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Medical Tribune 37/2017

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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

HERZ-KREISLAUF<br />

11<br />

PCSK9-Inhibition kann mehr als LDL senken<br />

ESC <strong>2017</strong> ■ Die Hemmung von PCSK9 dürfte nicht nur das Plasma-LDL senken, sondern auch Thrombozytenfunktion und Inflammation<br />

beeinflussen. Klinische Studien zu diesen Effekten fehlen allerdings noch, war am Europäischen Kardiologenkongress in Barcelona zu hören.<br />

RENO BARTH<br />

„Es ist uns gelungen,<br />

zumindest in vitro,<br />

einen pro-inflammatorischen<br />

in einen<br />

anti-inflammatorischen<br />

Zustand zu<br />

ändern.“<br />

Prof. Dr. Johan Frostegård<br />

Die mittlerweile in Studien dokumentierten<br />

kardiovaskulären Risikoreduktionen<br />

unter Therapie mit Inhibitoren<br />

der Proproteinkonvertase<br />

Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) wurden<br />

als klarer Beleg für die „LDL-Hypothese“,<br />

die die Wirkungen beispielsweise<br />

von Statinen auf harte<br />

Endpunkte praktisch ausschließlich<br />

auf die Senkung des LDL zurückführt,<br />

interpretiert.<br />

Aktuelle Daten und Diskussionen<br />

im Rahmen des Kardiologenkongresses<br />

ESC legen nun jedoch nahe,<br />

dass sich die Dinge doch etwas komplizierter<br />

verhalten könnten. Denn<br />

auch die PCSK9-Inhibitoren könnten<br />

pleiotrope Effekte haben, wie sie<br />

ja für Statine seit Langem bekannt<br />

sind. Zwei Mechanismen werden vorgeschlagen,<br />

wie die Antikörper gegen<br />

PCSK9 über die Lipidsenkung hinaus<br />

das kardiovaskuläre Risiko reduzieren<br />

könnten: anti-inflammatorische und<br />

gerinnungshemmende Effekte.<br />

Anti-inflammatorische<br />

Wirkung in vitro<br />

Hinweise in Richtung einer anti-inflammatorischen,<br />

immunmodulierenden<br />

Wirkung kommen vom<br />

schwedischen Karolinska-Institut.<br />

Dort wurde ein experimentelles<br />

Atherosklerose- Modell entwickelt,<br />

das es erlaubt, die Aktivierung<br />

von T-Zellen und dendritischen Zellen,<br />

die in atherosklerotischen Plaques<br />

häufig gefunden werden, in vitro<br />

zu studieren. Unter anderem untersuchten<br />

sie, wie PCSK9 die Reifung<br />

dendritischer Zellen beeinflusst, sowie<br />

die Effekte von oxidiertem LDL<br />

auf die T-Zell-Aktivierung.<br />

Die in diesem Modell verwendeten<br />

T-Zellen wurden aus atherosklerotischen<br />

Plaques von Patienten entnommen,<br />

die sich wegen einer Karotisstenose<br />

einer Endarterektomie unterziehen<br />

mussten. Als Kontroll-Population<br />

dienten T-Zellen aus dem peripheren<br />

Blut gesunder Probanden. Weiters<br />

wurden menschliche Monozyten aus<br />

dem Blut isoliert und zur Differenzierung<br />

in dendritische Zellen angeregt.<br />

Diese dendritischen Zellen wurden<br />

mit oxidiertem LDL vorbehandelt<br />

und mit den T-Zellen aus den atherosklerotischen<br />

Plaques gemeinsam<br />

kultiviert. Dabei zeigte sich, dass oxidiertes<br />

LDL die Reifung dendritischer<br />

Zellen fördert. Diese mediieren dann<br />

ihrerseits die Aktivierung von T-Zellen<br />

in T-Helferzellen. Darüber hinaus<br />

induziert oxidiertes LDL PCSK9.<br />

Die Inhibition der PCSK9 (die in diesem<br />

Fall durch Stilllegen des verantwortlichen<br />

Gens erfolgte) unterband<br />

die Wirkung von oxidiertem LDL auf<br />

dendritische Zellen und T-Zellen. Die<br />

Reifung dendritischer Zellen wurde<br />

ebenso unterbunden wie die Aktivierung<br />

von T-Zellen.<br />

„Es ist uns gelungen, zumindest in<br />

vitro, einen pro-inflammatorischen<br />

