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ZESO_4-2015_ganz

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SKOS CSIAS COSAS<br />

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe<br />

Conférence suisse des institutions d’action sociale<br />

Conferenza svizzera delle istituzioni dell’azione sociale<br />

Conferenza svizra da l’agid sozial<br />

ZeSo<br />

Zeitschrift für Sozialhilfe<br />

04/15<br />

armut und Wohnen die wohnversorgung armutsbetroffener ist<br />

prekär im interview roland A. müller, direktor des schweizerischen arbeitgeberverbands<br />

richtlinienrevision die neuen bestimmungen ab 1. januar 2016


SKOS CSIAS COSAS<br />

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe<br />

Conférence suisse des institutions d’action sociale<br />

Conferenza svizzera delle istituzioni dell’azione sociale<br />

Conferenza svizra da l’agid sozial<br />

NATIONALE TAGUNG<br />

Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene<br />

Schritt um Schritt in den Arbeitsmarkt<br />

Donnerstag, 17. März 2016, Kongresshaus Biel<br />

Die hohe Sozialhilfequote und die tiefe Erwerbsquote von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen<br />

sind arbeitsmarkt- und sozialpolitisch nicht haltbar: Einerseits können die Potenziale von Personen aus<br />

dem Asylbereich nicht für den hiesigen Arbeitsmarkt genutzt werden. Andererseits sind arbeitslose<br />

Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene langfristig auf Sozialhilfe angewiesen, was für die Kantone<br />

und vor allem für die Gemeinden zur Belastung werden kann. Diese Herausforderung kann nur durch<br />

die Kooperation aller staatlichen Ebenen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft gemeistert werden.<br />

Die nationale SKOS-Tagung bietet eine Plattform zur Präsentation und Diskussion von Handlungsmöglichkeiten<br />

und Best-Practice-Ansätzen.<br />

Programm und Anmeldungen unter www.skos.ch Veranstaltungen<br />

SKOS CSIAS COSAS<br />

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe<br />

Conférence suisse des institutions d’action sociale<br />

Conferenza svizzera delle istituzioni dell’azione sociale<br />

Conferenza svizra da l’agid sozial<br />

Beobachter-Ratgeber<br />

Sozialhilfe – Rechte, Chancen und Grenzen<br />

Was die Sozialhilfe für rund 250 000 Menschen in der Schweiz leistet und bedeutet, zeigt der<br />

Beobachter-Ratgeber «Sozialhilfe – Rechte, Chancen und Grenzen». Der Leitfaden informiert über<br />

die Möglichkeiten der Sozialhilfe und beantwortet Fragen zur Sozialhilfe-Praxis. Er richtet sich in erster<br />

Linie an Betroffene, ist aber auch eine wichtige Praxishilfe für Behördenmitglieder und andere<br />

Interessierte. Der Beobachter-Ratgeber ist in Zusammenarbeit mit der SKOS entstanden.<br />

Toni Wirz, Sozialhilfe – Rechte, Chancen und Grenzen,<br />

Beobachter-Buchverlag, 5. aktualisierte Auflage 2012, 112 Seiten, CHF 24.–<br />

(für SKOS-Mitglieder CHF 20.–).<br />

Buch bestellen: www.skos.ch Publikationen


Michael Fritschi<br />

Verantwortlicher Redaktor<br />

Der beste Anker ist das Haus<br />

Schöner wohnen. Wer bei diesem Slogan an Interieur-<br />

Magazine und an Window-Shopping beim Designermöbelgeschäft<br />

denkt, dem geht es in der Regel gut. Für Personen<br />

hingegen, die sich aufgrund ihrer Einkommenssituation<br />

keine Wohnung leisten können oder denen aufgrund von<br />

Risikofaktoren wie Schulden oder Hautfarbe der Zugang zu<br />

eigenen vier Wänden verwehrt wird, hat der Slogan eine<br />

völlig andere Bedeutung. Schön ist’s, überhaupt ein Dach<br />

über dem Kopf zu haben, unter dem man sich wohlfühlt.<br />

Eine stabile Wohnsituation trägt wesentlich zur Integration<br />

bei und wirkt der gesellschaftlichen Entwurzelung entgegen.<br />

Im Schwerpunkt dieser Nummer präsentieren wir Ihnen<br />

exklusiv erste Ergebnisse aus der Studie «Wohnversorgung<br />

in der Schweiz – Bestandsaufnahme über Haushalte von<br />

Menschen in Armut und in prekären Lebenslagen», die im<br />

Rahmen des nationalen Programms zur Prävention und<br />

Bekämpfung von Armut in der Schweiz realisiert wurde. Die<br />

Studie zeigt, was eine angemessene Wohnversorgung ist,<br />

und welche Risikogruppen häufig ungenügend wohnversorgt<br />

sind. Die wissenschaftlichen Ergebnisse werden<br />

mit Einschätzungen aus der Sicht der Sozialhilfe und mit<br />

Beobachtungen zum Wohnungsmarkt und Konzepten zur<br />

Wohnungsvermittlung ergänzt.<br />

Im September hat die zweite Sozialkonferenz eine Teilrevision<br />

der SKOS-Richtlinien beschlossen. Um Sie umfassend<br />

zu orientieren, welche Bestimmungen genau ändern und<br />

was die Revision für die SKOS und die Sozialhilfe bedeutet,<br />

haben wir den üblichen Seitenablauf der Zeso leicht umgestellt.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />

editorial 4/15 ZeSo<br />

1


SCHWERPUNKT14–25<br />

Armut und WOHnen<br />

Ein Grossteil der armutsbetroffenen Menschen in<br />

der Schweiz ist nicht angemessen wohnversorgt.<br />

Sie leben in qualitativ schlechten Wohnungen<br />

oder unsicheren Wohnverhältnissen. Sie bezahlen<br />

überteuerte Mieten und habe wenig Chancen,<br />

eine passendere Wohnung zu finden. Der Schwerpunkt<br />

präsentiert Zahlen und Fakten zur Situation<br />

benachteiligter Menschen auf dem Wohnungsmarkt<br />

und beleuchtet mögliche wohnpolitische<br />

Massnahmen.<br />

<strong>ZESO</strong><br />

zeitschrift für sozialhilfe<br />

Bild:<br />

Herausgeberin Schweizerische konferenz für Sozialhilfe SKOS,<br />

www.skos.ch Redaktionsadresse Redaktion <strong>ZESO</strong>, SKOS,<br />

Monbijoustrasse 22, Postfach, CH-3000 Bern 14, zeso@skos.ch,<br />

Tel. 031 326 19 19 Redaktion Michael Fritschi, Regine Gerber<br />

Redaktionelle begleitung Dorothee Guggisberg Autorinnen<br />

und Autoren in dieser Ausgabe Monika Bachmann, Annalis<br />

Dürr, Lea Gerber, Peter Gomm, Claudia Hänzi, Christin Kehrli,<br />

Sonja Matter, Hansjürg Rohner, René Scheu, Nathalie Schneuwly,<br />

Bernadette von Deschwanden, Robert Weinert, Felix Wolffers<br />

Titelbild Rudolf Steiner layout Marco Bernet, mbdesign Zürich<br />

Korrektorat Karin Meier Druck und Aboverwaltung Rub<br />

Media, Postfach, 3001 Bern, zeso@rubmedia.ch, Tel. 031 740 97 86<br />

preise Jahresabonnement CHF 82.– (SKOS-Mitglieder CHF 69.–),<br />

Jahresabonnement ausland CHF 120.–, Einzelnummer CHF 25.–.<br />

© SKOS. Nachdruck nur mit Genehmigung der Herausgeberin.<br />

Die <strong>ZESO</strong> erscheint viermal jährlich.<br />

ISSN 1422-0636 / 112. Jahrgang<br />

Keystone<br />

Erscheinungsdatum: 7. Dezember <strong>2015</strong><br />

Die nächste Ausgabe erscheint im März 2016.<br />

2 ZeSo 4/15 inhalt


INHALT<br />

5 Sozialhilfe-Richtlinien reformieren,<br />

weiterentwickeln und stärken.<br />

Kommentar von Peter Gomm<br />

6 Die Revision der SKOS-Richtlinien ist<br />

eine ausgewogene Lösung<br />

7 Die SKOS ist zu raschen und<br />

grundlegenden Reformen fähig<br />

8 Die Debatte muss auch den<br />

Grundrechtsschutz beachten<br />

10 13 Fragen an Nathalie Schneuwly<br />

12 Praxis: Anrechnung zu hoher Wohnkosten<br />

bei hängigem IV-Verfahren<br />

13 Serie «Monitoring Sozialhilfe»:<br />

Bei der Rückerstattung stellt sich die<br />

Frage der Rechtsgleichheit<br />

14 SCHWERPUNKT:<br />

Armut und Wohnen<br />

16 Die Wohnversorgung ist bei armutsbetroffenen<br />

Haushalten oft<br />

ungenügend<br />

18 Wohnversorgung aus Sicht der<br />

Sozialhilfe<br />

20 Das Wohnungsangebot entspricht oft<br />

nicht den Nachfragebedürfnissen<br />

22 Günstige Wohungen bereitstellen<br />

oder bei der Miete unterstützen?<br />

24 Eine Wohnung ist nicht alles, aber<br />

ohne Wohnung ist alles nichts<br />

26 «Potenzial bedeutet zuallererst<br />

einmal Möglichkeiten»<br />

Interview mit Roland A. Müller<br />

30 Reportage: Medaillenränge für den<br />

Luzerner Rodel<br />

32 Plattform: Entlastungsdienst<br />

Schweiz<br />

34 Forum: «Geberqualitäten aktivieren».<br />

Betrachtungen zur Sozialhilfe von<br />

René Scheu<br />

35 Lesetipps und Veranstaltungen<br />

36 Porträt: Hanna ist Telefonberaterin<br />

bei der Dargebotenen Hand<br />

ReVISION SKOS-Richtlinien<br />

DEr ARBEITGEBER-CHEF<br />

RODELFIEBER<br />

DIe ZUHörerin<br />

Claudia Hänzi, Präsidentin der Kommission<br />

Richtlinien und Praxis, schildert den Prozess<br />

und die in der Kommission geführten<br />

Debatten zur Richtlinienrevision. Felix<br />

Wolffers, Co-Präsident der SKOS, legt dar,<br />

wie die Anpassungen dazu beitragen,<br />

das bewährte Sozialhilfesystem neu zu<br />

positionieren.<br />

6<br />

Roland A. Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands<br />

SAV, beobachtet die<br />

Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt<br />

aus unternehmerischem Blickwinkel.<br />

Im Interview spricht er über<br />

Integrationschancen für inländische<br />

Arbeitskräfte und den Anpassungsbedarf bei<br />

den arbeitsmarktlichen Massnahmen.<br />

26<br />

Individuell angefertigt, hochwertig und<br />

hoffentlich rasend schnell ist der «Luzerner<br />

Rodel». Hergestellt wird der Schlitten von<br />

erwerbslosen Menschen, die in den ersten<br />

Arbeitsmarkt zurückfinden wollen. Ein<br />

Besuch in der Caritas-Schreinerei in Luzern.<br />

30<br />

Wer die 143 wählt, landet vielleicht bei<br />

Hanna. Sie ist eine der über 600 Freiwilligen,<br />

die bei der Dargebotenen Hand rund um die<br />

Uhr den Problemen der Anruferinnen und<br />

Anrufer zuhört. Mit Ratschlägen eindecken<br />

will sie die Menschen aber nicht.<br />

36<br />

inhalt 4/15 ZeSo<br />

3


NACHRICHTEN<br />

Die Förderung von Grundkompetenzen<br />

stärken<br />

Weiterbildung und das Sicherstellen von<br />

Grundkompetenzen bei Erwachsenen sind<br />

zentrale Anliegen der Sozialhilfe. Qualifizierte<br />

Sozialhilfebeziehende finden einfacher<br />

Zugang zum Arbeitsmarkt und benötigen<br />

tendenziell eher bloss ergänzend oder<br />

vorübergehend Sozialhilfe. Die SKOS begrüsst<br />

deshalb den Entwurf zur Verordnung<br />

zum neuen Weiterbildungsgesetz (WeBiV).<br />

Um die gewünschte Wirkung zu erzielen,<br />

müssen allerdings mehr Mittel als vorgesehen<br />

in die Weiterbildung fliessen. Insbesondere<br />

muss intensiver in die Förderung<br />

von Grundkompetenzen investiert werden,<br />

damit Menschen mit ungenügenden<br />

Grundkompetenzen ihre Chancen auf eine<br />

Integration in den Arbeitsmarkt verbessern<br />

können.<br />

Mit familienpolitischen<br />

Massnahmen gegen Armut<br />

Der Caritas-Bericht «Wohin steuert die<br />

Schweiz in der Armutspolitik?» attestiert<br />

den Kantonen Fortschritte in der Armutspolitik,<br />

stellt aber auch fest, dass die meisten<br />

Kantone keine Familienpolitik betreiben, die<br />

systematisch darauf abzielt, Armut zu verhindern.<br />

Einzig der Kanton Bern verfüge über<br />

ein strategisches Dokument zur Familienpolitik<br />

aus der Armutsperspektive. Die Kantone<br />

könnten Familienarmut nur dann wirksam<br />

bekämpfen, wenn sie über Strategien<br />

verfügen, die auf einer fundierten Situationsanalyse<br />

basieren, Ziele vorgeben und<br />

Massnahmen definieren, die regelmässig<br />

evaluiert werden, schreibt Caritas und fordert<br />

neben den Kantonen auch den Bund auf, sich<br />

vertieft mit den Ursachen von Familienarmut<br />

zu beschäftigen und entsprechende Massnahmen<br />

zu treffen.<br />

Mit gutem Beispiel voran<br />

Das Logistikunternehmen Planzer und der<br />

Möbelhersteller Ikea haben öffentlich Interesse<br />

bekundet, Flüchtlinge als Arbeitskräfte<br />

einzustellen. Planzer hat gemäss eigenen<br />

Angaben viele Arbeitsplätze, bei denen Sprachkenntnisse<br />

nicht im Vordergrund stehen,<br />

etwa im Bereich Kommissionierung und<br />

Konfektionierung oder in Lagerhäusern und<br />

bei der Reinigung. Ikea will Praktikumsprogramme<br />

für Flüchtlinge anbieten und die<br />

Teilnehmenden später auch in der Logistik<br />

oder im Verkauf einsetzen.<br />

«Arbeit statt Sozialhilfe»: Die SKOS skizziert<br />

Lösungswege für die Flüchtlingsintegration<br />

Angesichts der stark steigenden Zahl von<br />

Asylsuchenden hat die Schweizerische Konferenz<br />

für Sozialhilfe SKOS Vorschläge für<br />

eine rasche und nachhaltige Integration von<br />

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen<br />

in den Arbeitsmarkt veröffentlicht.<br />

Gleichzeitig fordert die SKOS einen «Runden<br />

Tisch Arbeitsintegration», in dessen<br />

Rahmen der Bund, die Kantone und Gemeinden<br />

sowie die Wirtschaft und die politischen<br />

Parteien gemeinsam Lösungen zur<br />

besseren Integration dieser Personen in den<br />

Arbeitsmarkt entwickeln können. Die SKOS<br />

ist besorgt über die grosse Zahl von Flüchtlingen<br />

und vorläufig Aufgenommenen, die<br />

während längerer Zeit arbeitslos sind und<br />

die nach Ablauf der Finanzierungszuständigkeit<br />

des Bundes durch die kantonale und<br />

kommunale Sozialhilfe in ihrer Existenz<br />

gesichert werden müssen. Wenn die derzeit<br />

sehr tiefe Erwerbsquote von Personen aus<br />

dem Asylbereich nicht rasch und breitflächig<br />

gesteigert werden kann, kommen in<br />

den nächsten Jahren erhebliche finanzielle<br />

Zusatzbelastungen auf die Kantone und<br />

Gemeinden zu. Im Diskussionspapier<br />

«Arbeit statt Sozialhilfe», das die SKOS am<br />

27. November in Bern den Medien vorge-<br />

Damit die Integration gelingt, braucht es auch<br />

die aktive Beteiligung der Wirtschaft. <br />

Bild: Daniel Desborough<br />

stellt hat, skizziert die SKOS Lösungswege<br />

zu Handen der politisch verantwortlichen<br />

Akteure. Diese orientieren sich an einer zentralen<br />

Erkenntnis der Sozialämter betreffend<br />

Arbeitsintegration: Wer längere Zeit arbeitslos<br />

ist, beruflich unzureichend qualifiziert<br />

ist und die Sprache nicht beherrscht,<br />

hat besondere Schwierigkeiten, eine Stelle<br />

zu finden. Die meisten Asylsuchenden sind<br />

jung und arbeitsfähig, aber beruflich nur<br />

schlecht qualifiziert. Damit Flüchtlinge und<br />

vorläufig Aufgenommene in den Arbeitsmarkt<br />

integriert werden können, braucht es<br />

Programme zur Qualifizierung dieser Personen.<br />

Die Vorschläge der SKOS orientieren<br />

sich an folgenden Eckpunkten:<br />

• Rascher Asylentscheid: Damit asylsuchende<br />

Personen ohne Verzögerung in<br />

den Arbeitsprozess integriert werden<br />

können, muss innert kurzer Zeit nach<br />

der Einreise darüber entschieden werden,<br />

wer längerfristig in der Schweiz<br />

bleiben darf.<br />

• Rasche Qualifizierung: Die berufliche<br />

Integration muss unmittelbar nach<br />

dem Entscheid über den Verbleib in der<br />

Schweiz beginnen.<br />

• Verpflichtung zur beruflichen Qualifizierung:<br />

Die Teilnahme an einem beruflichen<br />

Qualifizierungsangebot muss<br />

für alle arbeitsfähigen Flüchtlinge und<br />

vorläufig Aufgenommenen zur gesetzlich<br />

verankerten Pflicht gemacht werden.<br />

Das entspricht dem in der Sozialhilfe<br />

verankerten Grundsatz von Fördern<br />

und Fordern.<br />

• Aktive Beteiligung der Wirtschaft: Damit<br />

die angestrebte Integration gelingt,<br />

braucht es eine verbindliche und aktive<br />

Beteiligung der Wirtschaft.<br />

• Abbau von administrativen Hürden:<br />

Die Hürden zur Beschäftigung von<br />

Personen aus dem Asylbereich müssen<br />

konsequent abgebaut werden.<br />

Die SKOS will mit ihren Vorschlägen<br />

und Empfehlungen einen Beitrag dazu leisten,<br />

die berufliche Integration von Flüchtlingen<br />

zu verbessern, und ist sie bereit, mit<br />

ihrem Fachwissen aktiv an der Lösungs-findung<br />

mitzuarbeiten. <br />

•<br />

Papier «Arbeit statt Sozialhilfe» www.skos.ch<br />

4 ZeSo 4/15 aktuell


KOMMENTAR<br />

Die SODK will die Sozialhilfe-Richtlinien gemeinsam mit der<br />

SKOS reformieren, weiterentwickeln und stärken<br />

<strong>2015</strong> war für die Sozialhilfe ein wichtiges<br />

Jahr. Sie war in den letzten Jahren stark<br />

unter Beschuss gekommen. Einzelne Missbrauchsfälle<br />

wurden medial aufgebauscht<br />

und sind als Mittel für einen Generalangriff<br />

auf die Sozialhilfe eingesetzt worden. Auch<br />

der Spardruck auf allen drei staatlichen<br />

Ebenen hat eine Debatte rund um die Sozialhilfe<br />

ausgelöst. Die SODK plädiert für eine<br />

Versachlichung der Diskussion.<br />

Gerade unter diesen Umständen bilden<br />

die über viele Jahre entwickelten SKOS-<br />

Richtlinien ein wichtiges Instrument, um<br />

eine angemesse Gleichbehandlung zu<br />

gewährleisten und Sozialtourismus zu verhindern.<br />

Die Richtlinien sind auch eine gute<br />

Grundlage, um die Sozialhilfe in wesentlichen<br />

Teilen zu harmonisieren. Gemeinsam<br />

und auf einvernehmlichem Weg<br />

mit der SKOS will die SODK dieses<br />

Instrument stärken<br />

und weiterentwickeln,<br />

aber auch<br />

reformieren.<br />

Durch die neue Zusammenarbeit<br />

zwischen<br />

der SODK und<br />

der SKOS sowie dem<br />

2014 ausgelösten<br />

Reformprozess der<br />

SKOS-Richtlinien<br />

haben wir einen wichtigen<br />

ersten Schritt<br />

dazu getan, welcher mit<br />

der Sozialkonferenz vom<br />

21. September <strong>2015</strong> erfolgreich<br />

abgeschlossen werden<br />

konnte. Die kantonalen<br />

Sozialdirektorinnen und<br />

Sozialdirektoren haben mit<br />

Vertretern der Städte und<br />

Gemeinden auf Antrag der<br />

SKOS politisch wichtige<br />

Eckpunkte der SKOS-Richtlinien<br />

revidiert. Mit dieser<br />

Genehmigung durch die SODK<br />

werden die SKOS-Richtlinien eine<br />

grössere politische Legitimation<br />

erhalten und ihre Akzeptanz in den Kantonen<br />

und Gemeinden wird erhöht.<br />

Politisch hat sich die Situation zwischenzeitlich<br />

wesentlich entspannt, vor allem<br />

auch durch das kluge und pragmatische<br />

Vorgehen der politischen Akteurinnen und<br />

Akteure in verschiedenen Kantonen, wie<br />

unter anderem in Zürich. Unerlässlich war<br />

und ist auch das reformwillige und aktive<br />

Handeln der SKOS. Es ist nicht selbstverständlich,<br />

dass in solch kurzer Zeit 26<br />

Kantone zusammen mit Gemeinde- und<br />

Städteverband am gleichen Strick ziehen.<br />

An der Sozialkonferenz haben sich die<br />

Teilnehmenden auf eine Etappierung des<br />

Reformprozesses verständigt und den<br />

Fahrplan für die nächste Etappe festgelegt.<br />

Bis Mitte 2016 erfolgt unter anderem<br />

eine Revision der situationsbedingten<br />

Leistungen (SIL), es sollen Empfehlungen<br />

zur Verminderung von Schwelleneffekten<br />

abgegeben werden sowie die Definition der<br />

Grenzlinie zwischen der Sozialhilfe und der<br />

Nothilfe und Empfehlungen für Mietzinsmaxima<br />

erarbeitet werden.<br />

Ich halte an dieser Stelle ausdrücklich fest,<br />

dass der Kostendruck in der Sozialhilfe<br />

nicht alleine mit einer Revision der SKOS-<br />

Richtlinien geregelt werden kann. Vielmehr<br />

braucht es auch in anderen Bereichen zusätzliche,<br />

griffige Massnahmen. Zu denken<br />

ist dabei vor allem an eine Stärkung der der<br />

Sozialhilfe vorgelagerten Systeme, seien<br />

es Sozialversicherungen, andere Bedarfsleistungen<br />

oder beispielsweise auch das im<br />

ZGB geregelte Unterhaltsrecht.<br />

Peter Gomm<br />

Regierungsrat und Präsident der SODK<br />

aktuell 4/15 ZeSo<br />

5


Die Revision der SKOS-Richtlinien ist<br />

eine ausgewogene Lösung<br />

Die erste Etappe der Richtlinienrevision <strong>2015</strong>-2017 ist geschafft. Das umsichtige Vorgehen unter<br />

