E_1929_Zeitung_Nr.065
E_1929_Zeitung_Nr.065
E_1929_Zeitung_Nr.065
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bern, Dienstag 30. Juli <strong>1929</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 65<br />
Im heutigen<br />
„Autler-Feierabend":<br />
Seite<br />
Kleine Geschichten 14<br />
Die Seite der Frau 15<br />
Die Kur 15<br />
Die Modo von Longchamp« 15<br />
Sie erzählt 15<br />
Tourismus 16<br />
Sprechsaal 16<br />
Kreuzwort 17<br />
Das<br />
Märchen von den<br />
drei Fliegen.<br />
Von Mark Twain.<br />
Es war einmal eine alte Fliegenmutter, die<br />
hatte zwei prächtige Töchter, die sie von<br />
ganzem Herzen liebte. Eines Tages, auf einem<br />
Ausflug, kamen sie am Laden eines<br />
Zuckerbäckers vorbei und die älteste Tochter<br />
bat: Mama, darf ich einmal ein bisschen<br />
von jenem schönen roten Bonbon kosten ?»<br />
Die Mutter erlaubte es und glückselig und<br />
wonnetrunken setzte sich die kleine Fliege<br />
auf den herrlichen Bonbon. Auf einmal zuckten<br />
ihre Flügel und sie fiel tot herab. Der<br />
schöne Bonbon war giftig, denn er war ein<br />
Erzeugnis des amerikanischen Bonbontrusts.<br />
Der armen Fliegenmutter blieb nur die eine<br />
Tochter und diese umgab sie mit der ganzen<br />
Liebe, Zuneigung und Zärtlichkeit, deren sie<br />
fähig war. Das jüngste Töchterlein begehrte<br />
eines Tages an einem Wurstgeschäft halt zu<br />
machen, wo eine herrliche Wurst noch herrlichere<br />
Düfte entsandte. Mutter und Tochter<br />
setzten'sich nieder, und während die Mutter<br />
noch schnell die Flügel putzte, naschte das<br />
Töchterlein von der Wurst. Aber kaum hatte<br />
es einen kleinen Happen hinuntergeschluckt,<br />
als es unter schrecklichen Zuckungen verendete.<br />
Die Wurst war giftig, denn sie stammte<br />
vom Trust amerikanischer, Wurstfabrikanten.<br />
Diesen Schmerz glaubte die bedauernswerte<br />
Fliegenmutter nicht überleben zu können<br />
und sie beschloss, ihrem freudlosen Leben<br />
ein Ende zu bereiten. Deshalb frass sie<br />
gierig und grosse Mengen von einem Fliegenpapier.<br />
Aber der Tod, den sie herbeisehnte,<br />
kam nicht. Das Fliegenpapier war<br />
ungefährlich, denn es stammte vom amerikanischen<br />
Fliegenpapiertrust.<br />
(Deutsch von Q. Schake.)<br />
Der Fall Cranmore<br />
Fortsetzung aus dem Hauptblatt<br />
tFreilich will ich, Inspektor.»<br />
Seine Stimme erhob sich kaum zu einem<br />
Flüstern, aber sie war deutlich, und sein Bewusstsein<br />
schien klar. Mit schwachen Fingern<br />
nestelte er an seinem Hemd.<br />
«Fahren Sie da mit der Hand herein —<br />
im Futter der Weste ist eine Tasche... da<br />
drin...»<br />
Manderton zog ein langes, schmales, verschnürtes<br />
Päckchen heraus und öffnete es<br />
auf einen Wink des Sterbenden. Ein wundervolles<br />
Diamantenhalsband funkelte in seiner<br />
Hand.<br />
Ein klägliches Lächeln spielte um Ramons<br />
Mundwinkel.<br />
«Mit mir ist's aus. Ich hab mich nie viel<br />
um Religion oder solche Sachen gekümmert,<br />
aber mit einer Lüge möchte ich auch nicht<br />
sterben. Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist<br />
die Wahrheit! Die verwünschten Steine in<br />
