenwerk<br />
werde von der Politik geschaffen,<br />
nicht von der Pharma industrie.<br />
Was das Thema Hepatitis-C-Medikamente<br />
betreffe, so spreche jeder von<br />
den Therapiekosten, aber niemand<br />
davon, dass es möglich sei, Hepatitis<br />
C zu heilen. Ein Problem gebe es in<br />
Österreich nicht bei der Preisbildung,<br />
sondern vielmehr beim Einkauf.<br />
Zweimal zahlen<br />
Ein noch größeres Problem ist laut<br />
Christina Cepuch, Ärzte ohne Grenzen,<br />
dass die Öffentlichkeit für innovative<br />
Arzneimittel oft zweimal bezahlt.<br />
Denn ein Großteil der Grundlagenforschung<br />
wird in öffentlich finanzierten<br />
Einrichtungen gemacht und erst<br />
später an die Industrie verkauft. So finanziere<br />
die öffentliche Hand die Forschung,<br />
die zur Entdeckung eines Arzneimittels<br />
führe, und zahle später noch<br />
einmal für das Arzneimittel. Ein Argument,<br />
dem sich Auer anschloss: „Man<br />
muss sich fragen, wie blöd der öffentliche<br />
Sektor eigentlich ist, zuerst die<br />
Forschung zu finanzieren und dann<br />
auch noch einen höheren Preis für die<br />
Arzneimittel zu bezahlen.“ Man müsse<br />
bereits beim Entdecken eines Moleküles<br />
in öffentlich finanzierten Einrichtungen<br />
beginnen über den Preis zu reden.<br />
„Uns zu sagen, dass es kein Problem<br />
gibt, heißt auch, uns nicht ernst<br />
zu nehmen“, so Auer weiter.<br />
Profit über alles?<br />
Die Pharmaindustrie betont immer<br />
wieder, dass die Ausgaben für Forschung<br />
und Entwicklung für ein Produkt<br />
rund eine Milliarde betragen,<br />
berichtete Probst und prangerte an:<br />
„Wenn man sich die einzelnen Produkte<br />
ansieht, dann machten sie (Gilead,<br />
Anm.) mit Produkten wie dem<br />
Hepatitis-C-Medikament im ersten<br />
Jahr einen Turn over von 25 Milliarden<br />
und hatten einen Gewinn von<br />
gut 50 Prozent, das entsprach 14 Milliarden<br />
Euro. Dazu kommt, dass Gilead<br />
nirgendwo Steuern dafür gezahlt<br />
hat. Das ist alles Offshore-Geld. Dieses<br />
Offshore-Geld wird nun dazu verwendet,<br />
um andere Firmen aufzukaufen.“<br />
In Großbritannien gebe es zudem<br />
Evidenz, dass die Produktionskosten<br />
für drei Packungen des Hepatitis-C-Medikaments<br />
130 Dollar betragen.<br />
Probst: „Sie haben uns eine Packung<br />
für 17.000 Euro angeboten.“ Er<br />
betonte auch den finanziellen Background<br />
der Pharmaindustrie: „Die<br />
„Man muss sich fragen,<br />
wie blöd der öffentliche<br />
Sektor ist, zuerst die<br />
Forschung zu finanzieren<br />
und dann auch<br />
noch einen höheren<br />
Preis für die Arzneimittel<br />
zu bezahlen.“<br />
Dr. Clemens Auer<br />
Firma mit dem meisten Offshore-Geld<br />
im Pharmasektor ist Pfizer mit 197 Milliarden<br />
Dollar.“ Diese Summe sei unvorstellbar<br />
groß. Zum Vergleich: BMW,<br />
Volkswagen und Daimler sind an der<br />
Börse zusammen etwa 200 Milliarden<br />
Dollar wert. Probst: „Das Offshore-Geld<br />
von Pfizer ist gleich hoch wie der Bestandswert<br />
der drei größten deutschen<br />
Automobilhersteller.“<br />
Eine Lösung, um Arzneimittel billiger<br />
einzukaufen, wäre eine verstärkte<br />
staatenübergreifende Zusammenarbeit.<br />
Probst: „Wir sollten nicht für<br />
neun Millionen Österreicher einkaufen,<br />
sondern für 40 Millionen Menschen<br />
in den Benelux-Staaten plus<br />
Österreich.“ Um dies zu ermöglichen,<br />
müsse man allerdings zuerst die rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen ändern.<br />
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FOTO: GESUNDHEIT OESTERREICH/MARKO KOVIC