E_1928_Zeitung_Nr.082
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No 82 - 1328<br />
•<br />
Bunfe Chronik<br />
Ausländischer Unverstand. Nach einer Winterthurer<br />
Mitteilung hat ein zurzeit dort gaistierender<br />
Schauspieler kürzlich die Strecke<br />
fiWinterthur-Schaffhausen in 16 Minuten<br />
'durchrast. Diese hirnwütige Leistung ergibt<br />
eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100<br />
Kilometer, die umso unverständlicher ist,<br />
»als dabei nicht weniger als acht Ortschaften,<br />
die zum Teil sehr enge Hauptstrassen aufweisen<br />
und insbesondere auch Andelfingeh<br />
•mit seiner gefährlichen Kurve bei der Kirche,<br />
passiert werden mussten.<br />
Der betreffende südliche Herr scheint ob<br />
Üieser unverantwortlichen Parforceleistung<br />
noch erbaut zu sein und für deren Bekanntwerden<br />
genügend gesorgt zu haben. Sähe<br />
sich die Lokalpresse nicht veranlasse die<br />
Fahrt noch zu registrieren, so würden wir<br />
gerne darauf verzichten, diesem Ausländer<br />
noch irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
Es muss nun aber entschieden festgestellt<br />
werden, dass eine derartige Raserei<br />
alsäusserst gefährlich und unanständig sehr<br />
verwerflich ist und einem Fremden, der unsere<br />
Gastfreundschaft geniesst, umso weniger<br />
ansteht, als sie eine ganz krasse Ignorierung<br />
unserer Verkehrsvorschriften darstellt.<br />
Wenngleich diese sicher zum Teil<br />
recht veraltet sind und wohl niemand die unbedeutende<br />
Ueberschreitung des 18-km-Tempos<br />
in Ortschaften beanstanden wird, sofern<br />
die örtlichen Verhältnisse eine etwas höhere<br />
Geschwindigkeit als die des trabenden Rössleins<br />
ermöglichen, so ist doch eine derartige<br />
§chnellfahrerei jenseits von Vernunft und<br />
Einsicht. Wenn unsere südlichen Nachbarn<br />
uns besuchen, so müssen sie sich eben daran<br />
erinnern, dass sie sich nicht auf einer ihrer<br />
Autostraden befinden und dass man nicht nur<br />
im faschistischen Italien von den Fremden<br />
Rücksicht und Respektierung der einheimischen<br />
Vorschriften verlangt. Es wird wohl<br />
kaum überraschen, wenn diese Fahrt bei den<br />
Bewohnern der verschiedenen Ortschaften<br />
Unwillen erregt hat. Die Möglichkeit liegt<br />
nur allzunahe, dass diese Unvernunft nicht<br />
nur dem Fehlbaren, sondern der gesamten<br />
Automobilistengilde angekreidet wird, obwohl<br />
sich die Mehrzahl der Fahrer stets befleissigt,<br />
gerade durch anständiges Fahren<br />
die etwas ablehnende Haltung der ländlichen<br />
Bevölkerung gegenüber dem Motorfahrzeugverkehr<br />
zu beheben. Wir begrüssen den ständig<br />
zunehmenden Zustrom ausländischer Automobilisten,<br />
die unser Land beruflich oder<br />
ÄUTOMOBIL-REVUE<br />
zum Vergnügen bereisen, da der Touristenverkehr<br />
für unsere Volkswirtschaft von Bedeutung<br />
ist. Für Gäste, die das Ansehen der<br />
einheimischen Automobilisten zu gefährden<br />
drohen und zufolge ihrer Rücksichtslosigkeit<br />
zur eigentlichen Gefahr für alle übrigen sich<br />
in erreichbarer Nähe befindlichen Strassenbenützer<br />
werden, haben wir absolut kein<br />
Verständnis und wünschen nur, dass wir ihren<br />
Wagen bald an der Grenze von der Rückseite<br />
sehen.<br />
Betrüblich ist allerdings auch, dass solche<br />
Fahrten -ungestraft gemacht werden können<br />
und sich der Betreffende nachträglich noch<br />
unbesorgt seines Rowdytums rühmen kann.<br />
Dem biederen Schweizerfahrer passt man<br />
hinter Scheunentoren und,Büschen ab, um<br />
Geschwindigkeitsübertretungen von einigen<br />
Kilometern mit gesalzenen Bussen zu ahnden,<br />
während Fremde sich derartige Extravaganzen<br />
leisten können. Es beibt nur zu hoffen,<br />
dass — sofern Winterthur noch längere Zeit<br />
den Besucher beherbergen sollte — die Polizeiorgane<br />
in der näheren und weiteren Umgebung<br />