Ihrer Hand haben mich so weit gebracht.<br />
«Hören Sie zu! Carmen war mein Weib.<br />
Ich traf sie auf der Kunstschule. Damals war<br />
ich verheiratet und schon bekannt als der<br />
Nach der Vorstellung.<br />
Wir hatten eine jener spannenden und geheimnisvollen<br />
Kriminalgeschichten gesehen,<br />
die von den modernen Theatern so wirkungsvoll<br />
aufgeführt werden, und wir waren gerade<br />
wieder nach Hause gekommen.<br />
Unsere Heldin war betäubt und in ein unterirdisches<br />
Verliess gesperrt worden. Der<br />
Befreier hatte sich in unglaubliche Gefahren<br />
gestürzt. Eine verwirrende Menge hatte geoder<br />
erschossen. Von Zeit zu Zeit waren<br />
mysteriöse Hände durch den Vorhang gedrungen,<br />
um das Licht auszuschalten. Die dadurch<br />
entstandene Dunkelheit war von haarsträubenden<br />
Schreien erfüllt.<br />
Wir Hessen uns, immer noch schaudernd,<br />
mit einem Glase Tee am Kamin nieder.<br />
«Es war recht unterhaltend, nicht wahr?»<br />
fragte ich.<br />
Aber Julia antwortete nicht. Sie sass und<br />
horchte gespannt.<br />
«Hörst du, wie merkwürdig es ist auf dem<br />
Dache?» flüsterte sie.<br />
Ich lauschte. «Nein, das ist der Regen.»<br />
«Ja, wahrscheinlich!» sagte Julia mit tiefem<br />
Seufzer.<br />
Kurzes Schweigen. Dann zeigte Julia dramatisch<br />
auf den Vorhang. «Ich möchte wetten,<br />
er hat sich eben bewegt!» hauchte sie,<br />
«bitte, sieh doch mal nach, ob nicht jemand<br />
dahinter steckt.»<br />
Ich sah nach. Niemand war da. Julia seufzte<br />
wieder.<br />
Dann schwieg sie eine Weile und fragte:<br />
«Sag mal, hast du einen Feind? Ich meine<br />
nicht einen Menschen, der dir den Platz in<br />
der Bahn streitig machtx — ich meine einen<br />
richtigen, gewalttätigen Feind, der dir das<br />
ganze Leben lang nachschleicht und auf eine<br />
Gelegenheit lauert, sich zu rächen.»<br />
«Ausgeschlossen!» sagte ich.<br />
Wieder seufzte Julia.<br />
«Aber vielleicht' hattest' du einen Teicheirt<br />
Onkel, der auf geheimnisvolle Weise starb<br />
und dessen Testament niemals gefunden<br />
wurde?»<br />
• «Nein,» sagte ich, «auch das nicht. Onkel<br />
Jakob starb an einem Leberleiden und in<br />
seinem Testament vermachte er alles einer<br />
wohltätigen Anstalt für Tiefseefischerei.<br />
Seine Krankheit war nicht geheimnisvoll und<br />
auch das Testament ist von niemand beanstandet<br />
worden.»<br />
geschickteste Juwelendieb in den Vereinigten<br />
Staaten. Auch in Europa war .ich gewesen<br />
und hatte einige grosse Fischzüge gemacht...<br />
In Paris fand ich heraus, dass ich<br />
Talent zum Malen hatte, und ein Künstler,<br />
den ich kannte, redete mir zu, mich dranzuhalten.<br />
So kam ich in die Kunstschule. Alles<br />
ging damals so furchtbar leicht. Aber Carmen<br />
wusste nur von der einen Seite meines<br />
Lebens, auch nicht, dass ich schon verheiratet<br />
war...<br />
Ich hatte auf Scheidung gerechnet, um<br />
Carmen heiraten zu können. Aber im letzten<br />
Augenblick weigerte sich meine Frau. Weiss<br />
Gott, dass ich's mit Carmen ehrlich meinte!.<br />
Aber ich konnte sie nicht aufgeben, als mich<br />
meine Frau nicht losliess. Sie war so süss<br />