in einen anti-inflammatorischen Zustand<br />

zu ändern. Auch konnten wir<br />

erstmals demonstrieren, dass PCSK9-<br />

Inhibition die Wirkungen von oxidiertem<br />

LDL auf die Immun-Aktivierung<br />

umkehrt. Wir haben also ein potenziell<br />

anti-atherosklerotisches Milieu<br />

geschaffen. Interessanterweise haben<br />

Statine ebenfalls anti-inflammatorische<br />

und immunmodulierende Wirkungen,<br />

die allerdings über andere<br />

Mechanismen zustande kommen“,<br />

kommentierte Studienautor Prof. Dr.<br />

Johan Frostegård.<br />

„Unsere Daten legen<br />

nahe, dass die<br />

PCSK9-Inhibition<br />

bei kardiovaskulären<br />

Patienten günstige<br />

Effekte über die reine<br />

LDL-Senkung hinaus<br />

haben könnte.“<br />

Prof. Dr. Marina Camera<br />

Antithrombotische<br />

Wirkung in vitro<br />

Darüber hinaus mehren sich Hinweise,<br />

dass die Hemmung von PCSK9<br />

auch in die Thrombozytenaggregation<br />

eingreifen könnte. Eine italienische<br />

Gruppe berichtete im Rahmen<br />

des ESC, dass PCSK9 auch als Co-Aktivator<br />

der Thrombozytenfunktion<br />

fungiert, woraus sich eine antithrombotische<br />

Wirkung der PCSK9<br />

ergeben könnte. In diese Richtung<br />

weisen Befunde, die den Plasma-Spiegel<br />

von PCSK9 unabhängig<br />

vom LDL-Spiegel mit kardiovaskulären<br />

Ereignissen in Verbindung bringen.<br />

„Bislang hat allerdings noch niemand<br />

untersucht, ob PCSK9 einen direkten<br />

Einfluss auf die Plättchenfunktion<br />

hat“, sagt dazu Prof. Dr. Marina<br />

Camera von der Universität Mailand,<br />

„unsere Hypothese war, dass der Beitrag<br />

von PCSK9 zu kardiovaskulären<br />

Ereignissen über die LDL-Senkung hinaus<br />

beeinflusst werden kann.“ Dies<br />

wurde in einem In-vitro-Setting,<br />

nämlich mittels Epinephrin-induzierter<br />

Plättchenaggregation, untersucht.<br />

Die Thrombozyten stammten von Patienten<br />

mit stabiler Angina, Diabetikern<br />

und gesunden Kontrollen.<br />

Die Studie lieferte eine ganze Reihe<br />

neuer Informationen. Konkret:<br />

▶ PCSK9 wird in humanen Megakaryozyten<br />

(die im Knochenmark<br />

Plättchen produzieren) exprimiert.<br />

Ein Teil der zirkulierenden Plättchen<br />

enthält PCSK9, was einen<br />

komplexen und geregelten Transportmechanismus<br />

für die PCSK9<br />

vom Megakaryozyten zu bestimmten<br />

Plättchen nahelegt.<br />

▶ PCSK9 spielt eine Rolle in Plättchenaktivierung<br />

und -aggregation.<br />

▶ Plättchen von Patienten mit Diabetes<br />

und Angina enthalten doppelt<br />

so viel PCSK9 wie Plättchen<br />

von Personen mit nur einer oder<br />

keiner der beiden Erkrankungen.<br />

Camera: „Unsere Daten weisen in<br />

Richtung eines neuen Mechanismus,<br />

der für die Plättchenaktivierung bei<br />

kardio vaskulären Patienten mitverantwortlich<br />

sein könnte. Und sie legen<br />

nahe, dass die PCSK9-Inhibition<br />

in diesen Patienten günstige Effekte<br />

über die reine LDL-Senkung hinaus<br />

haben könnte.“<br />

1<br />

Frostegård J et al. PCSK9 plays a novel immunological<br />

role in Oxidized LDL-induced<br />

dendritic cell maturation and T cell activation<br />

from human blood and atherosclerotic<br />

plaque. ESC <strong>2017</strong>, Abstract 3856<br />

2<br />

Rossetti L et al. PCSK9 beyond its role in<br />

cholesterol homeostasis: co-activator of platelet<br />

function. ESC <strong>2017</strong>, Abstract 2210<br />

European Society of Cardiology (ESC) <strong>2017</strong>;<br />

Barcelona, August <strong>2017</strong><br />

Fachkurzinformationen auf Seite 14

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