E_1931_Zeitung_Nr.103
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10 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1931</strong> - N c 108<br />
Treib-, Heiz- and Schmieröl hydriert. Von<br />
deü vorgenannten vier Verfahren bilden<br />
allein die beiden katalytischen Hochdruckveri'ahren<br />
der J. G. seit längerer<br />
Zeit die Grandlage einer recht erfolgreichen<br />
Grossfabrikation.<br />
Hoch* und Niederdruckverfahren.<br />
Die Frage, ob es technisch und wirtschaftlich<br />
vorteilhafter ist, unter hohem<br />
oder niedrigem Druck Kohle zu verflüssigen,<br />
ist fcur Zeit noch nicht endgültig geklärt.<br />
Ein wesentlicher Vorteil des Hochdruckverfahrens<br />
ist darin zu erblicken,<br />
dass der Abbau der Kohle im Ofen weit<br />
stärker vor sich geht als bei Niederdruck,<br />
wie auch bei Hochdruck die nicht erwünschte<br />
Koksbildung vermieden wird.<br />
Beim Niederdruckverfahren gestaltet sich<br />
die Apparatur einfacher, anderseits können<br />
die anfangs hindernd aufgetretenen<br />
technischen Schwierigkeiten im Rahmen<br />
der Hochdruck-Apparatur heute als über*<br />
winden gelten. Die in der modernen Chemie<br />
heute mit im Vordergrund stehende<br />
Hydrierung oder Verflüssigung wurde<br />
1869 zum ersten Male von Berthelot durchgeführt,<br />
-welcher Kohle der Einwirkung<br />
von Jodwasserstoff aussetzte und hierbei<br />
eine petroleumähnliche Flüssigkeit gewann.<br />
Das Verfahren kam aber über ein<br />
wissenschaftliches Experiment nicht hinaust<br />
Emil Fischer war es dann, der darauf<br />
aufmerksam machte, dass eine Verkokung<br />
der Kohle unter Druck bei Anwesenheit<br />
von Wasserstoff flüssige Produkte<br />
lieferte. Bergius lieferte dann den<br />
Tatsachenbeweis, dass eine Anlagerung<br />
?on Wasserstoff an Kohle, letztere fein<br />
gepulvert und in Oel suspendiert, bei hoher<br />
Temperatur und bei hohem Druck<br />
möglich sei. Nach dem Bergius-Verfahren<br />
lassen sich aus 100 Kilogramm<br />
Kohle jedoch nur 15 kg Benzin, dazu 20<br />
Kilo Diesel- und ImprägnierÖl, 8 kg Heizöl,<br />
6 kg Schmieröl und einige andere Produkte<br />
gewinnen. Der Anfall von Koks ist<br />
nicht gering. Eine wirtschaftliche Verbesserung<br />
des Bergiusverfahrens erscheint<br />
wünschenswert.<br />
Das Problem der Katalysatoren.<br />
Im Jahre 1923 hat sich dann die J. G.<br />
Farbenindustrie der Kohleverflüssigung,<br />
tatkräftigst gewidmet, wobei ihr die Erfahrungen<br />
bei der Ammoniak-Katalyse<br />
nach dem Haber-Bosch-Verfahren sehr<br />
nützlich wurden. Bei dem katalytischen<br />
Hochdruckverfahren der J. G. spielen die<br />
Katalysatoren oder Kontakte eine wichtige<br />
und entscheidende Bolle. Die bis dahin<br />
bekannten Katalysatoren, welchen bei<br />
der Kohleverflüssigung die Aufgabe zufiel,<br />
grössere Moleküle zu spalten und<br />
gleichzeitig an die Spaltstücke Wasserstoff<br />
in der erforderlichen Weige anzulagern,<br />
also zu hydrieren, waren für diese<br />
Zwecke nicht zu verwenden, so dass es<br />
einer sehr eingehenden Forschertätigkeit<br />
bedurfte, bis es gelang, einen brauchbaren<br />
Katalysator zu finden. Der Schwefelgehalt<br />
der Kohle, wie auch andere Verunreinigungen<br />
pflegten die anfänglich bekannten<br />
Katalysatoren zu vergiften, das heisst<br />
unwirksam zu machen. Inswischen ist es<br />
gelungen, sogenannte giftfeste Katalysatoren<br />
aufzufinden. Weitere Herstellungsfaktoren<br />