Einbezug aller Entscheidgremien war die Basis für eine konstruktive und lösungsorientierte Debatte.<br />

Es war ein schwieriger Auftrag mit ehrgeizigem<br />

Zeitplan, den die Kommission<br />

Richtlinien und Praxis der SKOS (RiP)<br />

erhalten hatte. Gemäss Vorgabe der Sozialkonferenz,<br />

die am 21. Mai unter der Ägide<br />

der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen<br />

und Sozialdirektoren (SODK)<br />

stattfand, sollten bis im Herbst eine Reihe<br />

neuer Bestimmungen erarbeitet werden:<br />

Ziel war eine Reduktion des Grundbedarfs<br />

bei Grossfamilien, die Senkung der Ansätze<br />

für junge Erwachsene beim Grundbedarf,<br />

die Einführung verschärfter Sanktionsmöglichkeiten<br />

und die Überarbeitung<br />

des Anreizsystems. Im Rahmen des letztgenannten<br />

Punkts sollten die minimale Integrationszulage<br />

(MIZ) in die Integrationszulage<br />

(IZU) integriert und die Voraussetzungen<br />

für den Bezug der IZU präzisiert<br />

werden. Insbesondere wurde gefordert,<br />

qualifizierende, arbeits- und leistungsorientierte<br />

Tätigkeiten festzulegen.<br />

Trotz des engen Zeitrahmens ging die<br />

RiP behutsam und ausgewogen vor und<br />

achtete darauf, dass die neuen Bestimmungen<br />

nicht zu rechtswidrigen Einschränkungen<br />

bei existenzsichernden Leistungen<br />

führen werden. Zudem war bekannt,<br />

dass einzelne Revisionspunkte in gewissen<br />

Kantonen zu grossen Veränderungen führen<br />

würden.<br />

Herangehensweise<br />

Zum Gelingen der nun abgeschlossenen<br />

ersten Etappe der Richtlinienrevision hat<br />

sicher beigetragen, dass sich die RiP bereits<br />

während einer Retraite und dann bei<br />

der Grundlagenarbeit zu den Stossrichtungen<br />

der Revision, die der SKOS-Vorstand<br />

der SODK unterbreitete, intensiv über einzelne<br />

Themen unterhalten und die «wunden<br />

Punkte» weitgehend identifiziert hatte.<br />

Dank dieser Vorphase konnten Grundsatzfragen,<br />

Wertehaltungen und die politischen<br />

Rahmenbedingungen geklärt werden. Die<br />

Aufgabe erleichtert hat auch, dass der Gesamtauftrag<br />

klar formuliert war und daraus<br />

für jedes Revisionsthema ein konkreter Arbeitsauftrag<br />

schriftlich festgehalten werden<br />

konnte. Zusätzlich hat sich die RiP<br />

fachliche Leitlinien geben, die es bei der<br />

Ausarbeitung der Richtlinien-Entwurfe zu<br />

beachten galt:<br />

• Bei den Leistungseinschränkungen sind<br />

die Bedürfnisse Minderjähriger besonders<br />

zu beachten.<br />

• Bei den Sanktionen ist das Verhältnismässigkeitsprinzip<br />

in den Vordergrund<br />

zu rücken. Zudem darf der Kerngehalt<br />

von Art. 12 Bundesverfassung (Recht auf<br />

Hilfe in Notlagen) nicht infrage gestellt<br />

sein.<br />

• Beim Anreizsystem ist eine Formulierung<br />

zu finden, die die gewünschte<br />

Leistungsorientierung hervorhebt, es<br />

allerdings ermöglicht, ein positives Verhalten,<br />

das bis dato mit einer minimalen<br />

Integrationszulage (MIZ) honoriert<br />

wurde, zukünftig mit einer IZU zu würdigen.<br />

Übergeordnet hat die RiP die Überarbeitung<br />

der Richtlinien dazu genutzt,<br />

Texte zu straffen und einfacher zu formulieren.<br />

Stark vollzugsorientierte Empfehlungen<br />

sollen künftig in einem Praxishandbuch<br />

abgebildet werden, die Richtlinien<br />

selbst mehr auf generell-abstrakte Empfehlungen<br />

konzentriert sein.<br />

Die konkrete Arbeit an den Richtlinien<br />

Um den Zeitplan einhalten zu können, hat<br />

sich die RiP in Untergruppen aufgeteilt,<br />

die die einzelnen Revisionspunkte aufbe-<br />

Was auf den 1. Januar 2016 ändert<br />

• Grundbedarf bei Grossfamilien ab 6 Personen: Bei Haushalten mit<br />

sechs und mehr Personen wird der Grundbedarf ab der sechsten<br />

Person um 76 Franken pro Person und Monat reduziert.<br />

• Junge Erwachsene: Der Ansatz für junge Erwachsene bis 25 Jahre<br />

mit eigenem Haushalt wird von heute 986 Franken um 20 Prozent<br />

auf 789 Franken reduziert. Die Voraussetzungen für das Wohnen<br />

ausserhalb des Elternhauses sind klar definiert.<br />

• Sanktionen: In schwerwiegenden Fällen können die Sanktionskürzungen<br />

bis 30 Prozent des Grundbedarfs betragen. Die konkrete<br />

Kürzung ist nach dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz festzulegen.<br />

• Integrationszulage: Mit der Integrationszulage (IZU) werden neu Leistungen<br />

anerkannt, die die Chancen auf eine erfolgreiche Integration<br />

erhöhen oder erhalten. Die minimale Integrationszulage (MIZ) wird<br />

abgeschafft. Positive Verhaltensweisen, die bis dato mit einer MIZ<br />

honoriert wurden, können zukünftig meist mit einer IZU gewürdigt<br />

werden.<br />

Die Richtlinien erhalten durch die breite Abstützung mehr Akzeptanz.<br />

Bild: SKOS<br />

6 ZeSo 4/15 Richtlinienrevision


eiteten und Richtlinientexte ausfertigten.<br />

Diese sind dann im Plenum der Kommission<br />

diskutiert und nach einer Korrekturrunde<br />

in den Untergruppen zu Handen<br />

der Geschäftsleitung der SKOS verabschiedet<br />

worden. So blieb genug Zeit für Diskussionen<br />

und für die Suche nach ausgewogenen<br />

Lösungen. Viel zu diskutieren gab das<br />

Anreizsystem, insbesondere die Konsequenzen<br />

für einzelne Kantone, aber auch<br />

der Umgang mit jungen Erwachsenen und<br />

die zukünftigen Leistungen an grosse<br />

Haushalte. Das hat in einigen wenigen<br />

Punkten zu Varianten-Vorschlägen geführt.<br />

Demgegenüber stellte sich bei den Sanktionsverschärfungen<br />

und den redaktionellen<br />

Bereinigungen sehr rasch Konsens ein.<br />

Die Debatte wurde mit hoher Fachlichkeit<br />

und Respekt geführt. Die Ergebnisse konnten<br />

zum Schluss von allen mitgetragen werden.<br />

Ausblick auf die zweite Etappe<br />

Das gewählte Vorgehen und insbesondere<br />

das saubere Definieren von Auftrag und<br />

Rahmenbedingungen haben sich gelohnt<br />

und haben der Richtlinienkommission<br />

Sicherheit bei der Erarbeitung der Revisionspunkte<br />

gewährt. Zudem wurden dadurch<br />

die Revisionsvorschläge erklärbar<br />

und konnten so zügig durch die weiteren<br />

Entscheidgremien transportiert werden.<br />

Dies muss nun auch für die zweite Etappe<br />

gelingen. Weiter müssen wir sorgfältig darauf<br />

achten, dass die Richtlinien nicht zu<br />

juristisch werden. Trotz Straffung und<br />

dem Ziel, Anwendungsempfehlungen und<br />

Richtlinien vermehrt zu trennen, ist dem<br />

interdisziplinären Ansatz Sorge zu tragen.<br />

Praktikerinnen und Praktiker der sozialen<br />

Arbeit sollen weiterhin über ein auf sie<br />

zugeschnittenes Arbeitsinstrument verfügen.<br />

•<br />

Claudia Hänzi<br />

Präsidentin Kommission<br />

Richtlinien und Praxis<br />

Die SKOS ist zu raschen und<br />

grundlegenden Reformen fähig<br />

Auslöser der laufenden Revision der<br />

SKOS-Richtlinien waren einerseits zwei<br />

Studien der SKOS zum Verhältnis der<br />

Lebenskosten und der Höhe des materiellen<br />

Grundbedarfs sowie zur Wirkung<br />

des Anreizsystem in der Praxis und<br />

andererseits der immense politische<br />

und mediale Druck, der in den letzten<br />

Monaten auf der Sozialhilfe lastete. Die<br />

Gefahr eines Auseinanderbrechens des<br />

bisherigen, auf dem Regelwerk der SKOS<br />

basierenden Systems der Sozialhilfe in<br />

der Schweiz war erheblich. Die SKOS<br />

hat nach einer Vernehmlassung bei ihren<br />

Mitgliedern Reformvorschläge ausgearbeitet,<br />

die teilweise eine Senkung<br />

von Unterstützungsleistungen vorsehen<br />

und den Sanktionsrahmen bedeutend<br />

erweitern. Mit grossem Mehr hat die<br />

Sozialdirektorenkonferenz SODK fast<br />

allen Anträgen der SKOS zugestimmt.<br />

Führt die Revision nun zu einem<br />

«sozialpolitischen Dammbruch», wie dies<br />

etwa von der Caritas befürchtet wird?<br />

Oder sind die Anpassungen notwendige<br />

und trotz der Leistungskürzungen sozialpolitisch<br />

noch vertretbare Schritte, um<br />

die Akzeptanz der Sozialhilfe zu stärken?<br />

Für eine sozialpolitische Einordnung der<br />

bisherigen Reformschritte ist es noch zu<br />

früh, aber einige Schlüsse lassen sich<br />

dennoch bereits ziehen: Das System der<br />

SKOS-Richtlinien wurde von der SODK<br />

gutgeheissen. Festgehalten wird von der<br />

SODK auch am Konzept des sozialen<br />

Existenzminimums und an der Höhe<br />

des Grundbedarfs für die überwiegende<br />

Zahl der unterstützten Personen. Die<br />

eingeleiteten Reformen sollen sicherstellen,<br />

dass es auch weiterhin eine<br />

minimale gesamtschweizerische Harmonisierung<br />

der Sozialhilfe gibt.<br />

Die revidierten SKOS-Richtlinien<br />

sind wegen der Beschlussfassung durch<br />

die SODK nun politisch bedeutend besser<br />

abgestützt als bisher. Die SODK ist<br />

aber in der Pflicht, auf die Kantone einzuwirken,<br />

damit diese die revidierten<br />

Normen auch wirklich übernehmen.<br />

Falls die nun beschlossene gemeinsame<br />

Basis in den Kantonen nicht umgesetzt<br />

wird, muss der Bund mit einem Rahmengesetz<br />

für die Sozialhilfe ordnend<br />

eingreifen, um einen Negativwettbewerb<br />

mit immer tieferen Leistungen und ein<br />

Abschieben von Unterstützungsfällen<br />

in andere Kantone zu verhindern.<br />

Bei der Beurteilung der vorliegenden<br />

Beschlüsse muss auch bedacht werden,<br />

was passiert wäre, wenn sich die SKOS<br />

nicht für ein rasches Reformtempo und<br />

Korrekturen bei den Leistungen entschieden<br />

hätte. Wir sind davon überzeugt,<br />

dass es ohne diese Reformschritte<br />

zu einer raschen Absetzbewegung von<br />

den SKOS-Richtlinien und damit zu<br />

einem wirklichen Dammbruch in der<br />

Sozialhilfe gekommen wäre. So gesehen<br />

war die Anpassung der Richtlinien<br />

dringend notwendig und hat dazu beigetragen,<br />

ein bewährtes System neu zu<br />

positionieren. Dank der Revision ist es<br />

gelungen, die Richtlinien zu stärken<br />

und eine Erosion der Sozialhilfe zu verhindern.<br />

Als Organisation hat die SKOS<br />

bewiesen, dass sie in einem partizipativen<br />

Prozess zu raschen und grundlegenden<br />

Reformen fähig ist. Das haben<br />

der SKOS nicht alle zugetraut. •<br />

Felix Wolffers<br />

Co-Präsident der SKOS<br />

Richtlinienrevision 4/15 ZeSo<br />

7


Die Debatte muss auch den<br />

Grundrechtsschutz beachten<br />

Die neuen SKOS-Richtlinien sehen für bestimmte Personengruppen Leistungskürzungen vor. Mit<br />

ihnen werden traditionelle Fürsorgeprinzipien bestärkt, die bei der Bekämpfung von Armut vor allem<br />

die Familien und Gemeinden in die Pflicht nehmen. Eine historische Einordnung der aktuellen Revision.<br />

1934 wurden erstmals Vorschläge für nationale<br />

Richtsätze in der Schweizer Sozialhilfe<br />

diskutiert. Mitten in der Wirtschaftskrise<br />

setzte die Schweizerische Armenpflegerkonferenz<br />

– wie die SKOS früher hiess –<br />

das Thema auf die Traktandenliste ihrer<br />

jährlichen Konferenz. Der eingeladene Experte,<br />

Walter Rickenbach, berechnete einen<br />

Minimalbedarf für eine vierköpfige Familie<br />

und schlug vor, diesen als Schweizer Richtsatz<br />

anzunehmen. Doch die Fürsorgebehörden<br />

aus Kantonen, die besonders hart von<br />

der Wirtschaftskrise betroffen waren, wehrten<br />

sich heftig gegen den Vorschlag. Einzelne<br />

Gemeinden hatten in den 1930er-<br />

Jahren kaum mehr Mittel für die Sozialhilfe.<br />

Zu wenig Steuerzahlende mussten zu<br />

viele Notleidende unterstützen. Die Mehrheit<br />

der versammelten Armenpfleger lehnte<br />

die vorgeschlagenen Richtlinien ab.<br />

An diesem Beispiel zeigt sich ein spezifisches<br />

Problem der SKOS-Richtlinien:<br />

Sie schlagen nationale Richtsätze für die<br />

Sozialhilfe vor, überlassen die Finanzierungsfrage<br />

aber weiterhin den Gemeinden<br />

und Kantonen. In wirtschaftlich prosperierenden<br />

Zeiten erweist sich das Spannungsverhältnis<br />

zwischen einer nationalen<br />

Normierung einerseits und einer föderalen<br />

Finanzierung andererseits als wenig problematisch.<br />

In der Hochkonjunktur der Nachkriegszeit<br />

war die Zahl der Gemeinden<br />

klein, die sich wegen der Finanzierung von<br />

Sozialhilfebeziehenden beklagten. Dementsprechend<br />

verschwand der Widerstand<br />

gegen nationale Richtsätze in den Nachkriegsjahren.<br />

Seit den 1990er-Jahren steigt die<br />

Zahl der Sozialhilfebeziehenden erneut<br />

an. Dadurch treten die Widersprüche im<br />

Schweizer Sozialhilfesystem wieder offener<br />

zu Tage. Wenn bestimmte Gemeinden<br />

zunehmend durch die Sozialhilfe belastet<br />

werden und an ihre finanziellen Grenzen<br />

stossen, sind eigentlich neue Antworten<br />

Die Reformen nehmen armutsbetroffene Familien stärker in die Pflicht.<br />

gefragt. Die politisch gängigste Forderung<br />

ist aber nach wie vor, dass bei den Sozialhilfebeziehenden<br />

gespart werden soll. Die<br />

revidierten SKOS-Richtlinien korrigieren<br />

denn auch einen Teil der Leistungen nach<br />

unten. Wirklich entlastet werden Gemeinden<br />

mit wenig potenten Steuerzahlenden<br />

und einer grossen Zahl von Sozialhilfebeziehenden<br />

dadurch freilich nicht. Dies<br />

wäre nur durch eine Revision des föderalistischen<br />

Prinzips und neuen Formen<br />

des Lastenausgleichs zu erreichen. Vorschläge<br />

dazu finden sich bereits im frühen<br />

20. Jahrhundert. Bis heute haben die Kantone<br />

aber <strong>ganz</strong> unterschiedliche Lastenausgleichssysteme<br />

verankert.<br />

Der Arbeitsmarkt als Referenzpunkt<br />

Die 1930er-Jahre sind noch aus einem<br />

weiteren Grund interessant für heutige<br />

Diskussionen. Der Referent Rickenbach<br />

Bild: Keystone<br />

stellte damals eine Forderung auf, die<br />

auch heute noch vorgebracht wird: Die<br />

Leistungen der Sozialhilfe sollen die Löhne<br />

der Arbeiterschaft nicht übersteigen.<br />

Nur so bleibe der Anreiz zur Arbeitsaufnahme<br />

bestehen. Gerade in der Wirtschaftskrise<br />

der 1930er-Jahre waren die<br />

Löhne indes vielfach nicht existenzsichernd,<br />

was allen versammelten Fürsorgern<br />

klar war. Auch heute gilt, dass nur die<br />

«würdigen» Armen, also die arbeitswilligen,<br />

aber aus bestimmten Gründen<br />

arbeitsunfähigen oder arbeitslosen Menschen,<br />

Unterstützung bekommen sollen.<br />

Der Arbeitsmarkt belohnt die Arbeitenden<br />

jedoch nicht immer mit einem existenzsichernden<br />

Lohn, so dass die Sozialhilfe<br />

einspringen muss. Der Arbeitsmarkt und<br />

seine Lohnstruktur bleiben eine zentrale<br />

und gleichzeitig problematische Referenz<br />

für die Sozialhilfe.<br />

8 ZeSo 4/15 Richtlinienrevision


Die neuen SKOS-Richtlinien kürzen die<br />

Beiträge für Jugendliche bis 25 Jahre, die<br />

alleine leben. Diese Massnahme soll disziplinierende<br />

Wirkung entfalten und die<br />

Jugendlichen zur Aufnahme einer Arbeit<br />

führen. Die Frage stellt sich allerdings,<br />

in welchen Arbeitsmarkt diese avisierte<br />

Gruppe integriert wird und ob diese<br />

Jugendlichen – insbesondere wenn sie<br />

ohne Ausbildung bleiben – längerfristig<br />

einer existenzsichernden Arbeit nachgehen<br />

können. Im frühen 20. Jahrhundert<br />

verlangten Armenbehörden vielfach, eine<br />

«prophylaktische Perspektive» in Entscheidungen<br />

einzubringen, um Personen langfristig<br />

aus der Armut zu führen. Während<br />

dieses Credo die Ausgestaltung der Sozialversicherungen<br />

stark prägte, blieb es in<br />

der Sozialhilfe meist unerfüllt. Historische<br />

Untersuchungen zeigen, dass zahlreiche<br />

Menschen über Jahrzehnte immer wieder<br />

auf Sozialhilfe angewiesen waren. Die<br />

Frage, wie gerade Jugendliche langfristig<br />

aus der Sozialhilfe geführt werden, droht in<br />

gegenwärtigen Debatten unterzugehen.<br />

Druck auf Familien<br />

Mit der Kürzung der Beiträge von Jugendlichen<br />

sollen schliesslich die Familien wiederum<br />

stärker in die Pflicht genommen<br />

werden. Auch andere Reformmassnahmen<br />

setzen armutsbetroffene Familien vermehrt<br />

unter Druck. 2016 werden die Beiträge<br />

für Grossfamilien gekürzt. Zudem<br />

ergab eine Untersuchung des Bundesamts<br />

für Statistik, dass zur Deckung des Grundbedarfs<br />

für kleinere Haushalte eine leichte<br />

Erhöhung der Sozialhilfebeiträge notwendig<br />

wäre. Die neuen SKOS-Richtlinien<br />

verzichten jedoch auf eine entsprechende<br />

Erhöhung. Damit werden Entwicklungen<br />

gefördert, die die Sozialhilfe lange Zeit<br />

dominierten. Bis weit ins 20. Jahrhundert<br />

reichten die Leistungen der Sozialhilfe<br />

nicht aus, um das soziale Existenzminimum<br />

zu sichern. Nur wenn Arme auf zusätzliche<br />

Unterstützungssysteme zurückgreifen<br />

konnten, gelang es ihnen, in der<br />

Gesellschaft integriert zu bleiben. Wichtig<br />

waren die Leistungen von Verwandten und<br />

von gemeinnützigen Organisationen. Fehlten<br />

diese zusätzlichen Ressourcen, landeten<br />

die Menschen vielfach im kommunalen<br />

Armenhaus. Damit war zwar das physische<br />

Existenzminimum gesichert. Die<br />

Menschen waren aber gänzlich aus der Gesellschaft<br />

ausgeschlossen.<br />

In historischer Perspektive wird die<br />

Hartherzigkeit der früheren Armenbehörden<br />

oft kritisiert. Tatsächlich ist die Liste<br />

von Grundrechtsverletzungen lang, die<br />

Sozialhilfebeziehende erlitten. Auch im<br />

modernen Sozialstaat des 20. Jahrhunderts<br />

verloren sie die Niederlassungsfreiheit und<br />

wurden vielfach in ihre Heimatgemeinden<br />

ausgewiesen. Zahlreiche renitente<br />

Sozialhilfebeziehende verschwanden über<br />

das Instrument der administrativen Versorgung<br />

für Jahre in Arbeitsanstalten.<br />

Gegenwärtig ist eine unabhängige Expertenkommission<br />

daran, die Geschichte der<br />

Schweizer Zwangsfürsorge aufzuarbeiten.<br />

Just in dem Moment aber, in dem sich die<br />

Schweiz kritisch mit der Geschichte der<br />

fürsorgerischen Disziplinierungsinstrumente<br />

auseinandersetzt, werden die Disziplinierungsmöglichkeiten<br />

in der Sozialhilfe<br />

wiederum ausgebaut: Die Behörden<br />

können unkooperativen Personen neu bis<br />

zu 30 Prozent der Leistungen streichen.<br />

Zahlreiche renitente<br />

Sozialhilfebeziehende<br />

verschwanden über<br />

das Instrument der<br />

administrativen<br />

Versorgung für Jahre<br />

in Arbeitsanstalten.<br />

Unrühmliche Tradition<br />

Die Frage, was die Sozialhilfe zur Integration<br />

von armutsbetroffenen Menschen leisten<br />

muss, war immer umstritten. Aus historischer<br />

Perspektive lässt sich immerhin so<br />

viel sagen. Die Schweiz hat eine unrühmliche<br />

Tradition, die Grundrechte von armutsbetroffenen<br />

Menschen zu verletzen.<br />

In gegenwärtigen Debatten um die Revision<br />

der Sozialhilfe sollten daher dem Grundrechtsschutz<br />

von Menschen erhöhte Aufmerksamkeit<br />

gegeben und die Frage der<br />

Verhältnismässigkeit der Massnahmen mit<br />

grosser Sorgfalt geprüft werden. Zudem ist<br />

klar: Soziale Teilhabe kostet etwas. Der<br />

Anspruch, dass Familien und Gemeinden<br />

die Kosten alleine schultern sollen, führte<br />

im 20. Jahrhundert vielfach zu Ungerechtigkeiten<br />

in der Armenfürsorge. Im Kontext<br />

einer neoliberalen Wirtschafts- und<br />

Gesellschaftsordnung führt ein solcher<br />

Anspruch wiederum dazu, die soziale Exklusion<br />

von Armen zu fördern. Notwendig<br />

wäre, die Frage nach den Reformen der<br />

SKOS-Richtlinien stärker mit Fragen einer<br />

sozialen Verteilungsgerechtigkeit zu verknüpfen.<br />

•<br />

Sonja Matter<br />

Historikerin an der Universität Bern<br />

Richtlinienrevision 4/15 ZeSo<br />

9


13 Fragen an Nathalie Schneuwly<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Womit beschäftigen Sie sich im Moment?<br />

