13.09.2017 Aufrufe

Medical Tribune 37/2017

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

16 MEDIZIN<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />

■ MEDIZIN UND ICH VON A BIS Z<br />

Das grenzenlose Ich<br />

Es gibt da die Geschichte darüber, wie<br />

es in der Hölle zugeht bzw. im Himmel.<br />

Die geht ungefähr so: „In der<br />

Hölle, da sitzen alle um einen großen<br />

Tisch, der sich biegt unter der Last der<br />

köstlichen Speisen, die im Überfluss<br />

vorhanden sind. Doch alle, die darum<br />

herumsitzen jammern und klagen<br />

und leiden furchtbaren Hunger.<br />

Denn jeder hat einen riesigen, langen<br />

Löffel in seiner Hand, mit dem er immer<br />

wieder versucht, sich etwas von<br />

den Köstlichkeiten in den Mund zu<br />

stopfen, jedoch vergebens. Im Himmel<br />

dagegen sieht es so aus: gleiches<br />

Bild, gleiche Tafel, gleiches wunderbares<br />

Essen. Auch die gleichen deppert<br />

langen Löffel. Nur dort füttert jeder<br />

sein Gegenüber, alle sind glücklich<br />

und alle werden satt.“ Was mir daran<br />

gefällt, ist das Plädoyer für kreative<br />

■ BUCHTIPP<br />

Von<br />

Dr. Ulrike Stelzl<br />

Kassenärztin für<br />

Allgemeinmedizin<br />

in Graz<br />

Smart, aber auch mal nicht erreichbar<br />

Flexible Arbeitszeiten, Home Office, Mails von überall<br />

aus bearbeiten – die heutige Arbeitswelt bietet viele<br />

Möglichkeiten, und damit auch viele Möglichkeiten für<br />

Burnout und Dauerstress. Viele Menschen fühlen sich<br />

durch die digitale Lebensverdichtung stärker belastet als<br />

je zuvor. Markus Albers experimentierte mit Nichterreichbarkeit<br />

und Not-to-do-Listen, und lässt seine Leserschaft<br />

daran teilhaben, was er daraus gelernt hat. Sein<br />

Ratgeber, der zeigt, dass wir produktiver werden, wenn<br />

wir lernen abzuschalten.<br />

Markus Albers: Digitale Erschöpfung – wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen.<br />

