28.02.2018 Aufrufe

E_1929_Zeitung_Nr.093

E_1929_Zeitung_Nr.093

E_1929_Zeitung_Nr.093

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bern, Dienstag 29. Oktober <strong>1929</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" Nr. 93<br />

Im heutigen<br />

99Autler-Feierabend":<br />

Seit«<br />

Ford über Prohibition 13<br />

China 14<br />

Die Bobbics 14<br />

Sterben die Indianer aus ? 14<br />

Die Seite der Frau<br />

Frau oder Fräulein ? 15<br />

France, pays de la gourmandise 1 15<br />

Nieder mit dem langen Kleid ! 15<br />

Wie meine Romane entstehen 15<br />

Die Herrensportmode im Winter 16<br />

Die kleinen Geschichten 16<br />

Humor 17<br />

Die Alpenstrassen 18<br />

Tourensprechsaal 18<br />

Unser Ergänzungsrätsel 18<br />

Der Kranke<br />

Von Gerhard Schake.<br />

Schubrunow, der frühere Postmeister, der<br />

sich von seinen Ersparnissen und den kleinen<br />

und grossen Summen, mit denen man ihn<br />

bestochen, nicht weit von Odessa ein Landhaus<br />

gekauft hatte, lebte nicht in der Ruhe<br />

dahin, die ihm nach den aufreibenden Jahren<br />

des Postdienstes — aufreibend deshalb, weil<br />

man nicht über all den kleinen Betrügereien<br />

ertappt werden durfte — zu gönnen gewesen<br />

wäre. Er war voll Angst, Diebe und Räuber<br />

könnten ihm nachts und heimlich das Wenige<br />

rauben, das er sich selbst zusammengestohlen<br />

hatte. Er war ja nun auch schon fünfzig<br />

Jahre alt geworden, und in diesem Alter pflegen<br />

selbst einfältige Leute nachdenklicher zu<br />

werden, sich mit dem zu beschäftigen, was<br />

sein wird, wenn sie nicht mehr sind. Die<br />

Möglichkeit, eine ausgleichende Gerechtigkeit<br />

körinte auch ihn strafen dafür, dass er Arme<br />

und Reiche, die sich seiner Posthalterei anvertrauten,<br />

geschröpft, bestohlen und betrogen,<br />

dass er den Staat um vielerlei kleine<br />

Beträge geprellt hatte, diese Möglichkeit Hess<br />

ihn naphts nicht zur Ruhe kommen. Sein Garten<br />

war mit einem Zaun aus Stacheldraht<br />

umgebfcn, an Türen unü Fenstern, selbst in<br />

den Kaminen und Schornsteinen liess er tönende<br />

Signalglocken, Sirenen und Alarmapparate<br />

anbringen. Sogar Hunde kaufte er,<br />

bissige, auf den Mann dressierte Bluthunde,<br />

er, Schubrunow, kaufte Hunde, er, der kein<br />

Tier leiden mochte. Und im Garten legte er<br />

Fallen und Selbstschüsse.<br />

Seine Frau betrachtete dieses kindische<br />

Treiben, wie sie es nannte, mit scheelen Augen,<br />

und ihre Mutter, die mit im Hause lebte,<br />

unterstützte sie darin. Sie liess nicht nach, zu<br />

hetzen, dass man es doch jetzt, in diesem<br />

herrlichen Hause, so gut haben könnte, wenn<br />

der Mann, dieser törichte Schubrunow, nicht<br />

ein so sinnloses Betragen zur Schau tragen<br />

würde.<br />

Schubrunow selber spürte nichts von dem,<br />

was um ihn vorging, merkte nicht, wie Frau<br />

und Schwiegermutter gehässiger noch sein<br />

Treiben verfolgten und bekrittelten, ja, er<br />

merkte auch dann noch nichts, als selbst die<br />

Kinder, die schon an die zwanzig Jahre<br />

zählten, sich gegen den Vater auflehnten.<br />

Man hätte ihm vielleicht mit Güte die fixen<br />

Ideen ausreden können, hätte ihn überzeugen<br />

können,,, dass es selbst für die geschicktesten<br />

Diebe unmöglich wäre, bis in sein Schlafzimmer<br />

zu dringen.<br />

Aber keiner hatte ein gütiges oder verstehendes<br />

Wort für den Alten. Man sah ihn im<br />

eigenen Hause schief* an, man belustigte sich<br />

offen über ihn, verspottete ihn, und als das<br />

seine Verbissenheit in die krankhafte Idee<br />

