Kino - Das Bayreuther Filmfest
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Nichts als die Wahrheit über Drehbücher<br />
Kontrastprogramm bei „Kontrast“:<br />
Seminar mit dem Drehbuchautor Hannes Betz<br />
BAYREUTH<br />
Von Eric Waha<br />
Aus seiner Feder stammte die endgültige Fassung für Götz Georges jüngstes Werk „Nichts als die<br />
Wahrheit", er ist der Kopf der Autorengruppe der RTL-Serie „Die Cleveren" - und er ist erklärter<br />
Anhänger des Mainstream im Femsehen und auf der <strong>Kino</strong>leinwand: Hannes Betz, aus Bayreuth<br />
stammender Drehbuchautor. Sein Seminar beim ersten <strong>Bayreuther</strong> <strong>Filmfest</strong> „Kontrast" - es war ein<br />
Kontrastprogramm zum Kurzfilm.<br />
„Film ist ein kompliziertes Gefüge. Wann funktioniert ein<br />
Film? Er funktioniert dann, wenn er ins Innere des Publikums<br />
vordringt und einen Nachhall verursacht", sagt Betz. Seine<br />
oberste Prämisse beim Schreiben eines Drehbuchs: „Du sollst<br />
nicht langweilen." Dazu bedient sich Betz der von William<br />
Goldman („Der Marathon-Mann") aufgestellten „fast<br />
zenbuddhistischen Aussage „Drehbuch ist Struktur. Punkt."<br />
Denn: Ein Drehbuch zu schreiben, bedeute nicht ein<br />
Verlaufsschema mit drei Akten und zwei Plotpoints -<br />
Wendepunkten der Handlung - auszufüllen (Betz: „<strong>Das</strong><br />
Ergebnis ist zu 99 Prozent unbrauchbar."). Sondern: Man<br />
müsse eine Struktur entwickeln, „nachdenken und schreiben.<br />
„<strong>Das</strong> Ergebnis ist dann zwar immer noch zu 98 Prozent<br />
unbrauchbar, aber es ist der richtige Weg". Der richtige Weg<br />
in jedem Fall für den Autor, denn: „Es muss nicht heißen, dass<br />
das, was man zu 98 Prozent für unbrauchbar hält, nicht<br />
trotzdem verkäuflich ist. Bei uns lässt sich tatsächlich jeder<br />
Hannes Betz, aus Bayreuth<br />
stammender Drehbuchautor<br />
Scheißdreck verkaufen. Und ich schwör's Euch, die in Hollywood kochen auch bloß mit Wasser -<br />
der Topf ist nur größer." Zeit, das ist das Elixier eines guten Drehbuchs und auch das Elixier für<br />
den guten Film: „Ich wette alles, dass auch das Nibelungenlied am Anfang zu 98 Prozent<br />
unbrauchbar war." Erst durchs Erzählen und Neuschreiben sei eine Verbesserung des Drehbuchs,<br />
des Ergebnisses, zu erreichen. Betz zu den potenziellen Drehbuchautoren am Samstag im Zentrum:<br />
„Glaube nie, dass du die Weisheit mit dem Löffel gefressen hast. Schreibe nur das, was du auch<br />
selber sehen willst. Und glaube bloß nicht, dass du etwas Neues schreibst."<br />
Laut Betz das große Problem deutscher Drehbuchautoren: „Wir versuchen, den Deutschen die<br />
verloren gegangene Tradition des Narrativen wieder näher zu bringen. - Kurz: wir müssen das Rad<br />
neu erfinden. Denn bei uns hat es, im Gegensatz zu Amerika, England oder Frankreich den großen<br />
Bruch gegeben. Mythen gelten bei uns noch als Gift. Seit der Stunde Null haben die Deutschen<br />
eine Vorliebe zur Nüchternheit. Vorher waren wir ein Volk der Dichter und Denker."<br />
Der Ablauf einer guten Geschichte: Der Held des Films - „der Held ist unser Ebenbild" - sollte<br />
zuerst in seiner Alltagswelt vorgestellt werden, bevor er dem Ruf des Abenteuers folgt, gegen den<br />
er sich nicht selten wehrt. Kurz bevor der Held die Schwelle zum Abenteuer, zur Drachenhöhle, in<br />
der er seine Abenteuer zu bestehen hat, übertritt, begegnet er in der Regel einem Weisen, „der<br />
weiß, dass der Held die Kräfte des Unbewussten auf seiner Seite hat. Der Weise hat die<br />
Drachenhöhle geschaut, er gibt die Tiefe der Geschichte vor -aber: in der Drachenhöhle ist der<br />
Held allein." Der Held muss auf seiner Fahrt durch die Drachenhöhle laut Betz die Ängste und<br />
Stärken hinter sich lassen, will er im Kampf bestehen, und das Elixier erlangen, das der Schlüssel<br />
zur Geschichte und damit auch der Schlüssel zur Rückkehr des Helden in die normale Welt ist. „Es<br />
ist wichtig, dass das Elixier aufs Publikum übergeht - und das kostet das Publikum in der Regel im<br />
<strong>Kino</strong> zwischen zehn und 15 Mark."<br />
Doch Autoren haben nicht allein mit Helden, mit Elixieren und der Geschichte an sich zu<br />
kämpfen: Autoren müssen sich auch anderen Regularien - wie etwa der Werbung - beugen.