Hanser <strong>2017</strong>, ISBN 978-3-446-25662-0, 288 Seiten, 22,70 €<br />

Lösungsvorschläge und den Blick<br />

über den eigenen Tellerrand. Meine<br />

persönliche Vorstellung vom Himmel<br />

sieht etwas anders aus. Essen klingt<br />

schon sehr verlockend, aber in meinem<br />

Himmel braucht es nicht gar so<br />

viele Menschen um mich herum, dafür<br />

einen Haufen Katzen.<br />

Warum ich heute von sowas anfange?<br />

Ich möchte niemanden nerven<br />

mit irgendwelchen moralinsauren<br />

Kolumnen oder schon gar nicht<br />

irgendwelche Belehrungen absondern.<br />

Ich schreibe jetzt darüber, weil<br />

ich riesig genervt bin und genug habe<br />

von diesem ewigen Ich! Ich! Ich! Auf<br />

Facebook vermeide ich es, so gut es<br />

geht, Sinnsprüche und Pseudotiefsinniges<br />

zu lesen. An manchen Tagen<br />

geht das ganz gut, der eine oder<br />

andere Geistesschwachsinn zwischen<br />

zwei Urlaubsfotos oder Katzenvideos<br />

von Freunden ist verkraftbar. Manchmal<br />

sind auch Dinge dabei, die ich<br />

mir durchaus selber zur Behirnung<br />

nehme, z.B.: „Hör auf, für Menschen<br />

das Meer teilen zu wollen, die für dich<br />

nicht einmal einen Bach überqueren<br />

würden!“ Hat was und es ist absolut<br />

wichtig, auf sich selbst zu schauen<br />

und zwischendurch eine energetische<br />

„Einnahmen-Ausgabe-Rechnung“<br />

durchzuführen.<br />

Aber der Großteil der Postings hat<br />

nichts mehr mit gesunder Selbstachtung<br />

und sorgsamem Mit-sich-selbst-<br />

Umgehen zu tun. Im Zentrum steht<br />

das „Ich“ und auch in der Peripherie<br />

steht das „Ich“, eigentlich gibt es nur<br />

das „Ich“. Das „Ich“, das immer als<br />

erstes kommen muss, das „Ich“, das<br />

nicht zu kurz kommen darf, das „Ich“,<br />

dessen Bedürfnisse Tag und Nacht<br />

erkundet werden müssen und dann<br />

auch noch prompt erfüllt. Denn alles<br />

andere könnte das „Ich“ ja zu kurz<br />

kommen lassen. Und dann würde es<br />

gelangweilt oder unglücklich oder in<br />

seiner Entwicklung und Entfaltung<br />

gebremst. So manch einer scheint<br />

der Entfaltung seines Ichs seine ganze<br />

Zeit zu widmen. Wie die Leute dazwischen<br />

noch zum Arbeiten kommen,<br />

ganz zu schweigen von der Pflege irgendwelcher<br />

zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen ist mir ein Rätsel und<br />

