soziologie heute Juni 2011
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<strong>Juni</strong> <strong>2011</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 43<br />
Auf Augenhöhe mit Familie Aksoy<br />
Kindertagesstätte erfolgreich mit „Early Excellence Concept”<br />
von Josef König, Ruhr-Universität Bochum<br />
„Tue Gutes und rede darüber“ – im<br />
Fall einer Mülheimer Kindertagesstätte<br />
sprachen schon allein die<br />
Daten für sich: Aufgefallen waren<br />
sie einem Team um Prof. Dr. Klaus<br />
Peter Strohmeier (Soziologie, Stadt<br />
und Region, Familie), das Schuleingangsuntersuchungen<br />
und Erhebungen<br />
in Kindertagesstätten<br />
als wichtige Quellen sozialwissenschaftlicher<br />
Forschung nutzt. Bei<br />
einem mehrjährigen Kindergartenscreening<br />
mit rund 4000 Kindern<br />
zwischen dreieinhalb und viereinhalb<br />
Jahren konnten 21 Kinder in<br />
einem „sozial schwachen“ Stadtteil<br />
das erwartete Bildungsprofil deutlich<br />
überbieten.<br />
Beim näheren Hinschauen zeigte<br />
sich, dass viele dieser Kinder dieselbe<br />
Kindertagesstätte besucht hatten.<br />
Was zunächst nur eine spannende<br />
Entdeckung war, stellt sich nun als<br />
erfolgreiche Umsetzung eines neuen<br />
pädagogischen Konzepts heraus.<br />
Herausgefunden hat das die Sozialwissenschaftlerin<br />
Havva Avci-Plüm<br />
in ihrer Masterarbeit und bringt es<br />
gleich mit dem Titel auf den Punkt:<br />
„Erfolgreiche Bildung durch erfolgreiche<br />
Elternarbeit“.<br />
Mit einer Einzelfallanalyse über ein<br />
kleines Mädchen namens Leyla Aksoy<br />
fand Avci-Plüm heraus, warum<br />
sich gerade in dieser Mülheimer KiTa<br />
im statistischen Bezirk „Altstadt II<br />
Nordost“ das Sprachverständnis der<br />
Kinder gen hundert Prozent beläuft<br />
(bei vergleichbaren Einrichtungen<br />
des Stadtbezirks liegt es bei 50 Prozent),<br />
obwohl der Anteil nichtdeutscher<br />
Kinder hier rund 65 Prozent<br />
beträgt. Leyla ist ein solches Kind,<br />
das trotz Migrationshintergrund und<br />
bildungsferner sozialer Herkunft<br />
durch positive sprachliche und allgemeine<br />
Entwicklung auffiel. Die<br />
Bochumer Sozialwissenschaftlerin<br />
führte sog. leitfadengestützte narrative<br />
Gespräche mit der Erzieherin<br />
und den Eltern, wobei ihr die eigene<br />
türkische Sprachfähigkeit sehr zugute<br />
kam. „Ein Riesenerfolg war auch“,<br />
so Avci-Plüm, „dass ich von den Eltern<br />
das Einverständnis bekommen<br />
habe, sie zu Hause auf Türkisch zu<br />
interviewen“. Dabei stellte sich zum<br />
Beispiel heraus, dass beide Eltern<br />
sehr auf Leylas Fähigkeiten vertrauen.<br />
„Ich möchte, dass sie Ärztin wird,<br />
denn sie ist begabt“, sagt der Vater.<br />
Doch Kenntnisse über das deutsche<br />
Bildungssystem haben sie kaum.<br />
Hinsichtlich zusätzlicher eigener<br />
Fördermaßnahmen verhalten sich<br />
die Eltern passiv; sie vertrauen voll<br />
und ganz der KiTa und hinterfragen<br />
keine pädagogischen Konzepte.<br />
Das „Early Excellence Concept“ beruht<br />
