E_1933_Zeitung_Nr.070
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14 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1933</strong> - 70<br />
mer herrlicheren, immer überraschenderen<br />
Strahlengarben.<br />
Dann gab es den Maiball im Vereinshaus.<br />
Benita hatte noch nie einen Ball<br />
besucht und machte sich die verwegensten<br />
Vorstellungen davon. Tanzen könne sie —<br />
sie hätte sich darin bereits auf mehreren<br />
Sportfesten geübt. Sie übernähme es sogar<br />
ruhig, einen Dauertanz zu veranstalten,<br />
so sechs bis sieben Stunden in einem Atem<br />
— o, sie hätte ein kräftiges Herz! Und<br />
Tanzen ermüde doch nicht!<br />
Ich zweifelte daran, ihren Anforderungen<br />
gewachsen zu sein. Ich befürchtete,<br />
sie würde sich am Ende mit mir langweilen.<br />
Ich sprach mit meiner Mutter.<br />
« Lade doch den jungen Maler aus Oslo<br />
ein », riet sie mir, «du wolltest dich doch<br />
ohnehin seiner annehmen.»<br />
Merkwürdig, dass mir das nicht früher<br />
eingefallen war! Oslo gab doch für die<br />
beiden gleich eine nette Anknüpfung!<br />
Kurz vor dem Ball reiste meine Mutter<br />
zur Kur ins Ausland.<br />
Er sah sehr gut aus, der junge norwegische<br />
Maler: gross, schlank und blond.<br />
Auch er trug das Sportabzeichen. Darüber<br />
hatten die zwei sich allerhand zu berichten.<br />
Er tanzte, wie es seinen Jahren entsprach.<br />
Benita war hingerissen. Sie dankte<br />
mir. Immer wieder. Es wäre unirdisch,<br />
so über alles Sagen schön, beteuerte sie.<br />
Sie tanzten unentwegt, während ich, am<br />
Tisch sitzend, ihnen die Plätze frei hielt<br />
und dauernd für erfrischende Getränke<br />
Sorge trug. Dazwischen schenkte Benita<br />
mir einen langsamen Walzer. «Danke»,<br />
sagte sie unvermittelt mit entzücktem<br />
«Ich glaube wohl.»<br />
«Du sprichst —?»<br />
«Französisch, Englisch — allerdings mit<br />
amerikanischem Akzent. Russisch, Schwedisch<br />
und Italienisch. Spanisch und Portugiesisch.»<br />
«Also — du wirst dich nicht ärgern, Eberhard?»<br />
«Ich bin doch kein Kind, Egbert! Das Aergern<br />
habe ich mir längst als unzweckmässig<br />
abgewöhnt. Ich bin nur gespannt.»<br />
Der Major gab sich einen Ruck. «Weisst du,<br />
was die Abteilung III B ist?»<br />
Aufbliek und schmiegte sich dicht an<br />
mich.<br />
Der Maler musste das Fest schon vor<br />
Schluss verlassen. Ich fragte Benita, ob<br />
auch wir gehen sollten. O nein, nun sei sie<br />
so ins Tanzen hieingeraten, nun wolle sie<br />
nicht fort. Und wir tanzten den ausgiebig<br />
langen Kehraus zusammen. Ich kann<br />
nicht leugnen, dass ich ein wenig atemlos<br />
war, worüber sie lachte.<br />
Als ich Benita nach Hause bringen<br />
wollte, lehnte sie sich an mich und bat:<br />
« Lass uns zu dir gehen. Ich bin noch gar<br />
nicht müde, und meine Leute schlafen...<br />
dann ist es immer so einsam dort.»<br />
Ich wollte sie daran erinnern, dass<br />
meine Mutter ja fort sei. Dann unterliess<br />
ich es und nahm sie mit.<br />
In jener Nacht blieb sie da...<br />
Nun wartete ich ihrer Abend für<br />
Abend. Aber sie kam nicht mehr. Benita,<br />
wo bleibst du? Benita, fühlst du nicht, wie<br />
meine Sehnsucht dich ruft, meine Liebe<br />
nach dir dürstet?<br />
Dann traf ihr Brief ein, kurz und unbeholfen.<br />
(Sie hatte mir einmal gestanden,<br />
dass sie das Schreiben verabscheue.) — Sie<br />
sei aufs Land gefahren, teilte sie mit. Sie<br />
hätte unbedingt hinaus gemusst aus Stadt<br />
und Staub. Es wäre ja Sommer, und da<br />
käme es immer über sie. Es wäre schön<br />
dort. Die Bäume wären gleich grünen<br />
