LS_DEZ_JAN
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Hey, Dispo!<br />
Gedanken zum alljährlichen Wahnsinn<br />
Da bist du ja wieder! Ich hatte dich<br />
schon fast vergessen, Mensch! Und<br />
dabei habe ich mich wieder einmal<br />
eingeschränkt und meine Bedürfnisse<br />
diesem jämmerlichen Einkommen<br />
angepasst! Und dann das! Alle Jahre<br />
wieder! Im wahrsten Sinne des gesungenen<br />
Wortes! Was soll ich tun? Kein<br />
Mensch macht mit. Seit dem Sommer<br />
rede ich wie ein Buch:<br />
„Ey, Leute, wollen wir es in diesem Jahr<br />
zu Weihnachten nicht einmal ruhig<br />
angehen lassen? So ganz ohne Stress?<br />
Wie wäre es denn, wenn wir ausnahmsweise<br />
auf Geschenke verzichten<br />
und stattdessen am ersten Feiertag<br />
alle zusammen groß essen gehen würden?<br />
Seid doch einmal ehrlich, habt ihr<br />
schon einmal erlebt, dass irgendein<br />
Familienmitglied beim Auspacken der<br />
Gaben vor Begeisterung aus dem Anzug<br />
springt?“ Ich nicht. SOS – Socken,<br />
Oberhemd, Schlips – ja, da kommt<br />
Freude auf! Immer dieselben Duftwässerchen.<br />
Wie einfallsreich! Das Spielzeug<br />
für die Kinder mutiert inzwischen<br />
zum Statussymbol. Eine Puppe? Ein<br />
Auto? Ach! Unter einem Smartphone,<br />
einer Playstation oder anderem<br />
neumodischen Kram geht gar nichts!<br />
Manchmal sind sogar die Preisschilder<br />
noch dran! Damit auch jeder den<br />
Wert erkennt. Das sei nur am Rande<br />
erwähnt! Aber, die Sippe wiegelt erst<br />
einmal ab: „Ist ja noch lange hin!“ Und<br />
Oma meint: „Ob ich das überhaupt<br />
noch erlebe? Könnte ja das letzte Mal<br />
sein?“ Und dann beginnt irgendwann<br />
– hinter meinem Rücken – die Revolte.<br />
Man tauscht sich aus, äußert Wünsche,<br />
vorgeblich bescheidene, aber immerhin<br />
laut und deutlich. Wahrscheinlich<br />
soll ich es merken. Tante Friedchen<br />
flüstert mir zu: „Deine Idee, gut und<br />
schön! Aber, das ist nun einmal das<br />
Fest der Liebe! Da muss doch die Familie<br />
zusammenhalten! Komm, sei kein<br />
Spielverderber!“<br />
Was bleibt mir übrig? Diesem Druck<br />
standzuhalten, gelingt mir nicht. Ich<br />
muss wieder mitspielen, mir Gedanken<br />
um das Wohl der anderen machen,<br />
und da mein Clan von Jahr zu<br />
Jahr wächst – Herr im Himmel, die sind<br />
vielleicht fruchtbar! – muss ich dich,<br />
mein teurer Freund Dispo, in Anspruch<br />
nehmen! Dir kann es ja nur Recht sein,<br />
dir und den Lebewesen, die dich als<br />
Köder auswerfen! Nun darf ich wieder<br />
ein halbes Jahr lang darben, bis ich bei<br />
Plus-Minus Null angekommen bin. Hey,<br />
Dispo, wer hat dich bloß erfunden?<br />
Gisela Verges