Ich arbeite zu 50 Prozent beim Kanton Genf als<br />

Juristin. Mein Amt verwaltet den Immobilienpark<br />

des Kantons. Als Kantonsrätin arbeite ich rund zwölf<br />

Stunden pro Woche in Kommissionen, dazu kommen<br />

die Grossratssitzungen an zwei Abenden im Monat.<br />

Am Donnerstagnachmittag empfange ich im Büro<br />

des Centre de Liaison des Associations Féminines<br />

Genevoises (CLAFG) Frauen, die mit ihren Anliegen<br />

zu mir kommen. Aus diesem Engagement ergibt sich<br />

auch viel Telearbeit, die ich abends zu Hause erledige.<br />

Zu alldem kommt noch mein liebster, allerdings nicht<br />

immer einfacher «Job» hinzu: Mutter und Ehefrau.<br />

Kurz, ich bin wie viele Frauen eine Multi-Taskerin.<br />

Was bewirken Sie mit Ihrer Arbeit?<br />

Als Mutter, dass meine Kinder das Leben erfolgreich<br />

meistern und sich wohl fühlen. Das ist die<br />

schönste Belohnung. Beim CLAFG, dem ich seit einem<br />

Jahr vorsitze, spielen wir eine zentrale Rolle für die<br />

Genfer Frauenverbände. Wir vernetzen die Mitglieder,<br />

informieren sie über Aktivitäten und organisieren Veranstaltungen.<br />

Unser Ziel ist, Frauen zu fördern und sie<br />

in allen Bereichen zur Übernahme von Verantwortung<br />

zu ermutigen. Am 5. Oktober haben wir unter dem<br />

Motto «Votez femmes» einen Anlass durchgeführt,<br />

um sämtliche Genfer Nationalrats-Kandidatinnen<br />

vorzustellen. Wir sind eine apolitische Vereinigung,<br />

aber wir dienen den Frauen als politisches Sprachrohr.<br />

Als Kantonsrätin sehe ich wenig Früchte dieser<br />

Arbeit. Die Macht ist sehr verstreut. Das ist an sich<br />

schon gut, aber es wird schwierig, wenn in Krisensituationen<br />

echte Entscheide gefällt werden müssen. Die<br />

vielen Parteien in Genf verhindern klare Mehrheiten<br />

und sorgen für konfuse Situationen. Es gibt keine Linie<br />

mehr. Das ist bisweilen entmutigend. Als Juristin<br />

in der Verwaltung diene ich dem Gemeinwesen.<br />

Sind Sie eher arm oder eher reich?<br />

Bis vor kurzem habe ich mich als eher wohlhabend<br />

betrachtet. Aber je älter die Kinder werden,<br />

desto leerer wird das Portemonnaie. Ich gehöre zum<br />

Genfer Mittelstand, dessen Kosten jedes Jahr steigen.<br />

Vor allem die Krankenkassenprämien belasten<br />

das Familienbudget stark, und eine Erleichterung ist<br />

nicht in Sicht.<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

Glauben Sie an die Chancengleichheit?<br />

Die Verfassung garantiert die Gleichheit von Mann<br />

und Frau. Ich dachte lange Zeit, es gäbe da keine<br />

Probleme. Ich hatte die gleichen Möglichkeiten wie<br />

mein Bruder, beispielsweise zum Studieren. Mein<br />

Mann und ich teilen uns die Hausarbeit. Aber die Gesellschaft<br />

ist auf das männliche Modell ausgerichtet,<br />

und Frauen haben einen erschwerten Zugang<br />

zu leitenden Positionen. Um das zu verändern, bin<br />

ich Präsidentin des CLAGF geworden. Wir wollen den<br />

Frauen im Sinne eines «Chors der Frauenverbände»<br />

mehr Gehör verschaffen.<br />

Können Sie gut verlieren, und woran merkt man das?<br />

Ich kann gut verlieren. Meine Erfahrung hat mir<br />

gezeigt, dass aus meinen Misserfolgen oft Stärken<br />

geworden sind.<br />

Wenn Sie in der Schweiz drei Dinge verändern könnten,<br />

welche wären das?<br />

Mehr Frauen in der Politik und in Kaderstellen in<br />

der Wirtschaft. Dynamisierung und Aufwertung des<br />

Staatsdienstes. Und schliesslich eine neue Nationalhymne,<br />

die jetzige konnte ich noch nie singen!<br />

Für welches Ereignis oder für welche Begegnung würden<br />

Sie ans andere Ende der Welt reisen?<br />

Für einen Match mit Roger Federer im Davis-Cup<br />

und hoffentlich schon bald Belinda Bencic im Fed<br />

Cup. Ich mag Tennis, in meiner Jugend habe ich<br />

selbst gespielt. Ich bin eine Gewinnernatur und stolz<br />

darauf, Schweizerin zu sein. Die Schweiz hat ihren<br />

Meister gehabt. Nun wartet sie auf ihre nächste Meisterin<br />

– nach Martina Hingis.<br />

Welche drei Gegenstände würden Sie auf eine verlassene<br />

Insel mitnehmen?<br />

Mein Kissen, denn mit zunehmendem Alter kann<br />

ich mich immer schwieriger davon trennen, und ein<br />

guter Schlaf ist entscheidend fürs Überleben! Zündhölzer,<br />

denn ich bin nicht wie eine der «Heldinnen»<br />

von Koh-Lanta in der Reality-TV-Sendung, die meine<br />

Tochter schaut, und eine Zahnbürste.<br />

Was bedeutet Ihnen Solidarität?<br />

Solidarität heisst für mich Umverteilung und<br />

Zusammenarbeit. Das kann über materielle Güter<br />

oder über Austausch und Gegenleistung, etwa Zeit<br />

oder punktuelle Hilfe geben, geschehen. Ich bedaure<br />

es, dass ich in meiner Jugend nie für humanitäre<br />

Einsätze im Ausland war und hoffe, dass ich<br />

das nach der Pensionierung nachholen kann. Ich<br />

10 ZeSo 4/15 13 fragen


Nathalie Schneuwly<br />

Bild: Ruedi Flück<br />

Nathalie Schneuwly (Jg. 1969) ist Präsidentin des Centre de Liaison des<br />

Associations Féminines Genevoises (CLAFG) und Abgeordnete der Liberalen<br />

im Genfer Grossen Rat. Die Juristin arbeitet in einer Teilzeitanstellung bei<br />

der kantonalen Liegenschaftsverwaltung (Office des bâtiments de l’Etat<br />

de Genève). Sie ist verheiratet und hat eine 15-jährige Tochter und einen<br />

13-jährigen Sohn.<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

könnte mir vorstellen, in einem Entwicklungsland<br />

Kinder oder Jugendliche zu unterrichten, beispielsweise<br />

in Demokratie oder Recht. Oder auch in einem<br />

Waisenhaus zu arbeiten, um menschliche Wärme<br />

einzubringen.<br />

An welches Ereignis im Ihrem Leben denken Sie besonders<br />

gerne zurück?<br />

Die Geburt meiner Kinder, <strong>ganz</strong> klar.<br />

Gibt es Dinge, die Ihnen den Schlaf rauben?<br />

Ungerechtigkeit. In meinem Beruf als Anwältin<br />

bin ich leider immer wieder damit konfrontiert.<br />

Heute werden so viele Gesetze erlassen, dass alles<br />

komplex wird und selbst die Richter den Überblick<br />

verlieren. Manchmal bleibt der gesunde Menschenverstand<br />

auf der Strecke. In Genf gab es einen<br />

Richter, der Geschiedenen-Alimente in zwei Zeilen<br />

gerecht festlegen konnte. Das Gericht benötigte für<br />

die Begründung danach zwei Seiten, mit demselben<br />

Ergebnis! Das System wird immer schwerfälliger,<br />

und die Resultate nicht unbedingt besser.<br />

Welcher Begriff ist für Sie ein Reizwort?<br />

«Mit dem Rücken zur Wand». Man sollte immer<br />

nach Lösungen suchen. Und jegliche Sprüche über<br />

Blondinen. Ich habe eine hübsche und intelligente,<br />

strohblonde Tochter, die darunter leidet, ständig<br />

Zielscheibe von Blondinenwitzen zu sein. Vielleicht<br />

sollte ich einen Blondinenverein gründen, der Mitglied<br />

des CLAFG würde.<br />

Haben Sie eine persönliche Vision?<br />

Freiheit ist unser grösster Reichtum, nach den<br />

Kindern. Ich träume von einer freiheitlichen Gesellschaft<br />

mit möglichst wenig Zwängen, einer von<br />

Menschlichkeit und gesundem Menschenverstand<br />

geprägten Gesellschaft, in der nicht alles geregelt<br />

werden muss. Ich wünsche mir mehr Frauen in der<br />

Politik oder in der Wirtschaft, aber ich möchte, dass<br />

das von selbst geschieht. Die Männer müssen einsehen,<br />

dass gerechtere Genderanteile für alle von<br />

Nutzen sind. So könnte vermieden werden, dass<br />

endlos über Quoten diskutiert und die Wahlfreiheit<br />

eingeschränkt wird.<br />

13 fragen 4/15 ZeSo<br />

11


Anrechnung zu hoher Wohnkosten<br />

bei hängigem IV-Verfahren<br />

Bei der Frage, ob sich eine Person mit überhöhten Wohnkosten, die einen IV-Rentenentscheid<br />

erwartet, sich günstigeren Wohnraum suchen muss, sind öffentliches Interesse und das<br />

Individualisierungsprinzip gegeneinander abzuwägen.<br />

Der alleinstehende Moritz Mächler ist seit<br />

längerem arbeitsunfähig. Die Abklärungen<br />

der IV-Stelle im Hinblick auf eine Rente<br />

sind noch nicht abgeschlossen. Den Anspruch<br />

auf Krankentaggeld hat Herr Mächler<br />

ausgeschöpft, er stellt Antrag auf Sozialhilfe.<br />

Er ist überzeugt, nur vorübergehend<br />

im Sinne einer Rentenbevorschussung auf<br />

Sozialhilfe angewiesen zu sein und möchte<br />

deshalb nicht aus seiner zu teuren Wohnung<br />

ausziehen.<br />

Frage<br />

Kann bei Personen mit hängigem IV-<br />

Verfahren von den Mietzinsrichtlinien abgewichen<br />

werden?<br />

Grundlagen<br />

Als bedarfsorientierte Leistung soll die Sozialhilfe<br />

eine individuelle, konkrete, gegenwärtig<br />

oder unmittelbar drohende Notlage<br />

beziehungsweise Bedürftigkeit vermeiden<br />

helfen. Auf deren Ursache kommt es nicht<br />

an. Massgebende und einzige Anspruchsvoraussetzung<br />

ist die aktuelle Bedürftigkeit<br />

(Bedarfsdeckungs- und Finalprinzip, SKOS-<br />

Richtlinien A.4). Dass die Bedürftigkeit<br />

von Herrn Mächler auf die Länge des IV-<br />

Abklärungsverfahrens zurückzuführen ist,<br />

hat keinen Einfluss auf die Unterstützung<br />

mit Sozialhilfe. Sie ist ursachenunabhängig<br />

und rechtsgleich zu gewähren.<br />

Überhöhte Wohnkosten sind in der Regel<br />

nur so lange anzurechnen, bis eine zumutbare<br />

günstigere Wohnung zur Verfügung<br />

PRAXIS<br />

In dieser Rubrik werden exemplarische Fragen aus<br />

der Sozialhilfe praxis an die «SKOS-Line» publiziert<br />

und beantwortet. Die «SKOS-Line» ist ein webbasiertes<br />

Beratungsangebot für SKOS-Mitglieder.<br />

Der Zugang erfolgt über www.skos.ch Mitgliederbereich<br />

(einloggen) SKOS-Line.<br />

steht. Es besteht kein Anspruch auf Übernahme<br />

der Mietkosten einer beliebigen<br />

Wohnung durch das Gemeinwesen. Bei<br />

der Ansetzung einer Frist zum Wohnungswechsel<br />

sind die üblichen Kündigungsbedingungen<br />

zu berücksichtigen und die<br />

betroffenen Personen sind bei der Suche<br />

nach günstigem Wohnraum bedarfsgerecht<br />

zu unterstützen (SKOS-Richtlinien B.3 und<br />

BGer 8C_805/2014 E. 4.1).<br />

Moritz Mächler kann also grundsätzlich<br />

zum Wohnungswechsel verpflichtet werden.<br />

Allerdings ist das in der Sozialhilfe geltende<br />

Individualisierungsprinzip zu beachten.<br />

Es verlangt, dass den Besonderheiten<br />

und Bedürfnissen des Einzelfalls angemessen<br />

Rechnung zu tragen ist. Die finanzielle<br />

und persönliche Hilfe ist nach den Erfordernissen<br />

des Einzelfalls zu beurteilen und zu<br />

bemessen (A.4).<br />

Richtlinien wie jene zum Mietzins dienen<br />

der Rechtsgleichheit. Sie relativieren den<br />

Individualisierungsgrundsatz, aber sie heben<br />

ihn nicht auf. Aus sachlichen Gründen<br />

oder wenn die Besonderheiten des Einzelfalls<br />

dies erfordern, darf beziehungswese<br />

muss von ihnen abgewichen werden.<br />

Durch das Individualisierungsprinzip erhält<br />

die zuständige Sozialbehörde Handlungsfreiheiten,<br />

die sie pflichtgemäss zu<br />

nutzen hat. Sie hat Ermessen und Beurteilungsspielräume<br />

wie folgt auszuüben:<br />

• nach Sinn und Zweck der gesetzlichen<br />

Ordnung<br />

• willkürfrei, nach sachlichen Kriterien<br />

• rechtsgleich<br />

• in verhältnismässiger Weise.<br />

Letzteres bedeutet, dass den Besonderheiten<br />

und Bedürfnissen des Einzelfalls in angemessener<br />

Weise Rechnung zu tragen ist.<br />

Unterstützte Personen sollen materiell nicht<br />

besser gestellt werden als nicht unterstützte,<br />

in bescheidenen finanziellen Verhältnissen<br />

lebende Personen (A.4). Leistungsbegrenzungen<br />

entsprechen dem Wesen der<br />

Sozialhilfe. Sozialhilfe gewährt nicht das<br />

Leistungsniveau, das sich sozialhilfeunabhängige<br />

Personen aus eigenen Mitteln leisten<br />

können und dürfen (vgl. BGE 133 V<br />

353 E. 4.2).<br />

Die Hilfe hat sich deshalb nicht nur an den<br />

Bedürfnissen der Betroffenen, sondern auch<br />

an den Zielen der Sozialhilfe im Allgemeinen<br />

– der Gewährleistung eines Existenzminimums<br />

und der Förderung von wirtschaftlicher<br />

und persönlicher Selbstständigkeit<br />

– auszurichten. Diese beiden Interessen,<br />

das private der Individualisierung und das<br />

öffentliche der Zielkonformität, sind sowohl<br />

hinsichtlich der Leistungen der Sozialhilfe<br />

als auch hinsichtlich der den bedürftigen<br />

Personen aufzuerlegenden Pflichten zu<br />

beachten und im Einzelfall gegeneinander<br />

abzuwägen.<br />

Antwort<br />

Sozialhilfe ist ursachenunabhängig zu gewähren.<br />

Ein hängiges IV-Verfahren führt<br />

nicht automatisch zur unbefristeten Anrechnung<br />

überhöhter Wohnkosten. Wenn<br />

jedoch die baldige Zusprechung einer IV-<br />

Rente an Moritz Mächler höchst wahrscheinlich<br />

ist und die zu erwartenden Mittel<br />

(wie IV-Renten und Ergänzungsleistungen)<br />

die Finanzierung seiner Wohnung<br />

längerfristig erlauben, ist ein Wohnungswechsel<br />

zur Erreichung des Ziels der wirtschaftlichen<br />

Selbstständigkeit nicht erforderlich;<br />

dann ist ein Abweichen von den<br />

Mietzinsrichtlinien angezeigt. Dies gilt<br />

auch dann, wenn ein Aus- und Umzug aufgrund<br />

<strong>ganz</strong> besonderer Umstände im Einzelfall<br />

nicht zumutbar ist.<br />

•<br />

Bernadette von Deschwanden<br />

Kommission Richtlinien und Praxis der SKOS<br />

12 ZeSo 3/15 praxis


Bei der Rückerstattung stellt sich<br />

die Frage der Rechtsgleichheit<br />

Sozialhilfe ist grundsätzlich eine Bevorschussung zur Existenzsicherung. Damit der Anspruch auf<br />

Rechtsgleichheit erfüllt ist, müssten die Kantone bei der Rückforderung von bezogener Sozialhilfe<br />

ähnliche Vorgaben und Berechnungen anwenden.<br />

Rechtmässig bezogene Sozialhilfe ist gemäss<br />

Definition eine Bevorschussung zur<br />

Existenzsicherung und muss im Rahmen<br />

der gesetzlichen Grundlagen zurückerstattet<br />

werden. Ab wann die Sozialdienste zur<br />

Eintreibung dieser «Schuld» angehalten<br />

sind und ob solche Forderungen überhaupt<br />

sinnvoll sind, ist immer wieder Gegenstand<br />

von Diskussionen. Denn wer sich von der<br />

Sozialhilfe ablösen kann, befindet sich<br />

meistens noch nicht in einer stabilen Situation<br />

und hat lediglich ein paar Franken<br />

mehr zur Verfügung als während der Unterstützung.<br />

Ein Rückfall ist schnell möglich.<br />

Daher ist es wichtig, diesen Menschen zu<br />

ermöglichen, ein bescheidenes finanzielles<br />

Polster anzulegen, um wieder eigenständig<br />

auch unvorhergesehene Auslagen auffangen<br />

zu können. Entsprechend empfehlen<br />

die SKOS-Richtlinien, keine Rückerstattung<br />

aus späterem Erwerbseinkommen einzufordern<br />

(E.3.I). Falls dennoch eine Rückerstattung<br />

aus Erwerbseinkommen gefordert<br />

wird, empfehlen die Richtlinien, die<br />

Höhe des monatlichen Rückerstattungsbetrags<br />

mit einer Bedarfsrechnung zu ermitteln<br />

(H.9). Eine Einzelperson kann, je nach<br />

Resultat dieser Berechnung, bereits ab<br />

einem monatlichen Einkommen von rund<br />

3500 Franken zur Rückerstattung angehalten<br />

werden. Erreicht eine Person ein Vermögen<br />

von 25 000 Franken oder ein Ehepaar<br />

ein Vermögen von 40 000 Franken – pro<br />

Kind können weitere 15 000 Franken hinzu<br />

gezählt werden –, empfehlen die Richtlinien,<br />

eine Rückforderung zu stellen.<br />

Grosse Vielfalt der Vorgaben<br />

Wie bei den bisherigen Beobachtungen in<br />

dieser Artikelserie übernimmt ein Teil der<br />

Kantone (15) die Empfehlungen der SKOS.<br />

Elf von ihnen fordern keine Rückerstattung<br />

aus Einkommen und vier halten sich<br />

beim Einkommen an die Berechnungsempfehlungen.<br />

Von den anderen Kantonen erheben<br />

fünf keine Forderungen auf Einkommen.<br />

Bezüglich Vermögen pflegen sie aber<br />

unterschiedliche Praktiken. Während die<br />

Kantone Aargau und Waadt eigene<br />

Limiten festlegen, liegt in den Kantonen<br />

Neuenburg, Genf und Schaffhausen die<br />

Handhabung punkto Vermögen im Ermessen<br />

des Sozialdienstes.<br />

Der Kanton Glarus übernimmt das<br />

SKOS-Modell bei der Rückforderung aus<br />

Einkommen und setzt mit 4000 Franken<br />

pro Einzelperson eine eigene (tiefe) Vermögensgrenze<br />

fest. Basel-Landschaft und<br />

Thurgau setzten eigene Einkommensgrenzen<br />

fest. Basel-Lanschaft liegt mit 6250 Franken<br />

pro Einzelperson über der Grenze der<br />

SKOS, Thurgau mit 2500 Franken steuerbarem<br />

Einkommen tendenziell darunter.<br />

Die drei Kantone Wallis, St. Gallen und<br />

Luzern stützen sich bei der Umsetzung des<br />

Auftrags beim Einkommen allein auf das<br />

Ermessen des Sozialdienstes.<br />

Auch punkto Vermögen gehen die kantonalen<br />

Vorgaben weit auseinander. In<br />

vielen Fällen meldet sich das Sozialamt<br />

erst bei Anfall einer grossen Erbschaft oder<br />

eines Lotteriegewinns zwecks Rückzahlung.<br />

In den Kantonen Thurgau, Glarus<br />

und Aarau darf sich der Sozialdienst aber<br />

schon ab einem Kontostand von 4000 bis<br />

5000 Franken melden.<br />

Unterschiede beim Inkasso<br />

Die unterschiedliche Organisation des<br />

Inkassos wie auch unterschiedliche Handlungsspielraume<br />

der Sozialdienste verstärken<br />

diese Differenzen. In sieben Kantonen<br />

wird das Inkasso vom Kanton vollzogen.<br />

Hier dürften die gesetzlichen Vorgaben<br />

eng umgesetzt werden. In den anderen<br />

Kantonen sind die Gemeinden zuständig.<br />

Während in einigen dieser Kantone die<br />

Vorgaben von allen Diensten umgesetzt<br />

werden, schöpfen die Dienste in anderen<br />

«Monitoring Sozialhilfe»<br />

Dieser Text ist der vierte im Rahmen einer Artikelserie<br />

zur konkreten Umsetzung der Sozialhilfe<br />

in den Kantonen und zur Vielfalt der Sozialhilfe in<br />

der Schweiz. Die Daten und die daraus abgeleiteten<br />

Erkenntnisse basieren auf dem 2014<br />

gestarteten «Monitoring Sozialhilfe» der SKOS.<br />

Kantonen ihre Ermessenspielräume voll<br />

aus und verzichten zum Teil auf Rückforderungen.<br />

Einschätzung<br />

Die teilweise gewichtigen Unterschiede bei<br />

den Vorgaben der Kantone widerspiegeln<br />

die föderale Vielfalt. Nicht unproblematisch<br />

ist, dass sechs Kantone die Prüfung<br />

und den Entscheid über eine Rückerstattung<br />

dem Ermessen der Sozialdienste<br />

überlassen. Denn wenn jemand in einem<br />

Kanton X keine Rückerstattung leisten<br />

muss und eine andere Person in der gleichen<br />

Situation in einem anderen Kanton Y<br />

während Jahren einen finanziellen «Tribut»<br />

für den einstigen Hilfebezug leisten<br />

muss, stellt sich die Frage nach der Rechtsgleichheit.<br />

Zumal die Konsequenzen für<br />

die Betroffenen oft langfristig sind.<br />

In diesem Zusammenhang ist es auch<br />

gut vorstellbar, dass durch eine sich abzeichnende<br />

langfristige Verschuldung<br />

aufgrund der Rückerstattungspflicht im<br />

einen oder anderen Fall der Gang zum<br />

Sozialamt zusätzlich erschwert wird<br />

und – am anderen Ende der Sozialhilfeunterstützung<br />

– die Rückerstattungspflicht<br />

in einem Kanton mit sehr tiefen Limiten<br />

die Ablösung von der Sozialhilfe erschweren<br />

kann. <br />

•<br />

Christin Kehrli<br />

Leiterin Fachbereich Grundlagen SKOS<br />

SKOS-RICHTLINIEN 3/15 ZeSo<br />

13


14 ZeSo 4/15 SCHWERPUNKT<br />

Bild: Keystone


Die Wohnversorgung ist oft ungenügend<br />

bei armutsbetroffenen Haushalten<br />

84 Prozent der armutsbetroffenen Haushalte in der Schweiz sind unzureichend wohnversorgt.<br />

Die hohe Wohnkostenbelastung ist die häufigste Ursache. Dies zeigt eine Studie zum Thema<br />

