Medical Tribune 37/2017
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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>37</strong> j 13. September <strong>2017</strong><br />
3<br />
▶ POLITIK & PRAXIS<br />
■ MELDUNGEN<br />
U-Ausschuss<br />
zu KH Nord?<br />
Nach einem Bericht in der Tageszeitung<br />
„Die Presse“ (5. September<br />
<strong>2017</strong>) über die offenbar nach wie ungeklärte<br />
Kostenfrage zum Bauprojekt<br />
Spital Nord und über die Turbulenzen<br />
im Wiener Krankenanstaltenverbund<br />
(KAV) bezeichnen die ÖVP und die<br />
Neos einen Untersuchungsausschuss<br />
als „unumgänglich“.<br />
Außerdem forderten die zwei Parteien<br />
eine sofortige Ausschreibung<br />
der KAV-Leitung inklusive eines öffentlichen<br />
Hearings. Es werde eine<br />
„transparente Ausschreibung“, wie<br />
sie in der Privatwirtschaft üblich<br />
sei, geben, sagte Gesundheitsstadträtin<br />
Sandra Frauenberger (SP) dazu.<br />
Einen Termin dafür gebe es jedoch<br />
noch nicht.<br />
RED/APA<br />
FOTO: KZENON / GETTYIMAGES<br />
Notärztliche Dienste sind schwierig zu besetzen, es droht ein Personalloch – Experten kritisieren die Ausbildung und eine teils schlechte Bezahlung.<br />
Ärzte in Not – Rettung in Sicht<br />
NOTFALLVERSORGUNG ■ Österreich gehen die Notärzte aus, Paramedics sind laut Ärztekammer aber nicht<br />
notwendig. Sehr wohl jedoch Reformen, allen voran in der Ausbildung. Anfang 2018 soll es so weit sein.<br />
ANITA GROSS<br />
Engpässe bei den Notärzten sorgen<br />
regelmäßig für Schlagzeilen. Anfang<br />
<strong>2017</strong> in Wien, zwischendurch in der<br />
Steiermark, zuletzt in Kärnten. Dr.<br />
Roland Steiner, Referent für Notfallund<br />
Katastrophenmedizin, schlug in<br />
der „Kärntner Ärztezeitung“ (Ausgabe<br />
Juli/August <strong>2017</strong>) Alarm: Es drohe<br />
ein „massives Personalloch“, Dienste<br />
seien immer schwieriger zu besetzen,<br />
zudem steige auch noch die Zahl der<br />
(Fehl-)Einsätze. Als Gründe nennt er<br />
vor allem die neue Ausbildungsordnung<br />
(ÄAO 2015) und die schlechte<br />
Bezahlung von freiberuflichen vs. spitalsgebundenen<br />
Notärzten.<br />
MT nahm dies zum Anlass, bundesweit<br />
genauer hinzuschauen. Welche<br />
Modelle gibt es, wo liegen die<br />
Probleme, wo die Lösungen? In Österreich<br />
gebe es im Wesentlichen fünf<br />
unterschiedliche Notarztsysteme, erklärt<br />
Burgenlands Ärzte-Chef Dr. Michael<br />
Lang, der auch ÖÄK-Referent<br />
für Notfall- und Rettungsdienste sowie<br />
Katastrophenmedizin ist:<br />
▶ KH-gebundene Modelle (überall):<br />
Notarzt ist vom Spital angestellt<br />
und fährt in Kooperation mit einem<br />
Rettungsdienst. Die Dienste<br />
fallen unter das Krankenanstalten-<br />
Arbeitszeitgesetz (KA-AZG).<br />
▶ Berufsrettung (MA 70 in Wien): Die<br />
klassische Form gibt es nicht mehr<br />
(unzureichende Besetzung der<br />
Planstellen), seit 1. April <strong>2017</strong> sind<br />
daher auch in Wien die Notärzte in<br />
Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes<br />
stationiert.<br />
▶ Freiberufliche Modelle (überall<br />
außer Burgenland, bis auf den in<br />