und so rein... hätten wir uns früher getroffen,<br />
so würde alles anders geworden sein ...<br />
«Unsere Heirat hielten wir geheim. Ich<br />
sagte ihr, es müsse so sein, und das arme<br />
Ding hatte solches Vertrauen in mich! Jeder<br />
von uns behielt sein Atelier, und niemand<br />
erriet etwas. Von Zeit zu Zeit gab's einen<br />
Schlag in einem Hotel, einen sicheren Diebstahl<br />
oder etwas Aehnliches. Als ich Carmen<br />
heiratete, wollte ich das alles aufgeben.<br />
Aber wenn man einmal drin ist...<br />
«Drei Jahre lang waren wir sehr glücklich.<br />
Ich blieb beim Malen, weil ich Freude<br />
Von Richmal Crompton.<br />
Aber Julia schien sich für Onkel Jakob<br />
nicht besonders zu interessieren und so sagte<br />
ich nichts weiteres über ihn.<br />
«Ist es dir denn gar nicht aufgefallen,»<br />
sagte' sie langsam, «dass uns heute abend,<br />
als wir nach Hause gingen, jemand nachging?»<br />
«Nein!»<br />
«Ein Mann», sagte Julia mit belegter Stimme,<br />
«folgte uns auf dem ganzen Wege. Ich<br />
hörte seine Schritte immer dicht hinter uns.»<br />
«Ja, das war der alte Robinson. Er wohnt<br />
doch nebenan!»<br />
«Es hätte aber auch ebensogut jemand sein<br />
können, der vorgab, Herr Robinson zu sein!»<br />
«Natürlich hätte das sein können,» sagte<br />
ich, «aber es war nicht der Fall. Er rauchte<br />
eine der Zigarren, die Frau Robinson ihrem<br />
Mann immer zu Weihnachten schenkt. Kein<br />
anderer Mann könnte sie vertragen.»<br />
Julia beugte sich in ihrem Sessel nach<br />
vorn. «Hör nur, das war ein Schrei!»<br />
Ich hatte ihn auch gehört. Bei Tage hätte<br />
ich ihn natürlich sofort erkannt. Ich merkte<br />
auch jetzt, dass er von einem Tierchen mit<br />
unschuldigem Blick und weisser Brust herrührte,<br />
das den ganzen Tag auf der Türschwelle<br />
sitzt und sich putzt. Das machte ich<br />
Julia begreiflich.<br />
«Du hast vielleicht recht,» sagte sie seufzend.<br />
Aber einen Augenblick später fuhr sie wieder<br />
zusammen. «Was war das?» stiess sie<br />
hervor.<br />
«Was denn?»<br />
«Dieser seltsame gurgelnde Ton. Es klang,<br />
als ob jemand geknebelt würde und nicht<br />
mehr um Hilfe schreien könnte.»<br />
«Das ist das Wasser in den Röhren der<br />
.ifiampfheizung... Hast du das noch, nie gehört?»<br />
Nach abermaligem Schweigen sagte Julia:<br />
«Bist du wirklich ganz sicher, dass niemand<br />
auf dem Dache ist?»<br />
«Ganz sicher!»<br />
«Oder hinter dem Vorhang?»<br />
«Niemand!»<br />
«Und du hast ganz gewiss keinen schrecklichen<br />
Feind, der dir Rache geschworen hat<br />
oder dir nach dem Leben trachtet?»<br />
dran hatte, und dann musste ich doch auch<br />
Carmen was vorweisen können für das viele<br />
Geld, das ich nach Hause brachte. Dann fassten<br />
sie mich wegen dieser Pittsburg-Geschichte<br />
...»<br />
Ramon schwieg einige Sekunden lang und<br />
rang nach Atem.<br />
«Ich tat's wirklich nur des Sportes wegen,<br />
denn ich wusste, dass solche Steine schwer<br />
zu verkaufen sein würden. Kein Hehler in<br />
New York wollte damit etwas zu tun haben,<br />
«Nein, keinen!»<br />
«Und auch wirklich keinen Onkel, der auf<br />