Wohnversorgung bei armutsbetroffenen Menschen. Experteninterviews haben zudem Hinweise zur<br />

Verbesserung der Situation für Benachteiligte auf dem Wohnungsmarkt geliefert.<br />

Ein Dach über dem Kopf zu haben, unter dem man sich wohlfühlt,<br />

ist ein Grundbedürfnis. Die Versorgung mit angemessenem<br />

Wohnraum ist deshalb ein zentraler Aspekt der Existenzsicherung<br />

und ein Sozialziel in der Bundesverfassung. Ob dieses Ziel für<br />

Haushalte von Menschen in Armut und in prekären Lebenslagen<br />

erreicht ist, gibt es bislang nur wenig gesichertes Wissen. Um<br />

diese Frage zu beantworten, muss zunächst definiert werden,<br />

welche Kriterien eine angemessene Wohnversorgung bestimmen<br />

und unter welchen Umständen die Wohnversorgung ungenügend<br />

ist. Die Studie «Wohnversorgung in der Schweiz» im Rahmen des<br />

nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von<br />

Armut in der Schweiz entwickelt ein Modell für die Beurteilung<br />

der Wohnversorgung. Es basiert auf den fünf Dimensionen Wohnkosten,<br />

Wohnungsgrösse, Wohnungsqualität, Wohnlage und<br />

Wohnsicherheit (Grafik 1). Sind die minimalen Kriterien innerhalb<br />

dieser Dimensionen erfüllt, kann von einer angemessenen<br />

Wohnversorgung gesprochen werden.<br />

Ein Haushalt gilt als arm, wenn das Haushaltseinkommen nach<br />

Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern unter dem<br />

sozialen Existenzminimum, der sogenannten Armutsgrenze, liegt.<br />

In einer prekären Lebenslage befindet sich ein Haushalt, wenn das<br />

Haushaltseinkommen maximal 20 Prozent über dieser Grenze<br />

liegt. Ein einschneidendes Ereignis wie die Geburt eines Kindes<br />

oder der Verlust einer Arbeitsstelle kann also schnell in die materielle<br />

Armut führen.<br />

Angemessene Wohnversorgung<br />

Als angemessen wohnversorgt gilt ein Haushalt, wenn er in den<br />

vier quantifizierbaren Dimensionen Wohnkosten, Wohnungsgrösse,<br />

Wohnungsqualität und Wohnlage einen Mindestwert erreicht.<br />

Für die Dimension Wohnsicherheit lässt sich mangels statistisch<br />

verwertbarer Indikatoren keine Quantifizierung durchführen. Die<br />

Messung der Wohnversorgung auf der Basis der SILC-Statistik<br />

(Statistics on Income and Living Conditions) der Jahre 2007 und<br />

2012 zeigt nun, dass 84 Prozent der armutsbetroffenen Haushalte<br />

und 57 Prozent der Haushalte in prekären Lebenslagen keine<br />

angemessene Wohnversorgung aufweisen. Damit sind armutsbetroffene<br />

Haushalte vier Mal häufiger von einer unzureichenden<br />

Wohnversorgung betroffen als die Gesamtbevölkerung (Grafik 2).<br />

Hauptursache der ungenügenden Wohnversorgung ist die zu<br />

hohe Wohnkostenbelastung. 82 Prozent der armutsbetroffenen<br />

Haushalte und 48,9 Prozent der Haushalte von Menschen in<br />

prekären Lebenslagen leben in einer zu teuren Wohnung. Ihre<br />

Wohnkosten übersteigen den aufgrund breiter Recherchen als<br />

sinnvoll erachteten Grenzwert von 30 Prozent von ihrem Brutto-<br />

einkommen. Würde man den Grenzwert bei 25 Prozent des Bruttoeinkommens<br />

festlegen, hätten 90,2 Prozent der armutsbetroffenen<br />

Haushalte eine übermässig starke Wohnkostenbelastung<br />

zu tragen. Würde man hingegen einen Grenzwert von 35 Prozent<br />

als noch tragbar bezeichnen, würde der Anteil der armutsbetroffenen<br />

Haushalte mit einer zu hohen Wohnkostenbelastung auf<br />

67,7 Prozent sinken.<br />

Wohnungsgrösse, Wohnungsqualität und Wohnlage sind in<br />

dieser Reihenfolge im Vergleich zu den Wohnkosten seltenere<br />

Gründe für eine unangemessene Wohnversorgung. 12,6 Prozent<br />

der armutsbetroffenen Haushalte und 8 Prozent der Haushalte<br />

von Menschen in prekären Lebenslagen leben in zu kleinen Wohnungen:<br />

Sie haben weniger als einen Wohnraum pro Haushalt<br />

plus ein Zimmer pro Person respektive 40 m 2 für die erste Person<br />

plus 10 m 2 für jede weitere Person zur Verfügung.<br />

7,5 Prozent der armutsbetroffenen Haushalte und 7 Prozent der<br />

Haushalte von Menschen in prekären Lebenslagen bewohnen<br />

Wohnraum von schlechter Qualität. Sie sind mit baulichen Mängeln<br />

wie Kälte, Dunkelheit oder Feuchte oder mit Immissionen wie<br />

Lärm oder Staub belastet oder ihre Wohnung verfügt nicht über die<br />

minimale Grundausstattung mit Bad/WC und Küche.<br />

Besteht eine ungenügende Versorgung einzig bei der Dimension<br />

Wohnlage, kann daraus nicht zwingend auf eine ungenügende<br />

Wohnversorgung geschlossen werden. Diese Dimension wurde<br />

in der Studie unter dem Aspekt der Partizipationsmöglichkeiten<br />

(Zugang zu Kindertagessstätten, öffentlichen Verkehrsmitteln,<br />

Einkaufsmöglichkeiten usw.) operationalisiert. Dabei hat sich<br />

gezeigt, dass eine aus dieser Optik «ungünstige» Wohnlage durchaus<br />

auch Privilegien in anderen Bereichen bieten kann. Gerade<br />

wohlsituierte Haushalte entscheiden sich oft bewusst gegen die<br />

Partizipationsmöglichkeit und für mehr Ruhe und Landluft, da<br />

sie grosse Distanzen mit einem Auto und einer guten privaten<br />

Infrastruktur kompensieren können. Für die 12,4 Prozent der<br />

armutsbetroffenen Haushalte und 11,5 Prozent der Haushalte<br />

von Menschen in prekären Lebenslagen, die in dieser Dimension<br />

ungenügend versorgt sind, wird in Anbetracht derer finanzieller<br />

Situation diese Kompensation erschwert.<br />

Überwiegend ein urbanes Phänomen<br />

Insgesamt weist ein knappes Viertel der armutsbetroffenen<br />

Haushalte in zwei oder drei Wohndimensionen gleichzeitig eine<br />

unzureichende Wohnversorgung auf. Eine ungenügende Wohnversorgung<br />

ist in der Tendenz ein urbanes Phänomen. Die Versorgungswerte<br />

sind für armutsbetroffene Haushalte in städtischen<br />

Gebieten in den Dimensionen Wohnkosten, Wohnungsgrösse,<br />

16 ZeSo 4/15 SCHWERPUNKT


armut UND wohnen<br />

Wohnungsqualität und Wohnsicherheit schlechter als die entsprechenden<br />

Werte in weniger dicht besiedelten Gebieten. Im Vergleich<br />

der Daten aus den Jahren 2007 und 2012 zeigt sich keine<br />

Zunahme der ungenügenden Wohnversorgung bei armutsbetroffenen<br />

Haushalten und Haushalten von Menschen in prekären<br />

Lebenslagen. Veränderungen zeigen sich hingegen innerhalb<br />

dieser Dimensionen: Tendenziell verfügten 2012 etwas mehr<br />

Haushalte über genügend Wohnraum als 2007, dafür lebten<br />

mehr an einer ungünstigen Wohnlage.<br />

Zentrale Schwierigkeit: Wohnsicherheit<br />

Die Resultate und Erkenntnisse der quantitativen Analyse wurden<br />

von Expertinnen und Experten aus der Sozialhilfe und von Fachstellen<br />

für Wohnungswesen im Rahmen der Studie bestätigt. Die<br />

Fachleute weisen allerdings darauf hin, dass sich die Situation zwischen<br />

2007 und 2014 zugespitzt hat. Es stehe noch weniger<br />

Dimension Indikatoren Kriterien / Operationalisierung<br />

Wohnkosten<br />

Wohnungsgrösse<br />

Wohnungsqualität<br />

Wohnkostenbelastung im<br />

Vergleich zum Einkommen<br />

Wohnfläche und Anzahl<br />

Zimmer pro Person<br />

Wohnungsausstattung<br />

Baulicher Zustand<br />

Wohnimmissionen<br />

30% des Bruttoeinkommens<br />

Mindestquadratmeter nach Haushaltsgrösse,<br />

Zimmerzahl nach Alter und Geschlecht<br />

Minimale Grundausstattung<br />

Dunkelheit, Kälte, Feuchtigkeit<br />

Lärm- und Staubbelastung<br />

günstiger Wohnraum für Armutsbetroffene zu Verfügung, da diskriminierende<br />

Marktmechanismen in angespannten Wohnungsmärkten<br />

stärker wirken. Die Experteninterviews zeigen zudem,<br />

dass die im Modell berücksichtigte, quantitativ aber nicht messbare<br />

Dimension Wohnsicherheit für armutsbetroffene Menschen und<br />

Menschen in prekären Lebenslagen noch kritischer ist als jene der<br />

Wohnkostenbelastung: Oft sind bereits der Zugang zu Wohnraum<br />

und das anschliessende Halten des Wohnraums erheblich erschwert.<br />

Dieser Befund bildet sich in der Arbeit dieser Fachstellen<br />

und der Sozialdienste klar ab (mehr zu diesem Thema auf Seiten<br />

22ff. - Red.).<br />

Enge Wohnverhältnisse bei Migrantinnen und Migranten<br />

Das Risiko, arm zu sein, ist nicht für alle Bevölkerungsgruppen<br />

gleich hoch. Aus der Armutsforschung ist bekannt, dass Einelternfamilien,<br />

Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern, aber auch<br />

alleinlebende Menschen oder Menschen<br />

ohne nachobligatorische Ausbildung<br />

besonders häufig zur Armutspopulation<br />

gehören. Das Gleiche gilt<br />

für Menschen mit Migrationshintergrund<br />

und für viele Rentnerinnen und<br />

Rentner. Für die Beantwortung der<br />

Frage, ob diese Gruppen auch besonders<br />

häufig ungenügend wohnversorgt<br />

sind, wurden Daten der Gesamtbevölkerung<br />

analysiert. Besonders häufig<br />

befinden sich Alleinstehende unter<br />

65 Jahren (mit einem Anteil von 31 Prozent)<br />

und Alleinerziehende (37 Prozent)<br />

in einer ungünstigen Wohnsituation. <br />

Wohnlage<br />

Soziale Infrastruktur<br />

Öffentl. Verkehrsmittel<br />

Vandalismus<br />

Schulweg*<br />

Naherholungsgebiet*<br />

Kita*<br />

* nur bei Familien<br />

Zugang zu Lebensmittelläden und zu<br />

medizinischer Versorgung<br />

Anschluss an öffentliches Verkehrsnetz<br />

Verbrechen oder Vandalismus in der<br />

Wohnumgebung<br />

Schwierigkeit beim Zugang zu Pflichtschulen<br />

Zugang zu Spielplätzen<br />

Zugang zu einer Kita<br />

Wohnsicherheit<br />

Wohnstatus<br />

Wohnkompetenzen<br />

Schulden, Betreibungen<br />

Keine Operationalisierung möglich<br />

Grafik 1: Modell für die Beurteilung der<br />

Wohnversorgung: Dimensionen, Indikatoren<br />

und Operationalisierungskriterien.<br />

Quelle: Studie «Wohnversorgung in der Schweiz»<br />

SCHWERPUNKT 4/15 ZeSo<br />

17<br />


Studie<br />

Die Studie «Wohnversorgung in der Schweiz – Bestandsaufnahme<br />

über Haushalte von Menschen in Armut und<br />

in prekären Lebenslagen» wurde von der SKOS und der<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz unter Mithilfe der Berner<br />

Fachhochschule im Rahmen des «Nationalen Programms<br />

zur Prävention und Bekämpfung von Armut in der Schweiz»<br />

realisiert, vom Bundesamt für Sozialversicherungen BSV<br />

und vom Bundesamt für Wohnungswesen BWO finanziert.<br />

Sie wird voraussichtlich im Januar 2016 publiziert. Die<br />

Studie wird im Internet auf der Website www.gegenarmut.ch<br />

und auf der Website der SKOS verfügbar sein.<br />

Ungenügende Wohnversorgung<br />

2012<br />

Gesamt<br />

Arm<br />

Nicht arm<br />

Prekär<br />

Weder arm noch prekär<br />

15,5%<br />

82,0%<br />

8,0%<br />

48,9%<br />

5,3%<br />

6,2%<br />

12,6%<br />

5,6%<br />

8,0%<br />

5,5%<br />

4,2%<br />

7,5%<br />

3,8%<br />

7,0%<br />

3,7%<br />

9,6%<br />

12,4%<br />

9,3%<br />

11,5%<br />

9,1%<br />

Wohnkosten<br />

Wohnqualität<br />

Wohnlage<br />

Wohnungsgrösse<br />

Gesamtwohnversorgung<br />

20,8%<br />

83,5%<br />

15,5%<br />

57,1%<br />

12,9%<br />

Anteil der<br />

Haushalte<br />

100,0%<br />

10,0%<br />

90,0%<br />

6,4%<br />

83,7%<br />

Grafik 2: Ungenügende Gesamtwohnversorgung für armutsbetroffene Haushalte und Haushalte<br />

in prekären Lebenslagen und deren Begründung durch die vier Dimensionen Kosten,<br />

Grösse, Qualität und Lage im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Quelle: BFS/SILC 2012<br />

<br />

Haushalte mit Menschen ausländischer Herkunft sind mit 43 Prozent<br />

mehr als doppelt so häufig ungenügend wohnversorgt als<br />

Schweizer Haushalte (18 Prozent). Dabei fällt insbesondere der<br />

hohe Anteil von Haushalten in engen Wohnverhältnissen (23 Prozent)<br />

auf.<br />

Auch Altersrentnerinnen und -rentner sind in der Gesamtbevölkerung<br />

mit 39 Prozent überdurchschnittlich oft ungenügend<br />

wohnversorgt. In den meisten Fällen ist diese Situation auf<br />

eine zu hohe Wohnkostenbelastung zurückzuführen. Rentnerhaushalte<br />

können trotz tiefer Einkommen über Vermögen verfügen.<br />

Allerdings kann nur ein geringer Teil der Altersrentnerinnen<br />

und -rentner eine zu hohe Wohnkostenbelastung im Vergleich<br />

zum Einkommen durch einen Vermögensverzehr auffangen.<br />

Fazit<br />

Vier von fünf armutsbetroffenen Haushalten haben eine zu hohe<br />

Wohnkostenbelastung. Armutsbetroffene finden zudem oft nur<br />

schwer eine bezahlbare Wohnung oder sie müssen enge Wohnverhältnisse,<br />

mangelhafte Wohnungsqualität oder eine ungünstige<br />

Wohnlage in Kauf nehmen, um Wohnraum zu erhalten. Eine<br />

ungünstige Wohnversorgung ist somit eine wichtige Facette der<br />

Lebenslage von Armutsbetroffenen.<br />

•<br />

Wohnversorgung aus Sicht der Sozialhilfe<br />

Die im Rahmen der Untersuchung geführten Gespräche mit zehn<br />

Expertinnen und Experten aus der Sozialhilfe sowie mit zehn Fachstellen<br />

im Wohnungswesen aus der <strong>ganz</strong>en Schweiz geben auch<br />

wertvolle Hinweise, wo angesetzt werden könnte, um die Situation<br />

für Benachteiligte auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Sozialhilfebeziehende<br />

gehören oft zur Gruppe der Personen, die faktisch<br />

vom freien Wohnungsmarkt ausgeschlossen sind. Es gibt jedoch<br />

auch Gemeinden, in denen einzelne Vermieter Sozialhilfebeziehende<br />

als risikoarme Gruppe identifizieren, da die involvierten Sozialdienste<br />

einen grossen Teil der Risiken der Vermietung abdecken<br />

respektive kompensieren. Generell haben Wohnungssuchende ausländischer<br />

Herkunft, unabhängig vom Aufenthaltsstatus und der<br />

Nationalität, aber insbesondere solche mit dunkler Hautfarbe, bei<br />

einem angespannten Wohnungsmarkt einen sehr schwierigen<br />

Stand. Auch Familien werden, zumindest in den Kernstädten, häufig<br />

als Risikogruppen genannt. Oft finden sie bei Zuwachs keine<br />

grössere Wohnung und leben dann in überbelegten Wohnungen.<br />

Für Personen, die in ein Betreibungsverfahren verwickelt sind, ist<br />

der selbständige Zugang zum Wohnungsmarkt faktisch unmöglich.<br />

Neben der Wohnungsgrösse wird von den Sozialdiensten und<br />

Fachstellen auch die Wohnungsqualität als häufiges Problem genannt.<br />

Dabei ist Schimmel der am häufigsten genannte Mangel<br />

bei der Wohnqualität. Diese Problematik lässt sich allerdings zum<br />

Teil auch auf fehlende Wohnkompetenzen der Mieter zurückführen.<br />

Wer beispielsweise richtig lüftet, kann das Risiko eines<br />

Schimmelbefalls verkleinern. Derartige Situationen führen auch<br />

zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.<br />

Mieterseitig kommt es immer wieder vor, dass diese beispielsweise<br />

nicht wissen, wie sie eine Waschmaschine benutzen müssen<br />

oder welche Usanzen allgemein in der Nachbarschaft gelten, was<br />

die Ausschlusstendenz verstärkt. Neben Migrantinnen und Migranten<br />

sind Personen mit psychischen Erkrankungen oder auch<br />

<strong>ganz</strong> junge Menschen vergleichsweise häufig nicht in der Lage,<br />

sich den Anforderungen entsprechend zu verhalten.<br />

Dilemma bei den Mietzinsrichtlinien<br />

Die Sozialhilfe hat über ihre Mietzinsrichtlinien einen grossen<br />

Einfluss auf den Wohnungsmarkt. Werden die Mietzinsobergrenzen<br />

zu tief angesetzt, ist es für sozialhilfebeziehende Menschen<br />

noch schwieriger, eine Wohnung zu finden, und sie sehen sich<br />

möglicherweise gezwungen, in eine andere, «günstigere» Gemeinde<br />

umzuziehen. Werden die Mietzinsobergrenzen zu hoch angesetzt,<br />

reagieren gewinnmaximierende Vermieter, indem sie die<br />

Mietzinsen für ihre günstigsten Wohnungen erhöhen. In der<br />

Folge steigt das Mietpreisniveau weiter an.<br />

Nochmals eine andere Problematik aus der Sicht der Sozialhilfe<br />

ist die Praxis, dass manche Sozialhilfebeziehende einen Teil<br />

der Mietkosten aus ihrem Grundbedarf decken müssen. Wenn<br />

dies einem expliziten Wunsch der Unterstützten entspricht, da<br />

diese dem Wohnen mehr Bedeutung beimessen als einem anderen<br />

Bedürfnis, mag dies im Rahmen der individuellen Freiheiten<br />

zulässig sein. Unzulässig ist hingegen, wenn dies von Sozialhilfebeziehenden<br />