neben den Katalysatoren sind<br />
noch passende Wahl des Druckes, richtige<br />
Temperatur, die Gasgeschwindigkeit und<br />
einige weitere Faktoren. Im übrigen sind<br />
die überaus verwickelten chemischen Vorgänge<br />
der Kohlenverflüssigung in ihren<br />
Einzelheiten noch nicht restlos geklärt.<br />
Fabrtkatorlsche Benzinsynthese.<br />
Eine vorbildliche Anlage in der Gewinnung<br />
synthetischen Benzins haben wir in<br />
dem bekannten Leunawerk bei Merseburg<br />
vor uns, das als Rohstoff Braunkohle dortiger<br />
Gruben benutzt. Bei dem im Leunawerk<br />
üblichen Verfahren können wir vier<br />
Arbeitsschnitte unterscheiden, und zwar<br />
die Aufbereitung der Kohle, die Kohleverflüssigung,<br />
die Benzingewinnung und die<br />
Nachbehandlung des durch die Hydrier<br />
rung gewonnenen Benzins. Die zur Verflüssigung<br />
bestimmte Kohle wird zunächst<br />
zu einem Walzenbrecher geleitet,<br />
wo sie zu Nussgrösse zerkleinert wird. Die<br />
Niisskohle wird alsdann in einer Mühle<br />
mit Schweröl zu einem Brei zermahlen,<br />
angerieben, wie man sagt. Der so gewonnene<br />
Kohlebrei wird nach einem Silo gepumpt,<br />
wo eine nochmalige Verrührung<br />
mit Schweröl erfolgt. Bei dem Schweröl<br />
handelt es sich hauptsächlich um Kohlenwasserstoff«<br />
mit einer oberhalb 350 Grad<br />
Celsius Hegenden Siedegrenze. Die Gewinnung<br />
des Wasserstoffes erfolgt nach verschiedenen<br />
Verfahren; häuptsächlich<br />
kommt ein ähnliches Verfahren zur Anwendung,<br />
wie es bei der Ammoniaksynthese<br />
üblich ist. Die Gasgewinnung vollzieht<br />
sich in der Weise, dass man Wässergas<br />
katalytlsch mit Wasserdamßf zu Wasserstoff<br />
und Kohlensäure, umsetzte Durch<br />
Waschen mit Wasser bei 30 at wird dann<br />
die Kohlensäure entfernt, Nach der Kohlensäure-waschung<br />
wird das Gas dann auf<br />
200 at komprimiert.<br />
Im weiteren Fabrikätionsverlauf wird<br />
dann der Kohlebrei durch eine Presse<br />
gleichfalls auf 200 at gebracht; zugleich<br />
erfahren die beiden Reaktionsteilnehmer<br />
in Regeneratoren und Vorheizern eine<br />
Vorwärmung. Nunmehr wird der Kohlebrei<br />
und die beiden Reaktionsstoffe in den<br />
Hochdruckofen geleitet, um hier einer gegenseitigen<br />
Einwirkung ausgesetzt zu<br />
werden. Die HochdruckÖf6n, kurz Kohleöfen<br />
genannt, sind in ihrer Bauart starkwandige<br />
Stahlzylinder von etwa 18 m<br />
Höhe. Aus Gründen der Betriebssicherheit<br />
steht der Ofen samt seinen Vorheizern<br />
und Kühlern in hohen Betonkammern.<br />
Im Kohleofen entwickeln sich nun<br />
durch die Hydrierung hauptsächlich<br />
schwere Kohlenwasserstoffe, die Überwiegend<br />
in Dampffortn, zum kleineren Teil<br />
auch flüssig den Ofen verlassen. Die<br />
dampfförmigen Kohlenwasserstoffe werden<br />
gemeinsam mit dem nicht verbrauchten<br />
Wasserstoff in die Regeneratoren geleitet,<br />
wo sie zunächst abgekühlt und änschliessend<br />
hieran im Kühler kondensiert<br />
werden. Auf den Kühler folgt der Abscheider,<br />
der sogenannte Kobleabstreifer,<br />
wo die flüssigen Kohlenwasserstoffe von<br />
den etwa vorhandenen gasförmigen und<br />
dem Wasserstoff eine Trennung erfahren.<br />
Während das Gas seinen Weg zur Gasreinigung<br />
nimmt, leitet man die Produkte<br />
des Kohlenabstreifers zur Destillation, wo<br />
die Abscheidung in Schweröl, Mittelöl und<br />
Benzin zur Durchführung kommt. Während<br />
man das Schweröl zur Kohlenanreibung<br />