einen weiteren Unfug dieser Art zu<br />
verhindern oder doch wenigstens zu quittieren<br />
wissen. Z.<br />
Deutschlands Automobilbestand. Der Gesamtbestand<br />
an Motorfahrzeugen hatte am<br />
1. Juli <strong>1928</strong> in Deutschland fast die erste Million<br />
erreicht. Ueber die Zahl der registrierten<br />
Fahrzeuge der verschiedenen Kategogorien,<br />
sowie über deren Zunahme innerhalb<br />
Jahresfrist orientieren folgende Angaben:<br />
Bestand am 1. Juli <strong>1928</strong> Juli 1927<br />
Personenauto-mobile 351380 267 775<br />
Lastautomabile 121765 100 970<br />
Motorräder 438 290 295190<br />
Traktoren 21S80 15 970<br />
Total 934 315 679 905<br />
Di© Zunahme an Motorfahrzeugen betrug<br />
demnach total 37 Prozent. Am bedeutendsten<br />
haben sich die Motorräder vermehrt, von<br />
welchen 47 Prozent mehr zirkulieren als letztes<br />
Jahr. Die Personenwagen weisen eine<br />
Zunahme von 31 Prozent auf.<br />
Nachdem gerade in den Sommermonaten<br />
das Automobil- und Motorradgeschäft ein<br />
sehr lebhaftes ist, kann mit Sicherheit angenommen<br />
werden, dass zurzeit die erste Million<br />
an Motorfahrzeugen bereits überschritten<br />
ist. Demnach verfügte am Stichtag jeder<br />
69. Bewohner Deutschlands über ein<br />
Kraftfahrzeug, welches Verhältnis beim Erreichen<br />
der Millionengrenze sogar auf 65 heruntergeht.<br />
Welchen Aufschwung das Motorfahrzeugwesen<br />
in unserem Nachbarstaat genommen<br />
hat, mag folgender Vergleich illustrieren,<br />
wonach<br />
1924 auf je 700 Personen ein Motorfahrzeug,<br />
1926 auf je 109 Personen ein Motorfahrzeug,<br />
1927 auf je 87 Personen ein Motorfahrzeug<br />
entfiel.<br />
Wenn diese Entwicklung im gleichen Tempo<br />
weitergeht, dann wird Deutschland in verhältnismässig<br />
kurzer Zeit alle übrigen europäischen<br />
Staaten bezüglich der Fahrzeugdichtigkeit<br />
überflügelt haben. Z.<br />
Autorisierte Salons. Das Internationale<br />
permanente Bureau hat die Beschickung für<br />
den Salon von Genf (15.—24. März 1929), von<br />
Barcelona (1.—11. Mai 1929) und Budapest<br />
(17.—26. Mai 1929) freigegeben. v.<br />
JkuiiE cB^m*<br />
Eine gute Einnahmequelle. Man schreibt<br />
uns :<br />
Es wird in letzter Zeit öters über den sistemaüschen<br />
Bussenfang in gewissen Bergkantonen geklagt<br />
und das mit Recht. Angesichts der schwierigen<br />
Finanzlage dieser Kantone, ist es wenn auch<br />
nicht entschuldbar, so doch z. T. begreiflich, dass<br />
die Automobilisten nach Möglichkeit gerupft werden,<br />
da dies eben Geld einbringt.<br />
Weit bedenklicher aber ist es, wenn das gleiche<br />
System in fortschrittlich sein wollenden Städten angewendet<br />
wird. So betreibt z. B. die Stadt Baden,<br />
an der Bruggerstrasse eine sehr einträgliche Bussenfalle,<br />
die es speziell auf Lastwagen abgesehen<br />
hat. Da man eine bereits neue Brückenwage hat<br />
die ebenfalls gut rentieren sollte wird jeder verdächtige<br />
Wagen auf diese Brückenwage dirigiert und<br />
in Anwendung des § 51 des M. F. K., welch letzterer<br />
weder von Eidgenössischen, Kantonalen und<br />
auch nicht von Gemeindeverwaltungen beobachtet<br />
wird, bestraft sofern das Bruttogewicht des Wagens<br />
9000 kg übersteigt. Da der grösste Teil der Lastwagen<br />
ein Eigengewicht von 5—6 t. hat und dementsprechend<br />
mit 4—5 t Nutzlast beladen wird, ist<br />
man zum vorneherein einer schönen Anzahl Opfer<br />
sicher und bringt diese Kontrolle! eine Geldeinnahme,<br />
die sonst selten durch Polizisten eingebracht<br />
wird.<br />
Das Bezirksgericht Baden, das sich begreiflicherweise<br />
öfters mit diesen Bussenfällen zu befassen<br />
hat, brachte es diesen Sommer fertig, einen Chauffeur,<br />
dessen Wagen 9700 kg Bruttogewicht aufwies,<br />
also kaum etwas mehr als 4 t Nettogewicht, mit<br />
über 30 Fr. Busse und Kos tau (inkl. Wieggebühr!)<br />
zu beglücken, sowie Androhung von 2 Tagen Gefängnisstrafe.<br />
