E_1929_Zeitung_Nr.086
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N» 86 — <strong>1929</strong><br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
I<br />
BDBEE<br />
Unsere Zeit, die im Zeichen der Emanzipation<br />
der Frau steht, die sie von den Sklavenketten<br />
einer jahrhundertealten körperlichen<br />
und geistigen Klausur befreit, hat ihr auch<br />
das Reich des Sportes erschlossen, in dem<br />
sie ebenso wie ihre männlichen Kameraden<br />
Erholung und Stärkung findet. Ist schon bei<br />
den Männern die oft wahnsinnige Rekordsucht<br />
nur Mittel zum Zweck, dem Sport eine<br />
wirksame Propaganda zu bereiten, so ist die<br />
im Menschen tief verankerte Selbstsucht,<br />
seine Nebenmenschen auf irgendeine Art zu<br />
übertreffen, vielleicht bei der Frau noch stärker<br />
zu finden, da bei ihr die Eitelkeit als<br />
Triebfeder oft grössere Wirkungen zeitigt,<br />
als Ehrgeiz und Kraftbewusstsein beim Manne<br />
zu vollbringen vermögen.<br />
Das Leitmotiv der modernen sportlichen<br />
Kultur : die Erziehung zur körperlichen und<br />
geistigen Harmonie, hat für die Frauen noch<br />
eine wesentlich tiefere Bedeutung als für den<br />
Mann, der ja in seinem Körperbau atavistische<br />
Rudimente aus jener Urzeit ererbt hat,<br />
wo er den Kampf ums Dasein mit der Muskelkraft<br />
seiner Arme austragen musste. Dem<br />
Ziele der Sportbewegung der Frau sind die<br />
Grenzen von der Natur im anatomischen Bau<br />
ihres Leibes festgelegt, die zu überschreiten<br />
es nur Amazonen einfällt, die ihre höchsten<br />
Ideale in der Vermännlichung ihres Körpers<br />
suchen. Die Kurve der Leistungsfähigkeit der<br />
Frau in manchen Sportzweigen hat bereits<br />
die Regionen erreicht, die noch vor einigen<br />
Jahrzehnten der Stolz ihrer männlichen Kollegen<br />
waren. Allerdings hat sich im Laufe<br />
der Jahre die Technik der Sportausübung<br />
derart vervollkommnet, dass die meisten<br />
Höchstleistungen sprunghaft verbessert wurden.<br />
Die letzten Olympischen Spiele in Amsterdam,<br />
wo ein vielsprachiges Heer von modernen<br />
Amazonen vor die grosse Oeffentlichkeit<br />
trat, hatten die sportliche Eignung der Frau<br />
vor dem Forum der ganzen Welt zur Debatte<br />
gestellt. Das physische Debakel einiger Teilnehmerinnen<br />
des 800-Meter-Laufes war für<br />
engstirnige Kritiker Grund genug, dem<br />
Frauensport einen Schwanengesang anzustimmen,<br />
während diese Episode, schreibt R.<br />
Brun in einem Wiener Blatt, nur als Beweis<br />
dafür anzusehen ist, dass für die Durchschnittsfrau<br />
die Grenzen des Sportes von<br />
Natur aus gezogen sind.<br />
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Die Frau und der Sport<br />
Die Frau, der ja im allgemeinen jene<br />
Sportzweige nicht liegen, die in erster Linie<br />
auf Kraft und Ausdauer aufgebaut sind, ist<br />
gerade für jene Gebiete der körperlichen Betätigung<br />
prädestiniert, in denen der Rhythmus<br />
der eleganten und harmonischen Linienführung<br />
ausschlaggebend ist. Dies ist vor<br />
allem im Eiskunstlauf, Tennis, aber auch in<br />
vielen anderen Sportzweigen von eminenter<br />
ästhetischer Bedeutung. Eigentlich ist ja auch<br />
der Sport der Frau eine Art Tanz der Glieder,<br />
wo Haltung des Körpers und Rhythmus<br />
der Bewegungen stets miteinander harmonieren<br />
sollen. Suzanne Lenglen in Aktion war<br />
nicht nur die beste Tennisspielerin der Welt,<br />
sondern auch das Weib, das den Hexentanz<br />