verlangt wird, weil für sie keine günstigere Wohnung<br />

gefunden werden kann.<br />

18 ZeSo 4/15 SCHWERPUNKT


armut UND wohnen<br />

Sozialhilfebeziehende sind faktisch oft vom freien Wohnungsmarkt<br />

ausgeschlossen sind.<br />

Bild: Keystone<br />

Um Wohnungen für Sozialhilfebeziehende zu erhalten, müssen<br />

Sozialdienste die Forderungen der Vermieter erfüllen. Das kann<br />

bedeuten, dass sie den Mietzins direkt dem Vermieter überweisen,<br />

anstatt den Beitrag an die Wohnkosten der Soziahilfe beziehenden<br />

Person zur eigenständigen Begleichung zu überlassen. Damit fällt<br />

ein wichtiges Instrument weg, mit dem die unterstützten Personen<br />

durch eigenständiges Managen des Zahlungsverkehrs auf das<br />

Leben ohne Sozialhilfe vorbereitet werden sollen. Unter diesem<br />

Aspekt ist es auch problematisch, dass immer mehr Vermieter<br />

verlangen, dass Sozialdienste oder private Fachstellen für Wohnungsfragen<br />

gemeinsam mit den Mietern Solidarmietverträge unterzeichnen<br />

und Mietkautionen hinterlegen. Neben dem grossen<br />

administrativen Aufwand ist dies unter rechtlichen Aspekten heikel.<br />

Spätestens bei der Ablösung der unterstützten Person entstehen<br />

Probleme, da die Sozialhilfe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr<br />

zuständig ist und die Vermieter möglicherweise nicht Hand bieten,<br />

den Mietvertrag auf die bisher unterstützte Person umzuschreiben.<br />

Was die Sozialhilfe tun kann<br />

Sozialarbeitende verfügen oft über beschränkte Kenntnisse über das<br />

Funktionieren des Wohnungsmarkts und des Mietrechts. Und für<br />

den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu Vermietenden und<br />

Immobiliengesellschaften fehlt ihnen die Zeit. Damit beispielsweise<br />

drohende Kündigungen abgewendet werden können, muss in den<br />

Sozialdiensten das Wissen über die Mechanismen der Wohnungsvermittlung<br />

verbessert werden. Die in der Westschweiz (Lausanne,<br />

Genf) gewählte Lösung mit der Schaffung spezialisierter Abteilun-<br />

gen («Unité Logement») innerhalb der Sozialdienste kann insbesondere<br />

für grössere Sozialdienste als Vorbild dienen. Diese Abteilungen<br />

begleiten Sozialhilfebeziehende nicht nur bei der Wohnungssuche,<br />

sie knüpfen und pflegen auch Beziehungen zu Immobilienfirmen.<br />

Die Erfahrungen zeigen, dass die Beziehungspflege ein wichtiger<br />

Erfolgsfaktor für stabile Wohnsituationen ist. Aber auch allgemein<br />

müssen bei den fallführenden Sozialarbeitenden die Sensibilität<br />

und das konkrete Fachwissen verbessert werden. Nur so können<br />

Probleme frühzeitig erfasst und abgefedert werden.<br />

Auch dem Thema Wohnkompetenzen wird heute noch zu<br />

wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn Sozialdienste die Klientinnen<br />

und Klienten mit Defiziten bei den Wohnkompetenzen<br />

besser aufklären und wenn nötig schulen und sie solange begleiten,<br />

bis sie sich als eigenständige, verlässliche Mieterinnen und<br />

Mieter qualifizieren, dann verbessert sich auch deren Wohnsicherheit.<br />

Mehr Einheitlichkeit und Transparenz bei der Festlegung<br />

der Mietzinsobergrenzen würden dazu beitragen, die Rolle<br />

der Sozialhilfe als Akteurin auf dem Wohnungsmarkt zu klären.<br />

Mietzinsobergrenzen für Sozialhilfebeziehende, die nach klaren<br />

und einheitlichen Kriterien festgelegt werden, wirken dem Problem<br />

der Wohnortswahl respektive der Abschiebungsproblematik<br />

entgegen. Im Zusammenhang mit den Mietzinsobergrenzen sollte<br />

zudem geklärt werden, unter welchen Umständen und für welche<br />

Dauer ein Haushalt einen Teil seiner Mietkosten über den Grundbedarf<br />

bezahlen muss oder darf. Sozialdienste sollten grundsätzlich<br />

nur als Akteure auftreten, wenn sie beispielsweise selbst Liegenschaften<br />

zwecks Untervermietung anmieten oder diese käuflich<br />

erwerben. In der Praxis hat sich als sinnvoll erwiesen, dass Sozialdienste<br />

respektive Gemeinden über eigene Wohnungen verfügen<br />

und damit helfen können, Notfälle zu überbrücken.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Hohe Wohnkosten und kritische Wohnsicherheit sind die beiden<br />

grössten Probleme, die einer adäquaten Wohnversorgung von armutsbetroffenen<br />

Menschen entgegenstehen. Beide Problematiken sind auf<br />

die Tatsache zurückzuführen, dass es zu wenig sehr günstigen Wohnraum<br />

gibt. Die hohen Wohnkosten wiederum sind ein treibender Faktor<br />

für den Anstieg der Sozialhilfekosten, auf den die Sozialhilfe kaum<br />

Einfluss hat. Die Sozialhilfe kann ihren Teil zur Verbesserung der Situation<br />

der Wohnversorgung Armutsbetroffener im Bereich der Wohnsicherheit<br />

beitragen, indem sie auf das Vorhandensein von Wohnkompetenzen<br />

achtet und mit einer näheren Begleitung und besserer<br />

Schulung der Klientinnen und Klienten dazu beiträgt, die Risiken für<br />

die Vermietenden klein zu halten. Für die Verbesserung des Zugangs<br />

zum Wohnungsmarkt für Armutsbetroffene und für Haushalte mit<br />

Risikofaktoren wie Schulden oder «Herkunft» müssen aber insbesondere<br />

auch die Vermieter motiviert werden, mitzuhelfen, für alle Seiten<br />

tragbare Lösungen zu finden. Solidarmietverträge sind eine Notlösung,<br />

sie dürfen aber nicht die einzige Option bleiben. Dies auch deswegen,<br />

weil bei einer Ablösung von der Sozialhilfe jeweils geklärt werden<br />

muss, ob der Vermieter bereit ist, das neue Mietverhältnis zu akzeptieren.<br />

Das Hauptproblem – fehlender günstiger Wohnraum – muss die<br />

Politik lösen, beispielsweise indem sie Anreize schafft und gesetzliche<br />

Rahmenbedingungen so anpasst, dass auch private Investoren im<br />

Segment günstiger Wohnraum vermehrt aktiv werden. •<br />

Christin Kehrli<br />

Leiterin Fachbereich Grundlagen SKOS<br />

SCHWERPUNKT 4/15 ZeSo<br />


Das Wohnungsangebot entspricht<br />

oft nicht den Nachfragebedürfnissen<br />

Die Lage auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt entspannt sich leicht. Dennoch bleibt es eine<br />

Herausforderung, die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen zu decken. Dabei ist nicht ein<br />

flächendeckender Mangel an günstigen Wohnungen das Problem, sondern oftmals deren Standort.<br />

Die Entwicklung auf dem Mietwohnungsmarkt brachte es in den<br />

letzten Jahren mit sich, dass es sich für Mieter oft nicht lohnte, die<br />

Wohnung zu wechseln, sofern nicht triftige Gründe dafür sprachen.<br />

Denn einerseits sind die Mieten der bestehenden Mietverhältnisse<br />

seit 2008 mehrheitlich gesunken, weil sich der massgebende<br />

Referenzzinssatz, die mietrechtliche Basis für die Bestimmung<br />

der Mieten bei bestehenden Mietverträgen, in dieser Zeit halbiert<br />

hat. In vielen Fällen hat sich die Miete einer im Jahr 2008 gemieteten<br />

Wohnung seither um mehr als 15 Prozent gesenkt, sofern<br />

keine wertvermehrenden Investitionen getätigt oder allfällige Teuerungsanstiege<br />

überwälzt wurden. Wenn man andererseits die<br />

Wohnung wechseln wollte oder musste, sah man sich mit höheren<br />

Mieten bei den Wohnungsangeboten konfrontiert. Im Schweizer<br />

Durchschnitt sind die Mietpreise bei ausgeschriebenen Wohnungen<br />

zwischen 2005 und <strong>2015</strong> jährlich um 2,8 Prozent gestiegen.<br />

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren wird es 2016 tendenziell<br />

ein wenig einfacher werden, eine passende Wohnung<br />

zu finden. Praktisch alle Indikatoren weisen darauf hin, dass der<br />

Nachfrageüberhang der vergangenen Jahre abgebaut worden ist<br />

und dass der Nachfrage nun ein deutlich breiteres Angebot gegenübersteht.<br />

Zwar sind die Mieten der angebotenen Wohnungen<br />

zwischen dem zweiten Quartal 2014 und dem zweiten Quartal<br />

<strong>2015</strong> um 1,1 Prozent angestiegen, doch werden für die zweite<br />

Jahreshälfte <strong>2015</strong> stagnierende oder gar leicht fallende Preise erwartet.<br />

Damit dürfte am Jahresende die jährliche Veränderung der<br />

Mietpreise deutlich unter dem langjährigen Schnitt liegen.<br />

Aktuelle Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt<br />

Diese «neue» Entwicklung auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt<br />

hat verschiedene Gründe. Erstens wurde durch die hohe<br />

Neubautätigkeit der vergangenen Jahre der Nachfrageüberhang<br />

vielerorts abgebaut. Die Bauindustrie produziert derzeit mindestens<br />

so viele Einheiten, wie der Markt nachfragt. Zweitens gibt es<br />

zwar immer noch eine hohe zusätzliche Nachfrage aufgrund der<br />

Bevölkerungsentwicklung, jedoch hat sich die Zusammensetzung<br />

der Zuwanderung verschoben. Der Anteil an Einwanderern mit einer<br />

hohen Zahlungsbereitschaft für Mietwohnungen ist geringer<br />

geworden. Weiter setzt sich die Entwicklung von 2014, dass die<br />

Anteile von Objekten in mittleren Preisklassen zulasten solcher in<br />

höheren Preisklassen wachsen, <strong>2015</strong> akzentuiert fort. Und<br />

schliesslich kann auch im Segment der kleineren Wohnungen die<br />

starke Nachfrage inzwischen vielerorts gedeckt werden. Man kann<br />

sowohl eine Erhöhung des Angebots wie auch eine leicht steigende<br />

Insertionsdauer der Wohnungen beobachten.<br />

Diese jüngste Entwicklung wird sich gemäss den Prognosen<br />

im Jahr 2016 fortsetzen. Die Mieten bei den angebotenen Woh-<br />

nungen werden voraussichtlich sinken, wenn auch nur mit einer<br />

leicht negativen Rate. Vor allem in der Romandie, aber auch ausserhalb<br />

der Grosszentren in der Deutschschweiz, ist im Zuge des<br />

erweiterten Wohnungsangebots mit nachlassenden Angebotsmieten<br />

zu rechnen.<br />

Preisgünstiges Wohnen<br />

Trotz dieser leichten Entspannung auf dem Mietwohnungsmarkt<br />

bleibt es auch in Zukunft schwierig, genügend preisgünstigen<br />

Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ging es früher noch darum,<br />

die Existenz der Schweizer Bevölkerung abzusichern, steht heute<br />

im Fokus, allen Gesellschaftsschichten den Zugang zu für sie erschwinglichem<br />

Wohnraum zu ebnen. Denn nach wie vor ist Wohnen<br />

der bedeutendste Posten im Haushaltsbudget: Durchschnittlich<br />

werden 21,3 Prozent der Bruttohaushaltseinkommen für die<br />

Wohnkosten inklusive Nebenkosten aufgewendet (gemäss BFS).<br />

Der relative Anteil steigt bei tieferen Haushaltseinkommen. Sollen<br />

die Haushaltsbudgets entlastet werden, besteht beim Wohnen der<br />

grösste Hebel.<br />

Es mangelt nicht grundsätzlich an bezahlbarem Wohnraum,<br />

jedoch an Wohnungen, die den Ansprüchen der Nutzer entsprechen.<br />

Im Angebot der letzten zwei Jahre wies jede achte Wohnung<br />

eine Nettomiete von maximal 1000 Franken pro Monat aus.<br />

Dabei handelt sich oftmals um Altbauwohnungen mit geringer<br />

Zimmerzahl oder in peripher gelegenen Gebieten, wo die Haushalteinkommen<br />

aufgrund der dortigen Wirtschaftsstruktur unterdurchschnittlich<br />

ausfallen. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum<br />

ist demnach kein flächendeckendes, sondern ein selektives<br />

Problem. Mit anderen Worten: Das preisgünstige Angebot befindet<br />

sich oft am falschen Ort. Besonders virulent präsentiert sich<br />

die Situation dort, wo einkommensschwächere durch einkommensstärkere<br />

Haushalte – beispielsweise aufgrund eines erhöhten<br />

Anteils an Pendlern – verdrängt werden. Weiter besteht eine<br />

Eine Schwierigkeit<br />

besteht darin, die<br />

«richtigen» Haushalte<br />

in die passenden<br />

Wohnungen zu bringen.<br />

20 ZeSo 4/15 SCHWERPUNKT


armut UND wohnen<br />

grosse Mietpreisschere. Die mittelpreisigen Mietwohnungen der<br />

teuersten Gemeinden sind heute rund viermal teurer als die Mietwohnungen<br />

in den günstigsten Gemeinden. Während die Mieten<br />

hier mehrheitlich stabil blieben, erhöhten sie sich in den teuersten<br />

Gemeinden zwischen 2007 und 2012 deutlich. Dies zeigt auch,<br />

dass die räumliche Flexibilität von Menschen auf der Suche nach<br />

preisgünstigem Wohnraum eingeschränkt ist. Je weiter weg sich<br />

preisgünstiger Wohnraum von den grossen Arbeitsplatzzentren<br />

befindet, desto weniger wird er nachgefragt.<br />

Standort als kritischer Faktor<br />

Basierend auf der Betrachtung des Schweizer Mietwohnungsmarkts<br />

können in Bezug auf preisgünstiges Wohnen zwei Schlussfolgerungen<br />

gezogen werden: Erstens mangelt es nicht grundsätzlich<br />

an bezahlbarem Wohnraum, sondern es besteht ein Mangel an<br />

Wohnungen, deren Mietzins in Anbetracht ihrer Wohnfläche und<br />

ihres Standards und vor allem ihres Standorts mit den Nachfragebedürfnissen<br />

kompatibel sind. Die Problematik liegt oft bei der<br />

Standortgebundenheit des Angebots und teilweise auch bei der<br />

Nachfrage.<br />

Zweitens besteht eine Schwierigkeit darin, die «richtigen»<br />

Haushalte in die passenden Wohnungen zu bringen, wie sich<br />

in der ineffizienten Verteilung aller gebauten und vorhandenen<br />

Wohnungen zeigt. Die Lösung kann aber nicht der langsame und<br />

langwierige Bau von preisgünstigen Wohnungen sein. Denn selbst<br />

wenn ein gesellschaftlicher Konsens in Bezug auf die Bereitstellung<br />

von preisgünstigem Wohnraum bestünde, könnte dieser<br />

Anspruch nicht über die Neubautätigkeit erreicht werden. Der<br />

erzielbare Effekt wäre zu klein und nicht schnell genug umsetzbar.<br />

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es effektiver, Anreizsysteme<br />

einzuführen, die zum einen dafür sorgen, dass der bestehende<br />

Wohnungsbestand effizienter genutzt wird, und zum andern, dass<br />

die Verteilung von preisgünstigem Wohnraum adressatengerecht<br />

erfolgt. Würden zum Beispiel Fördermittel für preisgünstiges<br />

Wohnen als Finanzierungszuschüsse zur Erhöhung der Belegungsdichte<br />

eingesetzt, werden jene Eigentümer oder Bewohner<br />

belohnt, die ineffizient genutzten Wohnraum zur Verfügung stellen<br />

beziehungsweise ihren Flächenkonsum pro Kopf senken. Mit<br />

finanziellen Anreizen würde damit ein Verhalten gefördert, dass<br />

grossflächig Platz schaffen kann. Diese Belohnungsart entspricht<br />

einem Bonus-Malus-System: Wer mehr Wohnfläche pro Kopf<br />

beansprucht, bezahlt auch mehr. <br />

•<br />

Robert Weinert<br />

Manager<br />

Immobilienberatung Wüest & Partner<br />

Sofern nicht triftige Gründe dafür sprachen, lohnte es sich für Mieter in<br />

den letzten Jahren nicht, die Wohnung zu wechseln. Bild: Keystone<br />

SCHWERPUNKT 4/15 ZeSo<br />


Günstige Wohnungen bereitstellen oder<br />

bei der Miete unterstützen?<br />

Die öffentliche Hand hat verschiedene Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Auf den ersten<br />

Blick erscheint die Subjekthilfe im Vergleich zur Objekthilfe als treffsicheres Instrument. Doch in<br />

angespannten Wohnungsmärkten führt die Subjekthilfe in erster Linie zu höheren Mieten und nützt<br />

einkommensschwachen Haushalten somit wenig.<br />

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist vielerorts angespannt.<br />

Besonders Haushalte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen<br />

haben Mühe, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Der Anteil<br />

der Mietwohnungen zu Preisen von maximal 1000 Franken pro<br />

Monat hat sich innerhalb der letzten neun Jahre von 29 auf knapp<br />

14 Prozent halbiert (Wüest&Partner 2014). Der sinkende Anteil<br />

der günstigen Wohnungen stellt nicht nur einzelne Haushalte,<br />

sondern auch die öffentliche Hand vor Herausforderungen. Denn<br />

gemäss den Sozialzielen der Bundesverfassung müssen sich der<br />

Bund und die Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung<br />

und privater Initiative dafür einsetzen, dass Wohnungssuchende<br />

für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung<br />

zu tragbaren Bedingungen finden können.<br />

Die öffentliche Hand hat verschiedene Mittel, um bezahlbaren<br />

Wohnraum zu fördern. Sie kann selber Wohnungen bauen oder<br />

erwerben und diese günstig vermieten. Sie kann auch gemeinnützige<br />

Bauträger dabei unterstützen, preisgünstigen Wohnraum<br />

anzubieten. Bei dieser sogenannten Objekthilfe ist die öffentliche<br />

Unterstützung an eine Liegenschaft gekoppelt, die von einem gemeinnützigen<br />

Bauträger neu erstellt, erneuert oder erworben wird.<br />

Gängige Förderinstrumente der Objekthilfe sind zum Beispiel<br />

zinsgünstige Darlehen, Bürgschaften oder die Abgabe von Land<br />

im Baurecht. Ein anderer Ansatz ist die sogenannte Subjekthilfe.<br />

Dabei wird ein staatlicher Mietzinszuschuss direkt an Haushalte<br />

mit geringem Einkommen ausgerichtet, sodass sich diese eine<br />

angemessene Wohnung zu tragbaren Mietzinsen leisten können.<br />

Beispiele für Subjekthilfen sind die «Familienmietzinsbeiträge»<br />

im Kanton Basel-Stadt oder die «allocation logement» im Kanton<br />

Genf. Eine weitere Form von Subjekthilfe sind die Beiträge an<br />

die Wohnkosten, die im Rahmen der Ergänzungsleistungen von<br />

AHV/IV und der Sozialhilfe ausbezahlt werden.<br />

Darlehen vergeben werden, zahlen die Bauträger diese wieder<br />

zurück.<br />

Die Objekthilfe hat aber auch Nachteile, allen voran ihre<br />

beschränkte Breitenwirkung. Mit der Objekthilfe können nur so<br />

viele Haushalte mit günstigem Wohnraum versorgt werden, wie<br />

Wohnungen gefördert werden. So stellt sich die Frage, wie diese<br />

Wohnungen gerecht verteilt werden können. Kritiker der Objekthilfe<br />

argumentieren, dass oft die «Falschen» in den geförderten<br />

Wohnungen lebten und die staatlichen Mittel nicht vollumfänglich<br />

den ärmsten Bevölkerungsschichten zugutekämen. Tatsächlich<br />

wohnen in mit Objekthilfe geförderten Wohnungen auch<br />

Haushalte, die zum Mittelstand gehören. Dies ist mit Blick auf<br />

eine ausgewogene soziale Durchmischung auch vertretbar. Hinzu<br />

kommt, dass beispielsweise der Bund mit zinsgünstigen Krediten<br />

für gemeinnützige Bauträger nicht in erster Linie einzelne Wohnungen<br />

und Mieter im Visier hat, sondern den gemeinnützigen<br />

Wohnungsbau als Ganzes fördern will, da dieser vor allem in den<br />

Städten eine wichtige Funktion des Marktausgleichs erfüllt.<br />

Wohnzuschüsse führen zu höheren Mieten<br />

Auch beim Instrument der Subjekthilfe sind Vor- auch Nachteile<br />

auszumachen. Die Subjekthilfe bietet eine hohe Treffsicherheit<br />

Nachhaltig preiswerte Wohnungen dank Kostenmiete<br />

Es stellt sich die Frage, welches Förderinstrument sich besser<br />

eignet, um Haushalte mit kleinem Budget mit angemessenem<br />

Wohnraum zu versorgen. Für die Objekthilfe spricht vor allem,<br />

dass sie nachhaltig wirkt. Eine einmal preisgünstig erstellte Wohnung<br />

bleibt dank der Kostenmiete auf Dauer erschwinglich. Im<br />

Gegensatz zur Marktmiete fliessen bei der Kostenmiete nur die tatsächlich<br />

anfallenden Kosten in die Mietzinsberechnung ein. Ein<br />

weiterer Vorteil der Objekthilfe ist, dass die öffentliche Hand Einfluss<br />

auf die Qualität des geförderten Wohnraums nehmen und<br />

Auflagen etwa hinsichtlich Behindertengerechtigkeit machen<br />

kann. Die Objekthilfe garantiert zudem einen haushälterischen<br />

Umgang mit Steuergeldern. Wenn beispielsweise zinsgünstige<br />

22 ZeSo 4/15 SCHWERPUNKT


Eine Wohnung ist nicht alles, aber ohne<br />

Wohnung ist alles nichts<br />

Ohne spezialisierte Unterstützung wird es für schlecht Verdienende und sozial Benachteiligte immer<br />

schwieriger, eine Wohnung zu finden. Anbieter von nicht-monetären Dienstleistungen übernehmen<br />

hier eine wichtige Brückenfunktion zwischen Wohnungssuchenden, der Immobilienbranche und<br />

dem Sozialbereich.<br />

Wer keine dem eigenen Budget entsprechende Wohnung findet<br />

oder aus einer günstigen Wohnung ausziehen muss, dem droht<br />

der soziale Abstieg. Für die betroffenen Menschen bedeutet ein<br />

ungewollter Wohnungswechsel in der Regel eine massive Verschlechterung<br />

der Wohnsituation und hat verheerende Konsequenzen<br />

für die <strong>ganz</strong>e Lebenssituation. Sie müssen mit Notwohnungen<br />

oder mit zu kleinen oder zu lauten Wohnungen vorlieb<br />

nehmen, die Kinder müssen die Schule und ihr <strong>ganz</strong>es Umfeld<br />

wechseln. Längere Arbeitswege und der Verlust des sozialen<br />

Netzes sind weitere Auswirkungen. Darunter leiden die Kinder am<br />

meisten. Für sie sind ein Schulwechsel und der Verlust des<br />

gewohnten Umfelds oft ein einschneidendes und verunsicherndes<br />

Erlebnis, das sie in ihrer Entwicklung behindern und die Integrationsbemühungen<br />

der <strong>ganz</strong>en Familie um Jahre zurückwerfen<br />

kann. Wohnungsverlust wird so zur Armutsfalle und anstelle von<br />

Integration droht soziale Entwurzelung.<br />

Menschenwürdige und stabile Wohnverhältnisse sind deshalb<br />

eine unabdingbare Grundlage für ein erfolgreiches Leben in<br />

unserer Gesellschaft. Unter den herrschenden schwierigen Wirtschaftsverhältnissen<br />

genügt die von der Sozialhilfe geleistete materielle<br />

Unterstützung für das Wohnen oder die Bewerbung für eine<br />

Sozialwohnung allerdings oft nicht mehr, um die Problematik zu<br />

lösen. Bereits vor zwanzig Jahren gab es grosse Engpässe in der Wohnungsversorgung<br />

für benachteiligte Gruppen. Damals entstanden<br />

aus privater Initiative zum Beispiel die IG Wohnen in Basel, die<br />

Wohnungen anmietet und mit Wohnbegleitung weitervermietet,<br />

Casa Nostra in Biel, die Liegenschaften kauft und weitervermietet,<br />

und in Zürich die Stiftung Domicil, die mit Anreizen wie der Solidarhaftung<br />

günstige Wohnungen vermittelt und Wohnbegleitung<br />

nachhaltig sichert.<br />

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt hat sich in den letzten<br />