benutzt, leitet man das Mittelöl zum<br />
Benzinofenkreislauf und das Benzin selbst<br />
zur Raffination.<br />
Nebenprodukte des J.G.-Verfahrens.<br />
Der Kohleofeü liefert also hauptsächlich<br />
Mittelöl und erst bei der zweiten Hydrierung<br />
im Benzinofen wird aus dem<br />
Mittelöl Benzin hergestellt. Das Mittelöl<br />
wird durch eine Presspompe auf 200 at<br />
gebracht und hierauf mit Wasserstoff<br />
vereinigt. Das so hergestellte Gemisch<br />
läuft durch die Regeneratoren und den<br />
Vorwärmer zum Benzinofen. Hier sind es<br />
wieder Katalysatoren, welche eine weitere<br />
Spaltung bewirken und die Wasserstoffanlagerung<br />
veranlassen. Ein flüssiges<br />
Produkt wird im Benzinofen nicht erviolmehr<br />
nehmen die Reaktionsprodukte<br />
ihren Weg zu den Regeneratoren<br />
und Kühler zum Benzinabstreifcr,<br />
worauf dann im weiteren Verlauf die<br />
flüssigen Teile zur Destillation und<br />
die gasförmigen Teile zur Gasreinigung<br />
gelangen. In der Destillation findet dann<br />
eine Zerlegung der Benzinabstreiferprodukte<br />
in Mittelöl und Benzin statt.<br />
Schliesslich kommt das so gewonnene<br />
Benzin zur Raffination. Letztere hat<br />
hauptsächlich die Aufgabe, saure, alkalische,<br />
insbesondere färbende Bestand«<br />
teile aus dem Benzin zu entfernen, was<br />
durch Natronlauge, Schwefelsäure und<br />
Nachwaschen mittelst Wasser geschieht.<br />
Das fertige Benzin wird dann in Lagertanks<br />
geleitet, von wo aus dann die Verfrachtung<br />
durchgeführt wird. In der Beschaffenheit<br />
und seinen Eigenschaften<br />
entspricht das synthetische Benzin einem<br />
besten Erdölbenzin, vorteilhaft daduroh<br />
ausgezeichnet, dass das synthetische Benzin<br />
sich durch eine stete Gleichmässigkeü<br />
in seiner Güte auszeichnet.<br />
Benzinsynthese als Grossindustrie. (<br />
Der Wert jeder Erfindung wird schhesslieh<br />
durch den von ihr ausgehenden und<br />
zu erwartenden Nutzen bestimmt. Die in<br />
der ersten Entwicklung stehende Grosserzeugung<br />
synthetischen Benzins stellt jedenfalls<br />
eine der stärksten wirtschaftlichen<br />
Hoffnungen Deutschlands dar, an<br />
deren schnellster Erfüllung rastlos gearbeitet<br />
werden muss. Deutschland verfügt<br />
über reiche Kohlenlager. Nach vorliegenden<br />
Berechnungen sind nur 2 Prozent der<br />
deutschen Kohlenförderung erforderlich,<br />
um die gesamte Einfuhr Deutschlands an<br />
Erdölprodukten auf dem Wege des Ersatzes<br />
durch die Hydrierung zu decken,<br />
also nicht nnr Benzin allein. Von einer<br />
Gefährdung der sehr reichen Kohlenschätze<br />
durch das synthetische Benzin<br />
kann also bei dieser Sachlage nicht gesprochen<br />
werden. Berücksichtigt man<br />
weiter, dass der deutsche Motorwagenverkehr<br />
in den letzten Jahren durchschnittlich<br />
etwa 800,000 bis 900,000 Tonnen Benzin<br />
verbrauchte, von welcher gewaltigen<br />
Summenur etwa ein Achtel durch syntheti*<br />
sches, also deutsches Benzin gedeckt<br />
wurde, der Löwenanteil der Benzineinfuhr<br />
aber an Amerika fiel, so erkennt man<br />
deutlich, wie wünschbar die rascheste<br />
Entwicklung der synthetischen Benzinherstellung<br />
zur Grossindustrie ist. Hier<br />
ist zugleich ein Weg gewiesen, um der katastrophalen<br />
Arbeitslosigkeit zti steuern<br />
Voi'siciitag*©<br />
Fächleute und Autobesitzer hüten sich vor<br />
nicht durehgepiüften Akkumulatorenmarken<br />
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