meisterte, bei dessen Anblick auch die kühlsten<br />
Männerherzen leise erschauerten, obwohl<br />
die göttliche Suzanne in Ruhestellung sicherlich<br />
keine Helena ist.<br />
Die weiblichen Stars der Schlackenbahn,<br />
der Courts, des Schwimmens, des Kunstlaufes<br />
und aller sonstiger Sportzweige, die sich<br />
das « schwache Geschlecht» bereits eroberte,<br />
geniessen kaum weniger Weltruhm als jene<br />
vom « starken Geschlecht». Der Name der<br />
göttlichen Suzanne war in aller Mund und der<br />
ihrer Nachfolgerin Helen Wills ist nicht minder<br />
berühmt; ihren Reisen wird kaum weniger<br />
Beachtung geschenkt als früher jenen der<br />
berühmtesten Potentaten. Die Kanalbezwingerinnen<br />
Ederle, Gleitze und Corson wurden<br />
wohl mehr gefeiert als die bedeutendsten<br />
Vorkämpferinnen der Frauenbewegung auf<br />
sozialem Gebiete, und das Bild der bezaubernden<br />
Kanadierin Catherwood, die in Amsterdam<br />
den olympischen Lorbeer errang,<br />
indem sie sich als das leichtbeschwingteste<br />
weibliche Wesen der Welt zeigte und das<br />
Hochspringen gewann, machte die Runde<br />
durch sämtliche illustrierten Journale der<br />
Welt. Die in Amerika naturalisierte Schwedin<br />
Martha Norelius schwamm mit dem nordischen<br />
Triton Arne Borg um die Wette um<br />
den Erdball, Helene Mayer, die beste « zarte<br />
Klinge » der Welt, wurde Olympionikin nicht<br />
nur zur Freude Deutschlands, sondern auch<br />
zum grossen Jubel ihrer Kolleginnen, die<br />
noch die Schulbank drückten und die Oesterreicherin<br />
Helma Szabo war lange Jahre Königin<br />
des Eises, bis sie diese Würde dem<br />
jungen nordischen Wunder Sonja Henie überliess.<br />
Der Herbst<br />
und die<br />
Mode<br />
Drei typische englische<br />
Modelle für Stiasse und<br />
Sport.<br />
Im Reiche des Sports, wo Kraft und Schönheit<br />
friedlich gepaart sind, gibt es ein reiches<br />
Betätigungsfeld für die Jugend. Mögen<br />
die Frauen ihren männlichen Kameraden mehr<br />
das Gebiet des Kampfes überlassen und sich<br />
selbst mit dem Rhythmus der Schönheit bescheiden,<br />
dann wird ihnen der Sport das<br />
bringen, was sie von ihm erhoffen : ewige<br />
Jugend.<br />
Mussolini und das Dienstmädchen.<br />
Die zwanzigjährige Hausgehilfin Maria<br />
Testa in Tortona hatte von den Bestrebungen<br />
Mussolinis gehört, die Zahl der Eheschliessungen<br />
in Italien und damit auch die Zahl<br />
der Geburten zu erhöhen. Sie richtete nun<br />
einen Brief an den Duce, der nunmehr in<br />
italienischen Blättern veröffentlicht und besonders<br />
wegen seines Erfolges lebhaft kommentiert<br />
wird. In diesem Schreiben heisst<br />
es unter anderem: «Euer Exzellenz! Ich bin<br />
jung, blond, gesund und stark, so dass ich<br />
dem Vaterland Söhne schenken könnte. Ich<br />
möchte mich gern verheiraten, habe aber<br />
kein Geld, um mir die unumgänglich notwendige<br />
Ausstattung anschaffen zu können.<br />
Ich wende mich an ihre Grossherzigkeit und<br />
stets bewährte Freigebigkeit. Helfen Sie mir<br />
und ich werde das Versprechen, das ich dem<br />
Vaterlande gebe, pünktlich einhalten.» Der<br />
Regierungschef Hess auf Grund dieses einzigartigen<br />
Gesuches den Fall prüfen. Die<br />
Angaben der Maria Testa erwiesen sich als<br />
richtig und das heiratslustige Mädchen bekam<br />
tatsächlich das nötige Geld von der<br />
Gemeinde, um sich die entsprechende Ausstattung<br />
anschaffen zu können.<br />
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