Aurelius Augustinus: Bekenntnisse
Aurelius Augustinus: Bekenntnisse
Aurelius Augustinus: Bekenntnisse
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wieder gestattete, bei ihr zu leben und mit ihr den Tisch zu teilen, was sie mir verweigert hatte<br />
in tiefer Abscheu vor den Lästerungen meines Irrtums? Sie träumte, ich stände auf einem<br />
hölzernen Richtscheit; da trete zu ihr ein Jüngling von glänzender Erscheinung, heiter und<br />
fröhlich, während sie traurig und schier vorn Gram erdrückt war; der fragte sie, warum sie<br />
denn so traurig sei, und nach der Ursache ihrer täglichen Tränen, nicht aus Neugierde,<br />
sondern, wie gewöhnlich bei solchen Erscheinungen, um seine Belehrung daranzuknüpfen.<br />
Und als sie ihm nun antwortete, mein Verderben beklage sie, da gebot er ihr, sich zu<br />
beruhigen, und ermahnte sie aufzuachten und aufzusehen, denn wo sie wäre, da sei auch ich.<br />
Und da sie nun aufblickte, da sah sie nüch neben sich stehen auf demselbigen Richtscheit.<br />
Woher kam dieser Traum, wenn nicht von dir, der du dein Ohr neigtest zu ihrem Herzen? O<br />
du Allmächtiger, Gütiger, der du für einen jeden von uns also sorgst, als hättest du nur für ihn<br />
allein zu sorgen, und dich aller so annimmst wie jedes einzelnen.<br />
Da sie mir nun ihr Gesicht erzählt hatte und ich es gewaltsam dahin zu deuten nüch unterfing,<br />
daß sie vielmehr nicht daran verzweifeln möchte, das zu vergessen, was ich war, da sagte sie<br />
rasch ohne alles Bedenken: "Mitnichten, denn es ist mir nicht verkündet worden: 'Wo jener,<br />
da auch du', sondern: 'Wo du, da auch jener.'" Dir, o Herr, bekenne ich soweit meine<br />
Erinnerung mich zurückgehen läßt , was ich auch sonst nicht verschwieg, daß ich mehr durch<br />
die Antwort, welche du mir durch die sorgende Mutter gabst, bewegt wurde, weil sie durch<br />
meine falsche, so naheliegende Auslegung nicht in Verwirrung gebracht wurde und so schnell<br />
das Richtige erkannte, was ich, bevor sie es aussprach, wahrlich nicht erkannt hatte, als durch<br />
den Traum, durch den dem frommen Weibe die erst viel später eintretende Freude zum Trost<br />
in ihrem gegenwärtigen Kummer vorausgesagt wurde. Denn neun lange Jahre folgten tucli<br />
dieser Zeit, in welcher ich in der Tiefe des Sündenschlammes in der Nacht des Wahnes mich<br />
umherwand und der ich, sooft ich mich erheben wollte, doch nur um so heftiger<br />
hineingestoßen wurde. Währenddessen jedoch hörte jene züchtige fromme und weise Witwe<br />
wie du sie liebst nicht auf, in all ihren Gebeten zu dir klagend zu flehen um mein Heil. Schon<br />
war ihre Hoffnung lebendiger, doch ward sie trotzdem nicht lässiger in ihrem Weinen und<br />
Seufzen. Und es kam ihr Gebet vor dich, aber noch ließest du mich wälzen in jener Finsternis<br />
und von ihr eingehüllt werden.<br />
Drittes Buch - Zwölftes Kapitel<br />
Noch eine andere Antwort gabst du meiner Mutter, deren ich mich erinnere. Denn vieles<br />
übergehe ich, deshalb einerseits, weil ich zu dem eile, was mir dringender erscheint, es dir zu<br />
gestehen, andererseits, weil ich vieles vergaß. jene andere Antwort gabst du ihr durch einen<br />
deiner Priester, einen frommen Bischof, in deinem Dienst erwachsen und in deiner Schrift<br />
wohlerfahren. Als ihn nun jenes Weib bat, mich einer Unterredung zu würdigen, um meine<br />
Irrtümer zu zerstreuen, mich vom Bösen abzubringen, das Gute aber mir beizubringen so tat<br />
sie es, wenn sie glaubte, einen geeigneten Mann gefunden zu haben , da verweigerte er es ihr<br />
und tat klug daran, wie ich später erst erkannte. Denn er antwortete ihr, daß ich noch keiner<br />
Belehrung zugänglich sei, weil ich noch allzusehr von jener neuen Irrlehre erfüllt sei und viele<br />
Unerfahrene schon mit verfänglichen Fragen beunruhigt hätte, wie sie ihm ja selbst anvertraut<br />
habe. "Laß ihn dort", so sagte er, "und bete für ihn zum Herrn; er selbst wird durch Lesen<br />
schon finden, was sein Irrtum ist und wie groß seine Gottlosigkeit." Dabei erzählte er, wie er,<br />
als er noch ein kleiner Knabe war, von seiner verführten Mutter den Manichäern übergeben<br />
worden sei, fast alle ihre Schriften gelesen und sogar oftmals abgeschrieben habe; wie er dann<br />
selbst ohne jemandes Überlegung und Überführung erkannt habe, wie verderblich jene Sekte<br />
sei und wie er sich von ihr losgemacht habe. Als sie nach diesen seinen Worten sich noch