E_1933_Zeitung_Nr.039
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N° 39 - <strong>1933</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />
runden zu haben, die der Wirtschaft namentlich<br />
in Zukunft von Nutzen sein kann. Voraussetzung<br />
ist aber, dass die rechtlichen und<br />
wirtschaftlichen Bindungen, die das Automobil<br />
auf sich nimmt, durch die Freiheit in<br />
der technischen Entwicklung kompensiert<br />
werden.<br />
Eine andere Gefahr, auf die in der Sitzung<br />
der schweizerischen Handelskammer aufmerksam<br />
gemacht worden ist, liegt in der Bureaukratisierung<br />
des Automobiltransportgewerbes,<br />
wenn es unter dem Regime eines Konzessionsgesetzes<br />
in eine grosse Gesamtorganisation<br />
mit bestimmten Rechten und Pflichten zusammengefasst<br />
wird. Dieser Gefahr glauben<br />
wir genügend zu begegnen, wenn wir verlangen,<br />
dass die Autotransportorganisation eine<br />
privatwirtschaftliche Vereinigung ist, die von<br />
der Eisenbahn-verwaltung nicht majorisiert<br />
werden kann. Einen gewissen Grad von Unabhängigkeit<br />
werden wir in den Verhandlungen<br />
mit der Bahn nicht preisgeben. Auch in<br />
der Freiheit der einzelnen Mitglieder dieser<br />
Vereinigung bei der Gestaltung der Anstellungsverhältnisse<br />
ihres Personals wird eine<br />
Garantie vor den Nachteilen, die dem heutigen<br />
Eisenbahnbetrieb anhaften, liegen.<br />
Für, die Volkswirtschaft entscheidend ist,<br />
ob die vorgeschlagene Verkehrsteilung den<br />
Transport der Ware überall hin zu den geringsten<br />
Kosten gewährleistet. Dabei müssen<br />
-selbstverständlich die Verkehrsmittel Eisenbahn<br />
und Auto existieren und sich selbst ertialten<br />
können; sie dürfen der Oeffentlichkeit<br />
an keiner Form zur Last fallen. In diesen<br />
nüchternen Feststellungen liegt das Resultat,<br />
das durch eine vernünftige Zusammenarbeit<br />
von Eisenbahn und Automobil erreicht weriden<br />
soll.<br />
Der Standpunkt der Bahnen.<br />
Aus dem Referat von Dr. Schrafl.<br />
Der von der Zürcher Volkswirtschaftlichen<br />
Gesellschaft auf den 3. Mai a. c. einberufene<br />
Diskussionsabend über das obige Thema sah<br />
vorerst Dr. Schrafl am Rednerpult, der in<br />
kurzen, prägnanten Ausführungen vor der<br />
zahlreich erschienenen Hörerschaft, worunter<br />
sich Zürichs prominente Vertreter von<br />
Handel und Industrie befanden, über die Stellungnahme<br />
der Eisenbahnen zur Automobilkonkurrenz<br />
referierte. Einleitend bemerkte<br />
der Sprechende, dass er hier nicht einseitige<br />
Interessen der Verwaltung vertrete, sondern<br />
in saehgemässer Weise zu diesem VerkehrsproWem<br />
Stellung nehmen wolle. Weiter<br />
.macht er die Einschränkung, dass seine Ausführungen<br />
lediglich auf den Güterverkehr<br />
Bezug hätten.<br />
In einem kurzen historischen Ueberblick<br />
wurde die Entwicklung der Konkurrenzierung<br />
der Eisenbahnen durch das Automobil skizziert,<br />
wie sie namentlich nach dem Kriege<br />
überall anzutreffen war. Diese Entwicklung<br />
wurde beschleunigt durch die kleinen Erfordernisse<br />
an Kapitalien für das Auto, während<br />
umgekehrt die Eisenbahnen als sehr kapitalintensive<br />
Betriebe zu bezeichnen sind.<br />
Der neue Konkurrent traf die Eisenbahnen<br />
deshalb schwer, weil diese mit verschiedenen<br />
Lasten, die sich z. T. aus der Kriegswirtschaft<br />
ergeben haben, behindert waren,<br />
so dass man diesen Kampf als eine mit ungleichen<br />
Waffen durchgeführte Auseinandersetzung<br />