Fackeln, und es wimmelte von Anemonen<br />
und Sternblumen ... Der Maler wäre übrigens<br />
auch da. Sie hätten sich schon auf<br />
dem Ball verabredet •..<br />
Meine Mutter kehrte aus dem Ausland<br />
«Abteilung IIIB — wart' einmal: ist das<br />
nicht das Spionagebureau?»<br />
«Die Nachrichtenabteilung, willst du sagen,<br />
Eberhard!»<br />
«Ein anderer Name für die gleiche Sache.<br />
— Nun — was ist es mit dieser ominösen Abteilung?»<br />
»Ich bin mit dem Chef dieser Abteilung befreundet,<br />
Eberhard. Es ist der Oberst Nicolai<br />
— du dürftest ihn kaum kennen. Ich habe<br />
einigen Einblick in die Arbeitsmethoden dieser<br />
Abteilung, und ich habe meine Ansicht<br />
über ihren Wert gründlich revidiert. In dieser<br />
Abteilung arbeiten nämlich auch sehr ehrenwerte<br />
Menschen. Du denkst natürlich:<br />
Spionage — das ist etwas Verächtliches. Man<br />
ist ja gewohnt, den Spion als ausserhalb der<br />
Gesetze stehend zu betrachten. Man hängt<br />
ihn kurzerhand auf, wenn man ihn erwischt,<br />
nicht wahr? Ich gebe zu, dass vielfach Leute<br />
sich zu diesem gefährlichen Beruf hergeben,<br />
die nicht mehr wert sind. Aber richtig gesehen,<br />
ist der Mann, der sich aus reinem Patriotismus<br />
bereitfindet, unter steter Lebensgefahr<br />
wichtige Erkundigungen in Feindesland<br />
oder in neutralen Ländern zu wagen,<br />
auch etwas wert. Was hältst du davon?»<br />
Eberhard Hatzberg dachte einen Augenblick<br />
nach. «Wenn ich dich recht verstehe»,<br />
sagte er dann, «schlägst du mir vor* fnioh<br />
etwa dieser Abteilung IIIB zur Verfügung zu<br />
stellen?»<br />
«Missversteh mich nicht, Eberhard! Ich<br />
schlage dir das nicht vor. Ich mache dich<br />
nur darauf aufmerksam, dass es nach meiner<br />
Meinung für dich weit besser und für das Vaterland<br />
weit nützlicher wäre, wenn du deine<br />
aussergewöhnlichen Sprachkenntnisse und<br />
deine doch gewiss grosse Gewandtheit im internationalen<br />
Verkehr nicht im Schützengraben<br />
verkommen Messest. Ueberleg dir das<br />
zurück. Wo Benita geblieben seit — Verreist.<br />
— 1 Wann sie wiederkehre? — Bald!<br />
Ach, war das ein Sommer! Die Wochen<br />
dehnten sich endlos zu den Sonntagen hin,<br />
und die Sonntage wurden Ewigkeiten in<br />
Erwartung und Verzicht. Wie still und<br />
verödet war es bei uns geworden, seit sie<br />
nicht mehr kam. Meine Mutter und ich<br />
wussten nicht, worüber wir sprechen sollten<br />
...<br />
Sie blieb den Juni über fort.. Auch den<br />
Juli und August. Der Sommer war heiss,<br />
schwül und niederdrückend.<br />
Als der erste Purpur ins Weinlaub<br />
stieg, stand sie eines Sonntags vor uns.<br />
Ihr Haar umfasste weich ihr liebes Antlitz,<br />
ihre Haut war braun wie Sepia, ihre<br />
Augen sanft wie die eines Rehs.<br />
T— Ja, sie fahre nun morgen mit dem<br />
Maler nach Oslo. Aber zuvor habe sie uns<br />
noch einmal wiedersehen wollen. Sie sei<br />
mir ja so dankbar — unaussprechlich<br />
dankbar... Sie wäre über alles Mass, über<br />
alles Begreifen glücklich! Vor einem Jahr<br />
hätte sie solchen Ueberschwang sich nicht<br />
träumen lassen!<br />
« Wirklich? » fragte ich. « Sagtest du<br />
damals nicht, dass du heiraten wolltest?»<br />
Sie lacht unbefangen und herzlich. « Ja<br />
— ja! Was ich für ein Schaf war damals!<br />
mal, und wenn du glaubst, den Gedanken<br />
nicht von vornherein abweisen zu sollen, dann<br />
bin ich gerne bereit, dich mit dem Obersten<br />
Nicolai bekanntzumachen, der sich zufälligerweise<br />
augenblicklich für ein paar Tage in<br />
Berlin aufhält. Gefällt dir die Sache nicht —<br />
