MTD_DDG_2017_11+Diatec_2017_03
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10 Kongress aktuell<br />
diabeteszeitung · 2. Jahrgang · Nr. 11 · 22. November <strong>2017</strong><br />
Schulterschluss bei zwei großen<br />
Volkskrankheiten<br />
Diabetes und Hypertonie: Schnittmengen optimal nutzen<br />
BERLIN. Diabetes mellitus und Hypertonie sind beide weit<br />
verbreitet und treten häufig in Kombination auf. In der gemeinsamen<br />
Tagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (<strong>DDG</strong>) und<br />
der Deutschen Hochdruckliga (DHL) unter dem Motto „Volkskrankheiten<br />
Diabetes und Bluthochdruck: vorbeugen, erkennen,<br />
behandeln“ wurde dem nun Rechnung getragen.<br />
Typ-2-Diabetes und Hypertonie<br />
teilen viele Risikofaktoren<br />
wie falsche Ernährung,<br />
Bewegungsmangel und Adipositas,<br />
betonte die Tagungspräsidentin der<br />
Diabetes Herbsttagung <strong>2017</strong> Professor<br />
Dr. Monika Kellerer vom Marienhospital<br />
Stuttgart, Schwerpunkt<br />
Diabetologie und Endokrinologie,<br />
Diabetes und Hypertonie:<br />
Die Zahl der Betroffenen<br />
weltweit ist enorm.<br />
Foto1: fotolia/alphaspirit<br />
Allgemeine Innere Medizin. Beide<br />
Erkrankungen sind zudem „stille<br />
Killer“, d.h. sie machen in den ersten<br />
Jahren kaum Symptome – führen<br />
aber bereits zu Gefäß- und Organschäden.<br />
Pathophysiologische Zusammenhänge<br />
zwischen beiden Erkrankungen<br />
sind zurzeit Gegenstand<br />
intensiver Forschung. Interessant<br />
sind in diesem Zusammenhang auch<br />
neue Antidiabetika-Gruppen wie die<br />
SGLT2-Inhibitoren, die sowohl den<br />
Blutzucker als auch den Blutdruck<br />
senken.<br />
Und eine weitere Gemeinsamkeit<br />
besteht zwischen Diabetes und Hypertonie:<br />
Der Beratungsaufwand<br />
für beide Erkrankungen ist relativ<br />
»Es gibt viele<br />
gemeinsame<br />
Risikofaktoren«<br />
hoch, die „sprechende Medizin“<br />
hat dementsprechend einen hohen<br />
Stellenwert. „Hier bedarf es auch<br />
seitens der Gesundheitspolitik einer<br />
Weichenstellung“, forderte die Vizepräsidentin<br />
der <strong>DDG</strong>, denn die sprechende<br />
Medizin wird in den Vergütungssystemen<br />
schlecht abgebildet.<br />
Vor allem im stationären Bereich<br />
erlangt die Ökonomie im Vergleich<br />
zur Medizin einem immer höheren<br />
Stellenwert, warnte sie.<br />
Die Patienten-Versorgung<br />
für die Zukunft stärken<br />
Dies hat weitreichende Folgen, so<br />
Prof. Kellerer: Eigenständige klinische<br />
Diabetesabteilungen müssen<br />
häufig dem ökonomischen Druck<br />
weichen und werden nicht besetzt.<br />
„Das führt auch dazu, dass weniger<br />
Nachwuchs für das Fach rekrutiert<br />
werden kann“, sagte die Tagungspräsidentin.<br />
Weiterbildungsplätze<br />
verschwinden und Medizinstudenten<br />
kommen kaum noch mit Diabetesabteilungen<br />
in Kontakt. Im<br />
Medizinstudium sind zudem für<br />
Diabetes nur ein paar Doppelstunden<br />
vorgesehen.<br />
Angesichts der steigenden Inzidenz<br />
der Erkrankung. könnte eine qualifizierte<br />
diabetologische Versorgung<br />
in der Zukunft gefährdet sein. Die<br />
<strong>DDG</strong> fordert daher von der Politik<br />
u.a.:<br />
• Stärkung der Forschung und Versorgung<br />
von Volkskrankheiten<br />
wie Diabetes<br />
• Stärkere Verankerung der Diabetologie<br />
im Medizinstudium<br />
• Prävention mit dem Nationalen<br />
Diabetesplan<br />
• Etablierung eines Bundesbeauftragten<br />
für Diabetes, Adipositas<br />
und Prävention<br />
Einer der inhaltlichen Schwerpunkte<br />
des Hypertonie-Kongresses ist der<br />
schwer einstellbare Bluthochdruck,<br />
berichtete Professor Dr. Walter<br />
Zidek, Klinikdirektor an der Medizinischen<br />
Klinik für Nephrologie,<br />
Charité – Universitätsmedizin Berlin.<br />
„Das betrifft 10–20 % der Hypertonie-Patienten<br />
und verschlingt<br />
ohne rationales Konzept erhebliche<br />
Ressourcen in der Praxis“, so der<br />
Experte. Unter den Betroffenen mit<br />
Diabetes ist der Anteil noch einmal<br />
deutlich höher.<br />
Wichtige Ursachen sind eine mangelnde<br />
Adhärenz der Patienten,<br />
aber auch eine unzureichende ärztliche<br />
Behandlung. So werde z.B. die<br />
Kochsalzelimination durch entsprechende<br />
diuretische Therapien<br />
oft zu wenig beachtet. Nur ein kleinerer<br />
Teil der Patienten mit schwer<br />
einstellbarem Hochdruck leidet an<br />