nur steigerte, behandelte man ihn skruppellos<br />

als Schwachsinnigen.<br />

Und eines Tages geschah das: Rusia, die<br />

jüngste Tochter, trat, weil man sich im Garten<br />

nicht mehr auskannte, in eine der Fallen<br />

und brach ein Bein. Da hätte man das Geschrei<br />

und Gezeter der Weiber hören sollen!<br />

Da war kein Schimpfwort zu schlecht für den<br />

Alten. Da weigerte sich selbst die Magd, ihm<br />

das Essen zu bringen. Die Frau schrie und<br />

gebärdete sich, als läge sie in Krämpfen. Die<br />

Schwiegermutter lief ins Dorf und tratschte<br />

das Geschehnis aus. Nun wurde Schubrunow<br />

allgemein für verrückt gehalten.<br />

Auch für Schubrunow mehrten sich die<br />

Qualen. Er hatte nachts seine Gesichter deutlicher<br />

denn je, sah, wie Räuber das Haus<br />

plünderten, seine Frau prügelten und ihn<br />

töteten. Er schrie um Hilfe, dass das ganze<br />

Haus zusammenlief. Jeden Morgen erwachte<br />

er schweissgebadet, war schwach und hilflos<br />

wie ein Kind. Er nahm seine Pistolen mit ins<br />

Bett, um sich im Notfall seiner Haut wehren<br />

zu können und die Hunde mussten vor seiner<br />

Tür schlafen. Trotzdem Hessen die Aengste<br />

nicht nach. Dabei wurde der alte Schubrunow<br />

hinfällig.<br />

Die Schwiegermutter erklärte eines Abends,<br />

diesen Jammer nicht länger mit ansehen zu<br />

können. Am andern Morgen reiste sie nach<br />

Odessa. Schubrunow gewahrte in den Mienen<br />

der Seinen etwas Hämisches, Hinterlistiges<br />

und fürchtete sich noch mehr. Am übernächsten<br />

Morgen kehrte die Schwiegermutter in<br />

Begleitung von drei Männern zurück. Aerzte<br />

sind's, sagte sie, die dich untersuchen sollen.<br />

Schubrunow, selbst überzeugt, schwer krank<br />

zu sein, liess sich willig untersuchen und<br />

wurde erst gewahr, in welche Falle er gegangen,<br />

als ihm die Männer eine Zwangsjacke<br />

überstreiften. Er tobte und brüllte. Es half<br />

ihm nichts. Die Familie stand schweigend um<br />

ihn. Wie erlöst blickten sie ihm noch, als er,<br />

auf einen Karren geladen, davongefahren<br />

wurde. Ins Irrenhaus.<br />

Die Aerzte hatten Schubrunow für unheilbar<br />

erklärt.<br />

Die Familie atmete auf und gedachte, es<br />

sieh gut gehen zu lassen.<br />

In der Nacht, die diesem Tage folgte, überfiel<br />

eine herumstreifende Räuberbande Schubrunows<br />

Haus. Das Gesindel schlug die<br />

Frauen tot, nur Serje, der Sohn, entkam. Man<br />

plünderte den Hof aus und setzte den roten<br />

Hahn auf das Dach. Die Fammen loderten<br />

steil gen Himmel.<br />

Ob Schubrunow, schlaflos vor seinen Zellengittern<br />

stehend, den Feuerschein wohl gesehen<br />

hat ?<br />

Ohne Prohibition keine gründliche<br />

Arbeit, sagt Ford<br />

Der Autokönig über das Prohibitionsprobtem.<br />

«Was mich persönlich betrifft, so werde<br />

ich, wenn die Prohibition in Amerika jemals<br />

aufgehoben werden sollte, den Betrieb meiner<br />

Werke einstellen.»<br />

Dieses Ultimatum richtet Henry Ford in<br />

einem unlängst in der Zeitschrift «Pictorial<br />

Review» veröffentlichten Artikel. Und er<br />

fährt fort:<br />

«Ich würde mich nicht lange um das Problem<br />

sorgen, mehr als 200,000 Leute zu beschäftigen<br />

und zu versuchen, ihnen Löhne<br />

zu bezahlen, die ihnen in den Bars und<br />

Trinkstuben wieder abgenommen werden.<br />

Ich hätte wirklich kein Interesse, Wagen für<br />

eine Generation zu bauen, die sich dem<br />

Trunke ergibt;»<br />

Ohne die Prohibition, so erläutert' der<br />

grosse Industrieführer, dem wir die neuzeitlichen<br />

Produktionsmethoden verdanken, würde<br />