ansprechen muss. In wenigen Jahren<br />
entstand so eine Hypertrophie der<br />
Transportmittel. Heute gilt es die Frage zu<br />
stellen, was daraus geschehen soll.<br />
Im weitern skizzierte Dr. Schrafl die seitens<br />
der S. B. B. durchgeführte Organisation<br />
der gegen das Automobil gerichteten Abwehrkämpfe,<br />
angefangen mit der im Herbst<br />
1926 vollzogenen Gründung der SESA über<br />
die ASTO bis zu den heutigen Verhandlungen<br />
mit den Automobilinteressenten. Was<br />
die SESA anbetrifft, so konnte man dafür<br />
den alten Beamtenapparat nicht verwenden,<br />
weil diesem Unternehmen ein mehr privatwirtschaftlicher<br />
Charakter verliehen werden<br />
musste. Auch galt es, an die Spitze dieser<br />
Schweiz. Express A.-G. Leute zu stellen, die<br />
geeignet waren, einen engen Kontakt zwischen<br />
Transportgewerbe und Verfrachter<br />
herzustellen. Nach Ansicht des Referenten hat<br />
die SESA das ihr gesteckte Ziel erreicht<br />
und allgemein wird dieses Unternehmen In<br />
der Wirtschaft gebührend geschätzt. Dieselbe<br />
stellt gegenwärtig diejenige Organisation<br />
dar, die im Gesamttransportwesen unseres<br />
Landes über die grössten Erfahrungen<br />
verfügt. Bald zeigte es sich, dass die SESA<br />
nicht genügte, um die sich herausgebildete<br />
Transportmittelhypertrophie in richtige Bahnen<br />
lenken zu können.<br />
Als weiterer Schritt im Abwehrkampf gegen<br />
das Automobil wurde seitens der S.B.B,<br />
die bekannte Brochüre: « Caveant consules »<br />
herausgegeben, worin unsere Staatsbahnverwaltung<br />
den Standpunkt vertrat, dass der<br />
gesunde Fortschritt im Verkehrswesen nicht<br />
untergraben werden solle, doch gelte es auch<br />
die grossen, in den Bahnanlagen investierten<br />
Kapitalien zu sichern. Der Referent bemerkte,<br />
dass sich mancher Verfrachter durch<br />
den momentanen Vorteil täuschen lasse,<br />
ohne dabei zu bedenken, dass die S. B. B.<br />
dennoch die Rechnung in irgendeiner Form<br />
wieder präsentieren werden und müssen.<br />
Tatsache sei auch, dass es den Eisenbahnen<br />
durch Wegnahme der hochtarifierten Güter<br />
nicht möglich sei, einer Tarifsenkung für<br />
Massengüter zuzustimmen.<br />
Am 7. Feibruar <strong>1933</strong> wurde durch die<br />
S.B.B. dem Bundesrate eine neue Broschüre<br />
über das Verhältnis und über die Konkurrenzlage<br />
Eisenbahn/Automobil zugestellt, weil<br />
die erste grosse Veröffentlichung « Caveant<br />
consules» nicht die erwünschte Aufmerksamkeit<br />
weiter Kreise zu erregen vermochte.<br />
Die Broschüre verdankt ihre Ablehnung der<br />
Ansicht, dass sie als Parteischrift der S.B.B,<br />
zu qualifizieren sei. Aus diesem Grunde<br />
sahen sich die S. B. B. denn auch veranlasst,<br />
weitere Abwehrmassnahmen zu erzreifen. In<br />
jenem Zeitpunkt stand man in den Beratungen<br />
über das neue Automobilverkehrsgesetz<br />
und es wurde den Bahnen nahegelegt, die<br />
Durchführung: des am 1. Januar <strong>1933</strong> in Kraft<br />
getretenen Gesetzes nicht durch Sonderaktionen<br />
zu stören. Damit entstanden im Abwehrkampf<br />
für die Bahnen neue Zeitverluste.<br />
Um auch die Wissenschaft izunT Worte<br />
kommen zu lassen, wurde Prof. Saitzew<br />
(Universität Zürich) um objektive Meinungsäusserung<br />
gebeten. Seine im letzten Herbst<br />
erschienene Schrift : « Die volkswirtschaftlichen<br />
Aufgaben und die wirtschaftspolitische<br />
Behandlung der Eisenbahnen» dürfte ihre<br />
aufklärende Wirkung nicht verfehlt haben.<br />