Jahren nochmals massiv verschärft. Die Mietzinse in städtischen<br />

Ballungsgebieten sind um über 20 Prozent gestiegen und der<br />

Leerwohnungsbestand liegt an vielen Orten im Promillebereich.<br />

In dieser Notlage entstanden weitere private oder von der öffentlichen<br />

Hand unterstützte Angebote und Initiativen wie die<br />

Wohnhilfe Schlieren oder die Fondation Apollo in Vevey, die mit<br />

verschiedenen Modellen Antworten auf die Problematik suchen.<br />

Instrumente, die den Zugang zu Wohnraum erleichtern<br />

Neben politischen und strukturellen Instrumenten zur Förderung<br />

von günstigem Wohnraum (Gesetze, Subventionierung) spielen<br />

für die Betroffenen gerade die nicht-monetären Dienstleistungen<br />

eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu staatlichen Anlaufstellen wie<br />

Wohn- und Obdachlosenhilfe können nicht-staatliche Dienstleis-<br />

ter meist niederschwelligere und direktere Hilfe für armutsgefährdete<br />

und benachteiligte Menschen anbieten. Der wichtigste Ansatzpunkt<br />

bei allen Angeboten ist, den Zugang zu günstigem<br />

Wohnraum zu ebnen.<br />

Da die meisten Betroffenen wenig Ressourcen haben, um auf<br />

diesem hart umkämpften Terrain zu bestehen, braucht es Beratung<br />

und Unterstützung bei der Wohnungssuche: Anmeldeformulare<br />

sauber ausfüllen, die notwendigen Dokumente bereitstellen,<br />

adäquates Auftreten bei der Wohnungsbesichtigung üben usw.<br />

Die Befähigung der Wohnungssuchenden ist wichtig, aber es<br />

braucht auch Anreize für die Vermietenden, damit sie ihre günstigen<br />

Wohnungen jenen zur Verfügung stellen, die sie wirklich<br />

brauchen. Die Übernahme der Solidarhaftung im Mietvertrag,<br />

wie es die Stiftung Domicil praktiziert, impliziert nicht nur die<br />

finanzielle Absicherung der Vermietenden, sie bietet im Rahmen<br />

der Wohnraumsicherung und Wohnintegration auch eine Einführung<br />

der Mietenden ins neue Wohnumfeld und in ihre Pflichten<br />

und Rechte. Und sie umfasst auch eine Anlaufstelle im Fall von<br />

Schwierigkeiten sowie entsprechende Interventionen. Hinzu kommen<br />

Integrationsmassnahmen wie Wohntraining und Konfliktprävention.<br />

Die Solidarhaftung ist ein wichtiges strategisches Instrument,<br />

weil es die Risiken der Vermietenden minimiert und hilft, Vertrauen<br />

zu schaffen, zu erhalten und zu vertiefen. Ein weiteres<br />

wirksames Instrument ist das Anmieten von Wohnungen, gekoppelt<br />

an das Angebot der Wohnbegleitung, das zum Beispiel<br />

die IG Wohnen in Basel oder Wohnen Bern praktizieren. Auch<br />

dieses Modell bietet den Vermietern Sicherheit auf verschiedenen<br />

Ebenen. Wichtig ist bei allen nicht-monetären Dienstleistungen<br />

eine Palette von diversen Leistungen, die je nach Bedarf<br />

seitens der Klienten und je nach Bedingungen der Vermieterseite<br />

flexibel angeboten werden können.<br />

Ein entscheidendes Erfolgskriterium ist auch die systematische<br />

Pflege von Beziehungen zur Immobilienbranche und zum Sozialbereich.<br />

Wenn in der Trägerschaft Exponenten von verschiedenen<br />

Branchen vertreten sind, ist das ein wichtiger Grundstein für ein<br />

tragfähiges und nachhaltiges Netz. Jeder Kontakt ist entscheidend,<br />

zur privaten Liegenschaftsbesitzerin, zu den Mitarbeitenden<br />

einer Immobilienverwaltung oder einer Genossenschaft, zu den<br />

sozialen Behörden, aber auch zur Politik und zu den Spenderinnen<br />

und Spendern. Dass man bei Wohnungsübergaben mit dabei ist,<br />

Eigentümer- oder Genossenschaftstreffen besucht oder selbst<br />

Informationsveranstaltungen für verschiedene Interessengruppen<br />

organisiert, gehört ebenfalls zur nachhaltigen Netzwerkarbeit.<br />

24 ZeSo 4/15 SCHWERPUNKT


armut UND wohnen<br />

Wenn Menschen aus entfernten Kulturkreisen involviert sind, können in einer Wohnsituation divergierende Wertesysteme aufeinandertreffen.<br />

Bild: zvg<br />

Die Individualisierung hat sich verstärkt und die Toleranz<br />

gegenüber den Mitmenschen ist gesunken. Wenn Menschen<br />

aus entfernten Kulturkreisen involviert sind, treffen oft stark<br />

divergierende Wertesysteme aufeinander. Die Weiterführung der<br />

Begleitung und Betreuung ist deshalb ein weiterer wichtiger Aspekt<br />

in der Praxis der nicht-monetären Wohnhilfe. Mit dem Abschluss<br />

eines Mietvertrages beginnt die Arbeit oft erst so richtig. Denn Konflikte<br />

können nicht nur aufgrund einer verspäteten Überweisung<br />

der Miete entstehen: Wohnungen müssen instand gehalten und<br />

Hausordnungen sprachlich und inhaltlich verstanden und eingehalten<br />

werden. Auf dieser Ebene helfen Wohntrainings zur Förderung<br />

der Wohn- und Kommunikationskompetenzen.<br />

Wohnsituation erhalten statt neue suchen<br />

Die Erfahrung zeigt, dass es sich auf jeden Fall lohnt, um gefährdeten<br />

Wohnraum zu kämpfen und Wohnverhältnisse langfristig zu<br />

stabilisieren. Die privaten Organisationen leisten hier einen wichtigen<br />

Beitrag. Sie können aber nicht alles abdecken und kommen<br />

oft erst zum Zug, wenn es bereits zu spät ist. Deshalb muss der<br />

Prävention mehr Beachtung geschenkt werden. Die sogenannte<br />

Delogierungsprävention ist ein Instrument, das sich in Österreich<br />

und Deutschland seit vielen Jahren bewährt. Der Leitidee, eine<br />

Wohnung «zu retten» anstatt eine neue zu suchen, müssen vor<br />

allem soziale Dienste mehr Aufmerksamkeit schenken. Mit einer<br />

interdisziplinären und organisationsübergreifenden Zusammenarbeit<br />

lassen sich generell bessere Resultate erzielen.<br />

Auch sollten Wohnungsvermieter systematisch motiviert werden,<br />

sich bei Schwierigkeiten mit Mietenden mehr Unterstützung<br />

bei Sozialdiensten oder anderen Stellen zu holen. Dies würde<br />

sowohl zur Linderung der Wohnproblematik beitragen als auch<br />

einen wertvollen Beitrag zur Integration von Ausländerinnen und<br />

Ausländern darstellen.<br />

Ausblick<br />

Bei allen genannten Schwierigkeiten steht aber auch fest, dass sich<br />

mit einem gezielten und sich ergänzenden Angebot einiges erreichen<br />

lässt. Instrumente wie die Solidarhaftung bei der Wohnungsvermittlung,<br />

Wohnraumsicherung und Wohnintegration und der<br />

Wille zum sorgfältigen und kontinuierlichen Netzwerken führen<br />

immer wieder zu Erfolgen. Sorgen bereitet vor allem die Tatsache,<br />

dass die benötigte Zeit, um eine geeignete Wohnung zu finden, genauso<br />

zunimmt wie die Anzahl Menschen, die auf Unterstützung<br />

angewiesen sind. Und auch das Risiko, das eine Trägerschaft mit<br />

dem Instrument der Solidarhaftung oder dem Anmieten von Wohnungen<br />

auf sich nimmt, ist in den letzten zehn Jahren viel grösser<br />

geworden. Hier braucht es neue und kreative Ideen, die nur im<br />

Zusammenspiel aller Beteiligten entstehen können. •<br />

Annalis Dürr<br />

Geschäftsleiterin Stiftung Domicil Zürich<br />

Die Stiftung Domicil vermittelt günstigen Wohnraum und trägt<br />

mit ihren Angeboten dazu bei, Wohnraum für Menschen<br />

in prekären Lebenssituationen zu sichern.<br />

www.domicilwohnen.ch<br />


«Potenzial bedeutet zuallererst<br />

einmal Möglichkeiten»<br />

Roland A. Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV), beobachtet die Entwicklungen<br />

auf dem Arbeitsmarkt aus unternehmerischem Blickwinkel. Im <strong>ZESO</strong>-Interview spricht er über<br />

Einstellungskriterien und Intergrationschancen für inländische Arbeitskräfte.<br />

Herr Müller, welche drei Themen<br />

stehen aktuell zuoberst auf der<br />

Agenda des Schweizerischen Arbeitgeberverbands?<br />

Als erstes nenne ich die Frankenstärke<br />

und Fragen zu deren Folgen für die Arbeitgeber.<br />

Dann folgen die Masseneinwanderungsinitiative<br />

und deren Umsetzung. Das<br />

betrifft die Beziehung Schweiz-Europa<br />

und die Zukunft der bilateralen Verträge<br />

sowie Arbeitsmarktthemen wie Zuwanderung,<br />

Inländervorrang und Inländerpotenzial.<br />

Das dritte grosse Thema ist die Altersvorsorge.<br />

Sie ist über die demografische<br />

Entwicklung – Stichwort alternde Gesellschaft<br />

– ebenfalls mit dem Thema Arbeitsmarkt<br />

verbunden.<br />

Glauben Sie, dass es der Schweiz in<br />

absehbarer Zeit gelingen wird, das im<br />

Inland brachliegende Arbeitskräftepotenzial<br />

zu rekrutieren?<br />

Es wird uns gelingen, einen Teil dessen,<br />

was man als Potenzial identifizieren<br />

kann, zu rekrutieren. Potenzial bedeutet<br />

zuallererst einmal Möglichkeiten. Das Potenzial<br />

muss sich am einzelnen Menschen<br />

herauskristallisieren: Ist er bereit, stimmen<br />

die Rahmenbedingungen für ihn?<br />

Gibt es ein bedarfsgerechtes Angebot an<br />

Aus- oder Weiterbildungen für ältere Arbeitnehmende<br />

oder für Frauen, die wieder<br />

ins Berufsleben einsteigen möchten? Bei<br />

den Betreuungsangeboten etwa sind wir<br />

noch lange nicht dort, wo wir es uns wünschen<br />

würden. Ich vermute, dass man sich<br />

teilweise falsche Vorstellungen macht von<br />

dem, was möglich ist.<br />

Was muss aus Sicht der Arbeitgeber<br />

erfüllt sein, damit es in der Praxis<br />

möglichst gut funktioniert?<br />

Wenn der Arbeitgeber eine Stelle ausschreibt,<br />

sucht er ein bestimmtes Profil.<br />

Im Rekrutierungsprozess geht es darum,<br />

die am besten qualifizierten Leute zu finden.<br />

Das ist die Ausgangslage. Wir haben<br />

aber festgestellt, dass die Arbeitgeber aufgrund<br />

der laufenden Diskussionen aufmerksamer<br />

geworden sind und nicht mehr<br />

unreflektiert die jüngsten und günstigsten<br />

Bewerber rekrutieren. Man entscheidet<br />

sich bewusst für mehr Frauen und Ältere,<br />

weil sie andere Sozialkompetenzen und<br />

Erfahrungen mitbringen. Aber das Profil<br />

muss gleichwohl passen. Wenn ein älterer<br />

Stellensuchender falsche Vorstellungen<br />

hat, beispielsweise den gleichen Job ausüben<br />

möchte, den er einmal hatte, dann<br />

wird es schwierig. Generell suchen Arbeitslose<br />

zu lange auf dem bisherigen Level.<br />

Es braucht Gespräche und Offenheit auf<br />

beiden Seiten.<br />

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang<br />

die Arbeitsvermittlung?<br />

Die regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />

müssen wegkommen von den<br />

Kollektivkursen und stattdessen mehr<br />

persönliche Betreuung anbieten. Mit einer<br />

persönlichen Analyse kann detailliert<br />

abgeklärt werden, was jemand bereit und<br />

fähig ist zu leisten. Solche Ansätze existieren,<br />

aber sie stecken noch in den Kinderschuhen<br />

und sind von RAV zu RAV unterschiedlich.<br />

Heute besteht die Arbeit der<br />

RAV primär darin, die Menge – derzeit<br />

sind es rund 135 000 Arbeitslose – zu<br />

bewältigen. Um jene Fälle, die nicht so einfach<br />

wieder in den Arbeitsmarkt zurückfinden,<br />

kümmert man sich viel zu wenig.<br />

Inwiefern ist die Kommunikation<br />

zwischen Arbeitgebern und RAV ein<br />

Teil des Problems?<br />

Wir haben es mit gewachsenen Strukturen<br />

zu tun, die sich nur langsam verändern<br />

lassen. Im Rahmen der Diskussionen<br />

über die Fachkräfteinitiative wurde festgestellt,<br />

dass die Schnittstelle zu den RAV<br />

verbessert werden muss.<br />

Wie lautet Ihr Vorschlag?<br />

Für die Fälle, die ein Mehr an Betreuung<br />

benötigen, kann man die Invalidenversicherung<br />

als Vorbild nehmen. Sie hat ihr<br />

System grundlegend umgestellt und eine<br />

Art Case Management eingeführt. Auch<br />

bei anderen arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />

gibt es Anpassungsbedarf. Das Instrument<br />

der Einarbeitungszuschüsse beispielsweise<br />

sollte stärker gefördert werden.<br />

Was könnten die Arbeitgeber selbst<br />

zur besseren Erschliessung des<br />

Inlandpotenzials beitragen?<br />

Im Rahmen des Programms «Zukunft<br />

Arbeitsmarkt Schweiz» haben wir zahlreiche<br />

Beispiele von Unternehmungen<br />

26 ZeSo 4/15 Interview


«Die durchgehende<br />

Betreuung muss<br />

zum normalen<br />

Schulangebot<br />

werden.»<br />

Was tut der Arbeitgeberverband für die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf?<br />