die Industrie wieder jenem Stadium zuneigen,<br />

in dem sie sich zu Anfang dieses<br />

Jahrhunderts befand. Ohne Prohibition würde<br />

ein© kurze Arbeitswoche, ein kurzer Arbeitstag<br />

nicht länger möglich sein. Ohne Prohibition<br />

wäre eine gründliche und wissenschaftliche<br />

Arbeit nicht möglich. Ohne die Prohibition<br />

würde der Arbeiter das Interesse an<br />

seiner Arbeit verlieren, würde aufhören, sich<br />

zu bemühen, sein Arbeitspensum zu bewältigen.<br />

Nach Henry Ford ist der Grund dafür,<br />

dass Amerika heute an der Spitze aller übrigen<br />

Industrieländer steht und dass es sich<br />

eines so grossen Wohlstandes erfreut —die<br />

Prohibition ! Das Ausland, so hebt er hervor<br />

— «braucht Amerika für seinen Markt, weil<br />

Amerika unter der Prohibition zum Geldgeber<br />

der übrigen Welt geworden ist. Die<br />

Länder, in denen noch kein Alkoholverbot<br />

besteht, sind zu verarmt, um aus eigener<br />

Kraft heraus zu gedeihen. Das ist das<br />

Todesurteil der Alkoholindustrie:<br />

sie richtet ihre eigenen Abnehmer, ihre Kunden<br />

zugrunde.»<br />

Für das geringe Quantum Alkohol, das<br />

heute noch in den Vereinigten Staaten konsumiert<br />

wird, tadelt der Automobilfabrikant<br />

die Frauen und Mütter Amerikas. Denn wie<br />

sie die Annahme des Prohibitionsgesetzes erkämpften,<br />

so können sie es auch erreichen,<br />

dass sich die Prohibition nicht nur bis zu 99,<br />

sondern auch bis zu 100 Prozent auswirkt.<br />

«Gerade heute ziert der Snob die erleuchteten<br />

Hallen und Clubs, aber schon ist er zu<br />

der Erkenntnis gelangt, dass es nicht mehr<br />

«smart» sei zu trinken. Gastgeberinnen, die<br />

nicht länger mehr wünschen, dass ihre Häuser<br />

allgemein als Stätten bekannt sind, in denen<br />

die Gesetze verletzt werden, haben viel<br />

dazu beigetragen, es unmodern zu machen,<br />

in Gesellschaften Getränke anzubieten. Ihrem<br />

Beispiel werden jene widerstandsfähigen<br />

Frauen folgen, die ihre modernen Gedanken<br />

aus gewitzten Magazinen schöpfen.<br />

Man wird deshalb kein Hurrahgeschrei anstimmen,<br />

keine öffentlichen Versammlungen<br />

abhalten, an die Moral appellieren oder dergleichen;<br />

alkoholische Getränke werden einfach<br />

von jeder Tafel mit andern Dingen verschwinden,<br />

die uns abträglich sind.<br />

Frauen schufen diese Reform,<br />

sie sind die Hauptalmosenempfänger, und sie<br />

würden die Hauptleidtragenden sein, wenn<br />

je die Prohibition in den Vereinigten Staaten<br />

aufgehoben würde; wenn sie nur das Gesetz<br />

in ihrem eigenen Heim verteidigen, so wollen<br />

wir uns wenig um andere Plätze kümmern,<br />

wo das Gesetz verletzt wird — auch sie<br />

werden automatisch der Reihe nach aufhören<br />

zu bestehen. Ohne die heilsame Wirkung<br />

der Prohibition könnten wir nur mit<br />

zwei oder drei Arbeitstagen in der Fabrik<br />

pro Woche rechnen, und das würde zur Aufhebung<br />

der verkürzten Arbeitszeit und der<br />

Fünftagewoche führen, die unsere Industrie<br />

eingeführt hat.»<br />

Als der Arbeiter zwei- öder dreimal in der<br />

Woche trank, musste die Industrie auf dem<br />

10- oder 12-Stundentag und auf sechs oder<br />

sieben Arbeitstage bestehen. Ist aber der Arbeiter<br />

nüchtern, so kann er seinen Achtstundentag<br />

und seine Fünftagewoche bei dem<br />

gleichen oder sogar noch höheren Lohn haben.<br />

Man verwechsle Benzin nicht mit Alkohol,<br />

das ist die ganze Frage. Trunkenheit vereinbart<br />

sich nicht mit der Industrie und den<br />

Anforderungen, die sie an jeden einzelnen<br />