Aber auch die Interessenten des Automobils<br />
sind nicht untätig geblieben; sie verfügen<br />
über eine rührige Presse und haben auch die<br />
Zentralstelle zur Verteidigung der Automobilinteressen<br />
gegründet. Schliesslicih siegte<br />
doch beidseitig die bessere Einsicht, um so<br />
mehr als äussere Verhältnisse die Verständigung<br />
der Konkurrenten erleichtern halfen. Als<br />
der Vorort des schweizerischen Handels- und<br />
Industrievereins die Anregung einer Verständigung<br />
auf der Basis einer angemessenen<br />
Verkehrsstellung machte, fielen seine<br />
Anregungen auf fruchtbaren Boden. Wie ist<br />
nun überhaupt eine Verständigung möglich?<br />
Einer der grössten und unbestrittensten<br />
Vorteile des Automobils liegt in seiner grosstn<br />
Beweglichkeit und in dieser Tatsache<br />
haben wir auch den Grund dafür zu suchen,<br />
dass der heutige Automobiltransoort bis auf<br />
grosse Entfernungen noch rationell arbeiten<br />
fclnri. Es galt deshalb für die Bahnen, die<br />
Frage zu prüfen, ob durch Schaffung einer<br />
Organisation diese dem Automobil,anhaftenden<br />
Vorteile nicht auch für die Bahnen erreicht<br />
werden könnten. Diesem Gedanken<br />
verdankt die ASTO ihre Entstehung, welche<br />
bekanntlich auf der Versuchsstrecke Winterthur-Romanshorn<br />
seit ungefähr zwei Jahren<br />
praktische Erfahrungen zu sammeln<br />
suc'ht. Durch diese Massnahme lassen sich<br />
bei der Eisenbahn grosse Einsparungen erzielen;<br />
zudem erreicht man eine Beschleunigung<br />
der Güterzüge und es ist auch eine<br />
Tarifsenkung für den Zustelldienst hierdurch<br />
ermöglicht worden. Die bisherigen Versuche<br />
haben einen recht befriedigenden Verlauf<br />
genommen. Der Referent hob namentlich die<br />
enge Zusammenarbeit zwischen Staatsbetrieb<br />
und Privatwirtschaft hervor, die sich<br />
in der ASTO ergab. Das angestrebte Ziel<br />
der Hausbedienung durch die Bahnen sei erreicht<br />
worden, so dass die Generaldirektion<br />
der S.B.B, beschlossen habe, diesen Versuch<br />
auch auf die Strecken Romanshorn-Rorschach,<br />
St. Gallen-Zürich und Genf-Lausanne<br />
auszudehnen. Als weiterer Schritt im Verteidigungskampf<br />
schwebt den S. B. B. vor,<br />
die ganze Schweiz mit einem derartigen<br />
Bedienungsnetz zu erfassen. Dabei würden<br />
auf 2800 km S.B.B.-Netz 490—500 Lastwagen<br />
und 400 Anhänger kommen. Jährlich<br />
müssten 10—12 Millionen Motorwagenkm.,<br />
d. h. pro Wagen ca. 24,000 km geleistet werden..<br />
Durch eine derartige Organisation<br />
würden 4000 bis heute nicht an die Eisenbahn<br />
angeschlossene Ortschaften und Weiler<br />
mit dieser verbunden werden. Der für eine<br />
derartige Einrichtung benötigte Personalbestand<br />
stellt sich auf 900—1000 Mann. Die<br />
Kosten für die Autotransporte können jährlich<br />
mit 10—11 Millionen Fr. eingesetzt werden,<br />
wogegen an Camionnagegebühren nur<br />
2 Millionen Fr. herausgewirtschaftet werden<br />
könnten. Dagegen würden sich bei den Eisenbahnen<br />
Einsparungen ira Betrage von<br />
rund 6,5 Millionen Fr. ergeben, so dass ein<br />
Restdefizit von 2,5 Millionen Fr. resultieren<br />
dürfte. Ein Ausgleich müsste aber schon dadurch<br />
geschaffen werden, dass durch diese<br />
ausgedehnte Transportorganfeation der<br />
Schiene verlorengegangene Güter wieder<br />
zugeführt und zudem der Güterverkehr eine<br />
nicht unwesentliche Beschleunigung erfahren<br />
würde.<br />
(Schluss des Berichtes in Nr. 40.)<br />
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