Blasmusik in Tirol 4 / 2017
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Panorama<br />
Geschichten um Musiknoten<br />
<strong>Tirol</strong>er <strong>Blasmusik</strong>historie<br />
Matthäus Nagiller: „Große Jagdouvertüre“, komponiert 1853<br />
Das Musikalienarchiv der Musikkapelle<br />
Ste<strong>in</strong>ach a. Br. enthält e<strong>in</strong>en<br />
großen Bestand an Handschriften<br />
aus dem 19. Jahrhundert, was auf<br />
e<strong>in</strong>e frühe Blütezeit der Musikkapelle verweist.<br />
Auf der Suche nach „dem ältesten<br />
Stück“ der Sammlung ist der Archivar Gerald<br />
Kröll auf e<strong>in</strong> ganz bemerkenswertes<br />
Werk gestoßen, nämlich auf die „Jagd-<br />
Ouvertüre“ von Matthäus Nagiller, gleich<br />
<strong>in</strong> zwei handschriftlichen Partituren von<br />
1860 und 1873 vorliegend. Diese Notenblätter<br />
erzählen e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Kapitel der<br />
<strong>Tirol</strong>er <strong>Blasmusik</strong>geschichte.<br />
Der Komponist:<br />
Geboren <strong>in</strong> Münster im Nordtiroler Unterland,<br />
erhielt der Bauernbub zunächst<br />
Musikunterricht vom Schwazer Chorregenten<br />
Georg Pichler, kam dann zu vertiefter<br />
musikalischer Ausbildung an den<br />
Musikvere<strong>in</strong> Innsbruck und studierte später<br />
bei Gottfried Preyer <strong>in</strong> Wien. Ab etwa<br />
1836 hielt sich Nagiller <strong>in</strong> Paris auf, als<br />
Lehrer am Conservatoire, gründete dort<br />
auch den Mozart-Vere<strong>in</strong>.<br />
Es entstand se<strong>in</strong> bedeutendstes Werk,<br />
die Symphonie <strong>in</strong> c-moll. 1848 musste er<br />
Frankreich verlassen, kehrte nach <strong>Tirol</strong><br />
zurück und nahm verschiedene Anstellungen<br />
an, unter anderem jene als Kapellmeister<br />
des Barons von Goldegg <strong>in</strong><br />
Partsch<strong>in</strong>s (1852 – 54), der e<strong>in</strong> großer<br />
Musikmäzen und Gründer der Harmoniemusik<br />
<strong>in</strong> Partsch<strong>in</strong>s (1818) war. Nach<br />
Aufenthalten <strong>in</strong> München und anderen<br />
deutschen Städten wurden ihm <strong>in</strong> Innsbruck<br />
die Stelle des Chorleiters der Liedertafel<br />
und jene des Kapellmeisters des<br />
Innsbrucker Musikvere<strong>in</strong>s übertragen, die<br />
er bis zu se<strong>in</strong>em Tod 1874 mit großem<br />
Engagement und Erfolg bekleidete.<br />
Matthäus Nagiller<br />
<strong>Blasmusik</strong> <strong>in</strong> Partsch<strong>in</strong>s –<br />
Schloss Spauregg<br />
Entscheidend für die Entstehung der<br />
„Jagd-Ouvertüre“ war se<strong>in</strong>e Tätigkeit <strong>in</strong><br />
Partsch<strong>in</strong>s. Franz Ritter von und zu Goldegg<br />
war e<strong>in</strong> ausgesprochener Musikliebhaber<br />
und förderte das Musikleben se<strong>in</strong>er<br />
Umgebung nachhaltig. Die Qualität und<br />
Besetzung der Musikkapelle („Harmoniemusik“)<br />
dürfte hervorragend gewesen<br />
se<strong>in</strong>. Für Nagiller bot sich e<strong>in</strong> reiches<br />
Betätigungsfeld, allerd<strong>in</strong>gs abseits se<strong>in</strong>er<br />
Karrierebestrebungen.<br />
In diesem etwas bukolisch anmutenden<br />
Umfeld entstand die „Große Jagd-Ouvertüre“<br />
für Harmoniemusik. Wir erfahren<br />
darüber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief des Barons an se<strong>in</strong>en<br />
Bruder Anton vom 31. Oktober 1853:<br />
"Unser Compositeur Nagiller hat gegenwärtig<br />
e<strong>in</strong>e große Jagdouvertüre für<br />
Harmonie-Musik <strong>in</strong> Arbeit, die gewiß allen<br />
Beifall erhalten dürfte. Wenn du auf<br />
Ostern kommst, so würden wir sie dir zu<br />
Gehör kommen lassen, denn sie enthält<br />
e<strong>in</strong>en wahren Ohrenkitzel, besonders für<br />
Jäger ist sie äußerst orig<strong>in</strong>ell und etwas<br />
ganz neu Geschaffenes der Art."<br />
Die Aufführung des Werkes zum Namensfeste<br />
von Nagillers Dienstgeber im<br />
Oktober 1854 teilt uns der im Archiv<br />
Goldegg-Partsch<strong>in</strong>s erhalten gebliebene<br />
FOTO: WWW.MUSIKLAND-TIROL.AT<br />
Programmzettel, Oktober 1854<br />
Programm-Zettel mit, der darüber h<strong>in</strong>aus<br />
auch <strong>in</strong>teressante Programm-Details<br />
liefert. (Mitteilungen des Chronisten<br />
He<strong>in</strong>rich Frei und der Chronist<strong>in</strong> Renate<br />
Schweitzer, Archiv Goldegg-Partsch<strong>in</strong>s)<br />
Besetzung der Partitur von 1860: Piccolo<br />
<strong>in</strong> Des, Flöte <strong>in</strong> Es, 2 Klar<strong>in</strong>etten <strong>in</strong> Es,<br />
3 Klar<strong>in</strong>etten <strong>in</strong> B, 3 Flügelhörner <strong>in</strong> B,<br />
4 Es-Trompeten, 2 Bass-Trompeten, 4<br />
Hörner <strong>in</strong> Es, Piston <strong>in</strong> Es, Altflügelhorn<br />
<strong>in</strong> Es, 1 Bombard<strong>in</strong>, 3 Posaunen, Bombardone<br />
<strong>in</strong> B und Es, Cassa und Rollo<br />
(Schlagwerk).<br />
Von Partsch<strong>in</strong>s nach Ste<strong>in</strong>ach<br />
Die Ouvertüre liegt heute (nach derzeitigem<br />
Wissensstand) <strong>in</strong> zwei Partitur-Abschriften<br />
im Musikarchiv der Musikkapelle<br />
Ste<strong>in</strong>ach am Brenner vor. Wie nahm sie<br />
ihren Weg dorth<strong>in</strong>?<br />
Das sche<strong>in</strong>t eng verbunden mit dem<br />
Kapellmeister der Wiltener Musikbanda,<br />
Andrä Re<strong>in</strong>isch. Geboren 1836 <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>ach,<br />
der dortigen Orgelbauer-Familie<br />
entstammend, wurde er 1857 Haupt-<br />
FOTO:ARCHIV GOLDEGG-PARTSCHINS<br />
42 BiT · 4/<strong>2017</strong>