unerklärliche Weise umgekommen ist und<br />
dessen Erbe du bist?»<br />
«Nein!»<br />
«Und uns ist niemand in böser Absicht<br />
nachgegangen?»<br />
«Niemand!»<br />
«Und die Geräusche da drüben waren von<br />
der Katze und der Heizung?»<br />
«Ja!»<br />
Wie lange, o Mann, •willst du die Tyrannei der<br />
Modo ertragen ?<br />
Der Garten liegt dem Dunkel hell entrissen,<br />
Die Paare wandeln zwischen Busch und<br />
ISträuchern —i<br />
Die weiten Nischen locken uns zum Küssen<br />
Und fremdgeformte Schalen räuchern<br />
Betäubenden Geruch in unser Hirn.<br />
Mir kühlt der Wind die müde Stirn,<br />
Und einen Pulsschlag lang verebbt mein Blut,<br />
Verwundert und geheimnisvoll berührt,<br />
Um dann mit neuerwachter Wut<br />
Tief in den Lärm des Fests zu tauchen,<br />
Das mich begeistert und verführt.<br />
Ko.<br />
zerquetschten Körper war ein Vorrat von<br />
Lebenskraft, der ihn noch aufrecht hielt.<br />
weil die Versicherungsgesellschaften Hölle «Acht Jahre gaben sie mir,» fuhr die flü-<br />
Stimme fort. «Nie zuvor war ich im<br />
und Teufel in Bewegung setzten. So ver-sterndsteckte<br />
ich einstweilen die Halskette in ei-Gefängninem ausgehöhlten Fuss des gelben Diwans, wahnsinnig werden. Für Carmen hatte ich<br />
gewesen und glaubte, ich würde<br />
auf dem Carmen zu schlafen pflegte. Ich war gelebt, und Carmen war nicht da...<br />
sicher, dass sie sich niemals davon trennen Sie kam niemals wieder. Sie schrieb nicht,<br />
würde, war er doch unser Hochzeitsbett. und meine Briefe an sie erhielt ich uneröffnet<br />
zurück. Ich konnte nicht daran glauben,<br />
«Brady fasste mich in New York. Meine<br />
erst© Frau verriet mich an die Polizei. Das dass sie mich aufgegeben hätte! Und ich<br />
halte ich ihr verzeihen können, aber sie wusst© nicht, was aus ihr geworden war.<br />
brachte die Sache mit Carmen heraus und Acht lange -Jahre... acht Jahre einer<br />
erzählte ihr von meiner früheren Heirat. Doch Qual...!<br />
das alles erfuhr ich erst neulich, als ich aus Dann war's überstanden, und sie warfen<br />
dem Zuchthaus kam.<br />
mich heraus ohne einen Pfennig, ohne irgendeine<br />
Aussicht, nur mit meinen Erinne-<br />
«Carmen besuchte mich im Untersuchungsgefängnis.<br />
Nie werde ich diese Zusammenrungen<br />
an die Vergangenheit. Mein Ent-<br />
kunft vergessen. Jetzt weiss ich, dass sie<br />
damals von meinem Betrug wusste, aber sie*<br />
sprach kein Wort darüber. Keine Silbe des<br />
Ach diese<br />
Hitze...!<br />
Sommerliches Fest,<br />
Vorwurfs, weder über mein Betragen gegen<br />
sie, noch wegen des Lebens, das ich geführt<br />
hatte. Ruhig und praktisch wie immer erzählte<br />
sie mir, dass sie einen Rechtsanwalt<br />
zu meiner Verteidigung genommen hätte.<br />
Dann ging sie; und ich hab sie nicht mehr<br />
gesehen, bis kürzlich in Quayres Atelier...»,<br />
Seine Stimme wurde immer schwächer.<br />
Offenbar war das Ende nahe, aber in seinem<br />
schluss war gefasst. Ein ganz grosser Spitzbube<br />
wollte ich werden, und das Halsband<br />
sollte mir dazu behilflich sein!<br />
3. AUGUST<br />
II. INTERNATIONALE<br />
AUTOMOBIL-SCHÖNHEITSKONKÜRRENZ<br />
AS SCHWEIZER-SEEBAD<br />
LIDO