Der Beklagte betonte in seiner Beschwerdeschrift,<br />
dass der Lastwagen mit 5000 kg Nutzlast<br />
von der kantonalen Fahrzeugkontrolle geprüft sei<br />
und entsprechend der Motorstärke auch hoch besteuert<br />
werde. Zudem biete der auf Pneus laufende<br />
Wagen trotz des höheren Eigengewichts der<br />
Fahrstrasse weit besseren Schutz als der ältere,<br />
zwar leichtere, aber noch auf Vollgummi laufende<br />
Kollege, und es sei eine Ungerechtigkeit, dass derjenige,<br />
der Fahrzeuge in den Verkehr setzt, die<br />
allen modernen Anforderungen entsprechen, seine<br />
Fahrzeuge mit geringerer Nutzlast beladen müsse<br />
als derjenige, der einen alten Karren in Verkehr, \<br />
bringt.<br />
Die grösste Ungerechtigkeit besteh© jedoch darin^<br />
dass nur der steuerzahlende Motorfahrzeugbesitzer; ^<br />
dieser Schikaniererei unterstellt werde, währenddem ä<br />
die Lastwagen der kantonalen Bauverwaltung mit,<br />
11 bis 12 000 kg Bruttogewicht fast täglich clioj<br />
Stadt passieren und die Postverwaltung Personen-,'<br />
wagen mit 12 bis 13 t Bruttogewicht durch die-i<br />
Stadt führe. Entweder ist es unerlaubt, Fahrzeuge!<br />
mit solchen Bruttolasten in Verkehr zu setzen, dann!*<br />
hätten sich auch staatliche und kommunale VcrwaKi<br />
tungen darnach zu richten, oder wenn solche Fahr- 1<br />
zeuge weder strassenschädigend noch verkehrsge-v.<br />
fährdend sind — und dies wird man doch z. B*j<br />
von den Fahrzeugen der Postverwaltung erwarteaj<br />
dürfen —, warum werden dann derart widersinnige,,<br />
veraltete Paragraphen für den privaten Lastwagenbesitzer<br />
in Anwendung gebracht ? Kann da noch in!<br />
Abrede gestellt werden, dass derartige Kontrollen<br />
etwas anderes seien als eine blosse Gel dm acherei ?•<br />
In der Verhandlung gab das Gericht zu, dass<br />
es nicht gerecht sei, für eine derart niedrige Gesetzesübertretung<br />
eine Busse auszufällen, dagegen<br />
müsse im Interesse der Verkehrssicherheit dieser<br />
Paragraph strike gehandhabt werden. Infolgedessen!<br />
wurde vorerwähnte Bussenverfügung bestätigt und<br />
dem Beklagten eine Staatsgebühr von 10 Fr. imd<br />
die Kosten des Verfahrens auferlegt.<br />
Ob eine derartige Praxis das Ansehen einer Be-*<br />
hörde erhöht, bleibe dahingestellt. m.<br />
Seifsame Zustände. Man schreibt uns: Di<br />
beklagt sich jemand in Nummer 79 der Automobil-<br />
Revue, dass er in Kandersteg wegen unerlaubten.<br />
Parkierens gebüsst worden sei und findet die dortigen<br />
Zustände höchst sonderbar.<br />
Zufällig kennen wir Kandersteg ziemlich genau.<br />
Das betreffende Strassenteilstück, das in<br />
Frage kommt, ist eng, wie das bei Bergötrassen»<br />
die nicht für die heutigen Verkehrsverhältnisse ge*<br />
baut worden sind, vorkommt. Zudem wird die<br />
Sicht durch schöne, alte Bäume, die hoffentlich<br />
noch recht lange erhalten bleiben, beengt. Schliess-'<br />
lieh mündet gerade hier die Bahnhofstrasse recht*<br />
winklig ein, was einen recht lebhaften Verkehr bedingt.<br />
Das sind alles triftige Gründe, die eine» ><br />
auch nur etwas automobilistisch Denkenden ver-s<br />
anlassen sollten, seinen Wagen nicht gerade an<br />
dieser Stelle stundenlang stehen zu lassen. Da e3<br />
aber immer eine Menge Fahrer gibt, die auf örtliche<br />
Verhältnisse keine Rücksicht zu nehmen vermögen,<br />
sah sich die Gemeinde veranlasst, dieses<br />
Strassenstück, bevor ein Unglück geschah, mit<br />
Parkverbot zu belegen. Zu diesem Zweck wurden<br />
an der Strasse zwei schöne rote Tafeln angebracht,<br />
mit dem kleinen Schildchen «Parkverbot»<br />
versehen. Diese Tafeln stehen seit dem Frühjahr<br />
und wenn es nun doch noch Fahrer gibt, die sich<br />
um solche lokale Vorschriften nicht kümmern wollen,<br />
sondern ihre Wagen zwischen diesen Tafeln,<br />
aufstellen, so finden wir das höchst seltsame Zustände.<br />
Wenn dann noch von Bussenfalle go-