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REGIOSWISS - 166

Das Freizeit-Magazin - Ausgabe Zentralschweiz

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INTERVIEW JOLANDA SCHMIDT MIT HANSJOERG HUBER<br />

WIE KAMEN SIE DENN DAZU EIN<br />

KINDERDORF ZU GRÜNDEN?<br />

Ich habe schon seit 50 Jahren eine<br />

Sensibilität für die Schwachen. Wieso<br />

hat er nichts und ich habe alles. Diese<br />

Frage beschäftigt mich spätestens,<br />

seit ich als 22-jähriger ein Kinderdorf<br />

in der Schweiz besuchte. Da wusste ich<br />

eines Tages möchte ich etwas Ähnliches<br />

errichten. Nachdem ich meine Karriere<br />

als Unternehmer in der Versicherungsbranche<br />

beendet hatte, bin ich in Marokko<br />

dann auf das Schicksal der «weggelegten»<br />

Kinder gestossen. 2008 zog<br />

ich von Zürich nach Marrakesch und<br />

beschloss die Hälfte meines Barvermögens<br />

abzugeben, um das Dorf zu errichten.<br />

2013 begann der Bau, 2015 zogen<br />

dann die ersten Kinder ein.<br />

WOHER KOMMEN DIE ATLAS KINDER?<br />

In vielen Gesellschaften werden ledige<br />

Mütter stigmatisiert und ausgegrenzt.<br />

In grösster Not legen sie ihr Neugeborenes<br />

vor eine Kirche, Moschee oder<br />

Polizeistation. Nach offiziellen Angaben<br />

werden in Marokko jedes Jahr rund<br />

9000 Babys auf diese Weise «weggelegt».<br />

Ihr Start ins Leben beginnt denkbar<br />

schlecht. Meist landen sie in überfüllten<br />

Auffangstationen des Landes. Fast<br />

alle unsere Atlas Kinder kommen direkt<br />

von dort. Wir möchten ihnen ein liebevolles<br />

Zuhause schenken. Gleichzeitig<br />

sollen sie die Chancen haben, sich in der<br />

marokkanischen Gesellschaft als vollwertige<br />

Mitglieder zu integrieren.<br />

IN WELCHEM ZUSTAND SIND DIE<br />

KINDER, WENN SIE INS DORF KOMMEN?<br />

Viele unserer Babys sind bereits traumatisiert,<br />

noch bevor sie auf die Welt<br />

kommen. Schliesslich hat sich niemand<br />

auf ihre Geburt gefreut. Viele leiblichen<br />

Mütter haben versucht, mit allen Mitteln<br />

abzutreiben. Andere Kinder sind aus kaputten<br />

Familien, haben Schreckliches<br />

erlebt und sind ganz steif und verängstigt,<br />

wenn sie zu uns kommen. Es ist<br />

schön zu sehen, wie sie im Laufe der Zeit<br />

auftauen und sich gut entwickeln. Wir<br />

INTERVIEW<br />

HANSJOERG HUBER<br />

GRÜNDER UND VISIONÄR<br />

ASSOCIATION LES ENFANTS DAR BOUIDAR<br />

müssen alles tun, damit jedes einzelne<br />

Kind sein Trauma überwindet, sich geliebt,<br />

beschützt und geschätzt fühlt.<br />

WIE LANGE BLEIBEN DIE KINDER IM<br />

DORF?<br />

Wir sind für ihre Erziehung verantwortlich<br />

und müssen unseren Kindern später<br />

auch eine Ausbildung garantieren. Ich<br />

bin gerade dabei, eine praktische Berufsausbildung<br />

nach Schweizer Vorbild<br />

ins Leben zu rufen, um ihnen später eine<br />

Lehre, etwa als Schreiner oder Metallbauer<br />

zu ermöglichen. Unsere Schützlinge<br />

bleiben so lange im Dorf, bis ihre<br />

Ausbildung abgeschlossen ist und sie in<br />

der Lage sind, sich selbst zu ernähren.<br />

IN WENIGEN SÄTZEN ZUSAMMEN-<br />

GEFASST, WAS IST DIE PHILOSOPHIE<br />

DES KINDERDORFES?<br />

Wir haben ein Gemälde im Dorf mit der<br />

Aufschrift «Fierte», das bedeutet Stolz.<br />

Darum dreht sich alles. Wir wollen aus<br />

unseren Kindern stolze und starke Menschen<br />

machen, die sich nicht erdrücken<br />

lassen, nur weil sie ohne ihre leiblichen<br />