stellt. Ich könnte keinen Wagen bauen, der<br />

rund 200,000-Meilen läuft, wenn die Arbeiter<br />

betrunken wären, weil ich in diesem Falle<br />

-nicht auf gewissenhafte Arbeit zählen könnte,<br />

und ohne gewissenhafte Arbeiter könnte ich<br />

keine Präzision der Arbeit erzielen, selbst<br />

nicht mit der erforderlichen Maschinerie,<br />

weil heute mehr Arbeiter an der Maschinerie,<br />

die jeden einzelnen Teil des Wagens<br />

herstellt, beteiligt sind, als Arbeiter, die den<br />

Wagen selbst bauen. Um die Maschinerie<br />

den Erfordernissen der Zeit anzupassen und<br />

Sie, wie man zu sagen pflegt, gut laufen zu<br />

lassen, ist es erforderlich, dass der Maschinist<br />

erhöhte Geschicklichkeit beweist. In betrunkenem<br />

Zustand wäre der Arbeiter seinen<br />

Arbeiten nicht gewachsen, weil Trunkenheit<br />

die geistigen Kräfte untergräbt und<br />

zerstört. Sie verursacht das Gegenteil von<br />

Präzision: Ungenauigkeit und Ungeschicklichkeit,<br />

und wenn ein Mann nur mangel-<br />

Bahnhofstrasse 31<br />

Orell-Füssli-Hof<br />

Verunglückte Heimkehr<br />

Von Jochen.<br />

Ich bin schon lang nicht mehr zu, Haus ge»<br />

wesen,<br />

Nun sollt' ich wieder einmal gehn.<br />

Hab' kürzlich in der <strong>Zeitung</strong> gelesen,<br />

In Bern, da sei es letzt so schön.<br />

Es gäbe so schöne neue<br />

Und diesem Genüsse<br />

Die mal anzusehen<br />

Autobusse...<br />

Könnt' ich nicht widerstehn.<br />

Da fuhr ich hin und fühlte mich gleich sehr<br />

beklopft —<br />

Ich hatte auf einigen Fortschritt gehopft:<br />

Doch alles — vom Grössten zum' Kleinsten<br />

War noch ganz tüpfelgleich so wie einsten..,<br />

Was kann man da tätigen<br />

An solch' einem Ort ?<br />

Ich riss einen unflätigen<br />

Witz und fuhr gleich wieder fort.<br />

hafte Arbeit verrichtet, verliert er das Interesse,<br />

und das ist schliesslich das grösste<br />

Unglück, das ihm widerfahren kann.<br />

Es ist das<br />

Interesse am Leben<br />

und am Werk, das Arbeit schafft, das ganz©<br />

Völker lebensfähig erhält und die Tat*<br />

kraft und Begeisterung schafft, die notwendig<br />

ist, um Grosses zu vollbringen und neue<br />

Entdeckungen zu machen. Das ist es auch*<br />

weshalb wir in Amerika in der Neuzeit so<br />

grosse Fortschritte gemacht haben. Ein all-*-<br />

gemeines, reges" Interesse ist im Volke er*<br />

wacht. Man interessiert sich für alles, was<br />

des Interesses auf dieser Erde wert ist, anstatt<br />

müssig herumzulungern und sich den<br />

Geist mit Alkohol zu verdummen.»<br />

Henry Ford gibt in dem, erwähnten Artikel<br />

seiner Ueberzeugung Ausdruck, dass die Prohibition<br />

sich bereits zu 99 Prozent in' der<br />

Bevölkerng der Vereinigten Staaten ausgewirkt<br />

habe. «Die Freiheit: des Einzelnen - 1<br />

so schliesst er — ist durch den Verzicht deS<br />

amerikanischen Volkes auf Alkoholgenuss<br />

eine so grosse geworden, dass es . geradezu<br />

kindischen Eigensinn bedeutet, von einer<br />

Rechtsbeugung durch das Alkoholverbot zu<br />

reden. Ich glaube und bekenne mich zur<br />

persönlichen Freiheit, aber auf Grund meiner<br />

langjährigen Erfahrung darf ich wohl sagen,<br />

dass gerade alkoholische Getränke in allererster<br />

Linie die persönliche Freiheit stets<br />

denjenigen geraubt haben, die man gemeinhin<br />

als Trinker bezeichnet.»<br />

(Anglo American N. S. Copyright.)<br />

Auto-Hut in weichem Filz Fr. 16.75<br />

Dazu passende Filztasche Fr. 12.75<br />

MARIEANNY JUCKER-PETITPIERRE<br />

Rathausplatz 26<br />

Parterre u. 1. ttage

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!