casanostra 96 - August 2009
Aus Altbau wird «Plus-Energiehaus»: «Fit» fürs 21. Jahrhundert | Solarpreis 2009: Altes ganz neu | Asbest am Haus: Wenn Eternitziegel bröckeln | Dämmstoffe: Welches Material eignet sich wo? | Neue Dienstleistung des HVS: Gebäudewasserversicherung
Aus Altbau wird «Plus-Energiehaus»: «Fit» fürs 21. Jahrhundert | Solarpreis 2009: Altes ganz neu | Asbest am Haus: Wenn Eternitziegel bröckeln | Dämmstoffe: Welches Material eignet sich wo? | Neue Dienstleistung des HVS:
Gebäudewasserversicherung
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porträt__Haus Bünter, Horgen_5<br />
Totalerneuerung Altbau<br />
mit Minergie-P-Standard<br />
Schonender Umgang mit der alten Gebäudesubstanz, eine baubiologisch<br />
konse quente Bauweise und energetisch weitgehend autarke Versorgung. Diese<br />
Ziele konnten bei der Totalsanierung eines 250 Jahre alten Hauses in Horgen<br />
umgesetzt werden. Anfang September wird das Haus mit dem Schweizer<br />
Solarpreis <strong>2009</strong> ausgezeichnet.<br />
«fit» fürs 21. jahrhundert<br />
g<br />
Drei Genera tionen<br />
von Häusern<br />
nebeneinander:<br />
Das «Plus-Energiehaus»<br />
des<br />
21. Jahrhunderts<br />
fügt sich in alte<br />
Bausubstanz.<br />
ff Alte Strukturen<br />
belassen, auch<br />
hier im Badezimmer.<br />
f<br />
Die Küche aus<br />
Massivholz und<br />
die Abdeckung<br />
stammen aus der<br />
Region.<br />
dd Der alte Dachstuhl<br />
im ausgebauten<br />
Estrich ist ein<br />
Bijou des Hauses.<br />
__Die bläulich schimmernde Dachfläche mit der<br />
Photovoltaik-Anlage sticht aus dem Häusermeer im<br />
Horgener Oberdorf heraus. Walter Bünter hat seine<br />
250 Jahre alte Liegenschaft an der Katzerenstrasse<br />
20 in Horgen bautechnisch und energetisch auf den<br />
neusten Stand gebracht. Das im Juni <strong>2009</strong> fertiggestellte<br />
Minergie-P-Haus erfüllt die Ansprüche an ein<br />
Haus des 21. Jahrhunderts spielend. Es ist optimal<br />
gedämmt, und seine Photovoltaik-Anlage (80 m 2 )<br />
produziert sogar mehr Energie, als die Bewohner<br />
verbrauchen. Kein Wunder, dass das «Plus-Energiehaus»<br />
den Solarpreis <strong>2009</strong> in der Kategorie Sanierungen<br />
erhalten hat.<br />
Der Umbau einer Altliegenschaft in den anspruchsvollen<br />
Minergie-P-Standard ist nicht unbedingt<br />
billig; Abbruch und Neubau wären wohl<br />
günstiger gekommen. Beim Haus Bünter wäre dies<br />
sogar möglich gewesen. Allerdings hätte ein Neubau<br />
aufgrund der Bauvorschriften viel vom kostbaren<br />
Umschwung verschlungen; die Baulinie hätte um<br />
3,5 Meter zurückgesetzt werden müssen. Für Walter<br />
Bünter kaum denkbar; als grosser Gartenfreund<br />
schätzt er es, Platz für Obstbäume, Gemüse- und<br />
Blumenbeete zu haben. Die Liegenschaft spielt für<br />
ihn auch eine biografische Rolle: Er ist im Nachbarhaus<br />
aufgewachsen. Das Haus versteht er als «Statement<br />
für die Umwelt». «Es soll die Umwelt für die<br />
nächsten 50 Jahre so wenig wie möglich belasten<br />
und energetisch weitgehend autark sein.»<br />
Passive Nutzung der Sonnenwärme<br />
Die vertikalen Sonnenkollektoren an der Südwestfassade<br />
(5 m 2 ) sichern die Warmwasserversorgung<br />
zu 60 Prozent; im Winter wird das Wasser mit dem<br />
selber produzierten PV-Strom geheizt. Grosszügige<br />
Fensteröffnungen (3-fach verglast) an der Südfassade<br />
nutzen die Sonneneinstrahlung optimal.<br />
«Masse» in Form von Lehmwänden speichert die<br />
Sonnenwärme im Hausinnern und gibt sie mit<br />
Verzögerung ab. «Scheint an einem Wintertag die<br />
Sonne, so genügt die gespeicherte Energie, um am<br />
nächsten Tag ohne aktive Heizung auszukommen»,<br />
rechnet Architekt Jörg Watter vom Büro Oikos & Partner<br />
(www.oikos.ch), Thalwil, vor. Ein Pelletsofen ist<br />
vorhanden, sollte es mehrere Tage lang stark bewölkt<br />
sein.<br />
Strom vom Dach<br />
Die PV-Anlage auf der südöstlichen Dachhälfte produziert<br />
6700 kWh oder doppelt so viel Strom, wie<br />
die Bewohner benötigen. Die Anlage ist zwar bei der<br />
KEV angemeldet, aber wegen der «Deckelung» der<br />
Fördergelder auf der Warteliste. Das lokale EW Horgen<br />
zahlt derzeit nur gerade 15 Rappen pro Kilowattstunde.<br />
«Es ist eine Frage von ein bis zwei Jahren, bis<br />
das Parlament unter dem Druck der Öffentlichkeit<br />
neu entscheiden muss», meint Watter, der auch Präsident<br />
der Schweizer Baubiologen ist.<br />
Die angesaugte Frischluft für die Komfortlüftung<br />
wird im Erdregister vorgewärmt (Winter) bzw. gekühlt<br />
(Sommer); total wurden 35 Meter Rohre in 1,5<br />
Metern Tiefe verlegt. Regenwasser wird in einem<br />
5000-Liter-Tank hinter dem Haus gesammelt. Mittels<br />
Druckerhöhung wird das Wasser ins Haus gepumpt,<br />
wo es zwei WCs und die Waschmaschine<br />
versorgt sowie den Garten bewässert. Ein neuartiger<br />
Kalkwandler mit Wasserveredelungsanlage (stromund<br />
salzlos) schützt die Installationen dauerhaft vor<br />
Verkalkung.<br />
Natürliche Dämmstoffe<br />
Für die Wärmedämmung des Hauses kamen natürliche<br />
Dämmstoffe mit tiefer grauer Energiebilanz zum<br />
Einsatz: Die Gebäudehülle wurde 24 – 40 cm dick mit<br />
Zelluloseflocken sowie mit Holzfaserplatten eingepackt,<br />
das Erdgeschoss mit 28 cm Kork. «Dank dem<br />
baubiologischen Material ist die Aussenhülle diffusionsoffen;<br />
dies sorgt für ein gutes Innenraumklima<br />
und verhindert in jedem Fall Schimmelprobleme»,<br />
erklärt Jörg Watter. Die hinterlüftete Aussenfassade<br />
ist aus sägerohem Lärchenholz. Als Referenz an die<br />
alte Bausubstanz wurde die Dachuntersicht beibehalten<br />
und mit einem Hauch von Blau versehen.__<br />
Text_Stefan Hartmann<br />
Fotos_Stefan Hartmann + Oikos<br />
<strong>casanostra</strong>_<strong>96</strong>/<strong>2009</strong>