Eltern aufwachsen. Sie müssen besonders<br />

stark sein, sonst gehen sie unter.<br />

Wir müssen durch unsere Erziehung den<br />

fehlenden Familienstolz ersetzen. Unsere<br />

Kinder sollen später sagen können:<br />

«Ich spreche drei Sprachen, ich spiele<br />

ein Musikinstrument, ich kann tanzen –<br />

und was kannst du?<br />

SIE SPRECHEN DAVON, DASS DIE<br />

„BEHERZIGUNG“ DER KINDER WICHTIG<br />

SEI. WAS IST DAMIT GEMEINT?<br />

Den Begriff beherzen findet man nicht<br />

im Duden, aber jeder weiss wohl, was gemeint<br />

ist. Alles war wir Menschen mit<br />

Herz, Freundschaft und Liebe für die<br />

Schwächeren tun, wird seine Wirkung<br />

zeigen. Mit Liebe kann man Wunden<br />

schliessen. Lassen wir unsere Herzen<br />

sprechen, um den Kindern zu ihrem<br />

Recht zu verhelfen. Ein Recht auf Leben<br />

mit Visionen, Träumen, Chancen. Mit viel<br />

Herzblut und Liebe werden wir ihnen<br />

das ermöglichen.<br />

Dar Bouidar<br />

ATLAS KINDER –<br />

DAS KINDERDORF IN MAROKKO<br />

Ein fröhliches Kinderlachen – die schönste<br />

Musik der Welt. Der Schweizer Hansjörg<br />

Huber rief 2015 die Dorfgemeinschaft<br />

der Atlas Kinder ins Leben. Mit<br />

Hilfe seiner Lebensgefährtin erfüllte er<br />

seine Vision und schuf aus dem Nichts<br />

ein ganzes Dorf für ausgesetzte Kinder.<br />

Haben Sie gewusst, dass in Marokko<br />

nach offiziellen Angaben täglich rund 24<br />

Kinder ausgesetzt werden? Die Dunkelziffer<br />

mag weit höher liegen.<br />

Hansjörg Huber ging das Schicksal<br />

dieser Kinder sehr zu Herzen. Der ehemalige<br />

Versicherungsunternehmer investierte<br />

einen grossen Teil seines eigenen<br />

Vermögens, um ihnen eine bessere<br />

Zukunft zu ermöglichen. Die Vision des<br />

Gründers ist, den Kindern ein liebevolles<br />

Zuhause zu schenken und gleichzeitig<br />

einen guten Start in ein selbstständiges<br />

Leben in der marokkanischen<br />

Gesellschaft zu ermöglichen.<br />

Die Kinder werden zu starke Persönlichkeiten<br />

mit eigener Identität, Stolz und<br />

Selbstwertgefühl erzogen. Dabei wird<br />

vor allem in die Bildung investiert. Sie<br />

lernen neben ihrer Muttersprache Marokkanisch-Arabisch<br />

von klein auf Französisch<br />

und im Schulalter Englisch. Auch<br />

sonst wird jeder Einzelne auf ganzer<br />

Linie gefördert. Die Kinder bekommen<br />

Tanzunterricht, lernen ein Musikinstrument<br />

oder gewinnen Erfahrung im landwirtschaftlichen<br />

Anbau. Später wird<br />

ihnen eine Berufsausbildung oder ein<br />

Studium ermöglicht.<br />

Heute leben im Kinderdorf Dar Bouidar,<br />

30 km von Marrakesch in der Nähe<br />

der Kleinstadt Tahannout, 60 Kinder, 50<br />

weitere dürften schon bald einziehen<br />

und der Bau von weiteren Dörfern ist<br />

in Planung.<br />

Möchten Sie mehr über dieses be-<br />

sondere Projekt erfahren oder sind Sie<br />

interessiert in irgendeiner Form mitzuhelfen?<br />

Besuchen Sie die offizielle Website.<br />

www.atlas-children.org.<br />

SPENDENKONTO DEUTSCHLAND:<br />

Deutsche Stiftung Kinder Dar Bouidar<br />

Bank 1 Saar in Saarbrücken<br />

IBAN DE35 5919 0000 0118 0200 06<br />

BIC SABA DE 5 S<br />

SPENDENKONTO SCHWEIZ:<br />

Verein zur Unterstützung<br />

„Les Enfants Dar Bouidar“<br />

UBS SCHWEIZ AG<br />

Geschäftsstelle 4153 Reinach BL<br />

IBAN CH41 00233 2331 8376 302A<br />

BIC UBSWCHZH8OA<br />

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