Aurelius Augustinus: Bekenntnisse
Aurelius Augustinus: Bekenntnisse
Aurelius Augustinus: Bekenntnisse
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
sondern in uns sündige eine andere Natur; und es erfreute meinen Stolz, schuldlos zu sein<br />
und, wenn ich irgend etwas Böses getan hatte, mich nicht zur Tat bekennen zu müssen, damit<br />
du meine Seele heilest, denn sie hat an dir gesündigt; sondern ich pflegte sie zu entschuldigen<br />
und etwas anderes anzuklagen, was mit mir war, ohne daß ich es war. Aber mein Ich war das<br />
Ganze, meine Gottlosigkeit hatte mich aber feindlich entzweit. Und eben darin beruhte meine<br />
Sünde, die um so unheilbarer war, je weniger ich mich für den Sünder hielt, und es war eine<br />
fluchwürdige Ungerechtigkeit, daß ich lieber wollte, daß du, allmächtiger Gott, in mir zu<br />
meinem Verderben überwunden würdest, als daß ich von dir zu meinem Heile überwunden<br />
würde, Denn noch hattest du meinem Mund keine Wache gesetzt und eine Türe der<br />
Schweigsamkeit meinen Lippen, daß mein Herz nicht abwäge und boshafte Worte vorbrächte,<br />
um die Entschuldigungen bei Verständigungen zu entschuldigen mit Menschen, die gottlos<br />
handeln; deshalb war ich noch mit ihren Auserwählten vereint.<br />
Schon aber verzweifelte ich, durch jene falsche Lehre Nutzen zu erlangen, und selbst das,<br />
womit ich beschlossen hatte, zufrieden zu sein, wenn sich nichts Besseres fände, hatte alle<br />
Anziehungskraft für mich verloren. Auch hatte ich schon den Gedanken gehabt, daß jene Welt<br />
weiser, die sogenannten Akademiker immer noch klüger gewesen seien als die übrigen, weil<br />
sie lehrten, man müsse an allem zweifeln, und sich dafür entschieden hatten, daß der Mensch<br />
die Wahrheit zu erkennen überhaupt nicht imstande sei. Denn das schien mir klar ihre<br />
Meinung gewesen zu sein nach der allgemeinen Ansicht, denn noch erkannte ich nicht ihre<br />
Intentionen. Ohne Hehl suchte ich meinen Gastfreund von zu großem Vertrauen abzubringen,<br />
das er, wie ich bemerkte, zu den Fabeln hatte, von denen die Schriften der Manichäer strotzen.<br />
Indessen blieb ich mit ihnen noch in freundschaftlicherem Verkehr als mit denen, die nicht<br />
jener Sekte angehörten. Doch auch sie verteidigte ich nicht mehr mit demselben Feuer; der<br />
freundschaftliche Verkehr mit ihnen, von denen Rom ziemlich viel birgt, machte mich<br />
lässiger, etwas anderes zu suchen, zumal da ich an deiner Kirche verzweifelte, o Herr des<br />
Himmels und der Erden, du Schöpfer des sichtbaren und unsichtbaren Alls, Wahrheit finden<br />
zu können, von der mich jene abgewendet hatten. Für häßlich hielt ich den Glauben, du habest<br />
die Gestalt des menschlichen Fleisches und werdest begrenzt von den körperlichen Umrissen<br />
unserer Glieder. Aber weil ich, wenn ich über meinen Gott denken wollte, nichts zu denken<br />
wußte als körperliche Massen, so war dies die größte und fast einzige Ursache<br />
unvermeidlichen Irrtums.<br />
Deshalb glaubte ich auch, es gäbe auch eine ähnliche Substanz des Bösen, die eine häßliche<br />
und ungestalte Masse habe, entweder eine plumpe, welche sie Erde nennen, oder eine dünne,<br />
feine, wie der Luftkörper ist, und von welcher sie sich einbildeten, daß er als böser Geist<br />
durch die Erde krieche. Und weil meine Frömmigkeit, so gering sie auch war, mich zu<br />
glauben zwang, der gute Gott habe keine böse Natur geschaffen, so bestimmte ich zwei sich<br />
feindliche Massen, beide unendlich, aber die böse im engem Sinne, die gute im weitern. Aus<br />
dieser verderblichen Grundlage ergaben sich die übrigen Gottlosigkeiten. Denn da mein Geist<br />
sich in den Glauben der Kirche zurückzuversetzen versuchte, fühlte ich mich abgestoßen, weil<br />
der kirchliche Glaube nicht so beschaffen war, wie ich meinte. Es erschien mir frömmer,<br />
wenn ich dich, mein Gott, dessen Erbarmen gegen mich ich bekenne, mir überall unendlich<br />
dächte, obgleich ich mich gezwungen sah, auf der einen Seite, wo sich dir die Masse des<br />
Bösen entgegensetzt, dich mir begrenzt vorzustellen, als wenn ich glaubte, du seiest auf allen<br />
Seiten, nach Art der menschlichen Gestalt, begrenzt. Besser schien es mir, zu glauben, du<br />
habest nicht das Böse erschaffen, das mir in meiner Unwissenheit nicht bloß eine Substanz,<br />
sondern auch körperlich zu sein schien, da ich mir den Geist nur als einen feinen Körper<br />
denken konnte, der sich durch den Raum ausgieße, als zu glauben, die Natur des Bösen wäre<br />
durch dich so gestaltet worden, wie ich sie mir vorstellte. Selbst von unserm Erlöser, deinem<br />
Eingebornen, glaubte ich, daß er aus dein Stoff deiner lichthellsten Masse zu unserm Heile