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Aurelius Augustinus: Bekenntnisse

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empfangen hatte, von deren Empfang er aber unterrichtet war, mit einstimmen würde, da<br />

entsetzte er sich vor mir wie vor einem Feinde und ermahnte mich mit wundersam heftigem<br />

Freimut, solcher Reden mich zu enthalten, wenn ich sein Freund sein wolle. Wohl war ich<br />

betroffen und in Verwirrung gebracht, aber ich hielt meine Gemütsbewegung zurück, auf daß<br />

er baldigst genese, um mit Wiedererlangung seiner Kräfte geeignet zu sein zur Besprechung<br />

dessen, was ich im Sinne hatte. Da aber entrissest du ihn meiner Torheit, auf daß er bewahrt<br />

bliebe bei dir zu meinem Troste. Nach wenigen Tagen wiederholte sich das Fieber und er<br />

verschied, da ich gerade abwesend war.<br />

Welch ein Schmerz aber war es, der mein Herz umnachtete, und überall starrte mir nur Tod<br />

entgegen. Die Heimat ward mir zur Qual und das Vaterhaus zu unsagbarem Leid; was ich mit<br />

ihm gemeinschaftlich genossen, das wandelte sich ohne ihn zu unendlicher Qual. Überall<br />

suchten ihn meine Augen, aber ich fand ihn nicht; ich haßte alles, weil ich ihn nicht hatte,<br />

weil ich mir nicht sagen konnte: "Siehe, er kommt!" wie so oft, wenn er eine Zeitlang<br />

abwesend war. Ich selbst stand vor mir wie vor einem großen Rätsel, und ich fragte meine<br />

Seele: "Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mit? " Doch die Antwort,<br />

sie blieb aus. Und wenn ich sprach: "Harre auf Gott!", da gab sie mit vollem Rechte mir kein<br />

Gehör, denn der teure Freund, den sie verloren, war wahrhaftiger und besser als das Trugbild,<br />

darauf sie harren sollte. Süß nur war mir die Träne, die ich dem Freunde ins Grab nachweinte;<br />

sie vertrat mir ihn als Erquickung meiner Seele.<br />

Viertes Buch - Fünftes Kapitel<br />

Nun aber, o Herr, ist auch das vorüber, und die Zeit hat den Schmerz der Wunde gemildert.<br />

Darf ich vernehmen von dir, der du die Wahrheit bist, darf ich nähern das Ohr meines<br />

Herzens deinem Munde, auf daß du mir kündest, warum die Träne, die wir im Unglück<br />

weinen, so süß ist? Oder hast du, obwohl du allgegenwärtig bist, unser Elend weit von dir<br />

getan? Du bleibst ewig in deinem Frieden, wir aber werden umhergetrieben in mancherlei<br />

Anfechtung. Und doch wäre unser Hoffen ein Nichts, wenn wir nicht vor dich kommen<br />

dürften mit unseren Klagen. Wie wird doch das Seufzen, Weinen, Stöhnen und Klagen<br />

gepflückt als eine süße Frucht von der Bitterkeit des Lebens? Ist es unser Hoffen auf deine<br />

Erhörung, die uns erquickt? Wohl ist dies die Absicht unserer Bitte, welche die Sehnsucht<br />

nach Erfüllung in sich birgt. Aber lag denn das in dem Schmerze und der Trauer um das<br />

Verlorene, die damals auf mir lastete? Nein, denn mein Hoffen ging nicht darauf, ihn wieder<br />

lebendig zu sehen, noch wollten meine Tränen das, sondern ich grämte mich eben nur und<br />

weinte. In Trauer verloren war ich und hatte verloren meine Freude. Ist denn das Weinen an<br />

und für sich etwas Bitteres und wird es nur süß, wenn wir es mit dem Schauder vergleichen,<br />

den wir vor dem Tode dessen haben, an dem wir unsere Freude hatten und den wir nun<br />

verabscheuen?<br />

Viertes Buch - Sechstes Kapitel<br />

Was aber soll das? jetzt ist es nicht Zeit, zu fragen, sondern dir zu bekennen! Elend war ich<br />

und elend ist jedes Herz, das gefesselt ist durch Bande sterblicher Liebe. Von Schmerz wird<br />

es zerrissen bei seinem Verluste und fühlt dann das Elend erst, in dem es doch schon<br />

schmachtete, bevor es den Verlust erlitt. Das war mein damaliger Seelenzustand, da ich so<br />

bitterlich weinte und im Scholle der Bitterkeit mich barg. So war ich zwar elend, aber

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