wird das wahrscheinlich auch bleiben.<br />

E wie Egoismus<br />

Als Hausarzt hat man oder frau ja<br />

auch immer wieder mit den diversen<br />

Auswüchsen der verschiedensten<br />

Ichs zu tun. Angefangen von irgendwelchen<br />

Patienten (meist Männer<br />

in guten Positionen), die schon<br />

statt der Begrüßung ihren ersten Forderungskatalog<br />

auf den Tisch knallen,<br />

bis zu denen, die, obwohl sie noch<br />

nie irgendeinen Beitrag zum Gemeinwohl<br />

geleistet hätten, lautstark nach<br />

allen Segnungen und Gaben desselben<br />

schreien. Dann gibt es da noch<br />

viele Junge, die nicht einsehen, warum<br />

sie so was wie arbeiten müssen,<br />

da das uncool und anstrengend ist,<br />

oder manche Mütter, die befinden,<br />

dass ich kein Recht hätte, ihren kleinen<br />

Engel an der Zerstörung meines<br />

Ordinationseigentums zu hindern. Er<br />

wolle sich schließlich frei entfalten.<br />

Aber heute kam die Krönung. Patient<br />

M. ist Amerikaner und hat von seinem<br />

Doktor in den Staaten meine Adresse<br />

bekommen. Wie meine Bekanntheit<br />

es geschafft hat, über die Bezirksgrenzen<br />

und den großen Teich hinüber<br />

zu diffundieren, weiß ich nicht.<br />

Anyway. Jedenfalls ist M. depressiv<br />

und findet sein Leben leer und seine<br />

Arbeit unbefriedigend. Sozialleben<br />

hat er keines. Die Psychotherapeutin,<br />

zu der ich ihn geschickt hatte, hält er<br />

für inkompetent. An der Kompetenz<br />

der Psychiaterin zweifelt er ebenfalls,<br />

obwohl er sie noch nicht einmal gesehen<br />

hat. Er bezweifelt, dass sie ihn<br />

in seiner Komplexität erfassen könnten.<br />

Ich trainiere innere Ruhe und Gelassenheit.<br />

Ich weiß nicht, wie viele Stunden<br />

wir schon reden. Zum österreichischen<br />

Kassentarif, nicht zum amerikanischen<br />

privaten, den er gewohnt<br />

war. Jedenfalls erklärt er mir heute,<br />

dass er sich die ganze letzte Woche<br />

intensiv damit beschäftigt hätte, was<br />

die Leute in seiner Umgebung für<br />

ihn tun könnten. Was sie ihm geben<br />

könnten. Was er von ihnen kriegen<br />

könnte. Nach der x-ten Stunde<br />

der Bauchnabelumkreisung kollabiert<br />

mein ohnehin klein geratener<br />

innerer Buddha und ich werde etwas<br />

lauter. Man stelle sich dazu das englische<br />

Äquivalent für „Himmel A....<br />

und Zwirn“ vor. Und dann frage ich<br />

ihn: „Haben Sie sich jemals überlegt,<br />

was Sie für andere Menschen tun können?<br />

Womit Sie Ihren Arbeitskollegen<br />

eine Freude machen oder Sie entlasten<br />

können? Was Sie für die Allgemeinheit<br />

tun können hier in Graz?<br />

Überlegen Sie mal, ob Ihnen irgendwas<br />

einfällt, was Menschen glücklich<br />

machen könnte, oder wenn Sie<br />

keine Menschen mögen, dann helfen<br />

Sie im Tierheim! Vielleicht gibt Ihnen<br />

das was? Als Hausaufgabe denken Sie<br />

bitte bis zu unserem nächsten Termin<br />

intensiv darüber nach!“<br />

MT-INTERAKTIV<br />

Sagen Sie uns Ihre Meinung<br />

redaktion@medical-tribune.at<br />

FOTO: FURGLER<br />

einer<br />

der Vornamen<br />

Cäsars<br />

nicht<br />

stationär<br />

Fluss im<br />

Vorderen<br />

Orient<br />

Weltkulturorganisation<br />

Kurzform:<br />

Einkommensteuer-<br />

gesetz<br />

sich<br />

öffentlich<br />

bekennen<br />

(engl.)<br />

früheres<br />

Luftdruckmaß<br />

persönliches<br />

Fürwort<br />

Sinn für<br />

Schallwahrnehmungen<br />

1<br />

Verhalten,<br />

Benehmen<br />

Sinnesorgane<br />

rechter<br />

Donau-<br />

Quellfluss<br />

Techniker<br />

lat.:<br />

drei<br />

Einrichtung<br />

für<br />

Bankkunden<br />

best.<br />

Lkw<br />

kurz für<br />

CD, DVD<br />

Abk.:<br />

Unfalldatenspeicher<br />

Heiterkeitsäußerung<br />

Zimmerpflanze<br />

Gegengift<br />

weibl.<br />

Vorname<br />

kleiner,<br />

lichter<br />

Wald<br />

Behälter<br />

zur Lagerung<br />

von<br />

Zigarren<br />

Fluss in<br />

Vorderasien<br />

Vorsatz:<br />

Milliardstel<br />

einer<br />

Einheit<br />

süddt.:<br />

Jagdtasche<br />

Flitterkram<br />

südjapan.<br />

Inselgruppe<br />

Rennplatz<br />

in<br />

England<br />

ugs.:<br />

Flachbildschirm<br />

altrömisches<br />

Obergewand<br />

rein,<br />

unverfälscht<br />

körperliche<br />

Erscheinung<br />

Behälter<br />

der Gesetzestafeln<br />

(A. T.)<br />

Zahlungsfähigkeit<br />

nicht<br />

wieder<br />

aufnehmen<br />

scherzhaft:<br />

Arzt<br />

israel.<br />

Politiker<br />

† 1992<br />

unteres<br />

Ende der<br />

Wirbelsäule<br />

österr.<br />

Politiker<br />

(Victor)<br />

† 1918<br />

Stadt<br />

an der<br />

Warthe<br />

(Polen)<br />

belg.<br />

Staatsmann<br />

† 1972<br />

Lotterieschein<br />

zukünftig<br />

Hautreinigungsmittel<br />

Abzugskanal<br />

für Abwässer<br />

Fluss in<br />

Schottland<br />

6 3<br />

5<br />

2<br />

®<br />

svd2011-231<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Muse<br />

der<br />

Liebespoesie<br />

4<br />

Musik:<br />

ziemlich<br />

Stadt<br />

an der<br />

Thaya,<br />

in NÖ<br />

5<br />

7<br />

Glatt-,<br />

Wühlechse<br />

6<br />

Stadt<br />

in Westirland<br />

Stadt in<br />

Geldern<br />

(NL)<br />

7<br />

MT-Rätsel<br />

Die Wasserfrau – in Erscheinung<br />

als Nixe, Meerjungfrau,<br />

Undine oder Melusine<br />

– ist eine Ikone der Märchen-<br />

und Sagenliteratur.<br />

Zumeist erscheint die Nixe<br />

als Migrantin, als Fremde<br />

und als Eindringling. In seinem<br />

neuen Theaterstück<br />

„das donauweibchen“ verdichtet Bernd Watzka historische<br />

Meerjungfrau-Geschichten von Andersen<br />

bis Bachmann zu einer halluzinatorisch-fantastischen<br />

Neudeutung. Vor dem Hintergrund einer modernen<br />

Märchengeschichte trifft das Stück Aussagen zu den<br />

Themen Flucht, Vertreibung und Integration.<br />

Schicken Sie die Lösung per Fax (01/54600-735) oder<br />

E-Mail (sekretariat@medizin-medien.at) bis 19.9. an die<br />

Redak tion und gewinnen Sie 2 x 2 Karten für den 30.9.<br />

Das Lösungswort aus MT 36 lautet „Lakrimation“.<br />

Mit Ihrer Teilnahme akzeptieren Sie die AGB sowie die<br />

Datenschutzbestimmungen der Medizin Medien Austria.<br />

Die AGB und die Datenschutzbestimmungen finden Sie auf<br />

www.medonline.at. DVR-Nr.: 4007613

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!