Die Arbeitgeber wenden in ihren Betrieben<br />

ja bereits flexible Arbeitsmodelle<br />

an: Teilzeitarbeit ist in der Schweiz weit<br />

verbreitet. Für die Arbeitgeber ist das Anheben<br />

von existierenden Teilzeitpensen<br />

attraktiv, beispielsweise von 40 auf 60 Prozent<br />

oder von 60 auf 80 Prozent. Eine Ausweitung<br />

des Pensums scheitert aber oft an<br />

fehlenden Betreuungsangeboten und an<br />

deren Tarifierung. Letztere ist meistens<br />

so progressiv, dass der finanzielle Anreiz,<br />

mehr zu arbeiten, wegfällt. Ebenfalls demotivierend<br />

wirkt, dass man die Gestehungsgesammelt.<br />

Sie legen den Schluss nahe,<br />

dass das Lebensalter in der Personalrekrutierung<br />

und -förderung weder im Vordergrund<br />

steht noch ein Problem ist. Viele<br />

Unternehmen führen regelmässige, altersunabhängige<br />

Standortgespräche durch.<br />

Diese Kultur ist aber noch nicht überall<br />

verankert, und Standortgespräche können<br />

insbesondere bei den älteren Arbeitnehmenden<br />

auch Ängste hervorrufen. Andere<br />

Unternehmen stellen das zur Verfügung<br />

stehende Geld für Weiterbildungen gezielt<br />

auch älteren Arbeitnehmenden zur Verfügung.<br />

Was aus unserer Sicht nicht funktioniert,<br />

sind Quoten.<br />

kosten bei der Steuererklärung nicht den<br />

Berufsauslagen anrechnen kann. – Bei<br />

fehlenden Betreuungsangeboten denke<br />

ich übrigens weniger an Krippenplätze,<br />

sondern an Ganztagesstrukturen für Kinder<br />

im Schulalter. Hierzu bringen wir uns<br />

im Rahmen der Fachkräfteinitiative und<br />

dem Programm «Zukunft Arbeitsmarkt<br />

Schweiz» ein.<br />

Sie setzen sich für Ganztagesstrukturen<br />

an Schulen ein. Das würde eine<br />

Schulreform bedingen?<br />

Die durchgehende Betreuung, die um<br />

sieben Uhr morgens beginnt, muss zum<br />

normalen Schulangebot werden. Dass<br />

es so lange dauert, hat mit den föderalen<br />

Strukturen bei den Steuer- und den Schulsystemen<br />

zu tun. Es fehlt der Druck, damit<br />

alle Stakeholder gemeinsam etwas<br />

bewegen würden. Man könnte von einer<br />

Mehrfachproblematik sprechen. Andere<br />

Faktoren, die sich negativ auf das Arbeitskräftepotenzial<br />

auswirken, sind fehlende<br />

Bildung und mangelhafte Ausbildung.<br />

Wir Arbeitgeber können diese Probleme<br />

nicht von uns aus lösen oder für die Kosten<br />

aufkommen. Aber wir sind bereit, über diese<br />

Problematik zu sprechen.<br />

Welche Verantwortung haben die<br />

Wirtschaft und die Unternehmen<br />

gegenüber der Gesellschaft?<br />

<br />

Interview 4/15 ZeSo<br />

27


«Heute sagen wir: Es ist wichtig, dass<br />

es Sozialfirmen gibt und dass wir<br />

miteinander den Dialog suchen.»<br />

<br />

Sie ist im Vergleich mit anderen Ländern<br />

hoch, sie ist ein fester gesellschaftlicher<br />

Wert. Das zeigt sich auch darin, dass<br />

es in der Schweiz wenig sozialen Unfrieden<br />

gibt und wir wenig Streiks und Demonstrationen<br />

haben. Die Zufriedenheit der Bevölkerung<br />

ist relativ hoch. Das wiederum<br />

ist durch unser Staatssystem bedingt, das<br />

es dem Volk ermöglicht, seine Befindlichkeit<br />

genügend zum Ausdruck zu bringen.<br />

Welche Rolle spielen die Unternehmen?<br />

Sie tragen ihren Teil der Verantwortung.<br />

Unsere Unternehmen sind sich bewusst,<br />

dass es nicht tolerierbar ist, gezielt<br />

Arbeitnehmerkategorien abzubauen oder<br />

unfaire Löhne zu zahlen oder Standards<br />

bei den Arbeitsbedingungen zu verletzen.<br />

Sie haben vorhin die Arbeitsintegration<br />

der IV gelobt. Ein Problem ist hier<br />

aber, dass sich die RAV, die IV, die<br />

Sozialhilfe und die Asylbehörden<br />

bei der Suche nach Plätzen für die<br />

Arbeitsintegration gegenseitig im Weg<br />

roland a. müller<br />

Roland A. Müller (Jg. 1963) ist Rechtsanwalt<br />

und Titularprofessor für Arbeits- und<br />

Sozialversicherungsrecht an der Universität<br />

Zürich. Von 2007 bis zu seiner Wahl zum<br />

Direktor im Jahr 2013 leitete er das Ressort<br />

Sozialpolitik und Sozialversicherungen des<br />

Schweizerischen Arbeitgeberverbands.<br />

Roland A. Müller ist auch nebenamtlicher<br />

Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Zürich. Er<br />

ist verheiratet und Vater von vier schulpflichtigen<br />

Kindern.<br />

stehen. Müssten sich die Arbeitgeber<br />

nicht stärker engagieren, indem sie<br />

wieder mehr niederschwellige Arbeitsplätze<br />

schaffen?<br />

Der primäre Zweck eines Unternehmens<br />

ist es nun einmal, dafür zu sorgen,<br />

dass das Geschäft läuft. Im Konkurrenzkampf<br />

zu bestehen, ist im Hochlohn- und<br />

Hochpreisland Schweiz eine herausfordernde<br />

Aufgabe. Entsprechend mussten<br />

aus Wettbewerbsgründen niederschwellige<br />

Arbeitsplätze zum Teil abgebaut oder<br />

ins Ausland ausgelagert werden. Aber<br />

natürlich haben die Unternehmer auch<br />

eine soziale Verantwortung. Oftmals übernehmen<br />

die Medien eine soziale Kontrolle.<br />

Als Beispiel, dass der öffentliche Diskurs<br />

Schranken setzen kann, sei auf die Abzockerdebatte<br />

hingewiesen.<br />

Der Abbau von Arbeitsplätzen für wenig<br />

Qualifizierte lässt sich kaum rückgängig<br />

machen. Wo lassen sich neue<br />

niederschwellige Stellen schaffen?<br />

Gewisse Arbeiten gibt es nicht mehr.<br />

In einer sich entwickelnden Gesellschaft<br />

Bilder: Daniel Desborough<br />

ist das der Lauf der Dinge. Neue Möglichkeiten<br />

dürften sich beispielsweise im Gesundheitswesen,<br />

im Schulwesen und im<br />

Bereich Betreuung anbieten – eigentlich<br />

überall, wo soziale Kompetenzen gefragt<br />

sind. Das sind gerade auch Jobs für Leute,<br />

die den Anschluss verloren haben, die aber<br />

bereit sind, zu unterstützen. Das hat nichts<br />

mit Ausnützen zu tun, sondern damit, dass<br />

jemand seinen Platz in der Gesellschaft<br />

finden kann.<br />

Eine Anstellung im Gesundheitswesen<br />

oder in einer Schule ist heute ohne<br />

Diplom kaum mehr möglich.<br />

Vielleicht müsste man mehr Ausbildungen<br />

vom Typ Anlehre schaffen. Warum<br />

sollen wir fähige Leute nicht beispielsweise<br />

im Rahmen von Ganztagesstrukturen in<br />

Schulen arbeiten lassen, wo sie Kinder betreuen,<br />

oder in Altersheimen, wo sie ältere<br />

Menschen unterstützen? Der gesellschaftliche<br />

und technologische Wandel erfordert<br />

die Bereitschaft von allen, sich auf Neues<br />

einzulassen.<br />

Wie soll die Gesellschaft mit «nichtintegrierbaren»<br />

Menschen umgehen?<br />

Wenn Systeme wie die IV oder die ALV<br />

optimiert werden, müssen wir uns im<br />

Arbeitgeberverband auch damit auseinan-<br />

28 ZeSo 4/15 Interview


dersetzen, was diese Reformen sonst noch<br />

bewirken. Arbeitgeberpolitik muss immer<br />

auch eine nachhaltige Gesellschaftspolitik<br />

sein.<br />

Das hat aus Ihrer Ecke nicht immer so<br />

getönt.<br />

Effektiv wurde das in unseren Kreisen<br />

nicht immer so verstanden. Aber es ist eine<br />

Tatsache, dass es Leute gibt, denen der<br />

Wiedereinstieg nicht mehr gelingt. Der<br />

Meinungswandel innerhalb des Verbands<br />

zeigt sich auch darin, dass wir uns früher<br />

gegen Sozialfirmen gestellt haben. Heute<br />

sagen wir: Es ist wichtig, dass es Sozialfirmen<br />

gibt und dass wir miteinander regional<br />

den Dialog suchen, um das Konkurrenzthema<br />

zum Kleingewerbe gemeinsam<br />

zu diskutieren. Besser, wir ergänzen uns,<br />

anstatt dass niederschwellige Arbeiten ins<br />

Ausland ausgelagert werden. Wenn Sozialfirmen<br />

allerdings so aufgestellt sind, dass<br />

sie Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt<br />

gefährden, wird es natürlich problematisch.<br />

Wie definieren Sie die Funktion der<br />

Sozialhilfe?<br />

Sie hat zwei Aufgaben: Die Sicherung<br />

der existenziellen Grundbedürfnisse für<br />

Personen mit Problemen, finanziell über<br />

die Runden zu kommen. Die zweite Aufgabe<br />

ist die persönliche Unterstützung im<br />

Sinne eines Coachings. Dieser Aspekt ist<br />

ebenso wichtig.<br />

Viele Sozialarbeitende betreuen derart<br />

viele Fälle, dass sie keine Zeit haben,<br />

beratend auf nachhaltige Lösungen<br />

hin zu wirken. Wer soll diesen von<br />

Ihnen monierten Ausbau in Richtung<br />

mehr Coaching bezahlen?<br />

An diese Frage muss man unverkrampft<br />

herangehen. Jede Investition verursacht<br />

Kosten, bevor ein Nutzen resultiert. Wenn<br />

mit einer engeren und persönlichen Begleitung<br />

die Sozialhilfequote und die Ausgaben<br />

langfristig reduziert werden können,<br />

müssen die Mittel dafür zur Verfügung gestellt<br />

werden. Es ist also durchaus denkbar,<br />

dass auf diesem Weg die Gesamtkosten für<br />

die Sozialhilfe reduziert werden könnten.<br />

Der Umbau der IV hat zuerst durch den<br />

Ausbau der IV-Stellen auch zusätzliche<br />

Kosten verursacht und wird erst später<br />

durch die Reduktion der Rentenfälle zu<br />

weniger Auslagen führen.<br />

Sie verfolgen damit eine andere Stossrichtung<br />

als die laufende Revision der<br />

SKOS-Richtlinien, bei der es unter anderem<br />

um die Höhe des Grundbedarfs<br />

und um strengere Sanktionsmöglichkeiten<br />

geht. Mit Ihrem Ansatz, der<br />

Mehrkosten verursacht, lassen sich<br />

politisch kaum Lorbeeren verdienen.<br />

Es geht nicht darum, per Saldo Mehrkosten<br />

zu generieren. Wie erwähnt, kann<br />

es sein, dass zu Beginn höhere Investitionen<br />

anfallen. Mittel- und langfristig<br />

sollten jedoch durch individuelles Coaching<br />

die Betroffenen wieder auf eigenen<br />

Beinen stehen können. Langfristig spart<br />

man daher Geld. Es ist eine Tatsache, ob<br />

in der Sozialhilfe oder im Umfeld von<br />

Arbeitslosen, dass die persönliche Betreuung<br />

das A und O ist. Als Arbeitgeberverband<br />

sind wir bereit, über diese Fragen<br />

mitzudiskutieren und nach Lösungen zu<br />

suchen.<br />

Wo würden Sie sonst noch ansetzen?<br />

Ein wichtiges Thema ist das Ausmerzen<br />

der Schwelleneffekte. Arbeit muss sich lohnen.<br />

Es ist daher zu verhindern, dass beispielsweise<br />

durch Teilerwerb per Saldo ein<br />

tieferes verfügbares Einkommen resultiert<br />

als ohne. Dabei sind auch steuerliche Einflüsse<br />

zu berücksichtigen. <br />

•<br />

Das Gespräch führte<br />

Michael Fritschi<br />

Interview 4/15 ZeSo<br />

29


Medaillenränge<br />

für den Luzerner Rodel<br />

Was mit einem defekten Schlitten begann, ist heute ein Geschäftsmodell: In der Schreinerei von Caritas<br />

Luzern stellen erwerbslose Menschen hochwertige Schlitten her. Sie trainieren dabei ihre Arbeitskraft –<br />

und beglücken damit manch ein Sportlerherz.<br />

Es ist Dezember 2010. Ein Mann betritt<br />

die Schreinerei der Caritas Luzern und<br />

bringt einen Schlitten zur Reparatur. Der<br />

Mann heisst Titus Alpiger. Er ist mit Renato<br />

Stiz befreundet, der die Caritas-<br />

Schreinerei an der Grossmatte Ost in Littau<br />

führt. Stiz mag Herausforderungen<br />

und «tüftelt gerne an etwas herum», wie er<br />

sagt. Er begutachtet den defekten Schlitten<br />

und nimmt den Reparaturauftrag – wie<br />

üblich – entgegen. Einen Augenblick später,<br />

als der Schlitten inmitten von Holzbrettern,<br />

Schränken und Werkbänken in der<br />

Halle steht, bleibt Renato Stiz vor dem Objekt<br />

stehen und hat den entscheidenden<br />

Impuls: «Das ist es», denkt er. «Wir kreieren<br />

einen neuartigen Rodel.»<br />

Das Abenteuer beginnt. Renato Stiz<br />

und sein Freund Titus Alpiger – beide<br />

sind begeisterte Wintersportler – entwickeln<br />

einen Prototyp für einen Rodel. Sie<br />

zeichnen und bauen. Sie experimentieren<br />

und verfeinern. Bald führen sie erste Testfahrten<br />

durch. Sie verbessern die Rundung<br />

der Kufen und optimieren die Steuerung.<br />

Ein Jahr später ist es soweit: Die Schlittenfahrt<br />

kann beginnen. Renato Stiz setzt den<br />

Helm auf und braust die acht Kilometer<br />

lange Schlittelpiste auf der Melchsee-Frutt<br />

hinunter.<br />

Kufen und Holmen verschrauben<br />

Es ist November <strong>2015</strong>. In der Caritas-<br />

Schreinerei wird gerade eine neue Rodel-<br />

Serie produziert. Der Chef-Schreiner steht<br />

neben einem Mitarbeiter und erklärt ihm,<br />

wie die Einzelteile verschraubt werden<br />

müssen. Adrian Stocker hört aufmerksam<br />

zu, nimmt dann den Akkuschrauber in die<br />

Hand und beginnt, Kufen und Holmen<br />

miteinander zu verbinden. Der 28-jährige<br />

Mitarbeiter ist einer von vielen Stellenlosen,<br />

die für eine bestimmte Zeit in der<br />

Schreinerei mitwirken. «Die Arbeit hier ist<br />

vielseitig», sagt Stocker. «Es braucht Disziplin<br />

und Konzentration.» Wenn er Schritt<br />

für Schritt vorgehe, komme es gut, bemerkt<br />

er, und blickt zufrieden hinüber zur Wand:<br />

Da stehen die Rodel in Reih und Glied.<br />

Typisch sind die geschwungenen Holz-<br />

kufen aus einheimischem Eschenholz. Die<br />

unterschiedlich gestalteten Plachen, die als<br />

Sitzflächen dienen, sind ihr Markenzeichen.<br />

Das Wichtigste aber ist ein Schriftzug,<br />

der den Schlitten zu dem macht, was<br />

er ist: zum «Luzerner Rodel».<br />

Zurück auf den ersten Arbeitsmarkt<br />

Adrian Stocker wurde vom Sozialdienst seiner<br />

Wohngemeinde an die Caritas vermittelt.<br />

«Ich war zuvor drei Jahre lang arbeitslos»,<br />

sagt er. Und lässt durchblicken, wie<br />

sehr ihm diese Situation zu schaffen gemacht<br />

hatte. Seit er hier arbeite, komme er<br />

wieder aus dem Haus und treffe andere<br />

Leute. Caritas Luzern bietet in verschiedenen<br />

Betrieben unterschiedliche Angebote<br />

der beruflichen und sozialen Integration.<br />

In der Schreinerei und Malerei, die<br />

eng zusammenarbeiten, gibt es insgesamt<br />

28 Plätze. Die Teilnehmenden besetzen ihrer<br />

Situation entsprechend unterschiedliche<br />

Programme. Bettina Fenk, Leiterin<br />

Betriebe und Service bei Caritas, sagt:<br />

«Während die einen zur kurzfristigen Ab-<br />

Renato Stiz (oben), Adrian Stocker (rechts) und<br />

weitere Mitarbeitende bei der Herstellung des<br />

Luzerner Rodels. <br />

Bilder: Daniel Desborough<br />

30 ZeSo 4/15 reportage


klärung hier sind, machen andere ein Job-<br />

Training oder haben einen Dauerarbeitsplatz.»<br />

Ergänzend zur praktischen Tätigkeit<br />

profitieren die Teilnehmenden von gezielten<br />

Job-Coachings und Bildungsmassnahmen,<br />

und sie erhalten Unterstützung bei<br />

der Stellensuche. Die Klientinnen und Klienten,<br />

die bei Caritas arbeiten, werden je<br />

zur Hälfte von den regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />

und den Sozialdiensten<br />

im Kanton Luzern vermittelt. Die beiden<br />

Institutionen haben das gleiche Ziel: Sie<br />

möchten die Leute auf den ersten Arbeitsmarkt<br />

zurückführen. Die Erfolgsquote<br />

liegt gemäss Bettina Fenk bei rund 20 Prozent:<br />

«Die Integration von Langzeitarbeitslosen<br />

ist aufgrund der Lage im ersten<br />

Arbeitsmarkt sehr anspruchsvoll.»<br />

Einsatzplätze für<br />

Erwerbslose<br />

Caritas Luzern führt nebst der Schreinerei und<br />

Malerei auch ein Näh- und Kreativatelier,<br />

eine Schlosserei, eine Elektrowerkstatt, einen<br />

Velodienst und zwei Restaurants. Sie bietet zudem<br />

verschiedene Dienstleistungen wie etwa<br />

Wohnungsräumungen und einen Reinigungsservice<br />

an. In den Betrieben werden erwerbslose<br />

Personen beschäftigt – mit dem Ziel der sozialen<br />

und beruflichen Integration. Der Luzerner<br />

Rodel ist in drei verschiedenen Grössen und in<br />

unterschiedlichen Ausführungen zu haben. Die<br />

Sitzfläche kann individuell bedruckt werden.<br />

Kaufpreis: 495 Franken.<br />

Weitere Informationen: www.caritas-luzern.ch<br />

Jedes Stück ist ein Unikat<br />

Damit die Arbeitsplätze in der Caritas-<br />

Schreinerei auf Dauer erhalten bleiben<br />

können, braucht es zwei Dinge: erstens<br />

Arbeit und zweitens einen Markt, auf dem<br />

die Ware abgesetzt werden kann. Kein einfaches<br />

Unterfangen, wenn man bedenkt,<br />

dass in der Schreinerei vor allem Menschen<br />

am Werk sind, die keine Ausbildung<br />

in diesem Bereich haben und vorwiegend<br />

in Hilfsfunktionen tätig waren.<br />

Renato Stiz muss also Produkte entwickeln,<br />

die serienmässig hergestellt werden<br />

können und sich gleichzeitig von der Konkurrenz<br />

unterscheiden. Mit dem Luzerner<br />

Rodel ist das gelungen. Jetzt steht der<br />

50-Jährige in der Werkstatt, lässt seinen<br />

Blick über die fertigen Objekte schweifen<br />

und greift nach einem Rodel. Mit der<br />

Hand fährt er über die Sitzfläche mit hellblauem<br />

Edelweiss-Sujet und sagt: «Wir<br />

fertigen jede Plache individuell an.» Das<br />

heisst: Je nach Kundenwunsch hat der<br />

Schlitten ein anderes Design. Sämtliche<br />

Bestandteile der Rodel würden in eigenen<br />

Betrieben angefertigt, sagt Stiz: «Plachen<br />

und Holmenschutz in der Näherei, das<br />

Material für das Lenkseil und die Schienen<br />

für die Kufen in der Metallwerkstatt.»<br />

Wer einen farbigen Rodel haben möchte,<br />

lässt ihn in der Caritas-Malerei nach<br />

Wunsch spritzen.<br />

Das Rodel-Fieber grassiert<br />

Die erste Testfahrt gehört längst der<br />

Vergangenheit an. Inzwischen erfüllt der<br />

Luzerner Rodel die Bedingungen der<br />

«International Sledge Sports Union» und<br />

kann an Wettkämpfen eingesetzt werden.<br />

«Am letztjährigen Rennen auf der Melchsee-Frutt<br />

haben wir Gold und Bronze<br />

geholt», sagt ein stolzer Renato Stiz.<br />

Nebenbei bemerkt er, dass dieser Schlitten<br />

mit einem Tempo von 70 Stundenkilometern<br />

den Berg hinab sausen kann. Man<br />

spürt es: Hier an der Grossmatte Ost grassiert<br />

das Rodel-Fieber seit geraumer Zeit.<br />

Im Winter, wenn es draussen dunkel wird,<br />

trifft man sich am Freitagabend nicht etwa<br />

zum Feierabendbier in der Stadt, sondern<br />

zum Nachtschlitteln auf der Melchsee-<br />

Frutt. Nicht selten wird daraus ein gemütlicher<br />

Raclette-Abend. <br />

•<br />

Monika Bachmann<br />

reportage 4/15 ZeSo<br />

31


Ein Netzwerk im Dienst der zuhause<br />

betreuenden Angehörigen<br />

Vier grosse Entlastungsdienste haben sich letztes Jahr zu einem Dachverband zusammengeschlossen<br />

und mit dem Aufbau eines nationalen Netzwerks begonnen. Angestrebt werden eine überregionale<br />

Kooperation und in deren Folge eine nachhaltige sozialpolitische Verankerung der Arbeit und der Rolle<br />

der Entlastungsdienste in der Schweiz.<br />

PLATTFORM<br />

Die <strong>ZESO</strong> bietet ihren Partnerorganisationen<br />

diese Rubrik als Plattform an, auf der sie sich<br />

und ihre Tätigkeit vorstellen können: in dieser<br />

Ausgabe dem Entlastungsdienst Schweiz.<br />

Angehörige leisten einen grossen Beitrag<br />

an das Funktionieren der professionellen<br />

ambulanten Pflege, indem sie selbst einen<br />

Teil der Arbeit übernehmen und alte und<br />

aus anderen Gründen pflegebedürftige<br />

Verwandte betreuen und pflegen. Die<br />

durch Familienmitglieder – meistens Mütter<br />

oder Töchter – erbrachten Leistungen<br />

entlasten das Gesundheitssystem um hochgerechnet<br />

gut 4,5 Milliarden Franken,<br />

einem Betrag, der dem jährlichen Militärbudget<br />

der Schweiz entspricht. Was sich<br />

heroisch und edel anhört, ist häufig verbunden<br />

mit einem fast übermenschlichen<br />

Kraftakt. Viele der Betreuenden leben am<br />

physischen und häufig auch am finanziellen<br />

Limit. Für sie sind die vielen Angebote,<br />

die vor allem im Altersbereich bestehen,<br />

aus finanziellen Gründen oft keine Alternative.<br />

Die Entlastungsdienste, die unter<br />

diesem Namen tätig sind, sind in den<br />

späten 1970er-Jahren im Umfeld der<br />

Pro Infirmis entstanden. Deren Sozialdienst<br />

beobachtete, dass Familien, die<br />

ein behindertes Kind zuhause betreuten,<br />

immer mehr an die Grenzen ihrer finanziellen,<br />

physischen und psychischen Ressourcen<br />

gelangten und an der Aufgabe<br />

zu zerbrechen drohten. Heute bestehen<br />

in zehn Kantonen professionell geführte<br />

Entlastungsdienste der Pro Infirmis. Allen<br />

Diensten gemeinsam ist die Ausrichtung<br />

der Leistungen: Sie unterstützen Familien<br />

und Einzelpersonen, die ihre behinderten<br />

Angehörigen zu Hause betreuen, mit dem<br />

Ziel, die Lebensqualität aller Beteiligten zu<br />

erhalten und Erschöpfungszuständen vorzubeugen.<br />

Die Entlastungsdienste sollen<br />

dazu beitragen, dass betreuende Angehörige<br />

ihre sozialen Beziehungen weiterhin<br />

pflegen können, auch Zeit für sich selbst<br />

haben und arbeiten und sich weiterbilden<br />

können. Die Grundlagen der Finanzierung<br />

und die Organisationformen der Entlastungsdienste<br />

sind in den einzelnen<br />

Kantonen sehr unterschiedlich.<br />

Herausforderungen<br />

In jenen Kantonen, in denen Pro Infirmis<br />

keine eigenen Entlastungsdienste führt,<br />

werden Entlastungsdienste durch private<br />

Non-Profit-Organisationen, in der Mehrzahl<br />

Vereine, getragen. Sie bieten in teils<br />

professioneller, teils semiprofessioneller<br />

Weise ähnliche Dienstleistungen an. Viele<br />

Dienste, namentlich solche, die nicht von<br />

Pro Infirmis geführt werden, haben ihr<br />

Aufgabengebiet in den letzten Jahren auf<br />

die Entlastung von betreuenden Angehörigen<br />

von älteren Menschen erweitert. Diese<br />

Angebotserweiterung hat auf Seiten der<br />

Entlastungsdienste zu neuen Herausforderungen<br />

geführt, insbesondere im Hinblick<br />

auf die gezielte Weiterbildung von Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern.<br />