der Schützengraben läuft dir nicht weg.»<br />
«Ich glaube, ich brauche keine besondere<br />
Bedenkzeit», sagte Eberhard Hatzberg nach<br />
einigem Zögern. «Es ist wohl möglich, dass<br />
ich wirklich Nützliches 'leisten könnte.<br />
Schliesslich habe ich ja auch noch soviel militärischen<br />
Blick, dass ich weiss, worauf es<br />
ankommt.»<br />
«Eben. Das ist es Ja. Allerdings: gefahrvoll<br />
ist dieser Dienst, und äussere Ehren sind<br />
kaum zu erringen.»<br />
«iDarart liegt mir nichts. Ganz ehrlich, Egbert:<br />
ich bin wirklich aus Liebe zum Vaterland<br />
zurückgekommen. Und —vielleicht kann<br />
man mich doch auch noch brauchen!»<br />
«Das meine ich auch.»<br />
«Mach mich also mit dem Oberst bekannt<br />
— vorausgesetzt natürlich, dass du nicht etwa<br />
meinetwegen Schwierigkeiten bekommst.»<br />
«Was denkst du — so ist es nun wieder<br />
Wie töricht, wie unwissend! Ein Balg! »<br />
Ich blicke sie an. Sie ist jetzt einundzwanzig<br />
Jahre alt und sieht aus wie fünfzehn.<br />
Ihre Wangen sind gerötet. Sie presst<br />
meine Hände.<br />
« Danke — » flüstert sie in hingebender<br />
Glut, « — o, danke — »<br />
Und nun habe ich die beiden hinausbegleitet,<br />
den jungen, blonden Maler aus<br />
Oslo und das Mädchen, welches den gleichen<br />
Namen trägt wie das Schiff — nein,<br />
wie der sehmale Rauchstreifen dort am<br />
Horizont, der sie immer weiter hinwegträgt.<br />
Sein Kurs geht, nach Oslo. Von dorther<br />
kam ich vor einem Jahr mit ihr...<br />
Benita — später Traum meines herbstlichen<br />
Lebens, nie noch träumte ich einen,<br />
der weher war.<br />
J.B.<br />
Der diesjährige Nobelpreis.<br />
Laut einem Bericht der Nobelstiftung werden<br />
die Nobelpreisgewinner in diesem Jahre<br />
1421 schwedische Kronen weniger erhalten,<br />
als die Preisträger im Jahre 1932. Jeder<br />
Preis wird in diesem Jahre 170.331 Kr. betragen.<br />
Die kleine Verminderung des Preises<br />
ist durch die Verschlechterung in der<br />
Verzinsung der Investierungen der Nobel-<br />
Stiftung hervorgerufen worden. Anderseits<br />
aber ist der Hauptpreisfond um rund 167,000<br />
auf 31,709,034 Kr. gestiegen. • Um.<br />
Die enttäuschte Schönheitskönigin.<br />
Frl. Raymonde Allain, die Schönheitskönigin,<br />
die sich Frankreich vor fünf Jahren erkor,<br />
hat ihre Memoiren herausgegeben. Titel:<br />
« Wahre Geschichte einer preisgekrönten<br />
Schönheit. > Von der triumphierenden<br />
Stimmung, die damals diese schönste Französin<br />
umgaukelte, ist nichts mehr zu merken.<br />
Man verlangte von ihr — so klagt Raymonde<br />
— mir ein mechanisches Puppenlächeln;<br />
von dem Augenblicke an aber, als sie<br />
künstlerischen Ehrgeiz verriet, wurde sie abgetan.<br />
Die schöne Raymonde ist der Ansicht,<br />
der ganze Schönheitskonkurrenzenrummel<br />
verderbe nur die Charaktere.<br />
(Merkt sie es auch schon ?) K.K.<br />
nicht! Einiges haben wir ja wohl in der letzten<br />
Zeit gelernt !><br />
«Gut! Ich will dich jetzt nicht länger stören<br />
...»<br />
«Ach — da sorg dich" nicht. Was ich hier<br />
mache, ist nicht so wichtig — jeder intelligente<br />
Kompagnieschreiber könnte das auch.<br />
Ich muss mich eben damit trösten, dass ich<br />
noch ein halber Krüppel bin. Wo bist du abgestiegen?»<br />
«In einem ganz kleinen Hotel in der Hedemannstrasse.<br />
.Qerolsteiner Hof oder so. Ich<br />
bin übrigens erst heute früh angekommen.»<br />
«Ich kann dich leider nicht bitten, mein<br />
Gast zu sein, denn ich wohne selber im Hotel.<br />
Im, .Preussischen Hof an der Königgrätzer<br />
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