ZESO_1-2011_ganz
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und Frauen gezielter und vor allem in ihrer<br />
Muttersprache zu erreichen versuchen. In<br />
Berlin zum Beispiel gibt es bereits entsprechende<br />
Initiativen.<br />
Sie sprechen die politische Ebene an.<br />
Fordern Sie konkrete Massnahmen?<br />
Programme zur Prävention von Gewalt<br />
und auch zur Integration müssten den Fokus<br />
noch stärker auf die Frauen und vor<br />
allem auf die jungen Frauen legen. Auch<br />
müssten junge türkische Frauen in die<br />
Gremien einbezogen werden, welche die<br />
Integrations- und Präventionsmassnahmen<br />
planen.<br />
Woran denken Sie?<br />
Ich sehe, dass türkische Mädchen und<br />
junge Frauen sich vor allem Fachleuten gegenüber<br />
öffnen, die aus der gleichen Kultur<br />
kommen, die ihre Sprache sprechen<br />
und dadurch kultursensitiv arbeiten können.<br />
Ich habe als Ärztin immer wieder festgestellt,<br />
dass die Patientinnen zwar mit mir<br />
reden, die wahren Probleme aber meinem<br />
Anita Riecher-Rössler, Chefärztin der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel Bilder: Béatrice Devènes<br />
türkischen Arztkollegen anvertrauen. Wir<br />
hatten eine Assistenzärztin bei uns, die<br />
«fit im Koran» war. Sie hat die Familien –<br />
und vor allem die Väter – der Patientinnen<br />
stark in die Gespräche miteinbezogen und<br />
Stellen aus dem Koran zitiert, wo es um die<br />
Rechte der Frauen geht.<br />
Sie fordern mehr türkische Ärzte in<br />
der Psychiatrie. Meinen Sie damit vor<br />
allem Frauen?<br />
Wir benötigen <strong>ganz</strong> generell mehr medizinisches<br />
Fachpersonal türkischer Herkunft.<br />
Es müssen nicht unbedingt Frauen<br />
sein. Im Gegenteil: Ein türkischer Oberarzt,<br />
der bei uns gearbeitet hat, wurde von<br />
den Vätern der betroffenen jungen Frauen<br />
eher als Autoritätsfigur akzeptiert. Wir<br />
haben übrigens hier an der Klinik immer<br />
versucht, türkischstämmige Ärzte psychiatrisch-psychotherapeutisch<br />
auszubilden.<br />
Wenn sie dann in die Praxis gehen, haben<br />
wir die Möglichkeit, die Patientinnen für<br />
eine längerfristige Behandlung an sie zu<br />
überweisen.<br />
Haben türkische Ärzte – also Männer –<br />
als Ansprechperson für die jungen türkischen<br />
Frauen nicht gewisse Grenzen<br />
in ihrer Rolle als Vermittler?<br />
Sie haben sicherlich ihre Grenzen, da<br />
auch sie traditionelle Rollenbilder verinnerlicht<br />
haben. Man muss sich aber vergegenwärtigen,<br />
dass es auch in der Türkei<br />
<strong>ganz</strong> unterschiedliche Kulturen gibt: Zwischen<br />
einem Bauern aus Ostanatolien und<br />
einem Akademiker aus Istanbul können<br />
Welten liegen. Grundsätzlich stelle ich<br />
aber fest, dass unsere türkischen Ärzte im<br />
Mittel viel stärker familienorientiert sind<br />
als wir. Westliche Begriffe wie Autonomie<br />
und Selbstverwirklichung spielen in<br />
diesem Kulturkreis eine untergeordnete<br />
Rolle. Wir sollten deshalb vorsichtig sein<br />
und den jungen Frauen nicht unsere westlichen<br />
Autonomieideale aufoktroyieren.<br />
Klare Grenzen gilt es aber dort zu ziehen,<br />
wo Menschenrechte verletzt werden: Und<br />
wenn eine Frau etwas wirklich will, dann<br />
haben die Familie und das Umfeld dies zu<br />
akzeptieren.<br />
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«Ich habe als Ärztin immer wieder festgestellt,<br />
dass die Patientinnen zwar mit mir reden, die<br />
wahren Probleme aber meinem türkischen<br />
Arztkollegen anvertrauen.»<br />
Welche Lösungen gibt es für solche<br />
kulturell bedingten Konflikte?<br />
Meistens müssen Kompromisse ausgehandelt<br />
werden. Zunächst geht es oft<br />
darum, die verschiedenen Vorstellungen<br />
überhaupt einmal auszusprechen. Häufig<br />
wurde innerhalb der Familie überhaupt<br />
nicht offen geredet. Die Betroffenen lernen<br />
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12 ZeSo 1/11 interview