auf einem neuen pädagogischen<br />
Ansatz: Im Fokus stehen die Stärken<br />
und Kompetenzen der Kinder und<br />
die Eltern werden als Experten ihres<br />
Kindes betrachtet. Es geht darum,<br />
Elternarbeit auf Augenhöhe zu entwickeln.<br />
Ein Beispiel ist das Elterngespräch.<br />
Bevor es stattfindet, wird<br />
das Kind eine ganze Woche lang von<br />
allen Erzieherinnen an verschiedenen<br />
Standorten beobachtet. Die Ergebnisse<br />
werden in einem Buch auch<br />
fotografisch dokumentiert. Dabei<br />
interessiert, was das Kind kann, wo<br />
seine Stärken liegen und nicht, welche<br />
Defizite es möglicherweise hat.<br />
So auch im Elterngespräch, dem das<br />
Buch zugrunde liegt und das die Eltern<br />
mit nach Hause nehmen können.<br />
Die Erzieherin ist überzeugt davon,<br />
dass dieses individuelle Angebot viel<br />
bewirkt hat: „Man hat eine andere<br />
Ebene erreicht mit den Eltern. … Die<br />
nehmen unsere Arbeit sehr wichtig<br />
… wenn sie eingeladen sind, geben<br />
sie alles, dass sie kommen können“.<br />
Das Elterngespräch war zum Beispiel<br />
Auslöser dafür, dass Leyla<br />
vom „Halbtagskind“ zum „Ganztagskind“<br />
wurde. Eltern und Erzieherin<br />
sahen dies als einen Schritt an, die<br />
Deutschkenntnisse des Mädchens<br />
zu verbessern. Weitere Bestandteile<br />
des Konzepts sind etwa kleine Gruppen<br />
(von 25 auf 11 Kinder), ein spezielles<br />
Raumkonzept (von Gruppen-<br />
Räumen zu Themenräumen für alle<br />
Kinder) – die Gruppen treffen sich<br />
nur zweimal am Tag zu festen Zeiten,<br />
und bei der Spracherziehung wird<br />
möglichst die jeweilige Interessenlage<br />
des Kindes berücksichtigt.<br />
Weitere Informationen<br />
Havva Avci-Plüm,<br />
Mail: havva.avci@gmail.com<br />
Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier<br />
Mail: Peter.Strohmeier@rub.de<br />
„Ich oder Du“ – Wanderausstellung zum Thema Organspende in Hamburg und Bremen<br />
In Hamburg sind sie nicht zu übersehen: Plakate mit riesigen Stoff-Herzen samt Adergefl echt, darauf ein Vermerk: „Mein Herz (samt Zubehör) sucht einen<br />
neuen Besitzer“. Mit dieser Kampagne will die Hamburgische Gesundheitsbehörde das Thema Organspende ins Bewusstsein der Bürger rücken. Denn jeden<br />
Tag sterben Menschen, weil kein passendes Organ für sie zur Verfügung steht.<br />
- Noch bis zum 30. <strong>Juni</strong> <strong>2011</strong>, Asklepios Klinik Barmbek<br />
- 1. Juli <strong>2011</strong> - 7. August <strong>2011</strong>, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br />
- 8. August <strong>2011</strong> - 31. August <strong>2011</strong>, Bezirksamt Altona<br />
- 30. September <strong>2011</strong> - 13. Oktober <strong>2011</strong>, Rathaushalle Bremen<br />
- 14. Oktober <strong>2011</strong> - 28. Oktober <strong>2011</strong>, Bezirksamt Nord<br />
- 1. Januar 2012 - 31. Januar 2012, Bezirksamt Eimsbüttel<br />
- 5. März 2012 - 26. März 2012, Hamburger Rathaus<br />
SOZIOLOGIEHEUTE_JUNIausgabe<strong>2011</strong>a.indd 43 26.05.<strong>2011</strong> 13:35:59