Für viele der nicht durch Pro Infirmis<br />

geführten Entlastungsdienste ist auch die<br />

Finanzierung der Organisation eine grosse<br />

Herausforderung. Im wachsenden Markt<br />

der ambulanten Begleitung von älteren<br />

Menschen ist ein Konkurrenzkampf um die<br />

zu betreuenden Familien und Angehörigen<br />

entstanden, der an der Preisfront und auf<br />

dem Gebiet der angebotenen Dienstleistungen<br />

ausgefochten wird. Neben einigen<br />

grossen Organisationen, die ihr Angebot<br />

vor allem im «Komfortbereich» anbieten<br />

(24-Stunden-Betreuung, individuelle, hoch<br />

personalisierte Wunscherfüllung u.a.), sind<br />

auch Player im Geschäft, die mit qualitativ<br />

eher schwachen und knappen Dienstleistungen<br />

ihr Glück versuchen.<br />

Da die meisten der nicht an Pro Infirmis<br />

gebundenen Entlastungsdienste ihr Angebot<br />

vor allem eher schwachbemittelten<br />

Personen und Familien anbieten, sind sie<br />

auf Spenden und Beiträge der Kantone und<br />

Kommunen angewiesen. Nur so können<br />

sie ihre Mitarbeitenden gerecht entlohnen.<br />

Diese Finanzierungsproblematik betrifft<br />

vor allem die Betreuung von älteren Menschen,<br />

denn Pro Infirmis finanziert über<br />

einen Unterleistungsvertrag nicht selbst<br />

geführte, aber anerkannte Entlastungsdienste<br />

bei der Arbeit im Behindertenbereich<br />

mit. Diese Unterstützung besteht<br />

im Altersbereich nicht. Ein weiterer Aspekt,<br />

der die Finanzierung erschweren kann, ist,<br />

dass jede kantonale Organisation direkt<br />

mit Pro Infirmis über die Unterleistungsverträge<br />

verhandeln muss und dass die<br />

Kantone die unabhängigen Entlastungsdienste<br />

aufgrund von kantonalen Gesetzen<br />

und Reglementen sehr unterschiedlich<br />

unterstützen.<br />

Gründung des Entlastungsdienstes<br />

Schweiz<br />

Aufgrund dieser Herausforderungen haben<br />

sich letztes Jahr die vier Entlastungsdienste<br />

der Kantone Bern, Zürich, Aargau<br />

und der Stadt St. Gallen zum «Entlastungsdienst<br />

Schweiz» zusammengeschlossen.<br />

32 ZeSo 4/15 plattform


Der Entlastungsdienst Schweiz wurde am<br />

1. Juli 2014 als gemeinnütziger Verein<br />

gegründet. Ziel und Zweck des Zusammenschlusses<br />

sind die aktive Kooperation bei der<br />

Öffentlichkeitsarbeit, dem Marketing und der<br />

Entwicklung von Dienstleistungen. Durch die<br />

Vernetzung der verschiedenen Akteure im Bereich<br />

der ambulanten Betreuungsarbeit sollen<br />

die Rahmenbedingungen für betreuende<br />

Angehörige verbessert und die Entlastungsdienste<br />

und ihre wichtige Rolle bei der Betreuung<br />

von Angehörigen zuhause sozialpolitisch<br />

nachhaltig verankert werden.<br />

Pflegededürftige Verwandte zu betreuen ist oft mit einem fast übermenschlichen Kraftakt<br />

verbunden. <br />

Bild: Jiri Vurma<br />

Ziel dieses Zusammenschlusses ist die Kooperation<br />

bei der Öffentlichkeitsarbeit,<br />

dem Marketing, der Entwicklung von neuen<br />

Dienstleistungen und der Qualität der<br />

Dienstleistungen. Durch die Vernetzung<br />

der verschiedenen Akteure im Bereich der<br />

ambulanten Betreuungsarbeit soll die Basis<br />

für eine bessere sozialpolitische Verankerung<br />

der Entlastungsdienste geschaffen<br />

werden. Ein weiteres Ziel des Vereins ist, in<br />

den verschiedenen Kantonen finanzpolitische<br />

Grundlagen zu begünstigen, damit<br />

die primär anvisierten Kundinnen und<br />

Kunden die Dienstleistungen entsprechend<br />

ihren Bedürfnissen gerecht beziehen<br />

können.<br />

Der Verein Entlastungsdienst Schweiz<br />

steht am Anfang seiner Geschichte und<br />

lädt andere Entlastungsdienste ein, dazu<br />

zu stossen. Es soll ein Netzwerk entstehen,<br />

das durch Kooperation und Austausch<br />

untereinander zur Weiterentwicklung<br />

und Stabilität der angeschlossenen Organisationen<br />

beitragen soll. Zum heutigen<br />

Zeitpunkt ist der Name Entlastungsdienst<br />

Schweiz also noch ein wenig hochgegriffen,<br />

insbesondere, weil auch die <strong>ganz</strong>e<br />

lateinische Schweiz noch nicht vertreten<br />

ist. Das Ziel ist jedoch, dass das entstehende<br />

Netzwerk einst alle Entlastungsdienste<br />

umfassen soll. Willkommen sind auch<br />

grössere Organisationen wie zum Beispiel<br />

die Pro Infirmis oder das Schweizerische<br />

Rote Kreuz. Die Gründungsmitglieder des<br />

Entlastungsdienstes Schweiz sind überzeugt,<br />

dass nur mit einer sinnvollen und<br />

kooperativen Zusammenarbeit der Entwicklung<br />

im ambulanten Betreuungsbereich<br />

begegnet werden kann. •<br />

Hansjürg Rohner<br />

Vorstandsmitglied Entlastungsdienst Schweiz<br />

Statistische Informationen (Basis: 2014)<br />

Kanton Bern:<br />

Betreute Familien/Personen: 306<br />

Entlastungsstunden: 44 265<br />

Mitarbeitende: 200<br />

Umsatz: 1,719 Mio. Franken<br />

Kanton Zürich:<br />

Betreute Familien/Personen: 216<br />

Entlastungsstunden: 24 005<br />

Mitarbeitende: 179<br />

Umsatz: 1,317 Mio. Franken<br />

Kanton Aargau<br />

Betreute Familien/Personen: 286<br />

Entlastungsstunden: 40 935<br />

Mitarbeitende: 195<br />

Umsatz: 1,122 Mio. Franken<br />

www.entlastungsdienst.ch<br />

plattform 4/15 ZeSo<br />

33


FORUM<br />

Geberqualitäten aktivieren!<br />

Karl Marx sah im Kapitalisten dieselbe<br />

Figur am Werk wie im Feudalherrn:<br />

den Frührentner. Darunter verstand er<br />

jemanden, der die Arbeit nach Kräften<br />

meidet und dank Ausbeutung der<br />

Produktiven vom eigenen Nichtstun dennoch<br />

fürstlich leben kann. Natürlich werden<br />

auch 150 Jahre nach Marx an den<br />

Spitzen der zunehmend verbürokratisierten<br />

anonymen Unternehmenswelt viel<br />

zu viele leistungslose Grundeinkommen<br />

ausbezahlt. Doch im modernen Wohlfahrts-<br />

und Umverteilungsstaat zeigt sich<br />

strukturell, dass sich die Unproduktivität<br />

von der Spitze der Gesellschaft zur Basis<br />

verlagert hat. Eine beachtlich hohe Zahl<br />

von Menschen führt das Dasein von<br />

Frührentnern, die sich teilweise oder<br />

<strong>ganz</strong> ausserhalb der wirtschaftlichen<br />

Wertschöpfungssphäre bewegen – gleich<br />

von Anfang an und für immer.<br />

Die Sozialhilfequote liegt in der Schweiz<br />

bei 3,2 Prozent. Handelt es sich bei IV<br />

und ALV um Versicherungslösungen, auf<br />

die der Betroffene mit guten Gründen<br />

einen Rechtsanspruch geltend machen<br />

kann, liegen die Dinge im Falle der wirtschaftlichen<br />

Sozialhilfe anders. Hier lebt<br />

der Sozialhilfeempfänger buchstäblich<br />

auf Kosten der unbekannten Allgemeinheit<br />

der Steuerzahler in seiner Wohngemeinde.<br />

Der Betroffene befindet sich in<br />

der harten Position des Empfangenden –<br />

wobei diese Situation schnell zum Dauerzustand<br />

wird. Der Mensch wird auf seine<br />

Nehmerqualitäten reduziert.<br />

René Scheu ist Philosoph<br />

und Herausgeber<br />

des liberalen<br />

Debattenmagazins<br />

«Schweizer Monat».<br />

Foto: T. Burla<br />

Das Existenzminimum, das sich nach<br />

SKOS-Richtlinien am Konsumverhalten<br />

der einkommensschwächsten<br />

zehn Prozent der Schweizer Haushalte<br />

orientiert (rund 2500 Franken für eine<br />

Person), ist ein leistungs-, wenn auch<br />

kein bedingungsloses Grundeinkommen.<br />

Mit den ständig steigenden Lasten<br />

des Sozialstaats kommt die Finanzierung<br />

unter stärkeren politischen Druck, und<br />

die Sozialhilfeempfänger, die kaum eine<br />

Menschliche Würde<br />

und Selbstwertschätzung<br />

lassen<br />

sich nicht durch<br />

Barüberweisungen<br />

herstellen.<br />

Lobby haben, sind jeweils die ersten,<br />

die es trifft. Dass selbst Sozialstaaten<br />

rechnen müssen, ist allen klar. Die<br />

geplante Revision der SKOS-Richtlinien<br />

– Reduktion des Grundbedarfs bei<br />

Grossfamilien, Senkung der Ansätze<br />

für junge Erwachsene, Möglichkeit zur<br />

Verschärfung der Sanktionen – geht angesichts<br />

des wachsenden Aufwands und<br />

neuer Klientel zweifellos in die richtige<br />

Richtung. Dennoch bleibt die Reform<br />

einer zu simplen anthropologischen<br />

Sicht verhaftet. Menschliche Würde und<br />

Selbstwertschätzung lassen sich nicht<br />

durch Barüberweisungen herstellen, und<br />

dies nicht einmal dann, wenn man sich<br />

besonders grosszügig zeigt und damit<br />

ein Minimum an gesellschaftlicher Partizipation<br />

ermöglichen will. Was fehlt, ist<br />

für den Einzelnen eine Perspektive – die<br />

Perspektive, nicht nur zu nehmen (und<br />

zu konsumieren), sondern auch zu geben<br />

(und zu produzieren).<br />

Marx wusste, dass der Mensch – im<br />

Idealfall – in der Arbeit jenseits der<br />

Entfremdung <strong>ganz</strong> bei sich ist. Arbeit<br />

verheisst ihm Mitwirkung, Aufgabe,<br />

Austausch, Lernen, persönliche Entwicklung.<br />

Sozialunternehmen wie die Dock-<br />

Gruppe in St.Gallen haben aus diesem<br />

Grundgedanken ein neues Arbeitsmodell<br />

gezimmert: Statt Betroffene endlos lange<br />

und teuer zu betreuen, lernen diese, sich<br />

durch selbstverantwortetes Tätigsein<br />

selbst aufzurichten, indem sie einfache<br />

Qualitätsarbeit für die Schweizer Industrie<br />

in eigenen Werkstätten erbringen.<br />

Die Tätigkeit ist hart, zuweilen auch<br />

monoton, aber sie gibt dem Leben<br />

Struktur und Sinn. Die Finanzierung<br />

ist ebenso simpel wie transparent: Die<br />

Sozialhilfe fliesst an die Sozialfirma, die<br />

ihre Arbeitnehmer versichert und ihnen<br />

regulär – allerdings bescheidene – Saläre<br />

bezahlt. Aufgabe der Sozialunternehmer<br />

ist es, über den erzielten Erlös die<br />

Struktur und den Overhead der Firmen<br />

zu finanzieren und monetäre Anreize für<br />

Mehrarbeit unter ihren Angestellten zu<br />

schaffen. Die Nähe der Sozialfirmen zum<br />

Staat bedarf zweifellos eines kritischen<br />

zivilgesellschaftlichen Blicks – dennoch<br />

birgt das Modell viel Potenzial. Es setzt<br />

die parastaatliche Betreuungsindustrie<br />

unter Druck, weil es Kosten sparen hilft.<br />

Aber vor allem: Es gibt den Menschen<br />

ihre Würde zurück, die genau darin<br />

besteht, als Wesen ernst genommen zu<br />

werden, das nicht nur nehmen kann,<br />

sondern auch viel zu geben hat. •<br />

In dieser Rubrik schafft die <strong>ZESO</strong> Raum für Debatten<br />

und Meinungen. Der Inhalt gibt die Meinung des<br />

Autors resp. der Autorin wieder.<br />

34 ZeSo 4/15 FORUM


lesetipps<br />

Standort Strasse<br />

Tag für Tag stehen die Verkäuferinnen und<br />

Verkäufer des Strassenmagazins Surprise mit<br />

dem Heft in der Hand auf der Strasse. Zwanzig<br />

von ihnen stellt dieser Porträtband vor. Die<br />

Lebensgeschichten zeichnen ein Bild der Armut<br />

in der Schweiz. Sie zeigen, wie unterschiedlich<br />

die Gründe für den sozialen Abstieg sind und<br />

wie schwierig es sein kann, wieder auf die<br />

Beine zu kommen. Das Buch erzählt aber auch von den Perspektiven,<br />

die die Menschen durch den Heftverkauf finden, von alternativen<br />

Lebensentwürfen und von manch überraschender Wende im Leben der<br />

Porträtierten.<br />

Verein Surprise (Hrsg.), Standort Strasse, Menschen in Not nehmen das Heft in die<br />

Hand, Christoph Merian, <strong>2015</strong>, 152 Seiten, CHF 29.−<br />

ISBN 978-3-85616-679-3<br />

Armut und Diskriminierung<br />

Fragen zum gerechten Umgang mit armen<br />

Menschen werden in der Politik regelmässig debattiert,<br />

während sich die Rechtswissenschaft<br />

erst am Rande mit ihnen befasst. Doch der<br />

Umgang mit armen Menschen wird auch durch<br />

die Rechtsordnung, etwa durch den verfassungsrechtlichen<br />

Diskriminierungsschutz, geprägt.<br />

Die Studie zeigt, dass armutsspezifische<br />

Benachteiligungen oft mit öffentlichen und wirtschaftlich motivierten<br />

Interessen begründet werden. Die dabei angeführten Argumente und<br />

Interessenabwägungen müssen kritisch hinterfragt und der Diskriminierungsschutz<br />

bedürftiger Menschen anerkannt werden.<br />

Alexander Suter, Armut und Diskriminierung, eine Untersuchung zum Diskriminierungsschutz<br />

für bedürftige Menschen in der Schweiz, Dike, <strong>2015</strong>, 392 Seiten, CHF 89.−<br />

ISBN: 978-3-03751-757-4<br />

Parteieneffekte in der<br />

Sozialpolitik<br />

Welche Unterschiede bewirken Parteien in der<br />

Sozialpolitik? Diese in der Forschung kontrovers<br />

diskutierte Frage analysiert das Buch anhand<br />

vergleichender Fallstudien der Arbeitsmarktund<br />

Rentenpolitik in Grossbritannien, Schweden<br />

und Deutschland. Die Studie zeigt, dass es keine<br />

generalisierende Antwort gibt. Vielmehr prägt<br />

der jeweilige wohlfahrtsstaatliche Kontext die sozialpolitischen Konfliktmuster<br />

und die Parteieneffekte. Die Konflikte beschränken sich dabei<br />

nicht auf die Leistungsgenerosität, sondern umfassen auch die Finanzierung<br />

sowie die Verwaltung wohlfahrtsstaatlicher Programme.<br />

Frank Bandau, Wohlfahrtsstaatliche Strukturen und Parteieneffekte, Nomos,<br />

<strong>2015</strong>, 378 Seiten, CHF 89.−<br />

ISBN 978-3-8487-2367-6<br />

Günstig und gut essen<br />

Gut, gesund und günstig: Wer nach diesen<br />

Kriterien einkaufen und kochen will, hat mit dem<br />

Ratgeber der Stiftung für Konsumentenschutz<br />

ein nützliches Hilfsmittel zur Hand. Der Ratgeber<br />

zeigt, wie man Geld sparen kann, ohne dass<br />

man Einbussen bei der Qualität oder der Vielfalt<br />

in Kauf nehmen muss. Das Büchlein vermittelt<br />

neben Ernährungswissen auch Wissenswertes<br />

zu Budgetfragen und dazu, wie Marketingfallen beim Einkauf umgangen<br />

werden können. Hinzu kommen Tipps und Rezepte rund um die ausgewogene<br />

Verpflegung zu Hause oder auswärts.<br />

Stiftung für Konsumentenschutz (Hrsg.), Gut, gesund und günstig essen, Clever<br />

einkaufen und ausgewogen essen, Ott, 2011, 120 Seiten, CHF 24.−<br />

ISBN 978-3-7225-0123-9<br />

www.gggessen.ch<br />

Plattform<br />

Fremdplatzierung<br />

Studien belegen, dass bis zu 75 Prozent der<br />

fremdplatzierten Kinder und Jugendlichen traumatisiert<br />

sind. Daher sind neue Strategien und<br />

Kooperationen gefordert, um Platzierungen<br />

erfolgreich durchführen zu können. An der<br />

Tagung wird die Zusammenarbeit der Partner aus<br />

unterschiedlichen Professionen beleuchtet und<br />

es wird diskutiert, wie es gelingt, eine gemeinsame<br />

Haltung zu entwickeln und abgestimmte<br />

Interventionen zu erarbeiten.<br />

Integras-Tagung: Plattform Fremdplatzierung<br />

Dienstag, 19. Januar 2016, Kultur-Casino Bern<br />

www.integras.ch<br />

Familie – ein Luxus?<br />

Eine Viertelmillion Eltern und Kinder leben in<br />

der Schweiz in Armut. Kinder aufzuziehen ist<br />

eines der grössten Armutsrisiken in der Schweiz.<br />

Dennoch investiert die Schweiz im internationalen<br />

Vergleich wenig in Familien, was zu Kritik<br />

der OECD an der Schweizer Familienpolitik führt.<br />

Das Caritas-Forum beleuchtet Gründe und Folgen<br />

der Familienarmut und stellt Ansprüche und<br />

Erwartungen an die Familien, den Staat und die<br />

Wirtschaft zur Diskussion.<br />

Caritas-Forum: Familie ist kein Luxus<br />

Freitag, 29. Januar 2016, Kultur-Casino Bern<br />

www.caritas.ch<br />

veranstaltungen<br />

Familienrechtlicher Unterhalt<br />

und Sozialhilfe<br />

Familienrechtliche Unterhaltspflichten gehen<br />

der Sozialhilfe vor und es kann verlangt werden,<br />

Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Die<br />

Tagung verschafft eine Übersicht zu Fragen der<br />

familienrechtlichen Unterhaltspflichten sowie<br />

zur Koordination von Unterhaltsleistungen mit<br />

der Sozialhilfe. Sie fokussiert auf praxisrelevante<br />

Aspekte, die die sachgerechte Berechnung,<br />

Beurteilung und Koordination von Unterhaltsleistungen<br />

in der Sozialhilfe unterstützen.<br />

Luzerner Tagung zum Sozialhilferecht<br />

Donnerstag, 17. März 2016, Hochschule Luzern<br />

www.hslu.ch<br />

service 4/15 ZeSo<br />

35


Die Anonymität erleichtert den Anrufern den Kontakt und bietet der Beraterin Schutz. <br />

Bild: Annette Boutellier<br />

Die Zuhörerin<br />

Nächtelang hört Hanna bei der Dargebotenen Hand den Problemen ihrer Anrufer zu. Aus der Ruhe<br />

bringen lässt sie sich dabei kaum. Die Geschichten mit offenem Ausgang hallen aber manchmal nach.<br />

Vor jedem Dienst versucht Hanna, sich<br />

eine halbe Stunde Zeit zu nehmen. Sie<br />

geht im Quartier einen Kaffee trinken,<br />

macht danach den Schreibtisch parat und<br />

bespricht kurz die Schichtübergabe. Ein<br />

Ritual, um zur Ruhe zu kommen. «Wenn<br />

ich ruhig bin, laufen die Gespräche besser.»<br />

In den fünf Jahren, in denen Hanna<br />

als Freiwillige bei Tel. 143 − Dargebotene<br />

Hand Bern Hilfesuchende berät, hat sie<br />

gelernt, einfach einmal anzuhören, was ihr<br />

vom anderen Ende der Telefonleitung entgegenkommt.<br />

Präsent zu sein. Schnell aus<br />

der Ruhe bringen, das sieht man rasch,<br />

lässt sich die 59-Jährige mit dem aufmerksamen<br />

Blick und der gelassenen Art<br />

nicht. «Dennoch gibt es Situationen»,<br />

sagt sie, «die einen reinziehen wie ein<br />

Wirbel».<br />

Es sind verschiedenste Menschen, die<br />

die 143 wählen und in ihrer Leitung landen.<br />

Die depressive Frau, die sich trotz<br />

Therapie nicht besser fühlt. Der Mann,<br />

der den Gleisen entlanggeht, entschlossen,<br />

dem Leben ein Ende zu setzen. Die Berufseinsteigerin,<br />

die mit ihrer Stelle nicht<br />

glücklich ist, aber den Mut nicht hat, etwas<br />

zu ändern. Jemand, der über seinen Sozialarbeiter<br />

schimpft. Und viele Einsame, die<br />

bloss einmal am Tag eine Stimme hören<br />

wollen. Hanna versucht sich in ihre Welt<br />

hineinzudenken und stellt Fragen. Vor<br />

allem aber hört sie zu. «Wichtig ist, die<br />

Leute nicht mit Ratschlägen einzudecken<br />

und nicht zu werten», sagt sie. Im Optimalfall<br />

gelinge es, dass der Anrufer am<br />

Ende des Gesprächs eine Idee hat, was der<br />

nächste Schritt sein könnte.<br />

Kurzer Einblick in andere Leben<br />

Hanna ist das Pseudonym, unter dem die<br />

Beraterin arbeitet. Anonymität hat bei 143<br />

einen grossen Stellenwert – und zwar auf<br />

beiden Seiten. Für die Anrufer erleichtert<br />

sie den Kontakt. Niederschwellig und vertraulich<br />

soll das Angebot sein und keine<br />

Abhängigkeiten schaffen. Aber auch den<br />

Beratern bietet die Anonymität Schutz und<br />

sie schafft Distanz. Hanna sagt es so: «Im<br />

Moment des Gesprächs bin ich da und mache,<br />

was ich kann. Darüber hinaus kann<br />

ich keine Verantwortung tragen.» Der Preis<br />

für dieses Arrangement: viele offene Geschichten.<br />

Wenn das Gespräch beendet ist,<br />

hat Hanna einen kurzen Einblick in ein<br />

Leben erhalten, weiss aber nicht, wie es<br />

weitergeht. In der Regel könne sie gut abschalten,<br />

sagt sie. «Doch es gibt Geschichten,<br />

denen ich noch lange nachhänge.»<br />

Wie die Leute ticken, was sie mit ihrem<br />

Leben machen und wie sie mit bestimmten<br />

Situationen umgehen, hat Hanna schon<br />

immer interessiert: als sie in der Pflege<br />

arbeitete und später beim Psychologiestudium.<br />

Heute ist sie als Dozentin an einer<br />

Hochschule tätig. «Irgendwann habe ich<br />

wieder nach einem ergänzenden Praxisfeld<br />

gesucht», erzählt sie. Die Möglichkeit, sich<br />

bei der Dargebotenen Hand zu engagieren,<br />

hatte sie schon länger im Auge gehabt.<br />

2010 absolvierte sie die einjährige Ausbildung<br />

zur Telefonberaterin. Nebst den<br />

Telefondiensten macht sie heute bei 143<br />

auch E-Mail- und Chat-Beratungen.<br />

Wie alle der über 600 freiwilligen Beraterinnen<br />

und Berater der Dargebotenen<br />

Hand leistet Hanna pro Monat rund dreissig<br />

Stunden unentgeltlichen Einsatz – und<br />

dies neben ihrem 70-Prozent-Pensum an<br />

der Hochschule. «Eine Sonderleistung ist<br />

das nicht», sagt sie bescheiden. «Viele<br />

Menschen leisten Freiwilligenarbeit.» Und<br />

sie bekomme auch viel zurück: «Oft fühle<br />

ich mich reich beschenkt, weil die Menschen<br />

mich an ihrem Leben Anteil nehmen<br />

lassen.»<br />

Dass die Dienste oft happig sind, räumt<br />

Hanna aber ein. In der Abendschicht<br />

wechselt sie häufig fliegend von einem Gespräch<br />

zum nächsten. Gleichzeitig muss sie<br />

Anrufe auf der zweiten Leitung entgegennehmen,<br />

um abzuwägen, ob jenes Gespräch<br />

dringender wäre. Und nach den<br />

Nachtdiensten ist sie oft erschöpft, gerade<br />

weil da das Telefon auch mal drei Stunden<br />

stumm bleibt. Für den nächsten Tag plant<br />

sie höchstens eine Velotour. Sich bewegen,<br />

in die Natur gehen, das ist Hanna wichtig.<br />

«Dort kann ich die vielen Geschichten am<br />

besten wieder loslassen.» <br />

•<br />

Regine Gerber<br />

36 ZeSo 4/15 porträt


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