E_1929_Zeitung_Nr.050
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III. Blatt<br />
BERN, 7. Juni <strong>1929</strong><br />
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III. Blatt<br />
BERN, 7. Juni <strong>1929</strong><br />
Die Tragik der Niveauübergänge<br />
Wie wir bereits in letzter Nummer der «Automobil-Revue»<br />
meldeten, ereignete sich letzten<br />
Samstag ein äusserst beklagenswerter -Unfall dem<br />
Hr. Dr. med vet. Siegfried von Thaclwil in Rüschlikon<br />
zum Opfer gefallen ist. Bekanntlich hat<br />
sich vor knapp zwei Jahren ein ähnliches tragisches<br />
Unglück am nämlichen Bahnübergang ereignet,<br />
bei welchem Anlass schon aus Verkehrsund<br />
Bevölkerungskreisen auf die Gefährlichkeit<br />
dieser Passage aufmerksam gemacht worden war.<br />
Ein Augenschein der Unglücksstelle ergab die bedauerliche<br />
Tatsache, dass die Bundesbahnen aus<br />
dem ersten Unfall keine Lehre irgendwelcher Art<br />
gezogen haben. Obwohl das Bahntrasse sehr unübersichtlich<br />
und der freie Blick beidseitig gehemmt<br />
ist, fehlt es ausser der Barriere, die man<br />
erst im letzten Augenblick auf eine Distanz von<br />
knapp 50 Metern erblickt, an jedem Anzeichen<br />
irgendwelcher Art, dass die Strasse über die Bahngeleise<br />
führt. Von der Seeseite her kommend, verdeckt<br />
rechter Hand ein überhöhter Garten mit<br />
Obstbäumen und einer Grünhecke gegen das Bahntrasse<br />
hin die Aussicht auf den Schienenkörper,<br />
•während links ein mehrstöckiges Wohnhaus, das<br />
auf den Bildern ersichtlich ist, das Geleise verdeckt,<br />
bis der ,Fahrer unmittelbar auf der Höhe<br />
der Barriere angelangt ist. Noch unerfreulicher<br />
sind die Verhältnisse bergseits. Die Strasse mündet<br />
in einer Kurve in den Mveauübergang. ein,<br />
wobei ein Hügel die Aussicht vollständig verdeckt<br />
und eine Tannengruppe rechts auch in nächster<br />
Nähe der Barriere den Ausblick auf die Schienen<br />
noch verunmöglicht. Man hätte nun füglich nach<br />
den früheren Ereignissen erwarten dürfen, dass. in<br />
angemessener Distanz Warnungstafeln und weiterhin<br />
akustische oder optische Signale aufgestellt<br />
worden wären, aber es fehlt, wie gesagt, an der<br />
primitivsten Signalisierung. Dergestalt muss es<br />
nicht wundern, wenn selbst bei geschlossenen Barrieren<br />
ein Unglück passiert, da es besonders von<br />
der .Bergseite her dem Fahrzeugführer erst in<br />
letzter Sekunde bewusst werden kann, dass eine<br />
verkenrsgefährliche Stelle zu passieren ist, wobei<br />
ihm nur noch eine ungenügende Distanz zum<br />
Bremsen verbleibt.<br />
Nachdem am Unglückstag die Barriere zudem<br />
aus bisher noch nicht abgeklärten Gründen offen<br />
blieb, obwohl ein Zug fällig war, bedurfte es nur<br />
noch. des unglücklichen Zusammenwirkens einiger<br />
Umstände, um den tragischen Unfall herbeizuführen!.<br />
'Wir wollen der Untersuchung nicht vorgreifen-,<br />
doch kann wohl mit Sicherheit angenommen<br />
werden, dass die Bahn zu einer beträchtlichen Entschädigung<br />
herangezogen werden dürfte. Wir<br />
fragen uns, ob nach den bisherigen an diesem<br />
Uebergang gemachten Erfahrungen, die Bahnverwaltung<br />
nicht eine finanziell vorteilhaftere Anlage<br />
mit der Errichtung von umfassenden Warnungsapparaten<br />
gemacht hätte, als nun event. beträchtliche<br />
finanzielle Leistungen an die betroffene Familie<br />
machen zu müssen, die zudem den Verlust des<br />
Familienvaters doch nie zu decken vermögen.<br />
Wenn auch die Beseitigung von Bahnübergängen<br />
gerade an solchen Orten, Aufwendungen erfordern<br />
würde, welche die Bahn zurzeit vielleicht noch<br />
nicht zu machen in der Lage ist, so hätte auf alle<br />
Fälle unbedingt erwartet werden dürfen, dass sie<br />
den ersten schweren Unfall als genügend<br />
deutlichen Fingerzeig erachtete, um wenigstens<br />
die Unfallgefahr durch geeignete Massnahmen<br />
zu 1 vermindern. Es drängt sich nun die unbedingte<br />
Notwendigkeit einer Besserung der<br />
Dinge bei diesem Uebergang auf und wäre es<br />
nur gerechtfertigt, wenn die Bahn von Gerichts<br />
wegen angehalten würde, umgehend Abhilfe zu<br />
schaffen. Schliesslich kann die Allgemeinheit nicht<br />
dulden, dass sie einfach vom guten Willen der<br />
Bahn abhängig und auf Gnade oder Ungnade dem<br />
Entscheid der Verwaltung ausgeliefert wird, diet<br />
nur von sich aus bestimmen soll, ob sie nach er«<br />
folgten Unfällen etwas zu deren zukünftiger Vermeidung<br />
vorkehren will oder nicht. Das Publikum<br />
muss dadurch einseitige und ungebührliche Risiken:<br />
auf sich nehmen, deren Beseitigung vielfach weni-i<br />
ger grosse Mittel, als einfach das aufrichtige Bestreben,<br />
offensichtliche Missstände zu beseitigen, eri<br />
fordert.<br />
In diesem Zusammenhang darf man sich gerada<br />
glücklich schätzen, dass die neue bundesrätlicha<br />
Verordnung über den Abschluss und die Signali-«<br />
sierung der Niveaukreuzungen, endlich herausge-><br />
kommen ist. Auf diese Weise werden die Bahnverwaltungen<br />
wenigstens angehalten, ein Minimum an<br />
Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Dass aber gerada<br />
für bewachte Uebergänge selbst die neuen Vorschriften<br />
ungenügend sind, illustriert der Fall ia<br />
Rueschlikon. Die Sicherung des Bahnüberganges<br />
durch Barrierenschluss hat deshalb versagt, weil<br />
ein Signalapparat, mit welchem dem Bahnwärter<br />
das Signal zum Schliessen der Barrieren gegeben<br />
wird, abgelaufen war und es unterlassen wurde,,<br />
dessen Uhrwerk wieder aufzuziehen. Wenn man<br />
bedenkt, dass an jener Stelle täglich mehr als 100<br />
Züge verkehren, so muss man sich an den Kopf<br />
•SfvV^I-K<br />
^S^T^SSS^^SSIS^- BeSÄ 9 ' Ä Ä S a ^ Ä ^ ^W*»****f^** Bergseite he,' Aus der Aufnahme geht deutlich ner-vor, wieset<br />
Schienen ist ein Ausblick auf die Geleise unmöglich. Man erkennt auch, wie unübersichtlich die ' "i einer-Entfernung von kaum 50 Metern^noch nichts auf den Niveauübergang hindeutet, .,<br />
Anfahrt ebenfalls von der anderen Seite her ist.<br />
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