Oberwart stationierten Rettungshubschrauber,<br />
wird aber jetzt angedacht):<br />
Notarzt hat Werkvertrag<br />
mit Rettungsdienst, typisch auch<br />
für Flugrettung.<br />
▶ Kombiniertes Modell (z.B. Steiermark):<br />
KH-gebundene Notärzte<br />
fahren in ihrer Freizeit mit dem<br />
gleichen Dienst.<br />
▶ Niedergelassene Ärzte, die für eine<br />
Blaulichtorganisation als Notärzte<br />
tätig sind (v.a. am Land, z.B. Tirol).<br />
Organisatorisch als auch medizinisch<br />
hält Lang das KH-gebundene Modell<br />
für das beste: „Die Ärzte, meist Anästhesisten<br />
oder Notaufnahmeärzte, arbeiten<br />
im normalen Betrieb mit, sind<br />
medizinisch also ständig am Laufenden.<br />
Der Freiberufliche hat mit der<br />
Notarzttätigkeit nur zu tun in der Zeit,<br />
wo er Einsätze fährt.“ Außerdem: Alle<br />
KH-gebundenen Kollegen sehen die<br />
Folgen ihrer präklinischen Tätigkeit.<br />
„Freizeit ist Freizeit“<br />
Der Nachteil ist die Einschränkung<br />
der Arbeitszeit durch das KA-AZG.<br />
Hier helfen gemischte Modelle: Durch<br />
eine ASVG-Novelle (seit 1.1.2016 in<br />
Kraft) fallen Notärzte, die sowohl<br />
im Spital als auch freiberuflich als<br />
Notärzte tätig sind, aus dem KA-AZG<br />
heraus. Kritikern, die darin eine Umgehung<br />
des KA-AZG sehen, entgegnet<br />
er: „Das muss man schon fair betrachten,<br />
Freizeit ist Freizeit.“ Egal,<br />
ob jemand eine schwere Bergwanderung<br />
mache, extrem sportle oder Notarzt<br />
fahre, „es obliegt sehr wohl dem<br />
Einzelnen, dass er seine Tätigkeit so<br />
wählt, dass er hintennach nicht müde<br />
ins Krankenhaus geht“.<br />
Das weitaus größere Problem sei<br />
ohnehin die drohende Personallücke<br />
durch die ÄAO 2015, wie auch Steiner<br />
aus Kärnten diagnostiziert: Fachärzte<br />
erwerben jetzt das Ius practicandi erst<br />
nach Ende ihrer Ausbildung (nicht<br />
nach dem Turnus), sie dürfen also<br />
gar nicht früher Notarzt fahren, selbst<br />
wenn sie wollten. Die Lösung laut<br />
Steiner: Rasch die „Ausbildung Neu<br />
für Notärzte“ zu beschließen, ein Konzept<br />
liege in der Schublade.<br />
Lang dazu: „Die Verhandlungen<br />
zum ‚Notarzt Neu‘ laufen schon sehr<br />
lange“, mit der ÄAO sei das natürlich<br />
„hochakut“ geworden, der § 40 im<br />
Ärztegesetz (Notarztausbildung) gehöre<br />
grundlegend geändert. Er ist aber<br />
zuversichtlich: „Wir sind in sehr intensiven<br />
Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium<br />
und ich hoffe<br />
doch, dass wir in absehbarer Zeit ein<br />
Ergebnis haben.“ Die Ausbildungsinhalte<br />
seien fertig, es gehe jetzt rein<br />
um die juristischen Hintergründe.<br />
Inhaltlich möchte Lang nichts<br />
„prä judizieren“, die Eckpunkte sind<br />
jedoch klar: Erstens eine qualitativ<br />
hochwertige Ausbildung, u.a. mit supervidierten<br />
Ausfahrten und dem Erlernen<br />
gewisser Skills. Zweitens: „Der,<br />
der da hinausfährt, muss haftungsrechtlich<br />
abgesichert sein.“ Ziel der<br />
neuen gesetzlichen Basis sei es, die<br />
Nachwuchsprobleme abzufangen.<br />
BMGF für rasche Umsetzung<br />
Das Ministerium habe, so Lang,<br />
den von der ÖÄK deponierten Fahrplan<br />
