1976 2013
thema__ ZERSIEDELUNGSINITIATIVE_5 Die Zersiedelung der Schweiz schreitet ungebremst voran. Auch das neue Raumplanungs gesetz bringt nicht die erhoffte Wende in der Boden politik. Das hat gravierende Folgen. Der Hausverein RAUMPLANUNG Früher und heute : Lufingen, Nähe Kloten Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo ( BA150271 ) Acht Fussballfelder pro Tag Faktor Schweiz unterstützt deshalb die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen. __Wo ist die Grenze zwischen Grenchen und Bettlach ? Zwischen Niederhasli und Niederglatt ? Im Mittelland wachsen die Ortschaften mehr und mehr zusammen, überall spriessen Industrieareale oder Einfamilienhausquartiere aus dem Boden. Tag für Tag wird in der Schweiz eine Fläche von acht Fussballfeldern neu überbaut. Das ist rund ein Quadratmeter pro Sekunde. Neue Einkaufszentren, Einfamilienhäuser, Strassen, Parkplätze, Industrie- und Gewerbeflächen fressen jährlich rund 31 Quadratkilometer an zumeist landwirtschaftlich genutzten Flächen weg. Nichts vermochte diese Entwicklung bisher zu stoppen; im Gegenteil, die Zersiedelung schreitet immer schneller voran. Kein Fortschritt seit 1988 Seit 1988 kämpft der Hausverein Schweiz für einen haushälterischen Umgang mit der Ressource Boden. Fast dreissig Jahre später sind die Ziele bei Weitem nicht erreicht. Immer mehr Menschen beanspruchen immer mehr Wohnfläche pro Person, und nach wie vor wuchern die Einfamilienhauszonen in die Landschaft hinaus. Darum unterstützt der Hausverein Schweiz die Initiative « Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung » . Diese von den Jungen Grünen lancierte Initiative will erreichen, was Bund, Kantone und Gemeinden bisher nicht erreicht haben : die Zersiedelung aufhalten. Möglich ist das, wie das Beispiel des Rodungsverbots im Wald zeigt : Wo Wald gerodet wird, muss er andernorts aufgeforstet werden. Das gleiche Prinzip wird nun auf das Kulturland angewandt : Wo eingezont wird, muss andernorts ausgezont werden. Die Grösse der Bauzonen wird unveränderlich. Das verändert den Blick auf die verbleibenden Flächen. Die Köche des Siedlungsbreis Man ist versucht, die Zersiedelung dem Bevölkerungswachstum zuzuschreiben. Die Zahlen aber erzählen eine andere Geschichte : Von 1985 bis 2009 wuchs die Bevölkerung um 17,5 Prozent. Gleichzeitig stieg die Fläche für Wohnbauten um 44,1 Prozent, also um das Zweieinhalbfache, die Fläche der Parkplätze explodierte gar um 55,4 Prozent. Das Bevölkerungswachstum kann daher nicht der entscheidende sein. Vielmehr ist es eine Raum- und Siedlungsplanung, die diesen Namen nicht verdient. Sie führte nicht nur zu Abertausenden von aufgereihten Einfamilienhäusern mit Umschwung, sondern auch zu einem grossen Flächenverschleiss durch die nötigen Strassen und Infrastrukturen im zersiedelten Gebiet. Zusätzlich steigt seit Jahrzehnten der Wohnflächenverbrauch an. Grosszügig Wohnen ist ein Luxus, den sich längst nicht mehr nur Villenbesitzer und Schlossherren leisten. Industrie- und Gewerbeflächen tragen ihren Teil zur Zersiedelung bei. Von den zwischen 1985 und 2009 neu geschaffenen Arealen gingen 71 Prozent auf Kosten der berühmten grünen Wiese, das heisst auf Kosten von Ackerland, Naturwiesen und weiteren Landwirtschaftsflächen. Folgen der Verschwendung Das Problem der Zersiedelung ist viel weitreichender als nur die « Verdörfelung » der Schweiz, wie sie Max Frisch schon fast liebevoll bezeichnete. Denn wie und wo wir wohnen beeinflusst nicht nur viele Bereiche des Alltags, sondern es betrifft auch zahlreiche grundlegende Fragen der Umwelt- und Sozialpolitik. > Zersiedelung führt zu einem höheren Verkehrsaufkommen, weil Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeitaktivitäten weit voneinander entfernt liegen. > Der Anteil an Automobilität ist hoch, weil auf dem Land der Takt des öffentlichen Verkehrs und das Haltestellennetz zu wenig dicht sind, als dass er eine echte Alternative sein könnte. > Mit jedem neuen Gebäude, jedem Parkplatz und jeder Strasse wird ein Stück wertvolles Landwirtschaftsland versiegelt. Versiegelte Böden sind in der Regel irreversibel zerstört. Die Zersiedelung gefährdet damit die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln. > Die Identität der Ortschaften verschwimmt. Zugehörigkeits gefühl und soziale Netzwerke leiden unter den verschwindenden Grenzen zwischen Stadt und Land, zwischen einem Ort und dem nächsten. > Die Biodiversität schwindet. Mit ein Grund sind Strassen und Siedlungen, die die Landschaft zerschneiden. Wo Lebensräume nicht mehr vernetzt sind, nimmt die Artenzahl ab. Auch fallen den Bauten wertvolle Biotope zum Opfer. Hier greift die Zersiedelungsinitiative Die effektivste Massnahme gegen eine weitere Zersiedelung ist, das noch unbebaute Land zu schützen. Die Zersiedelungsinitiative macht in diesem Punkt Nägel mit Köpfen : Die Einzonung von weiterem Bauland soll nicht mehr möglich sein, die bestehenden Reserven müssen genutzt werden, um den Bedarf an <strong>casanostra</strong>_<strong>133</strong> / <strong>2015</strong>