seltenen Hypertonieformen z.B. bei<br />
Nierenerkrankungen oder endokrinologischen<br />
Erkrankungen.<br />
Um die Expertise im Bereich des<br />
Hypertonie-Managements zu stärken,<br />
hat die DHL schon vor zwei<br />
Jahren zwei wichtige Qualifizierungs-<br />
und Fortbildungsinstrumente<br />
eingeführt: den Hypertoniespezialisten<br />
mit von der DHL überprüfter<br />
Expertise in der Hypertoniebehandlung<br />
und die Hypertoniezentren<br />
mit enger Kooperation aller an der<br />
Betreuung von Patienten mit Hypertonie<br />
beteiligten Fachdisziplinen<br />
wie Nephrologie, Kardiologie,<br />
Gynäkologie oder Endokrinologie.<br />
Weit über hundert solcher Zentren<br />
konnten bereits etabliert werden.<br />
Maria Weiß<br />
Vorab-Pressekonferenz anlässlich<br />
der 11. Diabetes Herbsttagung und<br />
des 41. Hypertonie-Kongresses<br />
POTSDAM. Zuckergesüßte Limonaden,<br />
Cola- und Fruchtnektargetränke<br />
enthalten viele Kalorien und fördern<br />
Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Wie<br />
lässt sich der Konsum dieser ungesunden<br />
Zuckergetränke einschränken?<br />
Seit vielen Jahren werden Süßgetränke<br />
immer beliebter. Zwischen<br />
1970 und 2010 hat sich der durchschnittliche<br />
Erfrischungsgetränkekonsum<br />
in Deutschland von 130 auf<br />
324 ml pro Person und Tag mehr als<br />
verdoppelt, berichtete Peter von<br />
Philipsborn, TU München.<br />
Das ist bedenklich, denn zuckerhaltige<br />
Flüssigkeiten sättigen weniger<br />
stark als isokalorische Mengen an<br />
fester Nahrung. Und wer zuckerhaltige<br />
Getränke konsumiert, spart<br />
Flüssige Dickmacher ausbremsen<br />
Süßgetränke führen zu Übergewicht und schaden der Gesundheit<br />
diese Kalorien nicht unbedingt<br />
an anderer Stelle wieder ein. Das<br />
schlägt sich direkt auf das Gewicht<br />
nieder: Randomisierte kontrollierte<br />
Studien zeigen, dass Menschen, die<br />
jeden Tag 250 ml an Süßgetränken<br />
konsumieren, mit einer zusätzlichen<br />
Gewichtszunahme von 0,6–1,2 kg<br />
pro Jahr rechnen müssen. Aus Beobachtungsstudien<br />
ist zudem bekannt,<br />
dass Süßgetränke das Risiko für Diabetes,<br />
Karies und Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
erhöhen.<br />
»In Schulen und<br />
Kitas ansetzen«<br />
Diese Erkenntnisse machen Zuckergetränke<br />
zu einem interessanten<br />
Ansatzpunkt für die Gesundheitsund<br />
Adipositasprävention: Welche<br />
Maßnahmen können bewirken, dass<br />
Menschen lieber auf gesunde, ungesüßte<br />
Getränke zurückgreifen? In einer<br />
Literaturrecherche identifizierte<br />
das Team des Referenten Studien zu<br />
verhältnispräventiven Ansätzen, die<br />
darauf abzielten, den Konsum an<br />
Süßgetränken zu reduzieren. Insgesamt<br />
machten sie 43 Studien ausfindig,<br />
die allerdings sehr heterogen<br />
und teilweise nur von bedingter Aussagekraft<br />
waren. Dennoch konnten<br />
sie einige vielversprechende Ansätze<br />
ausfindig machen, nämlich die Einschränkung<br />
des Verkaufs von Süßgetränken<br />
an Schulen und das Bereitstellen<br />
von niedrig-kalorischen<br />
Getränken in öffentlichen Einrichtungen<br />
und Haushalten.<br />
Süßgetränkesteuer als<br />
effektive Maßnahme<br />
Da gerade junge Menschen häufig<br />
zu zuckerhaltigen Getränken greifen<br />
und Ernährungsgewohnheiten meist<br />
in der Kindheit und Jugend geprägt<br />
werden, sieht von Philipsborn in<br />
schulbasierten Maßnahmen viel Potenzial.<br />
In Schulen und Kindergärten<br />
sollten gesunde Alternativen wie z.B.<br />
Wasserspender angeboten und der<br />
Verkauf von Süßgetränken zumindest<br />
reduziert werden. Auch Süßgetränkesteuern<br />
könnten in Deutschland<br />
den Konsum an zuckerhaltigen<br />
Getränken effektiv senken, wie die<br />
Warum ist Süßes<br />
so unwiderstehlich?<br />
Lebensmittel mit hohem<br />
Zuckergehalt führen zu einer<br />
striatalen Dopaminausschüttung<br />
und dadurch zu einer<br />
Aktivierung des Belohnungssystems.<br />
Tierversuche haben<br />
gezeigt, dass von intensiver<br />
Süße eine sehr starke, mit<br />
Kokain vergleichbare Belohnungswirkung<br />
ausgeht, die<br />
Selbstkontrollmechanismen<br />
außer Kraft setzen kann,<br />
so von Philipsborn.<br />
Erfahrungen aus anderen Ländern<br />
z.B. Mexiko nahelegen. AW<br />
33. Jahrestagung der Deutschen<br />
Adipositas-Gesellschaft e.V.<br />
Foto: iStock/Sezeryadiga