zugesagt: Ein Beginn der neuen<br />
Notärzteausbildung mit 1. Jänner 2018<br />
sei „realistisch“ – trotz Nationalratswahl.<br />
Auf MT-Anfrage bestätigt das<br />
BMGF die laufenden Gespräche mit<br />
der ÖÄK zur Reform der Notarztausbildung,<br />
lässt sich jedoch nicht festnageln:<br />
Für die Umsetzung brauche<br />
es zunächst eine gesetzliche Neuregelung<br />
bzw. in Folge eine Verordnung.<br />
„Bis wann eine Umsetzung möglich<br />
ist, hängt auch davon ab, wie rasch die<br />
Gespräche tatsächlich abgeschlossen<br />
werden können“, man sei jedenfalls<br />
für eine „rasche“ Umsetzung.<br />
„Noch haben wir ein sehr gut funktionierendes<br />
Notarztsystem“, ist Lang<br />
davon überzeugt, „dass es auch nichts<br />
Besseres für den Patienten gibt, als einen<br />
Notarzt vor Ort zu haben“. Von<br />
Alternativen, wie das Notarztsystem<br />
durch Paramedics zu ersetzen, hält<br />
er nichts: „Das ist mit Sicherheit eine<br />
Verschlechterung der Patientenversorgung.<br />
Wir brauchen keine Paramedics,<br />
sondern gut ausgebildete Rettungssanitäter.“<br />
Auch beim Thema Fehleinsätze<br />
spiele es eine Rolle, wie sensibel<br />
eine Zentrale auf Alarmierungen<br />
reagiert – ob sie gleich den Notarzt<br />
schickt oder doch vorher einen gut<br />
ausgebildeten Sanitäter.<br />
Salzburger<br />
Männer holen auf<br />
Statistiker des Landes Salzburg gaben<br />
vorige Woche bekannt, dass die Männer<br />
gegenüber den Frauen in Salzburg<br />
bei der Lebenserwartung leicht aufholen.<br />
Eine 2016 neugeborene Salzburgerin<br />
kann damit rechnen, im Schnitt<br />
84,6 Jahre alt zu werden, ein neugeborener<br />
Salzburger 80,2 Jahre. Vor zehn<br />
Jahren betrug die Lebenserwartung<br />
noch 83,8 bei Frauen und 77,7 Jahre<br />
bei Männern. Damit hat sich der Abstand<br />
zwischen den Geschlechtern um<br />
zirka 1,5 Jahre verringert. Nach wie<br />
vor sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
und Krebs die beiden häufigsten Todesursachen.<br />
Sowohl in Salzburg als<br />
auch bundesweit sind Männer bei allen<br />
Todesursachengruppen stärker als<br />
Frauen gefährdet.<br />
Frankreich weitet<br />
Impfpflicht aus<br />
Die französische Gesundheitsministerin<br />
Agnès Buzyn will ab Jänner<br />
2018 die Impfplicht für Kinder von<br />
drei auf elf Krankheiten ausweiten,<br />
wie kürzlich bekannt wurde. Bisher<br />
sind in Frankreich Impfungen nur<br />
gegen Diphtherie, Tetanus und Polio<br />
verpflichtend, künftig sollen es auch<br />
Impfungen z.B. gegen Pertussis, Masern,<br />
Röteln und Hepatitis B sein. Laut<br />
Medienberichten drohen bei Nichteinhalten<br />
Gefängnisstrafen von bis zu<br />
sechs Monaten und Geldstrafen von<br />
bis zu <strong>37</strong>50 Euro.<br />
DPA<br />
Schweizer<br />
erlauben PID<br />
Seit 1. September <strong>2017</strong> ist Schweizer<br />
Ärzten erlaubt, nach einer künstlichen<br />
Befruchtung den Embryo auf bestimmte<br />
genetische Merkmale zu untersuchen.<br />
Reproduktionsmediziner<br />
Peter Fehr geht davon aus, dass bei<br />
etwa zehn Prozent aller In-vitro-Befruchtungen<br />
eine Präimplantationsdiagnostik<br />
(PID) sinnvoll sei. DPA